Gefangen im galaktischen Nichts: 7 Science Fiction Romane - Wilfried A. Hary - E-Book

Gefangen im galaktischen Nichts: 7 Science Fiction Romane E-Book

Wilfried A. Hary

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Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer von Wilfried A. Hary: Begegnung mit einem Gott Gefangen im Nichts Der Sternenmoloch Bron Planet der verschwundenen Raumschiffe Der Verbrecher-Planet Kriegsspiele im All Er heißt John Willard. Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben. Die Macht über das Universum! Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen. Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER WELTEN...

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Wilfried A. Hary

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Inhaltsverzeichnis

Gefangen im galaktischen Nichts: 7 Science Fiction Romane

Copyright

Begegnung mit einem Gott

Gefangen im Nichts

Der Sternenmoloch

Bron

Planet der verschwundenen Schiffe

Der Verbrecher-Planet

Kriegsspiele im All

Gefangen im galaktischen Nichts: 7 Science Fiction Romane

Wilfried A. Hary

Dieser Band enthält folgende SF-Abenteuer von Wilfried A. Hary:

Begegnung mit einem Gott

Gefangen im Nichts

Der Sternenmoloch

Bron

Planet der verschwundenen Raumschiffe

Der Verbrecher-Planet

Kriegsspiele im All

Er heißt John Willard.

Er steigt aus den unmenschlichsten Slums aller Zeiten hinauf zum Licht, berufen vom HERRN DER WELTEN, um in dessen Namen die Macht zu haben.

Die Macht über das Universum!

Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Überlichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Universums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Bereichen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlichtschnellen Kommunikationsmöglichkeiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handelssystem: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde beispielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschenmaterial" - dem wichtigsten Exportartikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.

Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER WELTEN...

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2022 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

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Bücher von Wilfried A. Hary

Begegnung mit einem Gott

Wilfried A. Hary

Einführung:

Viele tausend Welten sind von Menschen besiedelt. Über­lichtschnelle Flüge sind verboten, weil es sich erwiesen hat, dass diese auf Dauer das energetische Gleichgewicht des Uni­versums und somit das Raum-Zeit-Gefüge stören, was in manchen Berei­chen des Universums in der Vergangenheit zu schrecklichen Katastrophen führte. Die von Menschen besiedelten Welten haben keinen direkten Kontakt miteinander, da es keine überlicht­schnellen Kommunikations­möglich­keiten gibt. Dennoch entstand im Verlauf der Jahrhunderttausende ein funktionierendes Handels­system: Riesige Container-Schiffe reisen im Unterlichtflug zu ihren Zielwelten, mit mannigfaltigen Waren bestückt. Sie sind teilweise Jahrtausende unterwegs, um ihr Ziel zu erreichen, aber da der Strom der Handelscontainer niemals abreißt, werden die Planeten untereinander reibungslos versorgt. Die Erde bei­spielsweise ist eine gigantische "Zuchtanstalt für Menschen­material" - dem wichtigsten Export­artikel der Erde. Die Betreffenden werden in Tiefschlaf versetzt, bevor sie auf den Weg gehen. Ein Übriges tut die Zeitdilatation, so dass sie unbeschadet den langen Flug überstehen.

Dieses komplizierte Handelssystem ist natürlich hochempfindlich - und muss überwacht werden. Dafür zuständig ist der Sternenvogt - der wahre HERR DER WELTEN...

*

Prolog

Mein Vater nannte mich John Willard. Das wäre eigentlich bedeutungslos, denn nach Einführung der freien Namenswahl vor über fünfhundert Jahren konnte sich normalerweise sowieso jeder so nennen, wie er es wollte. Es sei denn, dass es sein Vater ausdrücklich VORAUSBESTIMMTE!

Und genau das war nämlich das Kreuz: Wenn der Vater den Namen erst einmal eindeutig festgelegt hatte, durfte man ihn niemals wieder ändern, weil man in einem solchen Fall darunter fest registriert war.

Eine Regelung, deren Sinn ich bis heute weder verstehen, noch akzeptieren kann.

Nun, ich hätte damit problemlos leben können - falls er einen anderen Namen als ausgerechnet diesen vorausbestimmt hätte. Aber JOHN WILLARD... Genau dieser war nämlich der Name des größten Verlierers in der Geschichte der Menschheit gewesen (ich kenne jedenfalls keinen größeren!): John Willard, das war der Mann gewesen, der im Jahre Null (wie man es danach nannte) die sozialistische Planetenvereinigung gepredigt, zum Aufstand gegen die Planetenvögte und sogar gegen die Sternenvögte geblasen, Milliarden von Anhängern gefunden und damit schließlich einen blutigen Bürgerkrieg angezettelt hatte - der übrigens die gesamte menschliche Ordnung im bekannten Universum ins Wanken gebracht hatte (und der deshalb in der Menschheitsgeschichte vergeblich seinesgleichen suchte) - und anschließend alles verloren hatte, sogar sein Leben!

Vor allem: Es war damals genau das Gegenteil von dem eingetreten, was dieser John Willard ursprünglich angestrebt hatte: Die Macht der Vögte war wieder wie der sagenhafte Phönix aus der Asche des Krieges aufgestiegen und hatte sich zu vordem völlig ungeahnter Blüte hinauf geschwungen.

Kein Wunder, dass man Willards erstes Jahr des Aufstiegs zum Beginn eines neuen Zeitalters gemacht hatte. Denn seitdem waren die alten Machtstrukturen erst recht vollkommen unantastbar.

Genauso unantastbar wie die Vögte selbst!

Sie wurden zu Wesen empor stilisiert, die GOTTÄHNLICH erschienen. Oder waren sie in der Tat zu - GÖTTERN geworden?

John Willard! Ich knirschte mit den Zähnen, wie ich es jedes mal tat, wenn ich an diesen unrühmlichen Namen bloß dachte. Und wenn es gar jemand wagte, mich so zu nennen...

Dank der Staatsschulung, an der jeder teilnehmen musste, konnte ich lesen und schreiben und hatte mich dadurch in die Geschichte meines Namensvorläufers bestens hineinlesen können. Seitdem hasste ich nicht nur diesen Namen, sondern auch Begriffe wie Sozialist, Revolution und dergleichen. Schließlich ahnte ich nicht einmal, dass ich in dieser Beziehung irgendwann selber einmal eine sehr entscheidende Rolle spielen würde - eben gerade als eine Art Revolutionär... Aber ich will hier nicht vorgreifen: Jedenfalls, dieser Willard, das war für mich mein bisheriges Leben lang so ein armer Irrer gewesen, der etwas versucht hatte, was von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen war und die Gesamtsituation erst recht erheblich verschlimmert hatte.

Oder kam einer, der auch nur einigermaßen klar denken konnte, jemals auf die Idee, gegen GÖTTER zu kämpfen?

Und was meinen Vater betrifft: Er hätte mich gern als den Dauerversager gesehen, der er selber war. Deshalb wahrscheinlich ja auch diese unrühmliche Namensgebung: Um von vornherein eine Rivalität aus der eigenen Familie zu unterbinden! Damit allerdings erreichte auch er genau das Gegenteil, denn John Willard war für viele ein Schimpfwort und wenn sie mich so nannten, dann oftmals mit ironischem Unterton - falls sie mich noch nicht gut genug kannten - und dann hatten sie anschließend das zweifelhafte Vergnügen, ein gründliches Kennen lernen meiner Person nachzuvollziehen: Ich musste ihnen diesen vermaledeiten ironischen Unterton nämlich gewaltsam mit den Fäusten austreiben. Das schließlich hatte mich im Laufe meines jungen Lebens zu einem Burschen heranreifen lassen, mit dem ›nicht gut Kirschen essen‹ war, der sich bestens durchzusetzen wusste, der daher im gesamten Viertel mehr gefürchtet als geachtet wurde.

Diese stinkende Kloake namens Erde hatte zwar eine ganze Menge von Herren, aber ich war unbestreitbar durch mein kämpferisches Durchsetzungsvermögen einer von ihnen geworden - schon damals, lange vor der Begegnung mit dem Sternenvogt...

Nein, ich will gewiss nicht vorgreifen, denn man sollte erst mal genau wissen, wie es damals hier aussah, auf der Erde. Nur so ist es möglich, meine spätere Handlungsweise im vollen Umfang zu verstehen: Große Teile dieser Welt waren zu einer einzigen, wahrlich gigantischen Stadt zusammengewachsen - sogar auf dem Meer, in der Gestalt schwimmender Kontinente. Es gab schätzungsweise vierzig Milliarden Menschen. Davon lebten mindestens fünfunddreißig so ähnlich wie ich: im Gestank, im Elend: Wir bekamen täglich unsere Rationen an Nahrungsmittelkonzentraten an der öffentlichen Ausgabe und damit hatte es sich. Zwangsläufig war die Ausgabeeinheit für alle zum Fixpunkt geworden, zum Mittelpunkt seines Lebensinteresses...

Jeder war registriert und jeder konnte jeden Tag nur ein einziges Mal hier erscheinen. Schwindel deckte der gewissenhafte und sehr gestrenge Automat augenblicklich auf. Wer es tatsächlich wagte, sich mehr als einmal anzustellen, bekam am anderen Tag automatisch überhaupt nichts. Das war seine Strafe.

Für uns, die wir als Mini-Herrscher den Ton angaben, übrigens überaus nützlich: Wer in Ungnade fiel, wurde GEZWUNGEN, sich zweimal anzustellen - und hatte seine Bestrafung weg. Es war die unterste Stufe einer strengen Maßregelung durch den HERRN DER STRAßE und seine Handlanger. Die höchste Stufe war demnach das Todesurteil, dessen Vollstreckung als Unfall getarnt wurde.

Woher ich das so genau wusste?

Ganz einfach: In meinem Gebiet, da hatte ICH das Sagen, denn...

... ICH WAR DER RECHTMÄßIGE HERR DER STRAßE!

1

»Und nur deshalb hast du das geschafft, weil ich dich damals John Willard genannt habe!« sagte Vater hasserfüllt, als wir über den Markt gingen. Er schüttelte den Kopf. Dann knirschte er hörbar mit den Zähnen.

Ich hasste diesen alten Mann wie sonst nichts und niemanden auf dem stinkenden Planeten, der sich Erde nannte. Schon immer. Und nicht allein dessentwegen, weil dies auf Gegenseitigkeit beruhte: Durch ihn war ich zwar HERR DER STRAßE geworden, aber noch viel lieber hätte ich zu den fünf Milliarden Privilegierten gehört! Das war gar nicht mal so hoch gegriffen für mich, denn wöchentlich einmal wurden Tests gemacht. Jeder kam einmal an die Reihe, turnusmäßig. Bei diesen Tests wurden Intelligenz, politische Integrität und körperliche Eigenschaften gemessen.

Bei den körperlichen Eigenschaften hatte ich niemals Schwierigkeiten, ehrlich gesagt auch nicht bei den anerkannten Intelligenztests, aber wenn es dann um die verdammte politische Integrität ging... Bei einem solchen Namen...

Außerdem: Wenn man erst einmal HERR DER STRAßE war - ein höchst inoffizieller Titel! - bekamen das die vermaledeiten Überwachungsautomaten mit tödlicher Sicherheit heraus und allein dadurch schon wurde man als politisch bedenklich eingestuft und musste bei allen Tests letztlich durchfallen.

Oh, ich schwöre bei meinem heiligen Eid als HERR DER STRAßE in der weltumspannenden dritten Macht namens MAFIA: Ich hasste ihn tödlich, diesen Vater, der solches seinem Sohn antat! Ich hätte ihn auf der Stelle, ohne mit der Wimper zu zucken, umgebracht, wäre er nicht so ein verdammter DON gewesen. Aber mein Eid schloss leider auch ein, dass ich einem Vorgesetzten innerhalb der MAFIA kein Härchen krümmen durfte. Zumindest nicht ohne entsprechende Weisung von ›weiter oben‹. Deshalb blieb mir nichts anderes übrig, als allenfalls mit den Zähnen zu knirschen, wenn er mich, den HERRN DER STRAßE, öffentlich in solchem Maße beleidigte.

Oder ich tat, was ich jetzt tat: Ich lächelte mitleidig! Das war wie eine Waffe, mit der ich ihn jedes mal aufs Neue besiegte - außer diesmal, denn er lachte mir offen ins Gesicht: »Ja, ich weiß genau, was in deinem Schädel vorgeht, John Willard, Höllenhund! Wisse, meine Gedanken sind nicht minder unfreundlich, denn du wirst mir allmählich zu gefährlich.«

»Gefährlich?«, echote ich gedehnt.

»Na, dann streng diesen Dickschädel doch mal ausnahmsweise ein bisschen an: Ich bin dein DON, aber ich bin auch dein Vater. Und du hasst mich. Genauso wie ich dich hasse. Ohne Zögern würde ich dich beseitigen.«

»Wozu? Du bist mein DON!«

Er pochte mir mit der geballten Faust so fest gegen die Stirn, dass ich beinahe rücklings über den Apfelstand stürzte, vor dem wir stehen geblieben waren.

Die Menschen ringsum wurden aufmerksam. Sie hatten vorher respektvoll Abstand gehalten und rückten jetzt näher. Als sie jedoch die ungeheure Spannung spürten, die plötzlich in der Luft lag und scheinbar die Atmosphäre zum Knistern brachte, fuhren sie wieder zurück.

Ein HERR DER STRAßE im offenen Streit mit seinem DON?

Nein, ich hütete mich wohlweislich, mich mit den Fäusten zu wehren, denn damit wäre ich des Todes gewesen.

Und allmählich dämmerte mir, wovon er überhaupt redete: Die nächste Stufe in der Hierarchie der MAFIA würde mich dem DON schon sehr bedenklich nahe kommen lassen. Ich würde seine Position echt gefährden - und hatte man jemals davon gehört, dass ein DON eines natürlichen Todes starb?

Es fiel mir gewissermaßen wie Schuppen von den Augen: Meine nächste Beförderung stand unmittelbar bevor und hatte Vater aufs höchste alarmiert.

Und deshalb hatte er mich hier auf den Markt geschleppt? Um mich zu provozieren, bis ich ihm unter zahlreichen Augenzeugen den Grund lieferte, mich zu töten?

Ich schaute mich kurz um. Nein, es leuchtete mir nicht recht ein.

Er hatte körperlich kaum eine Chance gegen mich. Doch das war es nicht allein, was mich bedenklich stimmte: Der Markt befand sich im toten Winkel der automatischen Überwachung, denn er wurde außerhalb der Legalität abgehalten. Geld gab es nicht, doch hier wurden illegale Tauschgeschäfte durchgeführt: Ein gestohlener goldener Ring beispielsweise für ein paar Äpfel - je nach Nachfrage, die den Preis regelte.

Die angebotenen Früchte waren heimlich gezüchtet und stellten daher allesamt kleine Kostbarkeiten dar.

Und wer auf dem illegalen Markt Streit provozierte, wurde gebrandmarkt, selbst wenn es sich um einen angesehenen DON handelte.

Die MAFIA war darin unnachsichtig, weil sie der direkte Nutznießer des Marktes war und solche Aktionen als direkte Gefährdung einer wichtigen Einnahmequelle ansah.

Vater schien sich daran zu erinnern, denn er hörte endlich auf, mich zu traktieren und wandte sich ab.

Ich folgte ihm, als er sich einen Weg durch die angesammelte Menschenmenge bahnte.

»Was hast du vor?«, rief ich ihm zu.

Er blieb wieder stehen und antwortete über die Schulter zurück: »Bin ich nicht der HERR DES MARKTES?«

Ich ergriff irgendeinen Apfel und biss hinein. Der Besitzer des Standes machte erschrockene Augen, aber er verkniff sich seinen berechtigten Protest, denn ich zeigte ihm die Spitze meines Messers.

Sein Leben gegen einen Apfel? Bei diesem Tauschgeschäft konnte der Mann wahrlich zufrieden sein!

Breitbeinig und kauend stand ich vor meinem Vater. »HERR DES MARKTES, eh? Ich habe deine Andeutungen verstanden, großer DON. Nicht mehr lange, schätze ich und dann bist du so reif wie dieser Apfel hier und ich werde dich genauso verschlingen - mit Haut und Haaren. Im Moment gilt es für mich, nur noch eine große Schwierigkeit zu überwinden: Ich kann es nämlich kaum erwarten!«

Er schluckte schwer, aber in seinen in der letzten Zeit seltsam wässrig wirkenden Augen entstand ein loderndes Feuer, das ich nicht zu deuten vermochte. Zu jenem Zeitpunkt jedenfalls nicht.

Er kehrte sich ab und tat ganz so, als interessierte er sich für die Auslagen. Man muss sich vorstellen: Äpfel und Birnen, genauso wie andere Seltenheiten, wurden meist einzeln präsentiert und einzeln getauscht, nicht etwa in Pfund oder Kilo...

Luxusgüter für die unterste Klasse der Menschheit auf Erden, denen ansonsten nur ein äußerst knapp bemessener Wohnraum und die täglichen Nahrungsmittelkonzentrate zur Verfügung standen.

Unschlüssig stand ich neben ihm. Er hatte mir befohlen, ihn zum Schutz zu begleiten. Als DON durfte er das. Also musste ich bei ihm bleiben.

Wenigstens redete er jetzt nicht mehr und ich hatte Gelegenheit, kurz meinen schwermütigen Gedanken nachzuhängen. WAS HATTE ER MIT MIR VOR?

Die MAFIA war die Macht, die uns alle führte und verband. Ein Name, der sich aus der ›Vorzeit‹ in die Gegenwart herübergerettet hatte, nachdem im Jahre Null mit Aufstieg und Niederlage von John Willard endgültig das neue Zeitalter begonnen hatte - für alle Zeiten zementiert.

Endgültig das Zeitalter der STERNENVÖGTE!

Denn sie waren die ERSTE MACHT im Universum.

Die zweite Macht war die Staatsgewalt, repräsentiert durch die PLANETENVÖGTE.

Die Staatsgewalt führte die fünf Milliarden Privilegierten und wurde maßgeblich von ihren gewählten Vertretern bestimmt.

Wir UNTEREN bekamen diese Macht nur mehr oder weniger indirekt durch die Macht der Automaten zu spüren, die uns wie Stallvieh (um einen längst verblichenen Ausdruck zu benutzen) hüteten und abfütterten.

Aber wo immer Menschen sind, suchen sie sich ihre eigenen Herren, denn der Mensch ist offensichtlich so eine Art ›soziales Tier‹, das seine Rangordnung innerhalb einer überschaubaren Gesellschaft braucht. Die meisten Menschen jedenfalls - gemäß meiner persönlichen Erfahrungen.

Und so hatte die SUBordnung der MAFIA entstehen können.

Die DRITTE MACHT in dieser KLOAKENWELT!

2

Ich legte den Kopf in den Nacken und schaute zur Decke empor.

Natürlich befand sich der Markt nicht unter freiem Himmel. Ich folgte dem symmetrischen Muster der Beleuchtungskörper, die dort oben, in etwa zehn Metern Höhe, installiert waren. Versammlungsplätze wie dieser hier waren immer relativ großzügig gebaut.

Normalerweise befanden sich zwischen den Beleuchtungskörpern die Überwachungsaugen der Automaten, aber hier fehlten sie. Die Menschen meiner Straße glaubten, beim Bau sei die Überwachungsanlage an dieser Stelle durch einen Planungsfehler weggeblieben.

Ich wusste es längst besser. Ich war ja nicht umsonst HERR DER STRAßE geworden.

Ich wusste durch meine Stellung innerhalb der MAFIA definitiv, dass solche Plätze nicht nur hier, sondern in praktisch jeder Straße üblich waren. Das Volk sollte das Gefühl ›partieller Freiheit‹ haben.

Und auch die MAFIA selber war durchaus erwünscht, denn sie nahm den Führern und Verantwortlichen der Staatsordnung eine ganze Menge Arbeit ab: Sie ermöglichte, auf ein offizielles Staatsgefüge innerhalb der gigantischen Masse von fünfunddreißig Milliarden so genannter Untermenschen weitgehend zu verzichten!

Immerhin waren das fast achtmal so viele Menschen wie in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts alter Zeitrechnung auf der ganzen Erde!

Fünfunddreißig Milliarden Menschen wurden von Automaten nur oberflächlich gehütet, wurden regelmäßig abgefüttert. Den Rest besorgte die MAFIA. Sie bestimmte, welche Wohnungen von wem bewohnt wurden. Selbstverständlich wurden die besten Wohnungen von ihren eigenen Leuten besetzt. Sie herrschte und regierte, bestimmte über Leben und Tod innerhalb ihres Machtbereiches, der lediglich von den Automaten recht dürftig begrenzt wurde.

In Wirklichkeit war sie damit ein sehr wirksames Werkzeug des Planetenvogts, der mit seiner Familie unumschränkter Herrscher der Welt war.

Er hatte seine Subvögte aller hundert Klassen strategisch über die Welt verteilt und sie waren die obersten Führer der MAFIA und stellten auch das Oberhaus der von den fünf Milliarden Privilegierten gewählten Regierung, die ohne sie nicht beschlussfähig war.

Die Macht der Vögte reichte somit bis in den kleinsten Bereich und so gesehen war selbst ich ein kleines Machträdchen, denn als HERR DER STRAßE sorgte ich nicht nur für meine eigene Vorherrschaft, sondern damit auch für die Vorherrschaft der MAFIA und ihrem obersten Führer, dem Planetenvogt.

Gut durchdacht!, überlegte ich anerkennend. Ein perfektes System, das immer funktionierte. Jedenfalls hatte es allein über fünfhundert Jahre (gerechnet NACH John Willard) funktioniert - vorher vielleicht schon Jahrtausende? - und es gab nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass es jemals anders werden würde.

Ich senkte den Blick. Unter meinen Füßen wusste ich mindestens noch eine weitere Straße. Meine eigene befand sich höchstwahrscheinlich in der Mitte von drei Hauptebenen. Die Wohneinheiten darin bildeten ebenfalls drei Ebenen.

Eine Stadt mit mindestens drei Stockwerken. Mit Straßen, die in Wirklichkeit nichts anderes waren als Teile eines weit verzweigten Tunnelsystems, das in sich wiederum in drei Ebenen unterteilt war.

Doch selbst als HERR DER STRAßE durfte ich meinen Bereich nicht verlassen. Es gab strenge Automatenkontrollen. Überwechseln von einer Straße zur anderen - ob nun vertikal oder horizontal - durften höchsten DONS und deren Vorgesetzte. Außerdem direkte Untergebene von ihnen, sofern triftige Gründe für eine entsprechende Sondergenehmigung gesorgt hatten.

Gerade die Tatsache, dass die Stellung der DONS von den Automaten somit praktisch anerkannt wurde, war eigentlich der beste Beweis dafür, dass die MAFIA sozusagen im offiziellen Auftrag handelte!

Die Menschen der Straßen erkannten das nur deshalb nicht, weil sie es nicht erkennen sollten - und wollten!

Ich seufzte unwillkürlich.

Der gravierende Nachteil also, wenn man Mafioso war wie ich: Man konnte niemals zu den Privilegierten der obersten Ebene gehören, denn die oberste Ebene wurde ausschließlich von diesen bewohnt.

Das musste man sich einmal vor Augen führen: Fünf Milliarden privilegierte Menschen durften jeden Tag die Sonne sehen - und fünfunddreißig Milliarden drängten sich zu ihren Füßen, Tag und Nacht beleuchtet von künstlichen Beleuchtungskörpern, die nur in den Wohneinheiten abgeschaltet werden konnten. Dabei spielte es überhaupt keine Rolle, ob man nun in einer Straße der zweiten oder untersten Ebene war. Die meisten erfuhren die Wahrheit sowieso nie, sondern glaubten fest, dass die GANZE Welt gerade das war, was sie ihr Leben lang zu Gesicht bekamen. Den Gegenbeweis dafür hatten eigentlich nur die DONS, die sich freier bewegen durften und die hüteten sich, die Wahrheit allzu publik werden zu lassen.

Kopfschüttelnd schaute ich mich um.

Ein Gefängnis für Lebenslängliche, mehr nicht.

Auch der Markt, obwohl der in der übergroßen ›Zelle‹ für rund fünftausend Menschen, die ihren Lebensbereich ›Straße‹ nannten... obwohl dieser gewissermaßen der Kontakthof war - im besten Sinne des Wortes.

Er hatte einen Durchmesser von vielleicht vierzig Metern auf der schmalen Seite und fünfzig Metern auf der breiten. An seinen Enden mündeten die beiden Straßenteile, denn der Markt war zentral gelegen.

Die Straßenteile waren praktisch Sackgassen. An ihren Enden war die strenge Überwachung, wenn man beabsichtigte, zu einer anderen Straße überzuwechseln. Nur an einem der beiden Straßenenden war indes die Ausgabestelle für die Nahrungsmittelkonzentrate. Sie wurde naturgemäß ununterbrochen belagert, denn die fünftausend Menschen in den drei Subebenen der Straße wollten ja versorgt werden - und das ging eben nur rund um die Uhr bei einer einzigen Ausgabestelle.

Ich war ihr Herr. Früher hätte man dazu wohl Bürgermeister gesagt. Aber ich war nicht von ihnen gewählt worden - etwa nach altmodischem demokratischem Prinzip -, sondern hatte mich selber in dieses Amt erhoben. Mit meinem Messer und mit meinen Fäusten. Ich war derjenige unter ihnen, den sie am meisten respektierten und ich musste ständig auf der Hut sein, mein Amt zu behaupten. Mordversuch oder gar Mord an meiner Person (falls ungenehmigt) würde von der Organisation zwar streng geahndet werden - bloß, was hatte ich nachträglich davon, wenn es mich nicht mehr gab?

Ich musste selber auf der Hut sein, ständig, Tag und Nacht und ich musste außerdem auch noch mit von der MAFIA genehmigten Herausforderern rechnen - die ebenfalls scharf auf mein Amt waren.

Schließlich war ich einst genauso ins Amt gekommen und als ich meinen Vorgänger tötete, war das vorher genehmigt gewesen und zog deshalb keineswegs die Blutrache der MAFIA nach sich, sondern ich wurde genauso akzeptiert wie vorher er - und wie irgendwann auch mein eigener Nachfolger...

Ich hatte schon viel zu viele blutige Kämpfe hinter mir und längst war in mir der Entschluss gereift, irgendwann höher zu steigen.

Vater hatte mir jetzt sogar angedeutet, dass es unmittelbar bevorstand.

Eigentlich hätte ich mich darüber freuen müssen, aber ich hatte einen imaginären Kloß im Hals stecken.

Aufstieg zu den direkten Untergebenen des DON?

Mein verfluchtes Pech, dass mein verhasster Vater dieser DON war - ausgerechnet! Und dass er mich als Konkurrenten tödlich fürchtete...

*

An einem Ende des Marktplatzes entstand auf einmal wilder Tumult.

Etwas schien die Menschen dort in Angst und Schrecken zu versetzen.

Ich war HERR DER STRAßE und musste als solcher über alles im Bilde sein, was in meinem Herrschaftsbereich geschah. Deshalb setzte ich mich sofort in Marsch, um nach dem Rechten zu sehen.

»Hier geblieben!«, befahl Vater mit schneidender Stimme.

Er war kreidebleich. Auf seiner Stirn perlte Schweiß.

Ich gehorchte unwillkürlich. Es blieb mir ja auch nichts anderes übrig.

Und da dämmerte mir auf einmal, dass die Vorkommnisse dort drüben irgendwie mit dem Feuer in Verbindung standen, das ich in seinen Augen entdeckt hatte...

Ein Schrei des Entsetzens: »Der STERNENVOGT!«

Ich erstarrte. Zwar wusste ich kaum etwas von der Welt außerhalb meiner Straße, aber allein das Wort STERNENVOGT... ER bei uns - höchstpersönlich?

Niemand hatte jemals einen von ihnen zu Gesicht bekommen. Es gab nicht einmal Bilder. Man sah immer nur ein Symbol, wenn es sich um sie handelte - beispielsweise in einer der zahlreichen Unterhaltungssendungen.

Aber jeder hatte gelernt: Sie waren die Mächtigsten überhaupt, weil sie das Universum regierten und sie waren außerdem - unsterblich!

Superwesen, absolut gottgleich - falls sie nicht längst selber Götter geworden waren. Es gab nur wenige und niemand wusste die genaue Zahl. Allerdings war sie so gering, dass sich die wenigen Sternenvögte in der Weite des Universums gegenseitig niemals ins Gehege kommen konnten.

Und jetzt war einer von ihnen - hier?

Wirklich hier?

Kein Wunder, dass ich erstarrt war - und es blieb, bis sich unvermittelt eine Lücke bildete.

In dieser Lücke zeigte sich inmitten fliehender Menschen ein krokodilähnliches Gebilde, das Maul halb aufgeklappt. Es schwebte über dem Boden.

Aber es war kein Lebewesen, wie ich sogleich erkannte, sondern bestand aus Metall und Edelsteinen, verbreitete mit seinem Anblick allein schon Angst und Schrecken und trug auf seinem Rücken eine reich verzierte, thronartige Sitzgelegenheit.

Eine Schwebesänfte!, durchfuhr es mich.

Ich wagte es kaum, meinen Blick zu heben, um denjenigen zu betrachten, der in diesem Thron saß: DER STERNENVOGT!!!

Und dann tat ich es doch, blickte ihm scheinbar furchtlos entgegen, obwohl mein ganzer Körper vibrierte und ich einer Ohnmacht nahe war.

Ein junger, sehr muskulöser GOTT, mit halbentblößtem Oberkörper, in der Pose des Unbesiegbaren. Sein Körper schien aus sich heraus zu glühen. Ein goldener Schein, der seine Erscheinung irgendwie unwirklich machte.

Ich wusste es besser: Ein energetischer Schutzschirm.

Jetzt lachte er schallend, bog dabei den Kopf zurück, lachte zur Decke empor, wollte sich gar nicht mehr beruhigen.

Ich sah die Angst, das Entsetzen, das sich auf den Gesichtern der Menschen abzeichnete.

Da erst entdeckte ich die Peitsche in seiner Rechten.

Sie war eigentlich mehr ein trügerisch unscheinbarer Griff, aus dem sich etwas schlängelte, glitzernd, nicht gegenständlich, sondern rein energetisch. Es war dünn wie ein Federstrich und schnellte vor.

Geschickt bewegte der Sternenvogt den Strich. Er ließ ihn peitschen.

Er ließ ihn auf die Rücken von Menschen niedersausen.

Aber was ihm Vergnügen bereitete, hatte auf die Getroffenen eine verheerende Wirkung: Die Peitsche fuhr in ihre Körper, ließ sie wild zucken, erzeugte in ihnen unsagbare Pein.

Die Schwebesänfte würde auch an mir vorbeikommen, falls ich nicht auswich.

Zwangsläufig.

Ich schaute mich nach meinem Vater um. Er zog sich rückwärts in Deckung.

»Du hast es im voraus gewusst!«, klagte ich ihn an. »Du hast gewusst, dass er kommt und hast rechtzeitig dafür gesorgt, dass wir zur Stelle sind, dass es zu dieser Begegnung kommt. Du Saukerl!«

Ja, er hatte mich hereingelegt. Jetzt war alles ganz klar. Deshalb sein Erbleichen, noch bevor jemand überhaupt das Wort STERNENVOGT gesagt hatte. Als DON war er rechtzeitig im Bilde gewesen, dass der Sternenvogt uns einen Besuch abstatten wollte. Denn als DON hatte er bestens funktionierende Nachrichtenkanäle.

Jeder Privilegierte durfte jederzeit jede Straße besuchen. So lange und so oft er wollte. Manchmal kamen sie in regelrechten Horden, beispielsweise um Mädchen zu vergewaltigen. Zuweilen ließen sie dabei auch ihr Leben. Dann wurden sie ausgeplündert und es waren fünfzig von uns ›Untermenschen‹ als Zeugen nötig, eine solche Begegnung als Unfall aussehen zu lassen.

Aber noch niemals zuvor war auch nur einer der Untervögte bei uns gewesen, geschweige denn ein echter STERNENVOGT!

»Zufall!«, schrie Vater voller Panik.

Vor wem hatte er mehr Angst: vor mir oder vor dem Vogt?

Und wenn vor dem: Schließlich war er doch überhaupt nicht gefährdet, weil er kneifen durfte, ohne sein Gesicht zu verlieren: Immerhin hatte er mich bei sich, um ihn abzuschirmen.

Ja, ein DON durfte in diesem Sinne feige sein - aber niemals der HERR DER STRAßE.

Sonst verlor er für immer sein Gesicht und war erledigt.

»Zufall!«, schrie er abermals. »Verstehst du?« Jetzt kicherte er irre. »Ein verdammter Zufall, dass er hierher kommt - und die Chance meines Lebens, dich für immer loszuwerden!« Aus dem Kichern wurde ein kreischendes Gelächter.

»Du entkommst mir nicht!«, brüllte ich ihm nach, als er gemeinsam mit den Umstehenden floh.

Aber es klang nicht sehr überzeugend.

Langsam wandte ich mich dem Sternenvogt zu.

Er war bereits aufmerksam geworden.

Nein, dieser Teufel war nicht aus Neugierde oder gar Freundschaftlichkeit da. Sonst hätte er die Energiepeitsche nicht gebraucht. Er war da, um sich auf Kosten anderer zu amüsieren. Er freute sich, wenn andere vor Schmerzen schrieen. Er war ein perverser Sadist.

Ich ballte die Hände zu Fäusten.

Er ließ die Sänfte langsamer schweben, ließ nur noch ein paar mal seine Energiepeitsche aufzucken, aber da war niemand mehr, den er treffen konnte, weshalb er sein ganzes Augenmerk mir zuwenden konnte.

Ein diabolisches Lächeln stand in seinem Gesicht. Die Fliehenden verhielten außer Reichweite seiner Energiepeitsche. Sie ahnten, dass jetzt nur noch einer gefährdet war: ich!

Sie gafften in atemloser Spannung.

Ich war verloren; selbst wenn ich jetzt ebenfalls davongerannt wäre, hatte ich mein Leben verwirkt: Entweder ich wurde vom Sternenvogt zu dessen Vergnügen grausam zu Tode gequält - oder als feiger HERR DER STRAßE bei der Flucht von der Meute in Stücke gerissen, denn da war niemand, der den HERRN DER STRAßE nicht aus ganzem Herzen fürchtete und deshalb hasste...

3

Nein, ich hatte wahrhaftig keine Chance mehr und doch ergab ich mich nicht in mein Schicksal.

Ganz im Gegenteil: Jetzt lächelte ich, kreuzte großspurig die Arme vor der Brust, spreizte leicht die Beine und verbeugte mich knapp.

»Willkommen in meiner Straße, STERNENVOGT!«

»DEINE Straße?«, fragte er spöttisch.

»Ich bin der HERR DER STRAßE!«, erklärte ich freundlich, »und von daher gesehen - ja, es ist MEINE Straße!«

»ERLAUCHTER heißt das!«

»Gewiss, ERLAUCHTER!« Ich dehnte es übertrieben und verbeugte mich abermals - diesmal ein wenig tiefer als beim ersten Mal.

Er lachte schadenfroh.

Dennoch entflammte in mir eine wilde Hoffnung: Vielleicht hatte sich mein schurkischer Vater sogar geirrt? Vielleicht kam ich mit dem Leben doch noch davon?

Oh, wie optimistisch ich auf einmal war...

Ich schwor mir, Vater nicht einfach zu töten, falls ich das hier wirklich überstand, sondern ihn genauso grausam enden zu lassen, wie er es für mich vorgesehen hatte...

Ich wollte mich wieder aus der Verbeugung heraus aufrichten, aber da ließ der Sternenvogt seine Energiepeitsche vorschnellen.

Tief grub sie sich in meinen Körper, ließ ihn zucken, weil das Nervensystem versagte, ließ mich wimmernd und schreiend zu Boden sinken.

Wieder und wieder schickte er mich mit der Peitsche in eine furchtbare, unbeschreibliche Hölle grausamer Pein, die mir eigentlich das Bewusstsein hätte rauben müssen, die mich aber gleichzeitig hellwach bleiben ließ, damit ich weiter litt - schrecklicher, als es sich ein Mensch vorstellen könnte...

Und er lachte dazu sein satanisches Lachen.

Es war der Tod und doch blieb ich am Leben. Die zuckenden Blitze verbrannten mich von innen heraus und ließen mich doch jedes mal neu entstehen...

Und als es vorbei war, wollte ich das gar nicht glauben. Ich lag am Boden, starrte zur Decke und war unfähig, mich zu rühren.

Plötzlich fuhr ich vom Boden auf, sprang auf die Beine: Mein Körper gehorchte wieder meinem Willen.

Der STERNENVOGT lauerte gespannt, ein diabolisches Grinsen um die Lippen.

Ich war nicht von allein HERR DER STRAßE geworden, Herr über Leben und Tod von fünftausend Menschen, die mir vollkommen ausgeliefert waren - mir und meiner Willkür - und die mir jetzt immer noch hasserfüllten Respekt zollten... Und ich würde ihnen beweisen, dass ich dessen würdig war.

Furchtlos schaute ich den STERNENVOGT an.

»Feiges Schwein!«, sagte ich sehr laut, sehr betont und legte alles hinein, was ich an Abscheu ausdrücken konnte.

»Feiges Schwein!« Da war niemand, der es nicht haargenau verstand, auch wenn er vielleicht seinen Ohren nicht trauen wollte.

»Feiges Schwein!« Ich schob mein Kinn vor, deutete damit: »Steig von deiner Sänfte herab und stelle dich mir wie ein Mann und ich werde dich lehren, einem wahren HERRN DER STRAßE mit dem nötigen Respekt zu begegnen, Elender!«

Ich spuckte verächtlich aus.

Er war kreidebleich. Sogar der goldene Schein seines Schutzschirms schien an Intensität verloren zu haben.

In einer wütenden Gebärde hob er die Energiepeitsche.

Ich lachte ihm ins Gesicht.

Die Peitsche zuckte. Der Energiefaden schnitt meinen Leib in zwei glühende Hälften und von den Innenseiten der Hälften ging die Pein aus.

Aber ich schaffte es diesmal sogar, aufrecht stehen zu bleiben, obwohl ich selber nicht wusste, wie mir dies möglich war.

»John!«, schrie jemand, als sich mein Blick wieder klärte.

»John Willard!«

Die Stimme meines Vaters. Er rannte herbei, längst nicht mehr angst schlotternd, wie ich ihn zuletzt gesehen hatte, sondern - völlig verzweifelt!

Und diese Verzweiflung - galt nicht etwa sich selbst, sondern - MIR!

Ich wandte nur kurz den Kopf, um zu sehen, was ich einfach nicht glauben konnte.

Er packte mich von hinten, drängte mich zur Seite.

»Scher dich fort, Willard! Weg von hier, los! Dies ist der Befehl deines DON!«

Ich hatte Schwierigkeiten, die plötzliche Wende zu begreifen: Als DON durfte er es mir befehlen, gewiss und es war keine Feigheit mehr, wenn ich ihm gehorchte und damit mein Leben doch noch rettete.

Aber jetzt bekam Vater selber die Energiepeitsche zu spüren!

Schreiend sank er zu Boden. Immer wieder zuckte die Peitsche auf ihn nieder und in ihn hinein.

Ein alter Mann, obwohl körperlich noch ungewöhnlich gut auf der Höhe. Dennoch ein alter Mann und wenn der Sternenvogt nicht aufhörte, war er bald tot... Derselbe Mann, den ich noch vor Augenblicken mit ganzem Herzen gehasst hatte, der mich in diese Situation gebracht hatte, um den lästigen Rivalen in mir loszuwerden und um den ich mich jetzt - verdammt noch eins! - schrecklich sorgte!

Ich gehorchte seinem Befehl nicht, sondern stürmte vor.

Der goldene Schein des Energiefeldes hielt mich davon ab, nach dem Vogt zu greifen: Das Feld hätte mich auf der Stelle umgebracht.

Ich reckte ihm nur die Fäuste entgegen und lächelte herausfordernd: »Du Haufen Dreck! Du bist der wahre Abschaum - nicht wir hier, in den Subebenen, wo wir wie die Ratten hausen müssen. Du bist ein Nichts, das sich hinter seinem Energieschirm versteckt und alte Männer zu Tode traktiert. Ein armseliges Häufchen stinkender Feigheit. Schau mich einmal an. Was bist du denn gegen einen wahren HERRN DER STRAßE? Komm doch, stell dich, großer, erlauchter Meister, wie du dich nennen lässt. STERNENVOGT! Komm, dass ich dich anspucken kann. Schalte das Ding ab, das dein minderwertiges Leben schützt, damit ich dir die Knochen im Leib brechen, dich zu den Würmern schicken kann, wo du hingehörst...«

Es war genug.

Er brüllte vor gekränktem Stolz, vor unüberlegtem Zorn! Er war außer sich, schmiss seine Energiepeitsche hin und - schaltete den Energieschirm aus.

Die Menge schrie wild durcheinander. Ein tosender Lärm, der mächtig zur Decke emporstieg und den Marktplatz ausfüllte wie eine Kampfarena.

Und das war der Markt jetzt in der Tat geworden: EINE ARENA!

Und hier sollte der unmöglichste Kampf aller Zeiten stattfinden - zwischen dem STERNENVOGT und einem gewöhnlichen HERRN DER STRAßE...

4

Ein kurzer Seitenblick genügte: Vater hatte sein Leben ausgehaucht.

Er hatte die Qualen nicht überstanden.

Der Sternenvogt vor mir war bleich.

»John Willard, eh? Wer hat dich so genannt? Wer hat dir den Namen des großen Sozialisten gegeben? Man hat wohl sehr früh erkannt, welchen Weg du gehen wirst - nämlich den Weg des Verlierers.«

Er spannte seine Muskeln. Es war sehr beeindruckend.

Ich lachte ihn trotzdem aus: »Diesmal wird John Willard gewinnen, Dreckskerl von einem STERNENVOGT!«

Ich zog so schnell mein Messer, dass es dem Vogt so erscheinen musste, als hätte ich es in meine Hand hineingezaubert.

»Stirb!«

Mein Messer zuckte vor, wollte sich in seine Brust bohren, aber der Vogt wich so behände aus, wie ich es ihm niemals zugetraut hätte.

Meine linke Hand schwang rechtzeitig nach hinten, um die Bewegung mit dem Messer auszugleichen. Ich riss die Messerhand hoch und drehte dabei gleichzeitig den Körper.

Die Balance stimmte: Ich setzte dem verdammten Sternenvogt kraftvoll einen Fuß in den Unterleib.

Ein dumpfer Laut. Er klappte zusammen wie ein Taschenmesser, kippte dabei rücklings von der jetzt ganz niedrig schwebenden Sänfte und geriet dabei auf der anderen Seite fast in das Kraftfeld, das die Sänfte trug.

Ich hechtete über das Gefährt einfach quer hinweg, mit dem stichbereiten Messer in der Faust... und erkannte praktisch noch im Flug, dass ich auf eine Finte hereingefallen war: Der Vogt hatte sich absichtlich fallengelassen. Die Wucht meines Fußtritts hatte dazu nicht gereicht - bei ihm nicht. Und er hatte inzwischen selber ein Messer gezogen, um mich hineinstürzen zu lassen.

Er musste mich einfach töten, um ein Exempel zu statuieren. Eine solche Unverschämtheit wie von mir, die durfte niemals ungesühnt bleiben. Wo gab es denn so etwas: Der mächtigste Mann des Universums und dann schmählich beschimpft und beleidigt von einem hergelaufenen Straßenherrn...

Dennoch würde aus dieser Begegnung einer der Mythen entstehen, die man sich hinter vorgehaltener Hand erzählte. Und ich würde darin eine wichtige Rolle spielen - als der zweite John Willard in der Geschichte der Menschheit. Ob ich es nun überlebte oder nicht.

Ich hatte Glück: Bevor ich in das Messer stürzte, erwischte ich das Handgelenk des Vogts und gab der Messerspitze eine andere, für mich ungefährlichere Richtung. Gleichzeitig zog ich den Kopf ein, machte die Schulter rund und rollte darüber ab.

Der Schwung genügte, auch den Sternenvogt hochzureißen und ihn sogar über mich hinweg zu ziehen, denn ich ließ sein Handgelenk nicht mehr los.

Wir wälzten uns am Boden, bis ich über ihm lag.

Vergeblich versuchte er, mit dem Messer nach mir zu stoßen. Ich nagelte ihn fest und gab keinen Millimeter nach.

Aber ich kam selber auch nicht mehr zum Zuge, weil er sich immer wieder aufbäumte. In diesem muskulösen Körper war eine ungeheure Kraft und Geschmeidigkeit. Mein Gegner war wie ein Raubtier, nur zum Töten bestimmt.

Oder wie ein - HERR DER STRAßE...

Ich lachte heiser. Wie oft hatte ich eine solche Pattsituation bereits erlebt - im Kampf auf Leben und Tod?

Denn ich war John Willard und hatte bis jetzt jeden Kampf gewonnen, auch wenn er noch so aussichtslos erschienen war, sonst wäre ich längst nicht mehr unter den Lebenden gewesen.

Er probierte Tricks durch, um mich abzuwerfen.

Ich kannte sie alle und parierte entsprechend.

Geduldig ließ ich ihn gewähren, denn er verlor dabei mehr Kraft als ich, weil er seinen tödlichen Zorn nicht zügeln konnte, während mein Gehirn völlig klar blieb, ungetrübt von gefährlichen Emotionen, die einen sehr leicht zum Verlierer werden ließen...

Und dann war es an der Zeit, ihn eine scheinbar bessere Position einnehmen zu lassen, in der er mich endlich abwerfen konnte - wie er es beabsichtigte.

Damit er nicht auf die Idee kam, er könnte mir mit dieser Absicht sogar entgegenkommen, spuckte ich ihm ins Gesicht. Ich zeigte ihm grenzenlose Verachtung und sagte ihm wieder, was ich von seinem nichtswürdigen Dasein hielt.

Sein Fehler war, dass er seinen Zorn nicht zügeln konnte - gegenüber einem Untermenschen, wie er fand. Gegenüber einem Menschen, der nur einen Zweck zu erfüllen hatte: seinen sadistischen Vergnügungen zu nützen.

Sein Aufbäumen kam sozusagen zwangsläufig. Alles war genau kalkuliert. Ich ließ zu, dass seine Hand hochschnellte. Das Messer gierte nach meinem Fleisch. Sein Arm war gekrümmt. Ich hielt sein Handgelenk so, dass er mit der Spitze nicht meinen Arm ritzen konnte.

Sobald seine Hand hoch genug war, verlagerte ich mein ganzes Körpergewicht, um seinen Arm einknicken zu lassen, so dass die Spitze jetzt auf seine eigene Brust zuraste...

Ich sah es wie in Zeitlupe: Insgesamt entstand eine halbbogenförmige Bewegung mit dem Messer, dessen Spitze erst hochgeragt hatte und jetzt tief in den entblößten Brustkorb des STERNENVOGTS drang.

Ich sprang auf.

Es war vollbracht.

Jeder konnte es sehen, konnte sehen, dass sein eigenes Messer in der Brust steckte.

Ein Trick, der nicht zum ersten Mal funktioniert hatte. Man musste nur den Gegner in dem Glauben lassen, plötzlich in der besseren Position zu sein. Man ließ die Hand vom Boden, mit der er zustechen wollte, drehte sich halb, führte seine Hand - und sorgte dafür, dass sich das Messer in sein eigenes Herz bohrte.

Er begriff seinen Fehler nicht, stierte mich mit schier herausquellenden Augen an, öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, brachte jedoch nur einen Schwall Blut hervor.

Seine Hand war noch am Messergriff, den Daumen nach oben. Zitternd spreizte er sich ab.

»Zeugen!«, brüllte ich.

Ich funkelte die Menge an: »Ihr Bastarde, ihr habt es gesehen: Ein Unfall! - Oder ein - Selbstmord?« Ich lachte mir die Kehle heiser, während der Vogt starb.

»Ein Unsterblicher, der nicht mehr lebt!«

Ich trat gegen den Leichnam. Gebrochene Augen stierten anklagend zur Decke.

Ich lief zur Sänfte und sprang hinauf. Ich setzte mich auf den reich verzierten Thron und lachte so lange, bis nur noch ein Krächzen zu hören war.

»Ich, HERR DER STRAßE, habe den mächtigsten Mann des Universums erledigt! Einfach so. Im fairen Kampf! Und wer bin ich jetzt? Bin ich nicht mehr als ein - STERNENVOGT?«

Da erscholl eine grollende Stimme: »Ein verdammter, hirnloser Narr, das bist du und sonst nichts!«

Eine Stimme wie von Gottvater persönlich. Sie ließ die Erde erbeben, schien von allen Seiten gleichzeitig zu kommen.

Danach war es so ruhig, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können...

5

»Ein verdammter Narr!«, grollte die Stimme mit urweltlicher Gewalt. »Das war einer der besten Diener, die ich jemals hatte!«

Zorn sprach aus ihr - göttlicher Zorn?

»Verflucht, er hatte nur diesen einen Fehler, dass er seinen irren Vergnügungen nachging, falls ich ihn mal freistellte...«

Ich schaute umher. Meine Haare stiegen schier senkrecht zu Berg. Ich hatte den größten Sieg errungen, den man sich denken konnte - und ahnte auf einmal, dass daraus meine größte Niederlage werden würde...

Ein - Diener? Ja, was denn...? Demnach... demnach war das überhaupt kein - Sternenvogt gewesen, kein echter, sondern nur sein - Diener?!

»Ja, natürlich!«, grollte die Stimme. »Was hast du denn gedacht, Idiot?«

Der Gott hatte - meine Gedanken gelesen, denn ich hatte keinen Ton gesagt!

»Wenn man mal nicht aufpasst, die Augen nicht überall hat... Herrje, das hat mir gerade noch gefehlt. Was soll ich denn ohne ihn machen? Das sollst du mir büßen, Bursche, so wahr man mich den STERNENVOGT nennt!«

Endlich wusste ich, woher die Stimme kam: Nicht etwa aus dem Nichts, sondern direkt aus der Sänfte. Der ganze Sänftenkörper vibrierte unter dem Donner des Zorns.

»Büßen wirst du's mir!«, schwor er erneut.

Die Menge schrie panikerfüllt durcheinander. Auch in den Straßeneinmündungen standen die Menschen. Viele schauten von den Zwischenetagen herunter.

Ich war überzeugt davon, dass keiner der fünftausend Untertanen fehlte.

Eine Arena, in der ich den Diener des STERNENVOGTS getötet hatte - um den Zorn eines Gottes zu beschwören.

Würde dieser Zorn nicht auch die Zeugen treffen?

Deshalb schrieen sie.

Obwohl - keiner wandte sich zur Flucht. Weil sie ahnten, dass es vor dem STERNENVOGT sowieso kein Entrinnen gab.

Der STERNENVOGT hatte aber anscheinend nur mich im Auge. Er beherrschte die Sänfte und diese beherrschte mich. Ein Narr war ich gewesen, auch noch freiwillig darauf zu springen. Das wurde mir jetzt heimgezahlt: Ein goldener Lichtkegel entstand, legte sich eng wie eine zweite Haut um meinen Körper und fesselte mich. Ich war nicht einmal mehr in der Lage, einen Finger zu rühren.

Die beiden Toten blieben liegen, während die Sänfte mit mir langsam emporschwebte, genau auf die Decke zu.

Sollte ich dort - zerquetscht werden?

Mit einem letzten Blick nahm ich Abschied von meinem toten Vater. Warum hatte er das bloß getan? Ich verstand es immer noch nicht, weil es hundertprozentig dem widersprach, wie ich ihn gesehen hatte - ein Leben lang.

Im letzten Augenblick öffnete sich die Decke. Ein großes Loch entstand - groß genug, um die Sänfte hindurch zu lassen. Leuchtender Schein blendete mich. Ich konnte keine Einzelheiten erkennen. Und dann nahm die Helligkeit sogar noch zu, konzentrierte sich letztlich auf einen Glutball, der hoch über mir hing und viel, viel heller war als jede Lampe, die ich je gesehen hatte. Außerdem hing er höher als jede Decke sein konnte.

Der Glutball... den kannte ich... nicht nur aus Unterhaltungsfilmen...

Das war - DIE SONNE!

DIE ECHTE, EINZIGE SONNE!

Sie hatte das Leben auf der Erde gezeugt und ich war jetzt oben, auf der Oberfläche dieser Erde und diese raste unter mir so schnell hinweg, dass ich keine Einzelheiten erkennen konnte.

Über mir - die Sonne.

Ich war ihr ausgeliefert, fühlte mich ihr gegenüber nackt und hilflos und ihr Strahlen war für mich keineswegs lebensspendend, sondern vielmehr zerstörerisch und ich hatte auf einmal die Vision, meine Strafe würde einfach darin bestehen, in sie hineinzustürzen, in diesen Atomofen, weil ich es gewagt hatte, den einzigen Diener des STERNENVOGTS vom Leben zum Tode zu befördern.

Selbst wenn er es in meinen Augen tausendfach verdient hatte.

Die Sinne schwanden mir, so dass ich den Rest verpasste und das bedauerte ich irgendwie mit dem letzten bewussten Atemzug.

6

Da war undefinierbarer Lärm. Da war ein ständiger Luftzug mit wechselnder Stärke, der über mich hinwegging. Da waren berauschend exotische Gerüche, krabbelndes Getier, das mich anwiderte!

Mein Kopf fuhr hoch.

Ich lag auf dem Bauch. Was für ein widerwärtiges Grün. Dieses Zeug, auf dem ich lag: Aus was bestand es überhaupt? Außerdem war es feucht.

Ich hob den Blick. Ein buntes Feld. Meine Augen suchten automatisch nach einem Haltepunkt in dieser Weite.

Da war er: Dicke Säulen, die sich - sanft schwingend bewegten! Ab einigem Abstand zum Boden waren sie übersäht mit grünen Blättern.

Was für eine Arbeit muss das gewesen sein, all diese Blätter festzukleben!, dachte ich unwillkürlich.

Ein eigentlich absurder Gedanke, aber genau der brachte mich endgültig in die Wirklichkeit zurück. Ich hockte mich auf und konzentrierte mich auf die Geräuschkulisse um mich herum. Ich empfand sie als undefinierbaren Lärm, weil ich diese Geräusche einfach nicht kannte.

Oder vielleicht doch?

Aus Unterhaltungsfilmen?

Die Säulen mit den Blättern: Bäume!

Ich lag demnach auf einer - Wiese!

Die bunten Kleckse auf dem Feld: Blumen!

Eine perfekte Illusion, tatsächlich! Ich griff mir an den Schädel. Mir schwindelte.

»Verdammt!«, entfuhr es mir.

Wiese, Wald, freie Natur... Ich fühlte mich ungeschützt, ausgeliefert, ja entblößt und beschmutzt. Dies konnte keine Illusion sein, sondern dies war unnachahmliche REALITÄT!

Der ewige Gestank der Etagen, die wenig wechselnde Intensität, ob man nun viele Menschen oder ein paar weniger um sich hatte. Die Lufterneuerungsanlagen waren stets überfordert, denn die Städte waren ursprünglich für die Hälfte der effektiven Einwohnerzahl konstruiert worden.

Dies alles erschien unerreichbar weit und ich wagte es nicht, den Blick zur Decke zu heben. Weil ich wusste, dass es keine gab: Über mir war - freier Himmel.

FREIER HIMMEL!

Ich saß auf einer Wiese und dieser undefinierbare Lärm - das war nichts anderes als die Geräuschkulisse der Natur. So ungeordnet, erschreckend. Das waren Vögel, Grillen und dergleichen und - keine Menschen.

KEINE MENSCHEN?

»Hat er endlich sein Bewusstsein wiedererlangt, dieser... dieser HERR DER STRAßE?«

Ich schreckte zusammen. Die Erinnerung...

Wo die Stimme herkam, erhoben sich ebenfalls Säulen, aber sie waren künstlicher Natur, keine Baumstämme, sondern aus makellosem Marmor gefertigt, zusätzlich mit kunstvollen Intarsien versehen. Sie strebten aufwärts, um ein Dach zu stützen.

EIN DACH!

Auf allen vieren kriechend bewegte ich mich auf die Säulen zu.

DAS DACH!

Ich wimmerte leise. Nein, ich konnte es einfach nicht unterdrücken, so lange über mir dieser unerträglich leere Himmel war.

Das Dach erschien mir wie der Hort aller Glückseligkeit. Es würde mich vor dem gnadenlosen Himmel schützen, vor dem grellen Glutball der Sonne...

Ich, der ich wie eine Ratte in einem Loch mein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte, war allem Schutz entblößt, war ans Tageslicht gezerrt, unbarmherzig, brutal. Ja, begann so meine grausame Strafe für den Mord am Diener des STERNENVOGTS?

Ich erreichte das begehrte Ziel nicht, denn als ich meine Nase über den Grat der Bodenplatte hob, traf mich ein Fußtritt mitten ins Gesicht.

Ich landete auf dem Rücken, hilflos zappelnd wie ein Käfer unter dem schrecklichen Himmel ohne Dach, ohne Befestigung, ohne Stütze und ich glaubte, der Himmel müsste genau in diesem Augenblick einstürzen und mich unter sich begraben.

Ich schrie wie am Spieß und vor meinen Augen flimmerte es.

Ein Schatten traf mich. Ich riss die Augen weit auf, aber ich war geblendet.

Jemand schien sich über mich zu beugen. Ich machte eine hilflose Abwehrbewegung.

»Narr, der er ist! Tötet meinen Diener und benimmt sich wie ein Tier!«

Ich wälzte mich am ganzen Leib vibrierend auf den Bauch. Dafür benötigte ich ungeheuer viel Kraft. Und ich drückte mein Gesicht in das widerliche Gras.

»Weil ich eben ein Tier bin, Erhabener!«, krächzte ich mühsam. »Ein Tier - im Vergleich zu Euch, Erhabener, Erlauchter! Da bin ich viel weniger noch als ein Diener. Seht mich bereit. Zertretet mich, zermalmt mich für meinen Frevel. Nur lasst mich nicht hier liegen, in dieser unerträglichen Weite!«

Er trat mir in die Seite.

»So ein Dummkopf ist mir mein Lebtag nicht begegnet. Was redest du für ein ungereimtes Zeug? Richte dich endlich auf wie ein Mann und dann ab mit dir in den Pavillon, denn dort habe ich ein ernstes Wörtchen mit dir zu reden!«

Ich lebte und ich atmete. Und ich wusste, in welcher Richtung der Pavillon war.

Wieso wollte er, dass ich hinging, wenn er mich vorher weggetreten hatte?

Meine Hände krallten sich um den Rand der Bodenplatte. Ich brüllte auf, ein Gebrüll wie nach einem gewaltigen Sieg. Mit einem einzigen Ruck beförderte ich mich unter das schützende Dach.

Zwar waren die Seiten frei, aber wenigstens oben war etwas. Der ungeheure Druck, der auf mir lastete, verringerte sich schlagartig.

Keuchend schnappte ich nach Luft. Ich griff mir in das schmerzende Gesicht.

Es war blutverschmiert. Eine böse Verletzung durch den Tritt!

Neben mir waren Schritte. Der Boden war glatt und kühl. Ich erwartete den nächsten Tritt und krampfte mich unwillkürlich zusammen.

Nein, ich würde mich nicht wehren. Dazu fehlte mir einfach die Kraft.

»Lasst ihn!«, befahl die Stimme des Sternenvogts streng.

Eine andere Stimme antwortete: »Erlauchter, er ist unwürdig, heiligen Boden zu betreten! Bedenket!«

»Papperlapapp, was hier heilig ist, das bestimme ja wohl ich! Will er mich nun endlich unterstützen oder nicht? Was soll das Geplapper? Ich habe durch diese Kanaille meinen wertvollen Diener verloren. Was soll ich jetzt tun? Meine gefährlichen Missionen erfordern seinen Einsatz. Er war ein großartiger Kämpfer und hat niemals versagt. Er hat mir sogar oft das Leben gerettet. Ja, gewiss, ich erinnere mich daran. Ein paar mal war das... Na, auf jeden Fall ein oder zweimal oder so...«

»Aber, Erlauchter, wenn Ihr erlaubt: Er war ein schlechterer Kämpfer als dieser hier, denn sonst wäre er noch am Leben!«

»Verdammt! Muss er mich denn schon wieder daran erinnern? Als hätte ich nicht schon Probleme genug! Außerdem war es ja nicht allein seine Kampfkraft, sondern vor allem seine strategische Intelligenz...«

»Aber er war nicht intelligent genug, dem Untergrund fern zu bleiben und den Eklat zu vermeiden! Außerdem, er ließ sich ganz schön überlisten, schaltete sogar sein Schutzfeld aus...« Triumph war in der anderen Stimme.

Ich presste die heiße Stirn gegen den kühlenden Boden und hielt die Augen geschlossen. Ich lauschte diesen Stimmen, denn so lange sich die beiden unterhielten, hatte ich meine Ruhe. Wer wusste denn, was danach auf mich wartete?

7

Ich war kaum in der Lage, den Inhalt dessen zu verstehen, was die beiden Männer miteinander besprachen: »Nicht intelligent genug?«, fragte der Sternenvogt gedehnt. »Er war halt eben im Rausch der Sinne. Er hat sich vergnügt und war dabei nicht so ganz zurechnungsfähig. Das war auch schon alles.«

»Er hat zu seinem Vergnügen Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Es sind unnötig viele Todesopfer zu beklagen. Ganz zu schweigen von den zahllosen grausamen Verstümmelungen.«

Der Sternenvogt lachte hart: »Na und? Hat er denn nicht genügend von diesem Gesindel? Fünfunddreißig Milliarden, falls ich nicht irre. Und da beklagt er sich über höchstens hundert Verluste?«

»Ich beklage mich keineswegs, mit Verlaub, aber man sollte bedenken, Erlauchter, es sind viele Genies darunter und Genies können wir nicht genug gebrauchen. All diese Kreaturen sind einzeln unwichtig, aber in der Masse von unschätzbarem Wert - als wesentliches Potential. Zumindest als lebendiges Genmaterial unersetzlich, um es genauer zu sagen. Man weiß doch, dass es wesentlich billiger ist, sie auf diese Weise in Massen zu züchten und dabei die besten herauszufiltern, als die Gene zu manipulieren. Seit Jahrtausenden wissen wir das und es hat immer wieder ungeahnte Mutationen hervorgebracht, die man bewusst eigentlich gar nicht so hätte erzeugen können...«

»Will er damit sagen, dass mein Diener ausgerechnet die wertvollsten Genträger umgebracht hat und nicht eher wertloses Material, das keine größere Bedeutung hat als die von Evolutionskulisse? Fordere er bloß nicht meinen Zorn heraus!«

»Wesentliche Mutationen entstehen dort zu unseren Füßen!«, betonte die andere Stimme unerschütterlich. »Man sehe sich nur diesen Willard an - hier! Hat er es nicht selber bewiesen?«

Eine schallende Ohrfeige. Ich hörte es deutlich.

Verdammt, wer war eigentlich der Gesprächspartner des Sternenvogts?

Die Neugierde siegte über die Furcht. Ich drehte vorsichtig den Kopf, aber bevor ich etwas sehen konnte, traf mich der nächste Tritt ins Gesicht.

Ich schmeckte wieder Blut und unterdrückte ein Stöhnen.

»Ein Befleckter!«, schrie der Gesprächspartner des Sternenvogts. »Soll er es denn wagen, mein heiliges Antlitz zu schauen?«

Eine weitere schallende Ohrfeige.

»Na, gefällt ihm denn das besser? Soeben hat er noch seine Befleckten in höchsten Tönen gelobt. Mit welchem unverschämtem Hintergedanken denn? Und jetzt gerät er in Panik, nur weil diese besondere Mutation, wie er ihn nennt, ihn beinahe gesehen hätte? Was ist denn der Grund?«

Man packte mich brutal im Genick - wie einen jungen Hund.

»Noch ein paar solcher Tritte und er ist wirklich zu nichts mehr nütze. Er hat ihn schon ganz erheblich verletzt. - Das war vielleicht ein Kampf...« Er schnalzte mit der Zunge. »Mann, ich habe ihn in jeder Phase verfolgt. Eigentlich hatte dieser Depp von einem Diener nicht die geringste Chance. - Echt gute Anlagen, muss ich schon zugeben.«

Er riss mich mit ungeahnter Kraft vom Boden hoch und drehte mich.

»Schau dir den Heiligen an, Bursche Willard! Schau, wie er zurückschreckt, wie er abwehrend die Arme hebt, wie sein Fuß zum nächsten Tritt zuckt... Wage er es ja nicht!« Das war an die Adresse des Gesprächspartners gerichtet.

Der Sternenvogt hielt mich mit einer Leichtigkeit in seinen Armen, als hätte ich kein Gewicht. Und doch wagte ich nicht, die geschlossenen Augen zu öffnen.

Ja, warum durfte ich als ›Befleckter‹ seine ›Heiligkeit‹ nicht schauen? Was erfüllte diesen mit solcher Furcht?

»Mir ist klar, was in ihm vorgeht: Er hat nur Bange, ein Befleckter sieht, was für ein Wrack sein oberster Meister ist!« Ein brutales, verächtliches Lachen.

»Also gut!«, schrie der andere. »Lasst ihn schauen, Erlauchter. Was ändert es denn? Der Diener ist tot und keine Macht erweckt ihn zu neuem Leben. Und ich weiß, wie dringend ihr ihn braucht, dass ihr hier seid, um Vorbereitungen für einen unerhörten Einsatz zu treffen. Dann nehmt doch den Burschen hier. Er gilt als unbesiegbar! Ich ließ mir berichten, dass die MAFIA Großes mit ihm vorhatte. Inzwischen wissen wir auch, dass die Begegnung mit Eurem Diener auf Betreiben seines Vaters zustande kam. Es war für ihn eine willkommene Gelegenheit, seinen ärgsten Konkurrenten loszuwerden. Obwohl es der eigene Sohn war...«

»Ich weiß«, sagte der Sternenvogt gelassen.

»Dieser Vater stand sogar schon auf der Liste, Erlauchter. Das heißt, er konnte aufgrund fehlender Eignung nicht mehr befördert werden. Also würde ihn sein Nachfolger umbringen müssen. John Willard wäre der Nachfolger gewesen. Die Umstände hätten ihn zum Vatermörder werden lassen...«

»Das Schicksal hat eigene Wege beschritten.«

Der Sternenvogt ließ mich zu Boden fallen. Ich blieb auf dem Gesicht liegen.

Jetzt war ich völlig ruhig, denn das ganze Gespräch gipfelte in einem: In einer klaren Chance für mich! Ich musste nur geduldig sein und außerdem durfte ich das Gespräch in keiner Weise mehr stören!

8

»Er meint also, John Willard würde sich tatsächlich als Diener eignen? Ohne Ausbildung? Will er mir das vielleicht garantieren?«, erkundigte sich der Sternenvogt lauernd.

»Denkt... denkt an die gefahrvolle Aufgabe, die vor euch liegt, Erhabener. Was würde Euch ein gut ausgebildeter Diener nützen, wäre er nur halb so kampfstark wie dieser hier?«

Der Sternenvogt packte mich wieder derb im Genick und zog mich hoch.

»Los, aufstehen, Blödmann! Was habe ich deinetwegen nur für Scherereien... Herrje, zum Auswachsen ist das!«

Ich wagte es: Ich öffnete die Augen.

Diesmal bekam ich keinen Tritt. Mein Gegenüber wagte es einfach nicht.

Der Sternenvogt knuffte mich so lange, bis ich ohne seine Hilfe aufrecht dastand.

Mein Gesicht war verschwollen. Blut sickerte. Ich blinzelte ein paar mal, um meinen Blick klarer zu bekommen.

»Warum hat er ihn bloß so getreten?«, machte der Sternenvogt weinerlich anklagend. »Bis ich den jetzt wieder zusammengeflickt habe...«

Ich schaute seinen Gesprächspartner an. Meine Knie wurden dabei unwillkürlich wieder weicher: Ich sah den mächtigsten Mann dieses Planeten, sah den Mann, der als Einzelner über eine Schar von rund vierzig Milliarden Menschen herrschte. Als unumschränkter Ursupator. Der Mann, der täglich über Leben und Tod entschied - milliardenfach, wenn es sein musste. Ein einziger Fingerzeig konnte Heerscharen auslöschen.

Und gegenüber dem Sternenvogt?

Da war er ein unterwürfiges Nichts! Ein buckelnder Lakai, denn jeder Planetenvogt musste sich dem Sternenvogt unterordnen - kompromisslos. Sonst war er des Todes und einen Sternenvogt zog niemand zur Rechenschaft.

NIEMAND!

Und jetzt war der Planetenvogt natürlich entsetzt darüber, dass ich ihm so offen ins Gesicht schaute. Klar, wenn man bedachte, auf welcher Stufe des irdischen Daseins ich mich mein Lebtag lang befunden hatte... Nicht nur ich, sondern meine gesamten Vorfahren...

Aber ich hatte die Lobby des Sternenvogts. Und der Planetenvogt hatte es ihm sogar auch noch möglichst schmackhaft gemacht. Wohl, weil er um sein zitterndes, wimmerndes Dasein bangte. Denn der Sternenvogt hatte hier auf der Erde seinen anscheinend sehr wertvollen Diener verloren und der Planetenvogt war schließlich für die Sicherheit jedes seiner Gäste verantwortlich.

Obwohl ich den Kerl eigenhändig umgebracht hatte, war ich aufgrund meiner niedrigen Stellung letztlich viel zu gering, um zur Rechenschaft gezogen werden zu können. Ich war für diese da weniger als ein Tier. Ich war höchstens ein lästiges Missgeschick. Und um seine Haut zu retten, pries mich der Planetenvogt an - ertrug es jetzt sogar, von mir ungeniert gemustert zu werden.

Diese wabbelige Visage! Angewidert knurrte ich.

Der Planetenvogt zuckte unwillkürlich zurück. Erwartete er, dass ich seine Tritte erwiderte? Sie hätten ihn auf der Stelle getötet, diesen verweichlichten, aufgedunsenen, total degenerierten ›Softi‹.

Warum sollte ich vor so einem minderwertigen Wesen Respekt haben? Nur aufgrund seiner Macht? Ich war HERR DER STRAßE und mir dämmerte, dass das eigentlich mehr war als so ein Planetenvogt jemals erreichen konnte. Man hatte vor mir Respekt und der war ehrlich. Und dieser da? Er hatte seine Vollstrecker. Ohne die war er überhaupt nicht überlebensfähig. In der Straße, da hätte er keine Stunde überlebt.

Was war er also in Wahrheit wert?

Ich spuckte aus vor ihm: Ein Brocken Blut und Schleim. Ja, jetzt hätte ich wirklich gern zugetreten. Ich tat es nicht. Weil ich mich ekelte.

Freiwillig wandte ich mich ab, um diesen Anblick nicht länger ertragen zu müssen.

»Ein wildes Tier! Ein Tier!«, keifte der Planetenvogt außer sich. »Weg mit der Bestie! Hinweg damit!«

Der Sternenvogt lachte schallend. Er wollte sich gar nicht mehr beruhigen.

»Aha, deshalb will er ihn so schnell loswerden?« Er hieb mir auf die Schulter, dass ich in meiner gegenwärtigen Schwäche fast in die Knie ging. »Das hat die Welt noch nicht erlebt. Ein echter Grund zum Feiern. Dieser Bursche aber auch... Sticht meinen besten Diener ab wie zum Zeitvertreib und lehrt den Planetenvogt anschließend das Fürchten - einfach indem er ihn mustert! Das nenne ich einen Glücksgriff, wahrlich!«

Der Sternenvogt hüpfte vergnügt umher und hieb sich zwischendurch immer wieder quietschend auf die Schenkel.

Der Planetenvogt sank auf seine wannenartige Sitzgelegenheit nieder, die spielend mit seiner Körperfülle fertig wurde. Sein Kinn zitterte. Er war gelblich-bleich, mit einem leichten Grünstich um die Nase. Einmal verdrehte er die Augen, dass nur noch das Weiße zu sehen war. Dabei hoffte ich, er würde sein unnützes Leben endlich aushauchen und einem Mann Platz machen für dieses Amt - einem richtigen Mann. Aber dann zweifelte ich, dass es ihn in dieser Gesellschaftsschicht überhaupt noch geben konnte. Und ein HERR DER STRAßE als Aufsteiger zum Planetenvogt? Das war so unmöglich wie der Sieg des John Willard aus der Geschichte...

Der Sternenvogt.

Eine insgeheime Scheu hatte mich so behindert, dass ich es bis jetzt nicht wagte, ihn genauer zu betrachten. Jetzt überwand ich diese Scheu endlich.

Meiner Meinung nach war sein Benehmen völlig unmöglich, wie das eines alternden Weibes und nicht wie das eines echten Sternenvogts, eines richtigen Gottes also...

Ich hatte ihn direkt vor mir.

Vielleicht hatte ich so etwas ähnliches wie beim Planetenvogt erwartet. Aber er war anders, völlig anders... Er war so, wie ich es niemals vermutet hätte...

9

Der Sternenvogt war ein schlanker Jüngling, irgendwie zartgliedrig. Man hätte ihn für eine gut durchtrainierte junge Frau halten können, aber er hatte keine Brüste und außerdem eine tiefe, männliche Stimme, die überhaupt nicht zu seiner langhaarigen Erscheinung passen wollte.

Eine Erscheinung etwa wie ein virtuoser Balletttänzer aus einem der Unterhaltungsfilme.

Aber er hatte Kraft, wie er mir bereits bewiesen hatte.

Und doch erschien der Sternenvogt irgendwie - unwirklich, gar nicht so recht wie - ein lebendiger Mensch; als wäre er keine Person, sondern nur ein Trugbild, obwohl er doch andererseits recht real erschien - wenn er einem beispielsweise auf die Schulter hieb, dass es klatschte.

War er wirklich unsterblich? Ein - GOTT?

Falls nicht - was dann?

EIN GOTT!, dachte ich bestürzt.

Ich wandte mich wieder dem Planetenvogt zu und deutete eine knappe Verbeugung an, wie ich es in Filmen gesehen hatte.

»Ich bitte aufrichtig um Vergebung, Mylord, falls ich Euch erschreckt haben sollte!« Scheinbar betroffen senkte ich den Blick.

Der Planetenvogt schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen: Das hätte er anscheinend nicht erwartet von mir.

Der Sternenvogt vergaß seine Heiterkeit, hielt inne und trat neben mich. Er zögerte einen Augenblick, dann lachte er bitter: »Den nehme ich, wahrlich! Nicht nur ein Kämpfer, wie er im Buche steht, sondern von wacher Intelligenz und so anpassungsfähig, dass es einem schon wieder fast graust. Aber das muss ein guter Diener wohl sein.«

Ich verbeugte mich auch in seiner Richtung, allerdings tiefer und sehr viel ehrerbietiger.

»Ich bitte untertänigst um Vergebung, aber ein besserer Diener auf alle Fälle als Sie vorher hatten. In aller Bescheidenheit natürlich!«

»Hach!«, rief der Sternenvogt aus, »jetzt ist aber wirklich genug, Bursche! Ich nehme dich ja schon, aber bilde dir nur ja nicht zuviel darauf ein. Im Moment hast du mich überzeugt, aber treibe es nicht auf die Spitze! Und es wartet die reine Hölle auf dich, glaube mir. Du wirst dir noch öfter wünschen, lieber durch den Befehl des Planetenvogts ein grausames Ende genommen zu haben - zur Strafe. Und ich nehme dich nicht deshalb, weil du mir besonders fähig erscheinst, sondern eigentlich nur, weil mir im Moment nichts anderes übrig bleibt. Kapierst du? Ich habe halt keine Alternative. Und da nehme ich lieber an, du seiest in der Tat so fähig, wie man mir vorgaukelt...«

Von diesem Zeitpunkt an wusste ich, dass ich jeden Menschen dieses Universums unterschätzen durfte, aber niemals den Sternenvogt - egal auch, wie er sich benahm. Er war vielleicht kein echter Gott, aber vom Anspruch her sicherlich GOTTGLEICH! Das musste ich mir einprägen - jetzt und für immer.

Und dann kam es mir siedendheiß: Konnte der Sternenvogt nicht - Gedanken lesen?

Das war's!

Ich richtete mich auf und sah ihn erschrocken an.

Er lächelte unergründlich. Dann nahm er die Rechte des Planetenvogts zum Abschied. Es sah aus, als wollte er sie unbedingt zerquetschen. Der Planetenvogt stieß spitze Schreie aus.

»Na, doch nicht so überschwänglich!«, tadelte ihn der Sternenvogt spöttisch. »Oder höre ich Trauer heraus? Nur Mut, ich werde wiederkommen. Und falls sich Willard bewährt, bringe ich Rosen. Falls nicht allerdings - bringe ich Blut!«

Er ließ die Hand los.

Der Planetenvogt machte mal wieder Anstalten, das Bewusstsein zu verlieren, während der Sternenvogt mir ein Augenzwinkern schenkte. Wahrlich: unterschätzen durfte ich ihn niemals!

Er tippte mich mit dem Zeigefinger an und kam ganz nahe.

»Hör zu, Bursche Willard: Ab sofort bin ich dein Erhabener, kapiert? Eine andere Anrede existiert für dich nicht. Und noch etwas zur Einführung in dein Amt: Ich pflege unwichtiges Geschmeis wie diesen da in dritter Person anzureden. Wenn ich jemanden duze, ist das schon eine ganz besondere Ehre, die du dir eigentlich noch verdienen müsstest. Ich tu's trotzdem - sozusagen als Vorschuss. Denn wir werden möglicherweise lange zusammen sein müssen - so lange du deine Aufgaben überlebst. Da ist das Vertrauliche schon besser.«

Es klang nicht so gut für mich, aber ich war schon zufrieden damit, dem Leben in der Straße entronnen zu sein. Alles andere würde sich finden.

Dachte ich jedenfalls...

10

Der Sternenvogt packte mich am Arm und führte mich zum Rand des Pavillons.

»Pass auf, Bursche Willard: Wir werden zukünftig nicht nur auf der Oberfläche von Planeten herumlaufen, sondern wir werden sogar das All durchkreuzen. Hast du auch nur die entfernteste Vorstellung davon?«

Mir schwindelte. Ich blieb die Antwort schuldig.

»Wir werden im absoluten Nichts zwischen den Sternen sein, für unbestimmte Zeit. Wir werden schreckliche Weiten erleben, Dinge sehen, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Dies ist mehr als nur ein Abenteuer, in das du dich wagst. Es ist die reine Hölle. Hiermit versprochen. Und es ist deine Zukunft - unwiderruflich, falls du den nächsten Schritt tust - gemeinsam mit mir. Andernfalls... Du kannst auch hier bleiben, dich in die Allmacht dieses Fettkloßes von Planetenvogt begeben, ihm die Chance lassen, sich an dir zu rächen, für die vermeintliche Schmach, die er durch dich erlitt...«

Er lächelte wie ein Raubtier mit seinem Opfer.

»Nicht nur die Hölle, Bursche Willard, sondern das gesamte Universum wartet auf dich. Bursche Willard! Das All - im wahrsten Sinne des Wortes. Denn ich bin der Sternenvogt und kenne keine Beschränkungen. Es gibt nichts außer mir - und meiner ewigen Aufgabe, an der du als Hauptperson teilhaben wirst.«

»Absolut?«, fragte ich würgend.

»Absolut!« Und sein böses Lächeln gefror zur Maske.

Er gab mir einen Stoß, der mich nach draußen trieb.

Von wegen ein freiwilliger Schritt ins Freie...

Ich taumelte und schlug die Hände vor das Gesicht.

Es schmerzte höllisch. Ich verfluchte in Gedanken den Planetenvogt, dem ich das verdankte.

Unter dem freien Himmel.

FREIER HIMMEL!

Ich japste und ließ die blutverschmierten Hände sinken. Wankend wie ein Schilfhalm im Wind stand ich da. Die Arme hingen kraftlos herab. Ich legte mit zunächst geschlossenen Augen den Kopf in den Nacken.

DER FREIE HIMMEL!

Ich trank sein Blau. Ich spürte den Wind - ein unbekanntes Erleben. Ich roch die Düfte, so fremdartig, als wäre ich auf einem anderen Planeten.