Amor Amaro beendet die diXXda©-Verschwörung - Marco Toccato - E-Book

Amor Amaro beendet die diXXda©-Verschwörung E-Book

Marco Toccato

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Beschreibung

Heiner Lurrwich hatte endlich Grund zum Feiern. Mark Zuckerberg persönlich hatte ihm eine Mail mit einem hochinteressanten Angebot zugeschickt. diXXda© war ihm 1,5 Milliarden Dollar wert. Monatelang hatte Heiner dafür gekämpft mit all' seinen Mitteln und die waren sehr umfangreich. Nur, Heiner Lurrwich ist tot! Sein massiger Kopf lag auf der Platte des riesigen Schreibtisches auf einigen Papieren, die verschoben und teilweise verknickt waren. Wenn man reinkam, sah man sein schlohweißes, dichtes, kurzgeschnittenes Haar mit dem Scheitel auf seiner rechten Seite. Heiner ist zweiundsiebzig Jahre alt geworden. In dem schwarzen Anzug, der seine zweite Haut war, sah er beeindruckend, elegant und weltgewandt aus mit seinen 1,85 m und der für sein Alter sportlichen Figur. Die sah man nicht, er war über den Tisch gesunken. Ihm war nicht anzusehen, woran er gestorben ist. Trotzdem ist die Polizei gerufen worden. Man ging von einem unnatürlichen Tod aus. Das war Samstagmorgen und das Büro im Penthouse des äußerst repräsentablen Bürogebäudes im "Digi-Tal" von Kronenburg war voll. Hein Markschaffer, der Geschäftsführer der Quadrant GmbH, seine Sekretärin, ein türkischstämmiger Raumpfleger mit seiner Frau, Frau Dr. Renate Kleine-Kurzius, die Gerichtsmedizinerin mit ihrem jungen, schicken Assistenten Peter Gollwitz, drei Mitarbeiter der Spurensicherung und ebenfalls drei Kriminaler der Mordkommission Kronenburg bevölkerten Lurrwichs "Schaltzentrale". Ja, und ich, ich war auch da. Mein Name ist Amor Amaro. Meine Eltern sind mit mir in den 1950ern aus Sizilien nach Kronenburg gezogen, weil mein Vater bei den Kronenburg-Haufener-Stahlwerken Arbeit gefunden hatte. Ich war damals sechs Jahre und heute bin ich fünfundsechzig, 1,68 m groß und leider ein wenig pummelig, schon immer gewesen. Zum Ausgleich habe ich noch volles schwarzgraues Haar. Eigentlich bin ich studierter Ingenieur, aber seit einigen Jahren gefällt es mir besser, als selbstständiger Privatdetektiv zu arbeiten.

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Seitenzahl: 327

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Der Kronenburger Software-Gigant Heiner Lurrwich wird tot in seinem Büro gefunden. Pech, denn er hatte den Deal seines Lebens vor Augen. Wenigstens 1,5 Milliarden war Mark Zuckerberg bereit, ihm für sein neues Portal zu zahlen. Die Politik war guter Dinge, das Silicon Valley würde bald vom Digi-Tal, dem neuen Technologiezentrum Kronenburgs abgelöst. Da werden sogar die Bayern blass. High Tech aus Nordrhein-Westfalen@Kronenburg@Digi-TalLeider hat Lurrwich damit das Lebenswerk von Hans Kleinert zerstört. Dadurch steht Hans mal wieder ganz vorne auf der Verdächtigenliste. Es wimmelt von schönen Frauen. Körperliche Liebe kommt vor und der Mord wurde wahnsinnig raffiniert begangen. Sex, Drugs and Crime! Sogar unserem Amor Amaro trachtet man nach dem Leben und zwei Leben werden in letzter Minute gerettet.

Es geht rund in diesem Amor Amaro-Krimi!Schnallen Sie sich an!

© 2016 Marco Toccato

ISBN: 978-3-7565-5179-8

3. Auflage 31. August 2024

Umschlag, Illustration: Antonio Ronchetto

Lektorat, Korrektorat: Kerstin Kleinert

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Alle Namen, alle Personen und die Handlung sind frei erfunden. Sollten Menschen ähnlich heißen oder Ähnliches erlebt haben, so ist das rein zufällig und unbeabsichtigt.

Marco Toccato

Amor Amaro beendet die diXXda©-Verschwörung

Inhaltsverzeichnis:

1.Woran starb Heiner Lurrwich?

2.Vom Digi-Tal nach Hückelheim

3.Hans ist nervös!?

4.Die schöne Elena - Pflastern Leichen Lurrwichs Weg?

5.Routinearbeit im Präsidium

6.KPPP , das Angeber-Portal

7.Una Sera Italiana

8.Überstunden in der Pathologie

9.Hans im KPPP-Fieber

10.Das KPPP-Team wächst

11.Wieder eine neue Freundin

12.Stutenbeißen!

13.Klausurtagung

14.Böses Erwachen

15.Heiner und die Frauen

16.KPPP rückt zusammen

17.KPPP ist fertig!

18.Eagle’s Eye oder diebische Elster?

19.Referent Nonnenbrinck macht Druck!

20.KPPP geht live!

21.Alles verloren!

22.Termine mit Hans Kleinert und Ingrid Bachmann

23.Hans Kleinert war zum Golf

24.Der Kampf eskaliert

25.Ingrid Bachmann war zu Hause

26.Renate Kleine-Kurzius atmet auf

27.Amors neuer Auftrag

28.Liebe kann krank machen

29.Adriana auf Abwegen?

30.Amor kommt an Hans nicht ran

31.Das Liebesleben der Pathologin

32.Heiners letzter Samstagmorgen

33.Der Damm bricht

34.Amor fühlt Markschaffer auf den Zahn

35.Amor sucht Schutz

36.Grau, teurer Freund, sind alle Theorien

37.Wo wir gerade beim Reinpfuschen sind

38.War es Adriana, ...

39.Cliffhanger am Ostwestfalentower

40.Showdown im Präsidium

41.Ingrid Bachmann, der Racheengel?

42.Trapeznummer am OWT

43.Fritzi will gebeten werden

44.Für Elena verantwortlich?

45.Bernhaus ist raus!

46.Nonnenbrinck doch nicht!

47.Kommen wir langsam zum Schluss?

48.Amor macht den Deckel drauf!

49.IP-Kameras sind ein Segen!

50.Das muss begossen werden

51.Ausklang

Nachwort

Mitwirkende

Weitere Bücher von Marco Toccato

1: „Amor Amaro und die tote Nachbarin“.

2: „Amor Amaro und die tote Domina“.

3: „Nura Draam in am Draam? – Nur ein Traum im Traum?“.

Woran starb Heiner Lurrwich?

Heiner Lurrwich hatte endlich Grund zum Feiern. Mark Zuckerberg persönlich hatte ihm eine Mail mit einem hochinteressanten Angebot zugeschickt. diXXda© war ihm 1,5 Milliarden Dollar wert. Monatelang hatte Heiner dafür gekämpft mit all’ seinen Mitteln und die waren sehr umfangreich.

Nur, Heiner Lurrwich ist tot! Sein massiger Kopf lag auf der Platte des riesigen Schreibtisches auf einigen Papieren, die verschoben und teilweise verknickt waren. Wenn man reinkam, sah man sein schlohweißes, dichtes, kurzgeschnittenes Haar mit dem Scheitel auf seiner rechten Seite.

Heiner ist zweiundsiebzig Jahre alt geworden. In dem schwarzen Anzug, der seine zweite Haut war, sah er beeindruckend, elegant und weltgewandt aus mit seinen 1,85 m und der für sein Alter sportlichen Figur. Die sah man nicht, er war über den Tisch gesunken.

Ihm war nicht anzusehen, woran er gestorben ist. Trotzdem ist die Polizei gerufen worden. Man ging von einem unnatürlichen Tod aus.

Das war Samstagmorgen und das Büro im Penthouse des äußerst repräsentablen Bürogebäudes im „Digi-Tal“. von Kronenburg war voll.

Hein Markschaffer, der Geschäftsführer der Quadrant GmbH, seine Sekretärin, ein türkischstämmiger Raumpfleger mit seiner Frau, Frau Dr. Renate Kleine-Kurzius, die Gerichtsmedizinerin mit ihrem jungen, schicken Assistenten Peter Gollwitz, drei Mitarbeiter der Spurensicherung und ebenfalls drei Kriminaler der Mordkommission Kronenburg bevölkerten Lurrwichs „Schaltzentrale“.

Ja, und ich, ich war auch da. Mein Name ist Amor Amaro. Meine Eltern sind mit mir in den 1950ern aus Sizilien nach Kronenburg gezogen, weil mein Vater bei den Kronenburg-Haufener-Stahlwerken Arbeit gefunden hatte. Ich war damals sechs Jahre und heute bin ich fünfundsechzig, 1,68 m groß und leider ein wenig pummelig, schon immer gewesen. Zum Ausgleich habe ich noch volles schwarzgraues Haar.

Eigentlich bin ich studierter Ingenieur, aber seit einigen Jahren gefällt es mir besser, als selbstständiger Privatdetektiv zu arbeiten.

Hauptkommissar Werner Große Kleinhaus zog sich mit seinem Mitarbeiter Oberkommissar Paul Tietz ins nebenan gelegene Besprechungszimmer zurück:

„Herr Markschaffer, würden Sie uns bitte begleiten? Wir haben ein paar Fragen an Sie. Alle anderen gehen bitte in den Flur und halten sich zu unserer Verfügung! Holger, bleib bei der Spusi, die sollen von allen Fingerabdrücke nehmen und achte ein wenig darauf, dass uns niemand ins Gehege kommt. Ach, befrage doch schon mal die Putztruppe. Dieser Auflauf hier hat uns sowieso schon alle Spuren versaut, fürchte ich“.

Holger Bernhaus, ebenfalls Oberkommissar war der jüngere Mitarbeiter von HK GK, wie Große Kleinhaus auch genannt wurde.

Ohne zu fragen, schloss ich mich an. Ich bin eben berufsmäßig neugierig. Wie man heute so schön sagt, ist das meine „déformation professionelle“.1.

Der Besprechungsraum war eingerichtet, wie es sich für einen solchen einer Konzernzentrale ziemt. Um einen großen, breiten, rechteckigen Tisch mit Palisanderplatte standen achtzehn schwarze Ledersessel. Links von der Eingangstür stand ein Sideboard, ähnlich denen, die in den 1970ern modern waren, flach, ebenfalls Palisander, mit klaren Linien auf vier Chromfüßen. Auf der anderen Seite des Tisches erstreckte sich die Fensterfront vom Boden bis zur Decke über die ganze Raumbreite. Die Aussicht ging Richtung Südosten von Kronenburg und bei klarer Sicht konnten die ersten Ausläufer von Ardeygebirge und Sauerland betrachtet werden.

Es war klare Sicht, doch die Luft außen schien zu flimmern. Kronenburg hatte nach vielen kalten und nassen Regentagen erstmals Sommertemperaturen der Sonderklasse, 32°C im Schatten. Nur schien es nirgends Schatten zu geben.

Obwohl die Klimaanlage auch am Wochenende lief, hatten die Kriminaler große Schweißflecken unter den Achselhöhlen. Ihre Jacketts hatten sie schon ausgezogen und auf Stühle geworfen.

Markschaffer wirkte völlig unbeeindruckt vom Klima. Er sah aus, wie ein großer, schlaksiger Junge in seinen schmalgeschnittenen, indigoblauen Jeans und dem lockeren T-Shirt der Edelklasse, worin seine 1,90 m und zirka 85 kg lässig verpackt waren. Blauweiße Bootsschuhe rundeten das Bild ab. Vierzig Minuten vorher war er noch am Herrmannsee und bereitete sein Segelboot für eine anstehende Regatta vor, hatte er eingangs gesagt. Nur seine grauen Schläfen ließen sein wahres Alter vermuten. Er wird zirka vierzig bis vierundvierzig Jahre alt gewesen sein. Markschaffer war so ein Mensch, dem man sofort ansah, dass er Geld hat und schon immer hatte. Schmales, sonnengebräuntes Gesicht, dunkle Haare mit grauen Fäden, kurz geschnitten, linksgescheitelt und mit ein wenig Gel in Form gehalten. Seine schmale Nase war relativ lang und bildete mit den dunklen Brauen ein „T“. Die Augen waren hellbraun und sein Mund schmallippig und gerade. Das Kinn war dreieckig und wirkte, als müsste er sich nicht rasieren oder als könne er sich sehr gut rasieren, glatt, ohne Spuren von Bartwuchs.

Eine Weile lang hatte es mich irritiert, doch schließlich kam ich drauf, Markschaffer war Linkshänder.

„Herr Markschaffer, warum haben Sie uns rufen lassen? Herr Lurrwich ist scheinbar mit zweiundsiebzig Jahren eines natürlichen Todes gestorben. Das ist nicht ungewöhnlich“. Große Kleinhaus passte diese Aktion gar nicht.

„Wenn Sie Heiner näher gekannt hätten, wüssten Sie, dass er fit war und Dank seines starken Willens nicht eher sterben würde, als er es wollte, überspitzt gesagt. Und Heiner wollte jetzt wirklich noch nicht sterben, Herr Hauptkommissar Große Kleinhaus“.

„Äh, ja, Sie meinen also das wäre Begründung genug dafür, dass Sie uns am Samstag hierher zitieren? Mal sehen, was Frau Dr. Kleine-Kurzius sagen wird. Was meinen Sie mit er würde nicht eher sterben, als er wollte?“. Große Kleinhaus hatte diesmal seinen Standardsatz „Große Kleinhaus genügt“. zu sagen vergessen. Die Antwort von Markschaffer brachte ihn durcheinander.

„Wie gesagt, wenn Sie ihn mal kennengelernt hätten, würden Sie die Frage nicht stellen. Heiner war ein außergewöhnlicher Mensch, hochintelligent, eloquent, mit einer Siegeraura ohnegleichen. Man war besser an seiner Seite! Denn was er wollte, erreichte er. Bei all’ seiner einnehmenden Art, hatte man keine Chance gegen ihn und das merkte man sehr schnell und manchmal auch sehr äh ... deutlich! Ich staune wie es sein kann, dass er tot ist.

Er kämpfte seit einigen Monaten um DEN Deal, um einen Erfolg, der sogar für ihn eine neue Dimension gehabt hätte ... und wie ich soeben sehen konnte, hat er den Kampf gewonnen.

diXXda© war seins und Zuckerberg hatte ein erstes Angebot über 1,5 Milliarden Dollar gemacht. Ich bin sicher, dass Heiner ihm noch erheblich mehr dafür abgenommen hätte, wenn er dazu noch in der Lage gewesen wäre, die Verhandlungen zu führen. diXXda© ist das wert und mit dem richtigen Hintergrund wird es DIE Revolution im Internet, seitdem es Browser gibt“.

„Mit Zuckerberg meinen Sie DEN Mark Zuckerberg?“.

„Ja, genau, den meine ich, den Gründer von Facebook!“.

„Vom Internet habe ich keine Ahnung, das ist für mich Neuland2! Aber was Sie da sagen, hört sich reichlich übertrieben an und wie die üblichen Elogen auf ein neues Produkt, dass viel zu teuer an die Verbraucher verkauft werden soll. Diese Sprüche hört man aus allen möglichen Ecken des ,Web 2.0’.

Da gibt’s doch diese Brüder, die jede mickrige Errungenschaft für zum Beispiel Handys hochhypen, wie das jetzt so schön heißt. Anschließend ziehen sie mit ihren leeren Werbephrasen und ihrem wertlosen Kram Kindern und Jugendlichen für nichts ein paar Cent aus der Tasche, die sich durch die große Zahl zu Millionen addieren. Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber Ihre Ausführungen hören sich genauso an“.

„Also erstmal sind wir genau genommen schon eher beim Web 4.0 und die Brüder Seeger, ich nehme an, dass Sie die meinen, machen das genial. Trotzdem ist diXXda© eine ganz andere Dimension. Damit reden wir vom Web 5.0.

Sagen Sie, kennen Sie von Dan Galouye das Buch ,Simulacron 3’ oder dessen Verfilmung durch Rainer Werner Fassbinder ,Die Welt am Draht’, die in den 1970ern im deutschen Fernsehen gezeigt wurde?“.

„Ja, ich kann mich dunkel erinnern. Hat da nicht Klaus Löwitsch mitgespielt? Aber ehrlich gesagt, war mir das damals schon zu abgedreht. Ich hab früh abgeschaltet“.

Markschaffer grinste: „Mein Vater hat sowas ähnliches gesagt, als ich ihn fragte, ob er mit mir zusammen die DVD sehen will. In unserer Branche gibt es kaum jemanden, der das nicht mehrmals gesehen beziehungsweise das Buch gelesen hat“.

„Gutes Stichwort, Herr Markschaffer, was ist Ihre Branche?“. Paul Tietz war da und hatte aufgepasst. Er drehte dauernd seine Packung „Goldblatt“, die nur noch drei Zigaretten enthielt, in der rechten Hand. Auf dem schönen Tisch lagen Tabakkrümel, die aus der Packung gefallen waren.

Bevor Markschaffer fortfahren konnte, klopfte es an der Tür. Die sehr bemerkenswerte Sekretärin Markschaffers kam mit einem Tablett herein, stellte eine Porzellankanne (!) mit Kaffee auf den Tisch und verteilte vier Tassen an Große Kleinhaus, Tietz, Markschaffer und mich.

Markschaffer zeigte sofort sein Format. „Meine Herren, lassen Sie mich Ihnen bitte Frau Elena Anders, meine Assistentin vorstellen. Frau Anders ermöglicht es mir, dieses sehr erfolgreiche Unternehmen recht produktiv und reibungsfrei zu führen. Ohne sie wäre die Quadrant nicht das, was sie ist und ich nicht da, wo ich bin!“.

Elena Anders war eine herausragend schöne Frau, etwa 1,80 m ohne ihre sehr geschmackvollen, grauen, wahnsinnig teuer und mörderisch aussehenden Pömps, an denen manchmal die rote Sohle zu sehen war. Sie trug auf ihrer makellosen Figur, obwohl es Samstag war, ein fließendes, grau glänzendes, elegantes Kleid, das wirkte, als trüge sie nichts darunter. Ihre Bewegungen, die Art zu gehen hatten etwas katzenhaft Majestätisches. Ihr Duft erinnerte an einen sonnigen Tag auf lila Lavendelfeldern der Provence mit einer Note von frisch gewaschener Wäsche.

Das ist alles wenig erwähnenswert im Vergleich zu ihrem Gesicht, das schmal und blass mit einem Hauch von Aprikosenfarbe auf den Wangen war. Die grünen Augen passten sehr gut zu ihrem Haar, das wirkte, als wäre es aus weichen, sehr dünnen und langen Kupferfäden.

Die Brauen über diesen anziehenden Augen waren dunkleres Kupfer, schmal und beschrieben einen eleganten Bogen ab der Nasenwurzel zu ihren Schläfen hin. Ihre Nase war perfekt. Der Mund mit seinen offensichtlich sehr weichen Lippen, war nicht gerade klein und schön strukturiert.

Was Markschaffer sagte, ist leicht nachzuvollziehen. Elena Anders war fertig mit dem Servieren und wollte gerade gehen, als Große Kleinhaus sich beeindruckt räusperte und sagte: „Liebe Frau Anders, wäre es Ihnen möglich, sich heute noch zu unserer Verfügung zu halten? Wir hätten ein paar Fragen an Sie“.

„Selbstverständlich, Herr Hauptkommissar, Sie finden mich nebenan im Vorstandssekretariat“, sie hätte auch Karriere als Sprecherin oder vielleicht Sängerin machen können mit ihrem weichen, etwas kehligen Mezzosopran. Wir alle schauten ihr versonnen nach, als sie den Raum verließ.

HK GK war als erster wieder bei der Sache: „Sagen Sie, Herr Markschaffer, wie haben Sie vom Tod des Herrn Lurrwich erfahren?“.

„Ich war gerade am Herrmannsee, als mich Frau Anders anrief. Ich bin gleich hierher gefahren. Das ist ja ein Katzensprung. Auf dem Weg habe ich die Polizei angerufen und wurde zu Ihnen weiterverbunden“.

„Hat Frau Anders den Toten entdeckt?“. Verdammt, die Frage war mir rausgerutscht. Große Kleinhaus sah mich groß an.

„Nein, es war Fatih, Fatih Gönçor der Mann von der Gebäudereinigung. Der ist durchs Haus gelaufen und traf wohl Frau Anders, aber das müssen Sie sie bzw. ihn selbst fragen“.

Das hatte ich noch mitgekriegt und nun zogen sich graue Wolken um die Stirn von Große Kleinhaus zusammen: „So und nun zu Ihnen, Herr Amaro, was machen Sie eigentlich hier und wer hat es Ihnen erlaubt, mit in dieses Gespräch zu kommen?“.

Er war ungehalten, auch weil er wohl selbst den Fehler gemacht hatte, mich zu übersehen.

Das ist einer meiner Tricks. Für mich als Privatdetektiv ist es sehr nützlich, sich manchmal nicht unsichtbar aber übersehbar machen zu können. Ich bin zwar da, aber man bemerkt mich nicht, wenn ich will. Douglas Adams3 nannte das „ein Problem- anderer-Leute-Feld“, in dem ich mich dann befand. Kennen Sie sicher auch.

Mir passierte das zum Beispiel, wenn an irgendeiner Ecke in Kronenburg, an der ich schon tausend Mal vorbeigegangen bin, plötzlich ein neues Haus gebaut wurde und ich mich fragte, was vorher da war. Da stand dann früher was, was mich überhaupt nicht interessierte und das ich deshalb übersehen hatte.

Schlecht ist das nur, wenn man in der Kneipe ein Bier will und nicht bemerkt wird!

„Herr Hauptkommissar, als Sie in das Gebäude gegangen sind, kam ich auch. Herr Lurrwich wollte mich heute sprechen. Ich weiß aber nicht warum. Er rief mich gestern an und sprach von einem Angebot, dass ich nicht ablehnen könne. Drum bin ich hier“.

„Haben Sie jetzt eine Ahnung, worum es dabei ging?“. Tietz drehte die Packung „Goldblatt“. schneller.

„Bis gerade eben nicht, aber nach dem, was Herr Markschaffer sagte, schon. Es sollte wohl um diXXda© gehen beziehungsweise um KPPP wie es eigentlich heißt“.

„Mann, wir wissen noch nicht mal, was mit diXXda© gemeint ist, da kommen Sie mit dem nächsten Begriff, der uns nichts sagt. Ich glaube, es wäre an der Zeit, uns mal in das Geheimnis einzuweihen. Wer will: Herr Markschaffer? Herr Amaro?“. HK GK war sauer.

Markschaffer ergriff erneut das Wort und ich ließ ihn. Wie alle Manager war er der Ansicht, wer redet, hat das Sagen. Mir war es lieber, seine Darstellung zu kennen. Vielleicht würde sich daraus irgendetwas Verwertbares für mich ergeben.

„Nochmal zur ,Welt am Draht’. In dem Fernsehfilm ging es um ein Computerprojekt, bei dem eine komplette Welt simuliert wurde, Straßen, Häuser, Menschen. Die Menschen in dieser Welt wurden vorsichtig durch das forschende Labor, dass sie erschaffen hat, in ihrer Welt geführt, was an sich unmöglich ist. Man braucht etliche Tausende Identitäten und kann sich deshalb nicht dauernd um jede einzelne kümmern.

Ziel war es, diese Welt zu stabilisieren und anstehende Fragen in der realen Welt dort durchzuspielen, um aus den Reaktionen des simulierten Systems für die reale Welt zu lernen und Schlüsse zu ziehen. Ein sehr segensreiches Projekt“. betonte Markschaffer.

„Und was hat das nun mit diesem ,Dingsda’ oder wie es heißt zu tun?“. Tietz hatte sich eine der drei letzten Zigaretten ,trocken’ in den Mund gesteckt.

Nun war ich dran:

„Herr Markschaffer hat das sehr richtig dargestellt ,Simulacron 3’ wie der Computer in ,Die Welt am Draht’ heißt, war als segensreich für die Menschheit geschaffen worden. Was er nicht gesagt hat ist, dass es zwischen den hehren Forschern und den Unternehmenslenkern, die Simulacron 3 ermöglicht hatten, sehr unterschiedliche Ansichten gab, was die Nutzung anging.

Während die Forscher hofften, dass zum Beispiel die Auswirkungen von politischen Entscheidungen in der Simulation geprüft werden könnten, um sie bei negativen Effekten in der realen Welt zu vermeiden, um zum Beispiel Kriege zu verhindern, wollten die Unternehmenslenker vor allem Geld damit verdienen. Man könnte eine Marke, vielleicht für Waschmittel auf die eine oder andere Weise in Simulacron 3 bewerben, um dann die erfolgreichere Strategie in die reale Welt zu übernehmen. Man könnte im Auftrag eines Staates sogar einen Krieg simulieren und schauen, wer am Ende gewinnen würde und wenn er Gewinner würde, würde der womöglich den Krieg beginnen.

Die potenziellen Kunden würden Schlange stehen, um ihre Produkt- und Marketingstrategien zu simulieren oder auch Staatenlenker, die Böses im Schilde führen und für sich die vorteilhafteste Variante herausfinden wollen, um ihre Politik danach auszurichten. Es wäre ein einträgliches Geschäft für die Besitzer von Simulacron 3.

Der Konflikt liegt im Widerstand der Forscher, die befürchteten, dass nichts anderes mehr auf ihrer Maschine liefe beziehungsweise dass die vielfältigen Auftragsarbeiten keine Kapazität für die segensreiche Arbeit übrig ließen oder sogar unrechte Dinge dadurch verursacht würden.

Dieselbe Situation haben wir jetzt bei KPPP beziehungsweise diXXda©, wie das Projekt bei Quadrant genannt wird. Lurrwich war sich seiner Sache so sicher, dass er den Begriff diXXda© als Marke geschützt hat“.

„Das hilft mir nur bedingt weiter. Worum geht es bei dem Projekt oder den Projekten wirklich? ... Los Paul, geh schon raus und rauche eine. Du machst mich wahnsinnig mit deinem Gefummel!“.

Tietz rannte geradezu aus dem Besprechungsraum.

„KPPP4 ist die Abkürzung für Kronenburger Poser & Prolo Portal. An der TU Kronenburg gibt es einen Lehrstuhl für angewandte Soziologie. Mein Freund Hans Kleinert, Sie kennen ihn Herr Große Kleinhaus, hatte schon lange die Idee dazu. Er traute sich allerdings nicht, sie zu realisieren, weil er Angst vor dem Zugriff des Kommerzes hatte und hat.

Dann kam ihm die Idee, dass Projekt im Schutze der Forschung zu etablieren und schon allein dadurch, dass es Fördergelder bekam, dem Zugriff der Profitinteressen zu entziehen. Er suchte Junior-Professorin Fritzi Morgentau auf, die für die „Wirtschafts- und Industriesoziologie“. zuständig ist, nachdem man ihm von der eigentlich pädagogisch geprägten Fakultät diesen Kontakt sozusagen zuwies.

Hans’ Idee ist, dass im Kleinen wie im Großen vieles falsch läuft, weil insbesondere Männer dazu tendieren, anzugeben. Er hatte das berühmte „Kartenspiel“. im Kopf, das oft stattfindet, wenn sich zum Beispiel zwei ehemalige Schulkollegen nach langer Zeit treffen und gegenseitig Fotos auf den Tisch knallen begleitet von ,mein Auto’, ,mein Haus’, ,meine Yacht’ usw.

Er vermutet, dass auch führende Politiker nicht anders sind und derartiges Protzgehabe und der Neid, der sich daraus ergibt, so manche Einigung gefährden könnte, die dem menschlichen Wohlergehen auf dieser Erde nützen würde.

Mit KPPP wird das Protzgehabe und das Neidverhalten der Teilnehmer, die bei diesem ,Spiel’ die Obsiegenden und die Unterlegenen sind, erforscht und auf Einflußnahmemöglichkeiten geprüft.

Anders als bei Simulacron 3 braucht man bei den Möglichkeiten des Internets keine künstlichen Identitäten zu erschaffen, sondern die realen Probanden kommen von allein. Man testet also direkt in der realen Welt, aber in Bereichen, wo es nicht weh tut oder gar schädlich für Menschen, einen Staat oder gar die Weltentwicklung wäre. Genial!“, war ich in Schwung geraten und hätte weiter gemacht, wenn mich nicht Hein Markschaffer unterbrochen hätte.

„Ganz recht, GENIAL die Idee von Herrn Kleinert und klug war es auch aus seiner Sicht, daraus ein staatlich gefördertes Projekt zu machen. Dreiviertel der Zeit, die Heiner Lurrwich gekämpft hat, musste er zur Überwindung dieser Gegebenheit opfern“.

„Ich ahne was, aber ich kapiere noch gar nichts. Wie muss man sich das vorstellen?“, Große Kleinhaus kratzte sich an seinem „Heldenkranz“, wie der Haarkranz oberhalb seiner Ohren gerade modern genannt wird.

Er war einmal gerne Kriminalpolizist gewesen. Hatte sich von der Pike auf zum Hauptkommissar und Leiter der Abteilung hochgearbeitet, aber seit einiger Zeit war die Lust weg. Er war alt, müde, übergewichtig mit einer roten Nase und wünschte sich nichts mehr, als bald in den Ruhestand zu gehen, um erst einmal nichts zu machen. Tagelang nichts! Ihm gefiel der Spruch eines Bekannten, „Wenn ich mal in den Ruhestand gehe, kaufe ich mir einen Schaukelstuhl, setze mich rein ... und dann ... nach fünf Jahren ... fange ich langsam an zu schaukeln“.

Seine Miene erhellte sich bei dem Gedanken, aber keiner im Raum wusste warum. Sie warteten darauf, dass er seine Frage konkretisierte.

„Na ich meine, wie läuft das ab? Wie kommen die Probanden? Wie bekommt man sie zum Angeben?“.

Markschaffer fiel direkt ein: „Das ist ganz einfach. Wie Sie sicher wissen, gibt es vor allem bei den Jugendlichen und da besonders bei den männlichen den Wettstreit, wer das coolste Handy oder wessen Auto die besten Felgen hat und so weiter und so fort. Kleinert hat dazu ein Portal im Internet geschaffen, wo man sich registrieren und sein ,Equipment’ katalogisieren kann.

Parallel dazu wird aus der Anzahl des Auftretens bestimmter Marken und Artikelbezeichnungen eine Rangfolge festgelegt, die damit zeigt, wie groß die Verbreitung des Handys der Firma ,Peach’ im Vergleich zu dem der Firma ,Shenyang’ ist.

Alle vorhandenen Marken und Artikel können von den Mitgliedern bewertet werden. Heraus kommt zum Beispiel das coolste und im Moment angesagteste und nicht immer, aber gegebenenfalls auch meistverkaufte Handy.

Alle Mitglieder, die nun dieses Handy zur Zeit als das ihre eingetragen haben, bekommen dadurch die Punktzahl, die dem Handy durch alle Portalmitglieder gegeben wurden. Die Summe aller Punktzahlen, erreicht durch Handy, Auto, Felgen, Lifestyle-Produkt x und y, weist die Scores der Mitglieder aus.

Der mit der höchsten Punktzahl ist dann zur Zeit diXXda© und steht damit im Ansehen aller Portalmitglieder ganz oben. Früher war es wichtig viele Follower zu haben, das wird bald vom diXXda©-Score abgelöst“.

„Und was ist diXXda© für eine Abkürzung?“. Tietz war zurück und arbeitete sich wieder an den Stand des Gesprächs heran.

„Das ist keine Abkürzung, sondern ein Kunstwort, das Assoziationen wecken darf, wie der Dickste, der Größte und auch an den US-amerikanischen Slangausdruck the dick erinnern soll. Also an etwas, dass alle Jungs von 14 bis 80 in besonders großer und dicker Form für sehr erstrebenswert halten, wenn Sie wissen, was ich meine. Lautsprecherboxen können gar nicht groß genug oder Autoreifen breit genug oder Armbanduhren umfangreich genug sein. Man spricht da ja auch vom Penisersatz oder im Slang von einer - Pardon - Schwanzverlängerung.

Es ist langweilig und schwierig, immer alles zum Vorweisen mit sich rumzuschleppen. Mit dem diXXda©-Score und einem Blick ins Portal weiß jeder sofort, wo man im Vergleich zu ihm steht“.

„Ok, jetzt habe ich es kapiert, aber zurück zum vermeintlichen Mord. Warum denken Sie, dass Herr Lurrwich eines unnatürlichen Todes gestorben ist“. Jetzt war Große Kleinhaus wieder in seiner Domäne.

„Wie gesagt, hat Heiner wie ein Berserker darum gekämpft, diXXda© oder KPPP in seine Hände und seine Gewalt zu bekommen. Das ist ihm vor zwei Wochen gelungen und der Verkauf an Zuckerberg mit der anschließenden Verlagerung in dessen US-amerikanisches Umfeld hätte diesen Sieg abgesichert und unumkehrbar gemacht.

Heiner hätte Milliarden mit dem Verkauf und dem verdient, was seine ihm verbleibenden Anteile in Zukunft abgeworfen hätten.

Das diXXda©-Portal wird alle bisherigen anderen wie Twitter, Facebook oder oder oder binnen kurzem in den Schatten stellen. Eine Entwicklung, die im universitären Elfenbeinturm absolut unmöglich gewesen wäre, mal abgesehen davon, dass Heiner daran nichts verdient hätte.

Ich sag’s noch einmal, wenn Ihre Medizinerin nicht einen eindeutigen Beweis für einen natürlichen Tod findet und das wird sie nicht, da bin ich sicher, dann müssen Sie die Sache sowieso als Mord verfolgen. Heiner wollte einfach noch nicht sterben. Punktum!“.

„Vielen Dank, Herr Markschaffer, sind Sie so nett und schicken uns Frau Anders rein und nehmen Sie bitte auch dringend den Herrn Amaro mit. Der hat hier absolut nichts zu suchen!“.

Vom Digi-Tal nach Hückelheim

Ich stromerte noch ein wenig in der Chefetage bei Quadrant rum, ging in dieses und jenes Büro, konnte aber hier nichts mehr ausrichten. Meine Versuche, Frau Dr. Kleine-Kurzius oder ihren Assistenten auszuhorchen, blieben erfolglos, nicht weil ich nicht geschickt genug war, die wussten wirklich nichts.

Liebend gerne hätte ich mir die Unterlagen unter Lurrwichs Kopf angesehen, aber da war nichts zu machen.

Also los, ab zu Hans, der Luftlinie einen Kilometer entfernt wohnte und arbeitete. Den Fußmarsch von einer halben Stunde, nahm ich auf mich. Zu gehen hilft mir, meine Gedanken zu ordnen und Ideen für mein weiteres Vorgehen zu entwickeln, denn dass ich dranbleiben musste, war klar. Früher oder später würde Hans mich bitten, ihm zu helfen.

Hans Kleinert ist mein bester Freund. Wir kennen uns seitdem wir sechs Jahre alt waren. Ich schätze ihn sehr. Er ist für mich der intelligenteste Mensch, den ich kenne und hat ein unheimliches Allgemeinwissen. Wenn ich mal zum Günter Jauch komme, wird er mein Telefonjoker sein. Eigentlich sind wir wie zwei Brüder und verbringen viel Zeit miteinander.

Entweder bin ich bei meiner Familie in Bochum oder bei Hans und seiner Frau Kerstin. Ich habe es leider immer verpasst, eine Frau für mich zu finden. Mit Mitte sechzig halte ich mich auch nicht mehr für dauerbeziehungsfähig. Abgesehen davon genieße ich es, mal in Bochum und mal in Kronenburg mit meinen Lieben am Tisch zu sitzen. Nur zum Schlafen und zum Arbeiten bin ich nicht dort.

Ich streifte durchs noch sehr künstliche und an vielen Stellen provisorische Digi-Tal. Ging nun über das Nelkensträßchen, was früher ein Schleichweg zur B1 war. Wir wohnten eine Zeit lang hier in der Nähe, im damaligen Neubaugebiet Fachen-Ost. Immer wenn ich mit meinem ersten Auto, einem VW-Käfer Baujahr 1961 zur Fachhochschule unterwegs war, bin ich das Sträßchen gefahren und an dessen Einmündung zur B1 links abgebogen Richtung Bochum. Also quer über die Spuren in Richtung Unna, der Grünstreifen war unterbrochen und an der Stelle asphaltiert und dann eben links auf die Spur Richtung Bochum. Eine T-Kreuzung ganz ohne Ampeln! Kaum zu glauben, nicht wahr?

Hier war es noch fast genauso, wie es damals war. Nur waren die alten Kasernen weg, zwischen denen das Nelkensträßchen langlief und dafür standen nun auf viel zu kleinen Grundstücken teilweise pompöse Einfamilienhäuser erhöht am Hang.

Die alten Kasernengebäude an der B1, sie waren ihrem Aussehen nach in den neunzehnhundertzwanziger, -dreißiger Jahren gebaut worden, wurden zu riesigen Hügeln aus Ziegel- und Mörtelsand zermahlen. Kronenburg hatte wieder eine freie Fläche, die dem Strukturwandel gewidmet wurde.

In Kronenburg war man bereits in den späten 1970ern auf die Idee gekommen, in der Nähe der dortigen Universität High Tech-Gewerbe anzusiedeln. Heiner Lurrwich gehörte mit zu den ersten, die damals auf die grüne Wiese zogen und alles auf eine Karte setzten.

Mit einer kleinen Software-Klitsche mit wechselndem Personal um die sieben bis zehn Leute sprang er mit einem Freund ins kalte Wasser und bezog einen Neubau im sogenannten Technologiezentrum Kronenburg.

Sein Kernteam aus der Gründungsphase wurde schnell vervielfacht durch die Beschäftigung freier Mitarbeiter aus der großen Schar der Studenten. Die nahe Uni lieferte unbegrenzt Nachschub. Noch höher qualifizierteres Personal kam von den Instituten, wo wissenschaftliche Mitarbeiter nach mehr oder weniger langer Zeit den Duft der großen, weiten, echten Arbeitswelt verspüren wollten. Alles in allem war das sehr günstiges Personal mit hoher Qualifikation.

Die waren auch deshalb besonders zu motivieren, weil Plektrum, so lautete die Firma, sich auf das Betriebssystem UNIX5 spezialisiert hatte.

Jeder wusste, dass alles, was von Microsoft kam beziehungsweise von anderen schon da war (IBM), von den „wirklich revolutionären“. jungen Softwerkern als hassenswert betrachtet wurde. UNIX war die Heilsbringerin.

Sie hatten schon was von den Yuppies, die es offiziell erst wesentlich später gab und es gab noch mehr Nerds, obwohl auch dieser Ausdruck damals fehlte.

Lurrwich hatte mit beidem, nämlich UNIX und seinem Neubau, auf die richtigen Pferde gesetzt.

Genauso, wie damals im Technologiezentrum hatte es Lurrwich einige Jahre später im Digi-Tal gemacht. Er war einer der ersten, die dort Bürogebäude bauten.

Na ja, Heiner Lurrwich hatte viel Erfolg. Warum und wie, dazu später mehr.

Weiter ging’s, das Nelkensträßchen war fast zu Ende. Ebenso wie auf dem ehemaligen Kasernengelände befand sich hier nun ein Gebiet mit vielen neuen Einfamilienhäusern. Dort stand vorher eine Maschinenfabrik.

Da wurden Erinnerungen wach. Wenn ich nun an der Bruchsteinmauer im alten Teil von Fachen weiter in Richtung Hückelheim wanderte, kam ich an einer alten Häuserformation vorbei und es fiel mir „Tropi“. ein. Denn dort wurde eine Limonade mit Namen „Tropi“. abgefüllt und ausgefahren zu den Trinkhallen, Buden wie wir hier sagen und anderen Abnehmern.

Genau wie Tropi gibt es auch Libella, Bluna und andere Limonaden nicht mehr. Zu allen hatte ich die Erinnerung, dass sie viel besser schmeckten, als das was man heute kaufen kann.

Das alles ging mir auf meinem Marsch durch den Kopf.

Ich war nun schon durch das Tal in Kronenburg-Fachen durch und auf dem Weg hoch zu Hans in Kronenburg-Hückelheim.

Den Anstieg nutzte ich mal zum Nicht-Nachdenken und konzentrierte mich auf das Atmen. Die Steigung ist beachtlich und ich konnte mich einfach nicht daran gewöhnen.

Hans ist nervös!?

Mit leicht erhöhtem Puls, feuchter Stirn - es war immer noch so heiß - und unter heftigem Atmen klingelte ich bei Hans und Kerstin. Die machte augenblicklich auf. Sie hatte mich durch den Vorgarten kommen sehen. Wie dieser Vorgarten noch vor einem halben Jahr aussah, kann man sich heute nicht mehr vorstellen.6

Die ehemaligen Nachbarn hatten eine alte Kloschüssel direkt neben die Vorgartengrenze zu Kleinerts gestellt. Mit denen lagen Kleinerts damals jahrelang im Clinch.

Kerstin und Hans hatten unmittelbar danach ein Tellerchen mit einigen Münzen, eine Toilettenbenutzungsordnung mit Preisliste und eine Spardose in Form einer alten Klofrau daneben gestellt.

Doch das gehörte der Vergangenheit an. Die neuen Besitzer des Nachbarhauses, der Kronenburger Katzenverein e. V. hatten das alles kopfschüttelnd wieder rückgängig gemacht.

Nachdem der ehemalige Vorsitzende seinen Vereinsposten „aufgeben musste“, wurde Eva Ferstel die neue Vorsitzende, die nette Nachbarin von schräg gegenüber und Freundin von Kerstin. Statt das Haus zum Vereinsheim zu machen, hatte sie es vermietet und führte damit dem Verein laufend Bares zu.

„Amor, schön, dass du kommst. Komm rein! Hans ist unten. Ich rufe ihn“. Dank Kerstins ehrlich gemeinter Worte war mir gleich wieder wohl ums Herz.

„Was hältst du von einem schönen Caffè doppio?“.

„Viel! Nehmt ihr immer noch die Bohnen aus der Pfalz?“.

„Klar, warum sollten wir wechseln. Die rösten nach Wunsch und der Kaffee schmeckt uns, wie sonst keiner. Eigentlich wollte Hans mir schon vor einer halben Stunde einen Kaffee machen, doch du kennst ihn ja, er muss noch mal eben den Brief speichern, hat er gesagt. Aber nun, wo du da bist, kann er mir nicht mehr ausbüxen“.

„Haaans, Amor ist da, kommst du endlich rauf?“.

„Ich bin schon auf dem Weg, wir wollten doch einen Kaffee trinken“. Hans war schon auf der Treppe.

Kerstin und Hans tranken nicht viel Kaffee, doch seitdem Kerstin ernsthaft krank geworden und Gott sei Dank wieder genesen war, später Hans mal in einer „Schaffenskrise“. steckte, hatten sie neue Rituale geschaffen. Wenigstens einmal am Tag gemeinsam auszusetzen und einen Kaffee zu trinken, war eines davon.

Fünf Minuten später saßen wir im sonnigen Wohnzimmer, das von der großen Markise beschattet wurde. Das Haus ist immer wunderbar kühl ohne jede Klimaanlage, es war wesentlich angenehmer als die Vorstandsetage bei Quadrant.

„Willst du deinen Doppio korrigieren?“. Hans hielt die Grappaflasche hoch. Heute wirkte er etwas abgelenkt und fahrig. Er hatte Schweiß auf der Oberlippe.

„Nein, aber einen von deinen leckeren Amari kannst du mir gerne anbieten“. Es hat überhaupt nichts mit meinem Namen zu tun, dass ich gerne Amaro trinke. Ich genieße es, auf der Zunge noch den Amaro zu schmecken und das dann mit dem ersten Schluck Espresso macchiato zu vermischen.

„Hör mal, Hans! Ich komme gerade aus dem Digi-Tal von Quadrant. Stell dir vor, heute Morgen wurde Heiner Lurrwich tot im Büro gefunden“.

„Was? Heiner ist tot? Das ist unvorstellbar. Wurde der Tod schon amtlich festgestellt?“. Wieder fiel mir auf, dass Hans nervös war.

„Auf jeden Fall. Sein Geschäftsführer von Quadrant geht von Mord aus und hat Große Kleinhaus und sein Team gerufen. Heiner ist mausetot und keiner weiß wie und warum. Markschaffer meint, es hätte mit diXXda© zu tun“.

„Du meinst KPPP!“, kam es ungewöhnlich scharf von Hans. KPPP ist sein Baby und er hatte unermüdlich eine Abwehrschlacht gegen die diXXda©-Truppe mit Heiner Lurrwich an der Spitze gekämpft.

„Wenn Markschaffer recht hat, gehöre ich zu den Verdächtigen und die Befragung der Polizei geht bald wieder los“. sagte Hans müde (wie gesagt, da gab’s vor einem halben Jahr schon mal einen Fall).

„Hans, du kennst doch Lurrwich aus früheren Zeiten. Erzähl mir bitte mehr von ihm“.

„Ende der 1980er, nachdem ich zwölf Jahre bei QTJ gearbeitet hatte, fing ich bei Plektrum an. Zu QTJ war ich nun schon jahrelang jeden Tag bei jedem Wetter fünfzig Kilometer hin und fünfzig Kilometer zurück gefahren. QTJ veränderte sich gerade, aus meiner Sicht zum Negativen. Es fiel mir leicht, dort zu kündigen.

Wir drei, Kerstin, unser Sohn Anton und ich wohnten in einer Eigentumswohnung in Uni-Nähe. Ich bewarb mich bei Plektrum, weil die soeben ins Technologiezentrum umgezogen waren und ich heiß darauf war, endlich mal zu Fuß oder mit dem Fahrrad zur Arbeit zu kommen.

Abgesehen davon begeisterte ich mich für UNIX wie wohl jeder „freiheitlich denkende“. Softwerker zu der Zeit. Plektrum arbeitete ausschließlich auf UNIX. Ich war ein Exot bei denen, weil ich nur noch geringe Entwicklerfähigkeiten aufwies, nachdem ich jahrelang Projektmanagement und Beratung gemacht hatte. Bei Plektrum gab es quasi nur Eigengewächse und Leute aus dem Uni-Umfeld. Ich war der erste, der aus der „echten“. Arbeitswelt hinzukam.

Heiner hielt sehr große Stücke auf mich, verknüpft mit einer ebenso großen Erwartungshaltung. Das störte seinen damaligen Mitgesellschafter Egon Koslowski. Ob es Eifersucht war oder ich ihm zu hoch bezahlt war, weiß ich nicht, jedenfalls gab’s jede Menge Mobbing-Aktionen gegen mich, die ich auf die eine oder andere Art auskonterte. Hinzu kam, dass Heiner mich an die wirklich großen Sachen setzte. Wir beiden konnten gut miteinander.

Eines Tages kam der Zeitpunkt wo von Seiten Plektrum ein Versprechen einzuhalten war, das mir Heiner und Egon bei der Einstellung gegeben hatten. Das Versprechen wurde nicht gehalten und ich bin gegangen. Ich meine, Heiner hatte mir das nicht übel genommen und Egon war und ist mir egal.

Zwei, drei Jahre später wurde Plektrum verkauft bzw. zerschlagen. Es sieht so aus, als bräuchten Egon und Heiner seitdem nicht mehr zu arbeiten. Gut, dass ich weg war. Ich hätte mit damals Mitte vierzig Probleme bekommen, einen neuen Job zu kriegen.

Heiner hat sein Geld - glaube ich - seitdem vervielfacht. Er ist hochintelligent und seine Art ist so, dass er binnen kurzem alle um sich herum in die Tasche stecken und nach Belieben wieder herausziehen kann. Äh ich meinte natürlich war und konnte. Ich fand es toll, mit ihm auf einer Seite zu sein, auf der Seite des permanenten Siegers“.

„Du hörst dich traurig an. Bereust du, dass du Plektrum verlassen hast?“.

„Nein, das war richtig und unausweichlich. Wenn die Vertrauensbasis zwischen Arbeitgeber und -nehmer nicht mehr gegeben ist, geht auf der Ebene, auf der ich war, nichts mehr. Nein, ich hätte gerne noch lange mit Heiner zusammengearbeitet, ohne Egon. Wir hätten viel voneinander gehabt, beide! Und dass er nun tot sein soll, geht mir gar nicht in den Kopf. Heiner stirbt nur, wenn er es will! haben wir immer gesagt“.

„Genau, dein letzter Satz kam identisch von Markschaffer. Scheint schon ein außergewöhnlicher Mann gewesen zu sein“.

„Das kann man wohl sagen. Er hatte Intuition, Charisma, Eloquenz, einen scharfen Verstand und wusste vor allen Dingen diese Fähigkeiten kombiniert einzusetzen.

Ich glaube, er schätzte mich ebenfalls hoch ein, weil ich ihn - womöglich erstmals - richtig „auf die Seife gestellt hatte“, wie man so schön sagt und wegen meiner Idee zu KPPP“.

„Wie auf die Seife gestellt?“, mir ging ein Lurrwich durch den Kopf, der gerade mit dem Gleichgewicht kämpfte, weil er auf ein feuchtes Stück Seife getreten war.

„Nachdem ich weg war von Plektrum, bin ich zu einem anderen Softwarehaus. Später, nach einiger Zeit habe ich OCK gegründet und hatte sofort einen Beratungsauftrag bei einem sehr renommierten, deutschen Großunternehmen.

Es ging um ein automatisiertes System mit hohen logistischen Anforderungen, Instandhaltung und der Verwaltung von Bauteilen und so weiter, für das ich die Ausschreibung machte.

Bei Plektrum hatte ich damals den Rumpf für professionelle und rechtssichere Angebote in Form von wiederverwendbaren Standardtexten geschaffen.

Als ich nun die Antworten auf die Ausschreibung für die nötige Software bekam, kam mir ein Angebotstext sehr bekannt vor.

Es stellte sich heraus, dass Plektrum ein Angebot an einen Förder- und Regaltechnik-Hersteller gegeben hatte, weil die beiden Unternehmen den Auftrag als Team erhalten wollten. Na und der Angebotstext war zu einem großen Teil mal von mir erstellt worden. Ich wusste also, dass Plektrum zur Vorstellung kommen würde, die von Plektrum aber nicht, dass sie mich antreffen würden, außerdem in einer entscheidenden Rolle.

Irgendwie war ich in der Zwickmühle. Würde ich dieses Anbieterteam zu hart anfassen, käme der Vorwurf, aus Rache nicht neutral zu sein. Würde ich zu sanft mit ihnen sein, hätte das für meinen Kunden ein Geschmäckle.

Ich ging zum Projektleiter des Kunden, Volker Hermann, habe alles erzählt und ihn gebeten, die Fragen, die ich den anderen Bewerbern stellte, nun selbst zu stellen. Ich wollte mich zurückhalten.

Der Termin kam und zuerst kam Jopi Knusper rein, ein ehemaliger Plektrum-Kollege, mit dem ich mir bei Plektrum ein Büro geteilt hatte. Der staunte schon nicht schlecht, mich zu sehen, fand das aber gut, weil er zur Schadenfreude tendierte und gespannt auf Heiners Reaktion war, denn Heiner Lurrwich kam selbst.

Das mit dem auf der Seife stehen kannst du wörtlich nehmen. Heiner war so, wie ich ihn nie zuvor gesehen hatte, wie ihn wahrscheinlich noch niemand sah. Er war abgelenkt, versprach sich dauernd, verlor den Faden und so weiter, Eloquenz passé.

Langer Rede kurzer Sinn, Volker Hermann fragte mich danach, was ich ihm da von einem Eloquenzbündel erzählt hätte. Die Fragen hätte er gar nicht zu stellen brauchen, Lurrwich hätte sich selbst aus dem Rennen geredet. Und Plektrum käme nach der Vorstellung sowieso nicht in Frage.

Sowas ist Heiner sicher nie vorher und auch wahrscheinlich nie wieder später passiert. Immer wenn ich danach Jopi traf, haben wir darüber gelacht“.

„Und was meintest du, dass Heiner dich wegen KPPP schätzte?“. Es war mir klar, aber ich sammelte schon Fakten, Meinungen und Eindrücke und mir war es wichtig, das nochmal von Hans zu hören, auch wegen dieses fahrigen Eindrucks, den er auf mich machte.