Dummes Zeug & Besinnliches - Marco Toccato - E-Book

Dummes Zeug & Besinnliches E-Book

Marco Toccato

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Beschreibung

Beim Schreiben bleiben Satzfetzen, Kurzgeschichten, spleenige Ideen und auch wichtige Gedanken übrig. Die meisten kommen in den Papierkorb, aber manche sind zu wertvoll. Hier sind die gesammelt, die Marco Toccato zu schade zum Wegschmeißen waren.

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Seitenzahl: 194

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Im Laufe der Zeit sammeln sich bei mir Gedankenansätze, Ideen, Satzfetzen und Geschichten, die manchmal Eingang in ein Buch finden und oft nicht. Es sind gewissermaßen „Dachbodenfunde“ des Gedächtnisses. Darunter ist viel Dummes Zeug, doch auch hier und da Besinnliches. Genießen Sie die skurrilen, blödsinnigen, abstrusen und größtenteils völlig unnötigen Schnapsideen von Marco Toccato. Wenn Ihnen etwas davon hilft, schreiben Sie unbedingt an den Autor, der hat nämlich nicht damit gerechnet und wenn nicht, dann nicht.

„Ein Tag ohne Lächeln ist ein verlorener Tag“

Soll Charlie Chaplin gesagt haben

„Träume sind Begierden ohne Mut“

Arthur Schnitzler

„Ich bin militant naiv! Naiv bis zur Aggressivität.“

Marco Toccato

“Be kind to unkind people! They need it most.“

Ein anonymer Sprücheklopfer

Dabei fällt mir auf, dass das Wort „Kind“ im Englischen für freundlich steht. Das ist schön. Wenn man das nun so übersetzte:

„Sei Kind zu unkindlichen Leuten …“, würde es immer noch passen.

Inhaltsverzeichnis

Wo geht’s lang?

Schreibübung

Sehnsucht und Hoffnung auf Erfüllung

Meine Geschichte der O

Besinnliches

Es wird wieder Zeit für Dummes Zeug

Frust

Anspruchshaltung

Noch etwas Dummes Zeug

Von Hans und der Nachbarin

Die Gutmenschin

Corona, Trump, Klima und die große Welt

Macht und Mächtige

Buchideen

Sensationelle Entdeckung

Wien in der U-Bahn

Erfahrungen

Dummes Zeug

Ein Traumtag

Weiterlesen nur ab 18!

Mordort Münster: „Tod im Käfig“ oder „Die ver

Noch was Dummes, wo wir gerade dabei sind

Wo geht’s lang?

Ehrlich gesagt, weiß ich das auch nicht. Die Idee zu diesem Büchlein kam mir, als ich Folgendes auf Facebook fand:

Ein guter Freund von mir hat der Fragenden geantwortet. Er hat ihr nicht die Worte „Tinnef“ und „Nippes“ erklärt , sondern nur mit einem für Franken landestypischen Begriff geantwortet. „Drei im Weckla“ sind drei Nürnberger Bratwürstchen in einem Brötchen. Das ist echter Tinnef!

Der geneigte Leser wird hier schon ahnen, dass es in diesem Buch unter Umständen nicht nur ernsthaft zugeht. Keine Angst das ist nur unter Umständen so. Manchmal gibt es auch Ernstes.

Es sind nicht nur Ideen von mir im Buch, sondern auch Zitate, die mich beeindruckt, mir gefallen haben oder etwas ausdrücken, was in Resonanz mit einem meiner Gefühle ist oder war.

Schreibübung

Einige meiner Kurzgeschichten sind entstanden, als ich bei „Autorenwerkstätten“ und ähnlichen Seminaren mitgemacht habe. Ich finde, die sind zum Wegschmeißen zu schade.

Es ist erstaunlich, welche Aufgaben sich die Leiter und Leiterinnen solcher Veranstaltungen ausdenken. Wahrscheinlich handelt es sich um Übungen, die sie selbst bei anderen eigenen Fortbildungsmaßnahmen kennengelernt haben. Egal, der Zweck heiligt die Mittel und manchmal sind die Ergebnisse, die sich meistens nach einer halben Stunde einstellen, verblüffend:

Aufgabe: Schreibe eine Geschichte zum Thema „Löcher“ (das war der Titel vom ersten blind aus meinem Regal gegriffenen Buch, übrigens ein sehr empfehlenswertes Jugendbuch von Louis Sachar) mit den weiteren Stichworten: Kirche, bunt, erschrecken und Wunder. Vermeide Klischeeausdrücke!

JESO in der Kirche

Als er die Tür zur Kirche öffnete, konnte er nicht glauben, was er sah. Er blieb erstaunt stehen. Es war kein Wunder, dass er erschrak, denn im Gotteshaus trieben es einige Jugendliche bunt.

Einige hatten Bohrmaschinen und bohrten scheinbar wahrlos Löcher in die Kirchenbänke. Andere zogen etwas hindurch, was er nicht erkennen konnte. Ein Ghettoblaster lief und spuckte aggressiv Hiphop-Sequenzen laut wie Düsenjäger in den sakralen Raum.

Er wusste nicht, was er tun sollte. Er war empört. Sollte er einschreiten? Dann würden sie womöglich über ihn herfallen. Oder sollte er besser erfragen, welchen Sinn das hatte?

Bevor er einen Entschluss fassen konnte, löste sich der Spuk auf. Der Pfarrer kam mit einem kleinen, hageren Männchen mit grauer Wallemähne aus der Sakristei. Beide gingen in die Mitte des Kirchenschiffes. Das Männchen betätigte einen Schalter. Es war wie ein Wunder, die Kirchenbänke erhoben sich in die Luft, ohne dass er sehen konnte, wie es passierte, als würden sie an Fäden hochgezogen.

Es dauerte einige Zeit, bis das Männchen mit seinem Arrangement zufrieden war. Die Bänke hingen schräg und über Kreuz wie schwerelos im Raum. Dann signierte er auf dem Steinboden mit seinem Namen „JESO“, bevor er alles fotografierte.

-:-

Eine weitere gern genommene Übung sind sogenannte Assoziationsketten.

Aufgabe: Beginne mit dem Wort „Ponyhof“ und assoziere frei weitere Wörter dazu:

Assoziationskette „Ponyhof“

Ponyhof, Leben, Tod, Mord, Aufklärung, Detektiv, Büro, Computer, Texten, Cover, Foto, Kamera, Objektiv, subjektiv, neutral, engagiert, jähzornig, ruhig, beruhigen, einschläfern, Tierarzt, Hund, Knochen, Fleisch, Wurst, Pelle, Haut, schlagen, streicheln, kitzeln, schmusen, drücken, liebhaben, hassen, shitstorm, dumm, klug, belehrend.

Dabei ging mir durch den Kopf:

Ein Ponyhof ist es nicht, das Leben. Es endet mit dem Tod, manchmal durch einen Mord. Aufklärung bringt ein Detektiv zum Teil in seinem Büro mit dem Computer. Ich nutze den Computer allerdings zum Texten und zum Schluss kommt das Cover, für das ich meistens eines meiner Fotos nehme, die ich mit meiner Kamera gemacht habe. Eines meiner Objektive macht besonders schöne Portraits, aber das ist nicht objektiv, sondern meine subjektive Meinung. Neutral betrachtet sind meine Fotos vielleicht nichts Besonderes. Aber ich bin, was das angeht, so engagiert, dass ich fast jähzornig werden kann. Dann muss ich ruhig werden, mich beruhigen, aber nicht einschläfern. Einschläfern macht ein Tierarzt zum Beispiel bei alten Hunden. Wenn sie so alt und krank sind, dass sie sich nur noch quälen und keine Knochen mehr kauen können, manchmal nicht einmal Fleisch, aber Wurst, ich meine so mit Pelle. Die ist dünn wie Haut, aber aus Darm. Manchmal haut einer auf Haut, dann schlägt er jemand anderes. Dabei ist Haut zu streicheln und jemanden zu kitzeln viel schöner. Man sollte Andere besser in den Arm nehmen, drücken und liebhaben. Hassen ist negativ und führt zum Beispiel zu einem Shitstorm in den sozialen Medien. Hass ist dumm. Klug dagegen ist es, mit Rücksicht Kritik zu üben und nicht belehrend.

Sehnsucht und Hoffnung auf Erfüllung

Manchmal entstanden ganze Geschichten aus den Übungsaufgaben. Immer dann, wenn die halbe Stunde nicht genug war und ich meinte, es wäre ein wertvolles Thema, habe ich später eine Geschichte daraus komplettiert, so wie hier bei der Stichwortvorgabe „Sehnsucht“:

Opa und Lena

„Opa, was ist Sehnsucht?"

"Wie kommst du darauf, Schatz?"

"Im Fernsehen sagen sie, dass heute Abend ein Film „Endstation Sehnsucht" gezeigt wird. 'Endstation' kenne ich vom Straßenbahnfahren, aber 'Sehnsucht' nicht."

"Hm, wie erklär ich das? Also Sehnsucht ist, wenn man was ganz feste will und nicht kriegen kann. Dann sehnt man sich danach und ist richtig süchtig darauf, es zu bekommen. Deshalb 'Sehn' und 'sucht'."

"Ach ich dachte, das hätte was mit Seen und suchen zu tun."

"Ha, ha! Aber das könnte es auch, denn wenn du es magst, zu Seen zu reisen, um zum Beispiel darin zu baden und du suchst sie ... Aber nein, das ist Quatsch! Nochmal! Es gibt viele Menschen, die gerne ans Meer fahren und wenn sie das nicht können, weil sie arbeiten müssen oder so, dann sehnen sie sich nach dem Meer. Das kann so schlimm sein, dass sie an nichts anderes mehr denken können, genauso, als wären sie süchtig danach. Wenn man süchtig ist, dreht sich für einen alles nur darum, das zu bekommen, was man sich ersehnt. Man kann an nichts anderes mehr denken."

"Ja, das weiß ich, der Papa sagt immer, die Oma ist süchtig nach Schokolade."

"Ha, ha, ha! Du kriegst wohl alles mit, hast deine Ohren überall, Lena? Also, die Oma isst sehr gerne Schokolade, aber dass sie danach süchtig ist, ist übertrieben. Es kann aber sein, dass es Momente gibt, wo Oma ganz doll an Schokolade denkt und gerne welche hätte. Dann hat sie Sehnsucht danach."

"Gut! Das verstehe ich. Ich will auch manchmal unheimlich gerne Chips essen. Dann kann ich nur noch an Chips denken."

"Genau! Das ist Sehnsucht."

Ferien

Einige Jahre sind vergangen. Lena fährt zum ersten Mal ohne ihre Eltern in die Ferien. Es geht in ein Sommercamp mit ihren Freundinnen aus dem Fußballverein.

Sie sind im Sauerland und zelten auf einer großen Wiese in der Nähe eines Fußballplatzes. Nicht nur sie und ihre Mannschaftskameradinnen sind dort, sondern noch andere Vereine, Jungs und Mädchen. Zum Schluss wird ein Turnier veranstaltet. Sie zelten auf einer Wiese, die auf einem Hügel liegt. Auf der einen Seite ist das Stadion, in dem sie morgen gegeneinander kämpfen werden. Am anderen Ende der Wiese beginnt der Wald. Es ist schön hier und die Mädchen sitzen abends vor ihren Zelten und sehen ins Tal, über dem die Sonne untergeht.

-:-

Für den nächsten Tag ist eine erste Spielrunde angesetzt, bei der nacheinander je zwei Mannschaften gegeneinander antreten, jede Mannschaft gegen jede. Abends sind Lena und ihre Freundinnen auf Platz zwei. Morgen wird die Jungenmannschaft, die auf Platz eins ist, gegen sie spielen. Es geht um den Gewinn des Turniers. Aber zuvor spielen zwei andere Mannschaften um den dritten Platz.

Den ganzen Tag über war Lena zu beschäftigt. Doch am Abend vor dem Einschlafen fallen ihr Papa und Mama ein. Sie möchte so gerne zu ihnen, aber das geht nicht. Sie hat Heimweh. 'Ja, ich sehne mich nach ihnen und danach, zuhause zu sein', denkt sie. Und dann fällt ihr der Opa ein und ihr Gespräch mit ihm über ‚Sehnsucht' vor vielen Jahren. Auch nach dem Opa sehnt sie sich nun. Sie versteht nun richtig, was mit 'Sehnsucht' gemeint ist. Tränen fließen, ohne dass sie es verhindern kann. Ihre Freundinnen dürfen nichts merken. Es geht ihr schlecht. Sie vermisst ihre Lieben zuhause. Und dann ist sie eingeschlafen.

-:-

Sie wacht auf. Die Tränen sind getrocknet. Es ist der dritte Tag im Zeltlager. Nachts war es kalt und der Boden unter den Isomatten hart. Das hat ihr nichts ausgemacht, sie hat sich daran gewöhnt. Die Stimmung ist gut und erwartungsvoll. Heute geht es um Platz eins bis drei im Turnier. Sie wäscht sich hastig und putzt die Zähne nicht sehr gründlich. Sie hat jetzt keine Zeit, auch nicht, um an ihr Zuhause zu denken. Beim Frühstück geht es richtig rund. Wenn sie sich nicht beeilt, kriegt sie nur noch eine letzte wellige, trockene Brotscheibe ab und die Wurst ist weggegessen.

Morgens trainieren die vier übriggebliebenen Mannschaften zusammen im Stadion, jede in ihrem Bereich. Weiter weg sieht sie die gegnerische Mannschaft. Es sind die Jungen, gegen die sie gestern verloren haben. Heute werden sie ihnen zeigen, was sie können. Das gestern war nur ein Ausrutscher.

Lena stockt mitten im Lauf nach dem Ball. 'Wer ist denn das?' Sie sieht einen Jungen, der größer und kräftiger als die anderen ist. Gestern war er nicht dabei. Es ist lustig, ihn laufen zu sehen, denn seine lockige, blonde Mähne wippt bei jedem seiner Schritte. Aber er bewegt sich so geschmeidig und schnell wie kein anderer.

"Aua! Was soll das?" Sie wird aus ihrem Tagtraum gerissen. Bianca hat ihr den Ball an den Kopf geworfen.

"Machst du noch mit oder willst du dir lieber diese Stümper dahinten angucken? Die werden wir heute in Grund und Boden spielen. Aber dafür müssen wir alle trainieren, auch du. Also los!" ‚Bianca hat recht. Was ist nur mit ihr?‘ Sie hat so ein komisches Gefühl.

Der Tag fliegt schnell dahin. Sie essen zu Mittag und danach geht es ins Stadion. Die Mannschaft, die bisher dritte ist, spielt gegen die auf Platz vier.

Die beiden Gegner schenken sich nichts. Lange bleibt es spannend und tatsächlich schießt in der letzten Minute ein kleiner, dünner Kerl der Vierten einem Verteidiger der Dritten den Ball ans Knie und der springt ins Tor. Damit gewinnen die ehemals Vierten 2:1 und sind auf dem dritten Platz. Bronzemedaille!

Bianca beugt sich zu Lena rüber: „So ähnlich machen wir das nachher auch, wirst sehen. Auch wenn wir gestern gegen die verloren haben, heute dreht sich das Blatt." Und sie geben sich die Fünf.

Die Freundinnen und Lena sind kribbelig und motiviert bis in den kleinen Finger. Die Aufregung wächst. Sobald die Pause rum ist, spielen die Ersten gegen die Zweiten.

Nervenzerreißend!

Anstoß! Bianca spielt zu Lena rüber und die startet auf der linken Seite einen Lauf Richtung gegnerisches Tor. Lena ist schnell. Sie ist schon auf Höhe des Sechzehnmeterraums, Bianca lauert in der Mitte vor dem Tor der anderen, leider noch im Abseits. Lena kann nicht abspielen, sie muss noch weiter bis fast zur Eckfahne. Sie steht, dreht sich zur Mitte und will gerade flanken, da werden ihr die Beine weggestoßen.

‚Mein Bein ist gebrochen!‘, denkt sie voller Angst. Lena hat große Schmerzen. Sie dreht sich auf den Rücken und zieht ihr rechtes Bein an den Körper. ‚Sieht alles ganz normal aus.‘ Sie fühlt am Schienbein. Das tut zwar höllisch weh, aber gebrochen ist nichts. Gott sei Dank!

Als sie aufblickt, schaut sie in das hasserfüllte Gesicht eines rotblonden, pickeligen Jungen mit spitzer Nase und vorstehenden Zähnen. Er spuckt vor ihr aus und murmelt leise: „Merk dir das! Mir läufst du nicht davon und nächstes Mal stehst du nicht mehr allein auf.“

Er grinst und geht weg. Niemand hat etwas davon bemerkt.

Die Mädchen bekommen einen Freistoß. Bianca steht schon am Elfmeterpunkt und signalisiert Lena, sie soll so schnell wie möglich die Flanke als Freistoß nachholen.

Lena beißt die Zähne zusammen, denn das Schienbein tut weh. Sie springt auf und zirkelt den Ball blitzschnell zum Elfmeterpunkt. Bianca nimmt in Volley, 1:0!

Die beiden Mädchen liegen sich in den Armen und als Lena über Biancas Schulter schaut, sieht sie wieder den Rothaarigen. Sein Gesicht ist blass mit roten Flecken und sein Hals sieht aus wie angeschwollen. Sie kann sich ein Siegeslächeln nicht verkneifen.

Als sie den Kopf ein wenig dreht, steht der große Junge mit den blonden Locken in ihrem Blickfeld und schaut nachdenklich zu ihr. Nun lächelt er und hebt den rechten Daumen, so als wollte er ihr heimlich gratulieren.

„Lena! Leee-na komm!“

Biancas Rufe holen sie in die Realität zurück. Sie schlendert zum Anstoßpunkt.

„Mensch haut rein, Das Spiel geht weiter.“, ruft Julia, die Mannschaftskapitänin.

Der Rote steht an der Mittellinie, in der Mitte ist der Lockenkopf, der nun den Anstoß ausführt. Kaum rollt der Ball, stürmt der Rote auf sie zu und tritt ihr auf den linken Fuß. Sie spürt die harten, spitzen Stollen und fällt. ‚Meine Güte tut das weh. Sie rollt hin und her und hält sich dabei den Fuß.

Der Schiedsrichter hat gepfiffen und pickt sich das Freundchen heraus. Er zeigt ihm die rote Karte. Als der danach langsam Richtung Seitenaus geht, sieht Lena, dass der Große ihm den Arm um die Schulter legt, als wollte er ihn trösten. Doch dann schaut er sich kurz um und gibt ihm eine Kopfnuss, dass der Rote aufschreit. Außer Lena hat das scheinbar niemand gesehen.

Nun kommt der Lockenkopf zu ihr, hockt sich neben sie und fragt, ob er ihr helfen kann. „Entschuldige! Der spinnt immer rum. Jedes Mal fängt er Streit an und fast jedes Mal fliegt er auch vom Platz. Gib mir deine Hand!“, und er zieht sie vorsichtig auf die Beine. Seine Hand ist groß, trocken und warm. Sie möchte nicht mehr loslassen. Doch er ist schon weg, zurück in die eigene Spielhälfte.

Sie haben einen Freistoß von der Mittellinie bekommen. Julia wird ihn ausführen. Sie hat Lena vorher angezeigt, dass sie auf ihre rechte Seite in der gegnerischen Hälfte gehen soll. Bianca lauert ebenfalls im Mittelfeld und versucht einem Jungen wegzulaufen, der ihr auf den Hacken bleibt.

Julia spielt einen Traumpass zu Lena, die sich Richtung Tor dreht und ihn mitnehmen will. Doch da spitzelt ihn jemand vor ihr weg, umläuft sie und startet einen Wahnsinnssprint Richtung Tor der Mädchen.

Obwohl linker Fuß und rechtes Schienbein schmerzen, gibt Lena alles. Der Lockenkopf ist auch mit dem Ball am Fuß schnell und sie kann mit Mühe auf gleicher Höhe bleiben. Er zieht nun von der linken Seite in die Mitte. Dadurch kann sie einen Meter gut machen und ist nun etwas vor ihm. Da stoppt er mitten im Lauf, Lena läuft an ihm vorbei und er startet in ihrem Rücken Richtung Tor. Er läuft allein auf Mia, die Torhüterin zu. Lena versucht wieder aufzuholen. Sie könnte ihm die Ferse wegtreten … wenn er nicht wieder einen Haken schlagen würde. Unheimlich elegant dreht er sich um den Ball und deckt ihn mit seinem Körper in den nun Lena hineinrennt. Ihr bleibt die Luft vom Zusammenprall weg und sie kann nur noch zuschauen, wie er kurz aufblickt, den Ball vom rechten Fuß vorspringen lässt und mit einem Schuss aus 20 Metern in einem unglaublichen Bogen oben rechts ins Tor von Mia knallt. Da war nichts zu halten.

Es steht 1:1. Das Publikum tobt. Keiner sitzt mehr. Es ist erst die 14. Minute.

Doch so geht es leider nicht weiter. Die Jungs verteidigen zu zehnt mit allen Mitteln und halten sich zurück. Den einen oder anderen Konter von ihnen stoppen die Mädchen schnell, aber ihre Angriffe verpuffen vor den dichten Verteidigerreihen.

Auch die Verlängerung bringt nichts. Die Jungs machen das gut und retten sich zu zehnt gegen elf ins Elfmeterschießen.

-:-

Die Mädchen beginnen und den ersten Elfer soll Lena schießen. Ihr zittern die Hände und die Knie drohen nachzugeben.

‚Wohin wird der Torwart springen, nach rechts oder links?‘ Sie hätte ihn beobachten sollen, als sie gemeinsam auf dem Platz waren und trainiert haben. ‚Ich hab’s, er ist nach rechts gehechtet. Ich werde es trotzdem auf Mann kurz über seinen Kopf versuchen.‘

Lena geht nach links hinter den Ball. Der Schiedsrichter gibt den Ball mit einem Pfiff frei, den sie kaum wahrnimmt. Sie läuft in einem Bogen von links so zum Ball, dass es aussieht, als wollte sie ihn mit der rechten Fußinnenseite unten links reinhauen. Ihr Anlauf dauert irre lange. ‚Es sind doch nur vier Meter?‘ Die Zeit scheint stehen zu bleiben. Alles geschieht wie in Zeitlupe.

Der Torwart dreht sich minimal, als wollte er nach rechts hechten und Lena freut sich. Sie stoppt und schießt mit dem Spann genau in die Mitte, als wollte sie seinen Kopf treffen.

Aber der Kerl bleibt einfach stehen und hebt seine Hände mit den großen Handschuhen hoch. Der Ball prallt ab. Geistesgegenwärtig springt Lena nach vorne und ist fast am Ball, als der Torwart ihn mit einem Sprung vor ihr wegfischt.

Mist! Erste Chance vergeben und eine zweite kriegt sie heute bestimmt nicht. Sie hat sich vor Wut und Enttäuschung auf den Boden geworfen und will eigentlich nur noch heulen. Der Schiedsrichter kommt und drängt sie, aufzustehen und den Strafraum freizugeben. Mia steht schon im Tor. Sie signalisiert ihr, dass alles gut ist und sie Lenas Schnitzer ausbügeln wird.

Als Lena vom Elfmeterpunkt weggeht, begegnet sie auf halber Strecke Patrik, so heißt nämlich der Lockenkopf. Seine Kollegen feuern ihn an. „Tu ihn rein, Patrik! Patrik tu ihn rein!“

„Du wolltest zu viel!“, zischt er ihr zu und „Pech gehabt!“

Er sieht absolut cool aus, wie ein Gladiator, der genau weiß, dass er als Letzter und erfolgreich aus der Arena gehen wird. Sie steht nun am Rand und kann nicht mehr wegsehen.

Patrik legt sich ganz ruhig den Ball auf den Punkt, stellt sich unmittelbar dahinter und ohne Anlauf, mit einer ungeheuer schnellen, kaum wahrnehmbaren Bewegung ist er ein wenig nach rechts getreten und sein linker Fuß kommt wie ein ideales Pendel mit großer Zentrifugalkraft aus der Hüfte gegen den Ball. Vollkommen ansatzlos. Mia hat keine Chance. Der Ball fliegt mit hoher Geschwindigkeit gen oberen, rechten Torwinkel.

Doch was ist das? Mia wird länger und länger, als würde sie aufgepumpt und fliegt in die richtige Ecke. Sie kommt mit der Spitze ihres Mittelfingers an den Ball. Es reicht gerade so, dass der an die Latte klatscht. Damit hätte keiner gerechnet, Lena am allerwenigsten. Mia hatte nicht zu viel versprochen.

Doch Patrik scheint nicht enttäuscht zu sein. Er geht zu Mia und klopft ihr auf die Schulter. „Wir haben beide unser Bestes gegeben, aber dein Bestes war besser. Stark!“

-:-

Das Elfmeterschießen geht weiter. So eine spektakuläre Abwehr gelingt Mia leider nicht nochmal. Alle folgenden Elfer werden verwandelt, aber Gott sei Dank auch die der Mädchen.

Lena bekommt doch noch eine zweite Chance. Wenn sie jetzt trifft, haben sie gewonnen. Nun wird mittlerweile per Sudden Death entschieden. Der erste verwandelte Elfer ab jetzt entscheidet das Spiel.

Wieder ist sie aufgeregt. Doch dann denkt sie daran, wie Patrik zum Punkt gegangen ist. Sie reißt sich zusammen und wirkt plötzlich ganz ruhig. ‚Du wolltest zu viel!, hat er gesagt. Mach ich jetzt was ganz Einfaches? Er hat es bestimmt seinem Torwart gesagt, dass er mir den Tipp gegeben hat. Also hau ich ihn in die obere linke Ecke oder?‘ Das alles schießt ihr in weniger als einer Sekunde durch den Kopf.

Wieder geht sie nach links hinter den Ball. Es wirkt so, als wollte sie den Elfer vom ersten Mal wiederholen.

Wieder läuft sie von links im Bogen zum Ball und schießt den Ball mit dem rechten Spann in Kopfhöhe in die Mitte. Wieder!

Diesmal ist der Torwart nach rechts gesprungen. Seine Hände sind weit weg vom Ball. Doch der knallt schräg unter die Latte, springt nach hinten und prallt in einem unmöglichen Winkel vom Boden nach vorne in den Fünfmeterraum.

War er im Tor oder nicht?

Der Schiedsrichter schüttelt den Kopf. Lena liegt enttäuscht auf dem Boden und schlägt immer wieder mit der Faust auf die Erde.

Da geht der Lockenkopf zum Schiedsrichter und sagt ihm was. Der Schiedsrichter stockt und schaut den Jungen groß an. Er winkt den Linienrichter herbei und beide gehen zum Tor an die Stelle, wo der Ball gegen die Latte flog.

Der Schiedsrichter bückt sich und sammelt etwas hinter der Torlinie auf. Er ruft Julia und Patrik, die beiden Mannschaftskapitäne zu sich.

Himmelkruzitürken! Was reden die da. Das ist nicht mehr auszuhalten. Man sieht, dass Patrik nickt. Der Elfer war wohl nicht drin. Julia schaut ungläubig von einem zum anderen. Der Schiedsrichter zieht Schultern und Arme hoch, seine Handflächen zeigen nach oben, so als wollte er sagen ‚Was soll ich denn machen?‘ Der Linienrichter grinst und schüttelt fassungslos den Kopf. Patrik lächelt nun auch und Julia stürmt zu Lena.

Der Ball war drin und ist innen mit deutlichem Abstand von der Torlinie auf einen Behälter mit Kolophonium getickt und von dort wieder nach außen abgeprallt. Die Dose muss dem Torwart aus der Tasche gefallen sein.

Alle Mädchen laufen zum Elfmeterpunkt. Sie reißen Lena hoch, werfen sie immer wieder in die Luft und fangen sie auf. Einmal, als sie in der Luft ist, sieht sie den Roten wie er am Spielfeldrand ausspuckt und auf den Boden stampft. Kurz bevor er sich wegdreht, schickt er einen hasserfüllten Blick zu Patrik.

Nun steht Lena wieder auf eigenen Füßen. Sie kann es nicht fassen, schaut zu Boden und schüttelt den Kopf, während langsam ihre Anspannung abflaut. Da sind plötzlich zwei Füße in ihrem Blickfeld. Sie schaut auf und blickt in die strahlend blauen, lächelnden Augen von Patrik. Fast wäre sie ihm um den Hals gefallen. Sie hat schon eine Bewegung auf ihn zu gemacht.

‚Hat er das gemerkt? Egal!‘

„Sag mal, was hast du zum Schiedsrichter gesagt?“

„Mir ist nur aufgefallen, dass der Ball so komisch rausgetickt ist. Das konnte nicht sein. Darauf habe ich ihn aufmerksam gemacht. Peter, unser Tormann benutzt Harz an den Handschuhen, um einen sicheren Griff zu haben. Als ich dann ins Tor blickte, war mir klar, was passiert ist.“