Amors Pfeil traf eine Katze - Brigitte van Hattem - E-Book

Amors Pfeil traf eine Katze E-Book

Brigitte van Hattem

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Beschreibung

Mal felsenfest, mal flüchtig, mal leichtfüßig, oft tragisch: Die Liebe begegnet uns an den abgelegensten Orten und zeigt sich in den unterschiedlichsten Gewändern. Sie kennt keine Grenzen, keine Hautfarbe, kein Alter und keine Religionszugehörigkeit. Die Liebe ist unausweichlich und Amors Pfeile können uns immer und überall treffen, selbst im heimischen Wohnzimmer, wo gerade eine Heizung ausgefallen ist. Das beweist Brigitte van Hattem in ihren romantischen, mit Augenzwinkern geschriebenen Liebesgeschichten. Da können selbst Männer ohne Manieren und Frauen mit merkwürdigen Kopfbedeckungen attraktiv und liebenswert erscheinen, Tiere und verlorene Kleidungsstücke Verliebte verkuppeln und selbst Amors Fehlschuss macht drei Menschen glücklich, sogar eine Katze, wohlgemerkt. Nur die Frau im roten Kleid, die gerade vorbeilief, ist wieder einmal leer ausgegangen.

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Momente, die unser Herz berühren, gehen niemals verloren.

(Verfasser unbekannt)

Inhaltsverzeichnis

Ein Kater namens Redford

Ich fand meinen Schatz im Fundbüro!

Das grüne T-Shirt

Verflixtes Päckchen!

Sag die Wahrheit!

Amors Pfeil traf eine Katze

Der Bollenhut oder: Irgendwann kommt einer!

Wer, bitte, ist dieser Mann?

Hat der Kerl denn gar keine Manieren?

Jungfernflug

Wie angelt man sich einen Fitnesstrainer?

Arm- und Beinbruch

Der Rohrreiniger

Titisee

Happy End Rosenheim

Aller Anfang …

Zweiter Anlauf Glück

Im Whisky liegt die Wahrheit

Bitte, gib mir eine zweite Chance!

Alte Bäume und ihr Schatten

Frau sucht Bauer

Danksagung

Bibliografie

Leseprobe: Schabrackenblues

EIN KATER NAMENS REDFORD

Mit dem Tod ihres Ehemannes wurde es still in der Welt von Christa Müller. Die Kinder waren aus dem Haus, sie selbst in Rente. In Christas kleines Häuschen zogen Einsamkeit und Ereignislosigkeit. Alles verlor an Bedeutung.

Die erste, die das bemerkte, war Ursula Gehrke, ihre Nachbarin von links. Nachdem sie einmal ganze zwei Wochen nichts mehr von Christa gehört hatte, klingelte sie an deren Haustür und walzte sie in dem Moment nieder, in dem Christa die Tür öffnete. Zumindest hätte einem Zuschauer das so vorkommen können. In Wahrheit nahm Ursula einfach nur so viel Raum in der Tür ein, dass Christa ganz automatisch zur Seite trat und sie einließ.

Nach dem üblichen Austausch wie es einem so gehe und dem „Danke gut und dir?“, kam Ursula zur Sache: „Du weißt doch, dass ich im Tierschutz tätig bin“, begann sie. „Wir haben gestern einen Kater aus einer schlechten Haltung befreien können. Er ist in einem fürchterlichen Zustand. Aber er versteht sich nicht mit anderen Katzen und muss separat betreut werden. Von uns kann das keiner mehr machen. Wir haben alle schon viel zu viele Schützlinge im Haus. Kannst du einspringen?“

„Ich?“, fragte Christa überrascht zurück. „Wieso denn ich? Ich habe doch gar keine Ahnung von Katzen.“

Das weiß ich doch, dachte Ursula, du hast auch keine Ahnung von Hunden oder Meerschweinchen, aber irgendwo müssen wir ja ansetzen. „Das macht doch nichts“, log sie deshalb. „Ich bringe die Katze, Futter, ein Katzenklo …“

„Ein Katzenklo?“

„Ja, irgendwo muss sie ja hinmachen, die Katze.“

„Und dafür gibt es Klos?“

„Ja, erklär ich dir, sobald es hier ist. Musst du halt einmal am Tag saubermachen. Und die Katze füttern.“

„Was frisst eine Katze denn so?“

„Bring ich dir mit. Alles klar? Dann bin ich in einer Stunde wieder da.“

Christa Müller hatte noch gar nicht recht verstanden, was ihre Nachbarin von ihr wollte, da war Ursula schon wieder aus der Tür. Eine Katze. Na, so etwas. Die Ursula wollte ihr eine Katze bringen. Einen Kater, wenn sie sich richtig erinnerte.

Christa überschlug, was sie über Katzen wusste. „Und Minz und Maunz, die Katzen, erheben ihre Tatzen, sie drohen mit den Pfoten …“, kam ihr in den Sinn, aber sie wusste nicht, woher sie diesen Reim kannte. Er klang auch nicht sehr vertrauenserweckend und ein mulmiges Gefühl stieg in Christa auf.

Dann erinnerte sie sich, dass Katzen die Tiere waren, die schnurrten, wenn sie einen mochten. Sie hatte natürlich schon Menschen getroffen, die Katzen hatten. Eine Schulkameradin ihrer Tochter beispielsweise. Sie hatte einmal so ein kleines Kätzchen auf dem Schoß gehabt. Das Tierchen hatte so laut geschnurrt, dass Christa es fast nicht für möglich gehalten hatte. So klein und doch so ein lautes Gebrumm!

Ursula Gehrke beeilte sich. Sie wollte den Kater so schnell wie möglich bei Christa deponieren, bevor sie auf Gegenwehr stieß. Sie wusste um den therapeutischen Effekt, den Tiere auf ihre Besitzer haben konnten. Man musste ihnen nur eine Chance geben: den Tieren und den Besitzern.

Als erstes trug Ursula eine riesige Katzentoilette in Christas Haus, dann eine Tüte Klumpstreu, eine Streuschaufel, eine Lage Dosenfutter und eine Faltschachtel Trockenfutter. Sie zeigte Christa, wie man die Katzentoilette füllt und im Bedarfsfall säubert.

„Und da geht die Katze hinein?“, fragte Christa zweifelnd.

„Ja, und wenn nicht, dann fehlt ihr was, dann rufst du mich an.“

Christa nickte.

„Und von diesem Futter“, Ursula tippte auf eine 400-Gramm-Dose, gibst du ihm zwei Mal täglich jeweils die Hälfte.“

Christa nickte abermals, hatte aber erste Bedenken. „So viel?“, fragte sie schließlich.

„Ja, es ist auch ein großer Kater“, sagte Ursula. „Das wirst du gleich sehen. Ich hole ihn!“

Als Ursula wiederkam, schleppte sie einen überdimensionierten Transportkorb vor sich her, den sie kaum tragen konnte. Mit einem tiefen Schnaufer setzte sie ihn in Christas Flur ab. „Alles bereit für den großen Moment?“, fragte sie und öffnete die Klappe, ohne eine Antwort abzuwarten.

Ein runder, roter Katzenkopf erschien in der Öffnung, dann bewegte sich vorsichtig ein schmales, aber riesiges Raubtier aus dem Transportkorb, direkt auf Christa zu.

„Du meine Güte“, murmelte Christa und trat einen Schritt nach hinten.

„Keine Sorge, er ist lieb“, behauptete Ursula und strich dem Kater zum Beweis über den langen Rücken. „Es ist ein besonderer Kater, ein Maine Coon. Er kommt aus einer schlechten Haltung, daher ist er so dünn. Tierschützer haben ihn beschlagnahmt. Diese Katzenrasse wird für viel Geld gehandelt, aber leider bedeutet das nicht, dass die Besitzer die Tiere dann auch gut behandeln.“

Der Kater drückte sich in Ursulas Hand und rieb seine Wange an ihrem Knie. Dabei begann er lauthals zu schnurren, ein Geräusch, das Christa wiedererkannte. Sie ging in die Hocke und hielt dem Tier ihre Hand hin. Es schnuffelte daran und rieb sich dann an Christas Unterarm.

„Wie heißt er denn?“, flüsterte Christa ehrfürchtig.

„Er hat noch keinen Namen. Aber wie wäre es mit Redford?“

„Wieso denn Redford?“, fragte Christa verblüfft, aber noch immer flüsternd.

„Von Robert Redford. Der ist doch auch rothaarig!“, erklärte Ursula.

Christa lachte. Der Bann war gebrochen. „Robert. Redford? Redford!“, versuchte sie sich und nickte. Dann strich auch sie dem Riesen vorsichtig über den Rücken. Das Fell fühlte sich weich und warm an, aber gleichzeitig spürte Christa jeden Wirbel.

„Wir werden dir noch einen Kratzbaum beschaffen“, sagte Ursula. „Da kann er sich daran die Krallen schärfen. Sonst nimmt er womöglich dein Sofa.“

„Das Sofa?“ Einen Moment hielt Christa entsetzt inne. War ihr Lieblingsplatz in Gefahr?

Der Kater hatte mittlerweile genug von ihren Aufmerksamkeiten und begann, seine neue Bleibe zu erkunden. Sein Weg führte ihn ins Wohnzimmer, wohin ihm die Frauen folgten. Christa warf einen Blick auf ihr Sofa und sah es plötzlich mit ganz anderen Augen. Es hatte schon bessere Zeiten gesehen, war abgewetzt und ausgebeult. Es hatte keiner Katze bedurft, es im Lauf der Jahre zu ruinieren.

„Darf Redford bleiben?“, fragte Ursula sanft.

Christa nickte. Dann stiegen ihr die Tränen in die Augen. „Ich habe jetzt eine Katze“, sagte sie, als wäre das die Antwort auf all ihre Gebete.

Ursula versorgte sie noch mit weiteren Informationen, die sich Christa sicherheitshalber notierte. Einmal am Tag bürsten. Leckerli. Wasser anbieten, möglichst nicht in der Nähe des Fressnapfs. Nicht rauslassen, wird sonst geklaut.

Christa überlegte. Dann schrieb sie dazu, was sie von vorhin noch wusste: morgens und abends füttern. Einmal am Tag Katzenklo säubern. Christa wollte nichts falsch machen. Er war ja so dünn, der Arme.

Neuer Zweifel kam auf: „Aber wenn es nicht funktioniert?“

„Er ist nur zur Pflege bei dir. Du päppelst ihn jetzt erst einmal auf. Wenn du ihn nicht behalten willst, finden wir ruckzuck neue Besitzer für ihn! Wo willst du ihn füttern?“

Christa überlegte. Dann fand sie in der Küche eine Stelle, die wie geschaffen war für einen Fressnapf. Sie öffnete eine Dose, was ihr Redfords Aufmerksamkeit einbrachte und unter seinen Argusaugen füllte sie den Napf und wollte ihn hinstellen. Redford drückte sich dabei so heftig schmusend an ihre Hand, dass sie beinahe den Napf fallengelassen hätte, aber es ging alles gut und der Kater fraß mit offensichtlichem Appetit.

Ursula seufzte erleichtert auf. Sie kannte Katzen auch anders. Dass sie sich hungrig gebärdeten, aber dann das Futter verweigerten. Das hätte ihr jetzt gerade noch gefehlt, dass Redford Sperenzchen machte, noch bevor sich Christa in ihn verliebt hätte. Aber der Kater schien zu wissen, worum es ging, und er fraß seine Schale manierlich leer. Auch das kannte Ursula anders. Gerade Maine Coon konnten es manchmal nicht lassen, mit ihren dicken Pranken das Essen zu packen und mit ihm zu spielen, bevor sie es dann mit einer Vorderpfote in den Mund führten.

Nachdem das mit der Essensaufnahme schon einmal geklappt hatte, rührte Ursula noch ein wenig mit den Fingern im unberührten Katzenklo. Redford sah neugierig nach, was es hier wohl zu sehen gab, zeigte aber keine Neigung, jetzt sein Geschäft zu machen. „Jetzt weiß er aber, wo sein Klo steht“, sagte Ursula und Christa nickte halbwegs beruhigt.

An diesem Tag ging Ursula hochbefriedigt zu Bett, hatte sie doch gleich zwei Wesen etwas Gutes getan: Kater Redford ein Frauchen mit einem Haus verschafft und dem Frauchen ein Haustier. Beide würden sich guttun, da war sich Ursula sicher.

Christa hingegen brauchte noch etwas, bevor sie an diesem Abend zur Ruhe kam. Sie ließ ihren neuen Mitbewohner nicht aus den Augen, während er durch das Haus streifte und jedes Blatt an jeder Palme und jede einzelne Ecke beschnüffelte. Wie ein Hund, dachte sie. Es waren doch normalerweise Hunde, die schnüffeln? Sie würde sich ein Buch besorgen müssen, irgendeins, in dem steht, was Katzen so machen.

Da sie dem Kater nicht ständig hinterherlaufen wollte, beschloss Christa, zu tun, was sie sonst auch tat. Sie setzte sich auf ihr Sofa und schaltete den Fernseher ein. Das bedeutete aber, dass sie den Kater aus den Augen lassen musste. Wird schon nichts passieren, versuchte sie sich zu beruhigen, aber wirklich beruhigt war sie erst, als Redford ihr nach einer Weile folgte, auf die Couch sprang und sich ganz in ihre Nähe legte. Christa war sich nicht sicher, ob ihr das nun recht war oder nicht, aber dann hörte sie über das Getöse ihrer abendlichen Fernsehserie hinweg sein Schnurren, was ihr gefiel.

So verbrachten die beiden ihren ersten Abend, einerseits wohlwollend beieinander, sich aber andererseits noch misstrauisch beäugend. Was für ein schönes Tier, dachte Christa gelegentlich, wenn ihr Blick vom Fernseher weg auf ihn fiel. Was der Kater dachte, ist nicht bekannt. Vermutlich nicht viel, denn er schlief, wobei er gelegentlich unruhig zuckte.

Als es für Christa Zeit wurde schlafen zu gehen, stand sie auf und ging ins Bad. Zu ihrer Überraschung folgte ihr der Kater. Auf dem Weg ins Schlafzimmer kamen sie an der Küche vorbei, wo Christa ihrem Mitbewohner noch etwas zu essen hinstellte. Redford verschmähte es, aber er stieg stattdessen in sein Katzenklo und zeigte ihr, wie trefflich er es zu benutzen verstand.

Das mache ich morgen, dachte Christa, die ziemlich müde von dem aufregenden Tag war und dringend in ihr Bett wollte. Die Schlafzimmertür ließ sie offen, damit sie hören konnte, falls irgendetwas Schlimmes passierte. Doch das einzige, das geschah, war, dass ihr an den Füßen schwer wurde. Christa drückte das Licht am Nachtschränkchen wieder an und starrte nach unten. Hatte sich Redford doch tatsächlich heimlich eingeschlichen und am Bettende zusammengerollt! Schläfrig sah der Kater sie an und schnurrte. Nun gut, dachte Christa, warum nicht. Er wird mich schon nachts nicht beißen. Sie löschte das Licht und legte sich in ihre Einschlafposition. Redford schnurrte noch immer. Das ist eigentlich ganz nett, dachte Christa und schlief ein.

Am nächsten Morgen sah Christa beim Aufwachen direkt in die großen, gelben Augen ihres neuen Hausgenossen, der sich mittlerweile lautlos der anderen Hälfte ihres Ehebettes bemächtigt hatte. „Mau“, sagte er zur Begrüßung.

„Ui, du kannst ja sprechen“, murmelte Christa verwundert.

„Mau“, bestätigte Redford. In der Tat erwies sich der Kater jetzt, nachdem er sein erstes Mau an sie gerichtet hatte, als äußerst gesprächig.

Vorsichtig streckte Christa ihre Hand nach ihm aus, um ihn zu streicheln. Redford schnurrte genüsslich, aber ihr fiel auf, wie kühl es plötzlich an ihrem Arm wurde, der zuvor noch warm unter der Bettdecke gelegen hatte. Wieso ist es denn so kalt, fragte sie sich und stieg aus dem Bett, um ihre Hand dieses Mal prüfend auf ihren Nachtspeicherofen zu legen. Er hätte warm sein sollen, aber er war es nicht.

Während sie in die Küche schlurfte, wäre sie beinahe über Redford gestolpert, der ihr zwischen die Beine lief und sie dann überholte, vermutlich getrieben von der Aussicht, wieder etwas zu essen zu bekommen.

Christa legte ihre Hand jetzt auf den altmodischen Nachtspeicherofen der Küche, der den restlichen Teil dieses Stockwerks beheizte. Eiskalt. Sie würde Herrn Zimmer anrufen müssen.

Doch zunächst schaltete sie die Kaffeemaschine ein. Bei der Suche nach ihrem Morgenmantel kam sie fast ins Straucheln, denn der Kater rieb sich an ihren Beinen. „Hast du Hunger?“, fragte Christa. Ein Blick auf den Napf von gestern zeigte ihr den unberührten, aber mittlerweile eingetrockneten Inhalt. Nun, das würde ich auch nicht mehr mögen, dachte sie und richtete ihm etwas Frisches. Sie war auf den ältesten Katzentrick der Welt hereingefallen: das Essen zu monieren, um dessen Qualität zu sichern.

Nachdem Christa sich geduscht und angezogen hatte, rief sie bei der Firma Elektro Zimmer an. Zwei ihrer Nachtspeicheröfen seien ausgefallen, berichtete sie und man versicherte ihr, jemanden zu schicken.

Keine zwei Stunden später stand Peter Zimmer vor ihrer Tür, der Senior und stille Teilhaber des kleinen Elektrobetriebs am Ort. Er war schon längst im Ruhestand, aber da er vor über fünfzig Jahren einmal die Nachtspeicheröfen im Haus der Müllers installiert hatte, führte er dort noch immer die regelmäßigen Wartungen und Reparaturen durch. Er kannte sich schließlich aus.

„Ach, das ging aber schnell, vielen Dank, Herr Zimmer“, sagte Christa zur Begrüßung und ließ den Handwerker ein.

„Hallo, Frau Müller“, antwortete er und stellte seinen Werkzeugkoffer im Flur ab, wo er Redford streichelte, der ihm neugierig entgegengekommen war. „Nanu, Sie haben ja eine Katze.“

Christa lächelte, als sie sah, wie der alte Mann sich auf den Boden hockte, um ihren neuen Hausgenossen zu streicheln. Das laute Brummen des Katers war meterweit zu hören.

„Das ist ja etwas ganz Besonderes“, lobte Peter, „Ist das nicht eine Maine Coon?“

„Ich wusste gar nicht, dass Sie sich da auskennen“, antwortete Christa verlegen, weil sie sich nicht mehr sicher war, ob das tatsächlich die Katzenrasse war, die Ursula ihr genannt hatte. „Ja, ich glaube schon.“

„So eine Katze wollte ich auch immer“, gab Peter zu, der den Kater mittlerweile in Ekstase gestreichelt hatte.

„Ja?“ Christa war überrascht. „Das hätte ich nie von Ihnen gedacht.“

„Sie dachten wohl, ich bin der Hundetyp?“, fragte Peter lächelnd. „Aber Sie haben recht, was wissen wir schon voneinander? Kennen uns seit Jahren, aber ich weiß auch nur, dass Sie zwei erwachsende Kinder haben und mittlerweile verwitwet sind. Ein Tier habe ich bei Ihnen noch nie gesehen, noch nicht einmal, als Ihre Kinder klein waren.“

„Ja, ich hatte noch nie darüber nachgedacht. Und den da habe ich auch erst seit gestern.“

„So ein schönes Tier. War bestimmt teuer“, vermutete Peter.

„Nein, die Ursel hat ihn mir gebracht, Sie wissen schon, meine Nachbarin, die Frau Gehrke. Die ist vom Tierschutz und meinte, der Kater wäre schlecht behandelt worden.“

„Schlimm“, sagte Peter, „wie kann man denn so einen Prachtkerl schlecht behandeln?“

Christa versicherte, dass sie das auch nicht wisse und zeigte dem alten Zimmer die defekten Elektroöfen.

„Da muss ich am Sicherungskasten schauen, ob mir etwas auffällt“, sagte Peter, nachdem er die Öfen begutachtet hatte. „Gut, dass Sie es wenigstens im Wohnzimmer warm haben.“

Christa nickte, während sie zusah, wie Peter mit seinem Werkzeugkasten in den Keller ging. Es war unnötig, ihm den Weg zu zeigen, da er ihn ja seit Jahrzehnten kannte. Zu ihrem Erstaunen sah sie, dass Redford dem Handwerker fröhlich miauend folgte. Nun, dann lernt er wenigstens gleich den Keller kennen, dachte sie und rief Peter „Kaffee?“ hinterher.

„Gerne“, rief er im Hinuntergehen zurück.

Unten angekommen, öffnete Peter den Elektroschaltkasten des Hauses und sah sich jedes Rädchen und jeden Schalter an. Dabei versuchte er, sich an damals zu erinnern, als er die Schaltungen gelegt hatte. Unter den meisten Sicherungen stand der Hinweis, wohin sie gehörten, aber die Schrift war mittlerweile verblasst und kaum noch lesbar. Peter pfiff ein wenig vor sich hin, während er das Elektrogewirr studierte. Dann fiel sein Blick auf den Kater, der ihn unverwandt ansah.

„Das ist nett, dass du mir helfen willst“, sagte Peter zu ihm. „Aber hier kenne ich mich vermutlich besser aus.“ Geschickt löste er die eine Klemme, dann eine andere, versuchte dieses und jenes und kam schließlich zu einer Diagnose. „Dieses Ding hier ist kaputt“, erklärte er seinem rothaarigen Lehrling und suchte in seinem Werkzeugkasten nach einer neuen Schaltvorrichtung.

Doch als er sie einbauen wollte, zeigte sich, dass sie nicht in das Elektrolabyrinth passte, das er einmal zusammengestellt hatte. Der Schalter war zu groß.

„Katz, ich kotz‘!“, sagte Peter, schüttelte den Kopf und sah den Kater an. „Die bauen jetzt alle immer größere Schaltvorrichtungen und ich krieg die dann nicht mehr in diese Kästen eingebaut.“ Redford brummte verständnisvoll.

Peter kratzte sich am Kopf und dachte nach. „Vielleicht finde ich bei uns im Lager noch so einen alten Schalter, sonst müsste ich hier den ganzen Kasten umbauen. Oder es wird da oben nie wieder warm.“

Redford bekundete schnurrend, dass er ganz seiner Meinung sei.

In diesem Moment kam Christa mit dem Kaffee in den Keller, den sie auf eine Anrichte unweit des Sicherungskastens stellte. „Mit zwei Löffeln Zucker und ohne Milch“, sagte sie. „Wir wissen doch ein paar Dinge voneinander.“

„Ja, und Sie haben ein fantastisches Gedächtnis“, schmeichelte Peter.

„Und, hat Ihnen mein Redford bei der Arbeit helfen können?“

„Redford? Heißt er so?“

„Ja, von Robert. Robert Redford. Der ist auch rothaarig.“

Der alte Zimmer lachte. Er wollte gerade erklären, was sein Problem bei der anstehenden Reparatur war, als es klingelte. Christa entschuldigte sich und eilte nach oben, um die Haustür zu öffnen.

„Auf die Schnelle war natürlich wieder mal kein Kratzbaum aufzutreiben, zumindest kein richtig großer“, sagte Ursula zur Begrüßung, während sie erneut eine Kiste ins Haus schleppte. „Und zusammenbauen muss man ihn auch noch.“

„Zusammenbauen?“

„Ja, aber ich habe jetzt eigentlich gar keine Zeit. Versuche es doch alleine. Wie geht es Redford?“

Wie auf ein Stichwort erschien Redford in der Wohnzimmertür, dicht gefolgt von Peter. „Oh, hallo, Herr Zimmer“, sagte Ursula, die den alten Elektriker natürlich ebenfalls kannte. „Kommen Sie, um zu helfen?“

„Eigentlich kam ich, um die Heizung von Frau Müller zu reparieren. Wobei soll ich denn helfen?“

„Diesen Kratzbaum zusammenbauen“, sagte Ursula und kramte die Einzelteile aus der Kiste.

„Ist der für Redford?“, fragte Peter verwundert.

„Ja, klar“, antwortete Ursula.

„Tut mir leid, aber den können Sie wieder mitnehmen. Der ist für einen Maine Coon nicht stark genug. Es gibt Kratzbäume mit dickeren Stämmen. Stellen Sie sich vor, wir bauen den Baum hier auf, und sobald Redford einmal dagegen springt, fällt er um.“

Wie um das zu beweisen, kratzte Redford einmal heftig an einem der Stämme und sprang dann wie ein Wilder durch das Wohnzimmer. Christa sah ihm erschrocken nach, aber Peter lachte.

„Schauen Sie, der braucht richtiges Spielzeug!“

„Mmmh“, sagte Ursula und nickte langsam.

„Lassen Sie mich das machen“, sagte Peter zu Christa gewandt. „Ich muss sowieso ins Lager und einen neuen Schalter holen, da besorge ich Ihnen einen Kratzbaum, der Ihrem Redford standhält. Einverstanden?“

Christa nickte überwältigt. „Das ist mir aber unangenehm, dass ich Ihnen so viel Arbeit mache. Soll ich Ihnen Geld mitgeben?“, fragte sie verlegen.

„Nein, das machen wir nachher“, antwortete er. „Und was die Arbeit anbelangt: Daran habe ich gerade einen Heidenspaß! Ich komme am Nachmittag wieder, wenn es Ihnen recht ist. Bis dahin können Sie sich ja schon einmal überlegen, wo der Kratzbaum stehen soll.“

Während Christa sich noch unsicher umsah, strahlte Ursula, als wäre das alles ihre Idee gewesen. Sie packte den alten Kratzbaum wieder ein und verließ mit Peter Christas Häuschen.

„Mau“, sagte Redford zum Abschied.

Wie versprochen stand Peter am Nachmittag wieder vor der Tür, einen kleinen Schalter in der Hosentasche, seinen Werkzeugkoffer in der einen und einen Karton in der anderen Hand.

„Da bin ich wieder“, sagte er und stellte wie am Vormittag alles in der Diele ab. „Ich muss aber nochmal ans Auto, da sind noch weitere …“ Redford unterbrach ihn mit einem freundlichen Mau und schnurrte um seine Beine. „Halten Sie ihn bitte fest, nicht dass er wegläuft, während ich die anderen Stücke vom Kratzbaum hole.“

Christa tat wie geheißen. Mittlerweile fasste sie den Kater längst nicht mehr so zaghaft an wie noch am Vortag. Ihre Scheu vor dem großen Tier hatte sich weitgehend gelegt, aber es war noch viel Unsicherheit geblieben. Kurz nachdem Peter gegangen war, hatte sie beim örtlichen Buchhändler ein Buch über die Haltung von Maine Coon Katzen bestellt, aber das hatte er nicht vorrätig und sie würde es erst am nächsten Tag abholen können. Jetzt war Christa gespannt darauf, was der Elektriker ihr mitgebracht hatte. Erst kam Ursula mit einer Katze, jetzt der alte Zimmer mit einem Kratzbaum - wenn nicht gerade die Heizung kaputt gewesen wäre, hätte sie meinen können, es sei Weihnachten.

Dick bepackt kam Peter wieder, wobei er wie ein Honigkuchenpferd strahlte. „Bevor wir das auspacken“, sagte er, „gehen Redford und ich aber erst noch einmal in den Keller!“ Redford hatte sein Stichwort verstanden und folgte dem Alten mit munter erhobenem Schwanz.

„Siehst du, mein Hübscher?“, fragte Peter und zeigte dem Kater einen kleinen Schalter. „Der müsste passen.“

Redford maunzte bestätigend, während Peter eine Weile im Sicherungskasten herumschraubte.

Dann nickte er und pfiff ein wenig vor sich hin. „Das müsste genügen. Du musst nur um 22 Uhr nachsehen, ob sich die Ladefunktion einschaltet. Kannst du das machen?“, fragte er den Kater, der so tat, als wäre das ein Klacks für ihn.

Oben im Wohnzimmer ließ Peter sich die Stelle zeigen, an der Christa gerne den Kratzbaum gehabt hätte. „Hier irgendwo zwischen Pflanze und Fenster“, meinte sie und Peter begann, die Einzelteile des Kratzbaums auszupacken.

Es waren drei dicke, dicht mit Sisalseil umwickelte Stämme, die er versetzt auf eine Holzplatte schraubte und auf die er bedächtig eine Holzhöhle, eine hellblaue Plüschkuhle und zwei Plüschbetten in unterschiedlicher Höhe fixierte. Es dauerte fast eine Dreiviertelstunde und Christa bemühte sich, Peter zur Hand zu gehen. Dabei stand sie ihm allerdings mehr im Weg und hätte sogar beinahe das Gulasch vergessen, das auf dem Herd köchelte.

Als der Kratzbaum fertig war, starrte Christa ihn ehrfürchtig an, während Redford mit wenigen Sprüngen seine höchste Stelle erklomm und von oben herunter schnurrte.

„Hat eine schöne Farbe“, sagte sie dann schlicht.

„Ich dachte, das helle Blau passt zu Ihren Vorhängen“, meinte Peter und Christa nickte strahlend. „Was riecht hier denn so lecker?“, fragte Peter neugierig, nachdem er sich die Hände gewaschen hatte.

„Gulasch. Darf ich Sie zum Essen einladen? Ich meine, ich weiß ja nicht, ob jemand auf Sie wartet …“, fragte Christa schüchtern.

„Gerne. Bin auch Witwer“, sagte er, „meine Anna starb ein Jahr nach Ihrem Mann.“

„Ah, das wusste ich gar nicht. Tut mir leid.“

Peter zuckte mit den Schultern, als wäre das alles ja schließlich nicht zu ändern.

„Ich muss nur noch die Nudeln abkochen, das geht schnell“, sagte Christa, „Gehen Sie doch bitte noch einmal in den Keller. Da ist rechts vom Eingang ein Regal, da müssten noch ein paar Flaschen Wein stehen. Suchen Sie uns eine aus.“

So kam es, dass an diesem Abend um 22 Uhr nicht Redford, sondern der alte Zimmer noch einmal im Verteilerkasten nachschaute, ob mit dem frisch installierten Schalter alles in Ordnung war und ob sich die Nachtspeicheröfen ordnungsgemäß aufluden. Dann verabschiedete er sich von Christa, nicht ohne sich noch einmal überschwänglich für das Abendessen zu bedanken.

Christa war ein wenig unsicher vom Rotwein und wusste nicht so recht, wie sie ihn jetzt gehen lassen und gleichzeitig wieder einladen konnte. Da sprang ihr Redford in die Bresche. Laut maunzend lief er Peter hinterher. Der Elektriker bückte sich und sagte: „Tschüss, du Großer, und wenn dein Frauchen einverstanden ist, besuche ich dich ganz bald wieder!“

Christa lief rot an und nickte verlegen, während sie die Tür hinter Peter verschloss. Dann ging sie zurück in ihr Wohnzimmer, wo sie sich auf das Sofa setzte und den Abend Revue passieren ließ.

Redford, der sich bereits ein wenig eingelebt hatte, sprang zu ihr. Er zauderte eine Weile, nicht sicher, ob er es wagen sollte, aber dann legte er vorsichtig eine Tatze auf Christas Oberschenkel. Christa strich ihm dabei zärtlich über den Kopf und Redford wurde mutiger. Er zog mit einer zweiten Tatze nach und schlich sich langsam auf ihren Schoß. Christa ließ es zu und streichelte ihn, während er versuchte, sich auf ihrem Bauch einzurollen, wobei er rechts und links überlappte.

„Na, geht es so?“, fragte Christa ein wenig angetrunken. „Mach es dir ruhig bequem.“ Sie kicherte. „Das war gute Arbeit von dir heute, Redford. Kaum einen Tag da und schon lockst du mir einen Mann ins Haus!“

ICH FAND MEINEN SCHATZ IM FUNDBÜRO!

Alles begann mit diesem Fahrrad, das am Wegesrand ganz in der Nähe meiner Wohnung stand. Irgendjemand hatte es abgestellt, aber nicht abgeschlossen und als es eine Woche später immer noch dastand, dachte ich, ich sollte das vielleicht melden.

Womöglich war das Rad ja irgendjemandem geklaut worden und der Dieb hatte es danach einfach abgestellt, nachdem er es nicht mehr brauchen konnte. Oder er hatte es kaputtgefahren und wollte es auf diese Art „entsorgen“.

Abgesehen davon, dass es eine Schweinerei ist, einfach Dinge irgendwo abzustellen und sich aus dem Staub zu machen, tat mir der mögliche Besitzer leid. In meiner Fantasie war es ein älterer Mann, der sich kein neues Rad leisten konnte und dieses hier schrecklich vermisste.