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Zehn Erzählungen, die ursprünglich als Predigten geschrieben und gehalten worden sind. Sie befassen sich mit Grundfragen des Menschseins, die im Modus des Erzählens unterhaltsam und informativ thematisiert werden.
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Seitenzahl: 116
Veröffentlichungsjahr: 2020
Traugott Schächtele
Anders gesagt
Auf der Erde erzählen und im Himmel tanzen. Erzählungen über Gott und die Welt
© 2020 Traugott Schächtele
Verlag und Druck:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-347-10076-3
Hardcover:
978-3-347-10077-0
e-Book:
978-3-347-10078-7
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Auf der Buchvorderseite ist der Ausschnitt eines Druckes aus der Serie „dance factory“, 2018, des Freiburger Künstlers Markus Franke (www.markus-franke-malerei.de) zu sehen, dem ich für die Abdruckerlaubnis sehr herzlich danke.
Inhalt
Vorweg gesagt
Ein Gang durchs Museum der unverzichtbaren Wörter
Predigt über Galater 5,1 anlässlich des badischen Chorfestes in der Jesuitenkirche Heidelberg am Samstag, 1. Juli 2017
Die fünf Tore der Liebe
Predigt über Hoheslied 3,1-5 in der katholischen Kirche St. Stephan in Freiburg-Munzingen zum Abschluss der ökumenischen Bibelwoche am Freitag, 23. Februar 2018
Die fünf letzten Thesen Martin Luthers
Ansprache anlässlich der Morgenandacht während der 7. Tagung der 12. Landessynode in der Kapelle im Haus der Kirche in Bad Herrenalb am Donnerstag, 26. Oktober 2017
Um die Zukunft der Kirche muss uns nicht bange sein
Predigt im @home Gottesdienst im Hebel-Haus in Graben-Neudorf am Sonntag, 25. März 2018 (Palmsonntag)
Das perfekte Justiz verbrechen
Predigt über 1. Könige 21 im Rahmen der Predigtreihe „Kriminalgeschichten in der Bibel“ am Sonntag in der Heiliggeistkirche in Heidelberg am Sonntag, 2. September 2010 (14. S. n.Tr.)
Aufruhr im Himmel
Predigt über Caritas Pirckheimer im Rahmen der Predigtreihe „Frauen der Reformation“ in der Heiliggeistkirche in Heidelberg am Sonntag, 8. Oktober 2017 (17. Sonntag nach Trinitatis)
Schöpfung 2.0
Predigt anlässlich des Gottesdienstes zum Abschluss der Akademietagung „Damit es weiter summt und brummt“ in der Kapelle im Haus der Kirche in Bad Herrenalb am Sonntag, 4. März 2018 (Okuli)
Ein Tanz kostet Johannes den Täufer den Kopf
Predigt über Markus 6, 13-27 in der Reihe „Tanz und Bibel“ in der Heiliggeistkirche in Heidelberg am Sonntag, 28. Juli 2018 (6. Sonntag nach Trinitatis)
Durch die Altstadt in die Zukunft zur Kirche 2.0
Predigt im ACK-Gottesdienst zum Reformationsfest in der Heiliggeistkirche in Heidelberg am Donnerstag, 31. Oktober 2019 (Gedenktag der Reformation)
„Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“
Predigt über Apostelgeschichte 27,18-28,10 im ökumenischen Gottesdienst anlässlich des Schwetzinger Gebetstages im Rahmen der Gebets-Woche für die Einheit der Christen in der Kirche Sankt Pankratius in Schwetzingen am Sonntag, 19. Januar 2020 (2. Sonntag nach Epiphanias)
Vorweg gesagt
Ich liebe es zu erzählen! Und es bereitet mir ausgesprochen Vergnügen zu erleben, wie mit Wörtern Bilder, ja eigentlich ganz neue Welten vor den Ohren und zugleich in Herz und Sinnen der Zuhörenden entstehen können – wie eine Vorahnung himmlischer Festfreude schon jetzt, unter ganz handfesten irdischen Verhältnissen, eben: „Auf Erden reden und im Himmel tanzen!“
Ich liebe es auch zu predigen – weil das Predigen Raum gibt fürs Erzählen! Natürlich erfordert das Predigen immer wieder die Grundentscheidung nach dem Genus. Entscheide ich mich für einen eher „klassischen“, dem Text entlanggehenden und sukzessive deutenden Typus? Oder lasse ich mich vom Text in der Weise inspirieren, dass ich zu erzählen beginne. Immer wieder wähle ich erzählende Formen und gerate dabei ins Staunen. Die Zuhörerinnen und Zuhörer folgen beim Erzählen meist mit deutlich größerer Aufmerksamkeit als bei anderen Formen. Auch darum gehe ich immer wieder gerne diesen erzählenden Weg.
Dieser kleine Band enthält zehn Beispiele, die verdeutlichen, wie ich das meine. Ich nenne diese Beispiele im Titel dieses Buches darum auch nicht einfach Predigten, sondern gerade im Blick auf die hier ja vorliegende Leseform „Erzählungen über Gott und die Welt“. Diese Erzählungen legen hoffentlich auch beim Lesen etwas vom Glück dieser Art des Predigens offen - für den, der diese Texte geschrieben hat, für die, die sie als Predigt hören konnten, und für Sie als Leserinnen oder Leser dazu. So oder so: Es ist ein Glücksfall, solche Erfahrungen gelingender Kommunikation immer wieder neu machen zu können.
Schwetzingen, im Sommer 2020
Traugott Schächtele
Ein Gang durchs Museum der unverzichtbaren Wörter
Predigt über Galater 5,1 anlässlich des badischen Chorfestes in der Jesuitenkirche Heidelberg am Samstag,1. Juli 2017
Wenn Sie denn nun schon mal hier sind, kommen Sie doch schnell mal mit ins Museum! Ich lade Sie ein. Nein, nicht ins Kurpfalzmuseum, nicht weit von hier, in der Hauptstraße. Das hat um diese Zeit längst geschlossen. Ich will sie mitnehmen ins „Museum der unverzichtbaren Wörter“. Sie kennen es noch nicht? Ich bin immer wieder dort. Das „Museum der unverzichtbaren Wörter“ lebt davon, dass die Menschen keinen Bogen darum herum machen.
Gleich wenn man reinkommt, geht es in die Abteilung für Menschenrechte. Da müssen alle durch. Ebenso durch die Hallen der Gerechtigkeit. Die Räume mit den Ideen des Humanismus lassen dann viele lieber links liegen. Und viele umgehen auch die Abteilungen Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
Ein eigener Trakt dieses besonderen „Museums der unverzichtbaren Wörter“ ist den Religionen gewidmet. Wenn man geradeaus hineingeht, gelangt man zum Bereich „Schlüsselwörter der jüdisch-christlichen Tradition“. Der Liebe ist ein Raum gewidmet. Verzeihung und Versöhnung steht an der anderen Tür. Nebenan dann, Dienst am Nächsten und Kunst und Feste. Irgendwo muss da auch die Musik einen Ort haben. Denn die Klänge werden immer lauter. Gesungenes Gotteslob steht auf dem Hinweisschild.
Ausnahmsweise gehe ich dieses Mal an dieser Tür vorbei. Normalerweise lege ich in der Oase der Kirchenmusik immer eine Pause ein. Heute zieht es mich unwillkürlich weiter. Neu-Präsentation der Säulen der Freiheit steht da zu lesen. Viel gibt es da zu sehen. Noch mehr geht mir durch den Kopf.
Von Freiheit ist derzeit schließlich viel die Rede, denke ich. Hier möchte ich fürs Erste verweilen bei meinem Gang durchs Museum. Gottseidank – die Musik kann man immer noch ganz gut hören. Im Moment ist es Chormusik, die da an meine Ohren dringt. Aber die Freiheit hat’s mir heute besonders angetan. Um Freiheit geht’s in der Politik, wenn eingeschränkte oder gar fehlende Freiheit beklagt wird. Um Freiheit geht’s derzeit häufig auch bei uns in der Kirche. Ein riesiges rotes Banner füllt einen Teil der Wand hinter den Säulen der Freiheit. Oben das Gesicht Martin Luthers. Darunter der Satz: „… da ist Freiheit!“ Genauso wie auf dem Programmheft für das Chorfest oben rechts. Ein T-Shirt, eigens mit diesem Aufdruck versehen, kann man im Museumsshop erwerben. Dazu laufen immer wieder kleine Filme, in denen Menschen erläutern, was dieser Satz für sie bedeutet: „… da ist Freiheit!“ Da hat jemand ganz schön viel Geld investiert, denke ich!
Natürlich kenne ich diesen Satz. „… da ist Freiheit!“ Es ist die zweite Hälfte eines Satzes des Apostels Paulus. Ganz lautet er: „Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit!“ Hier zitiert eine Stimme aus dem Off aber immer wieder einen anderen Satz: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit! - Zur Freiheit hat euch Christus befreit!“ Wieder Paulus, denke ich. Das war wohl der Apostel der Freiheit schlechthin. Aber irgendwie kommt mir der Satz auch ein wenig vollmundig vor. „Zur Freiheit hat euch Christus befreit!"
Ich gehe auf andere Menschen zu, die sich wie ich die Säulen der Freiheit anschauen. „Fühlen sie sich frei?“, frage ich. „Fühlen sie sich wirklich frei? Unterliegen sie derzeit keinerlei Einschränkungen? Müssen sie auf niemanden Rücksicht nehmen? Keine Sorgen oder Konflikte, die die Freiheit ihres Denkens einschränken? Keine zeitlichen Einschränkungen durch die Fürsorge für andere – in Erziehung oder Pflege? Sind sie frei, zu tun und zu lassen, was sie wollen?“
Meist ernte ich Schweigen. Manchmal auch ein verächtliches Schnauben. Oder ein: „Wenn sie wüssten!“ Bei einigen lösen sich ein paar Tränen. Wenn ich so nach der Freiheit frage, da bin ich mir sicher, dann ist niemand wirklich frei.
Das hat auch der Apostel Paulus gewusst. Und darum hat er mit Freiheit noch einmal etwas anderes im Blick. Ich schaue, wo die Ausstellung weitergeht. Und wirklich: Durch das Lutherbild an der Wand kann man hindurchsteigen. Und man landet in einem Raum, der gestaltet ist wie ein Buch. „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ist auf die große Plexiglasscheibe aufgedruckt, die die Rückseite des Buchs darstellen soll.
In bunter Laserschrift schweben zwei Sätze durch den Raum. Immer wieder lösen sie sich ineinander auf: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“. So lautet der eine Satz, und der andere: „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan.“ Luther hat’s also auch mit der Freiheit gehabt, stelle ich fest. Und sicher hat er seine Einsichten doch auch dem Apostel Paulus zu verdanken. Ich merke: Ich muss dem Satz nachspüren, der von der Stimme aus dem Off immer wieder wiederholt wird: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit. Lasst euch nicht wieder klein machen vom Joch der Knechtschaft!“ Paulus, daran erinnere ich mich, hat diese Sätze an die Gemeinden in Galatien geschrieben: „Zur Freiheit hat euch Christus befreit. Lasst euch nicht wieder klein machen vom Joch der Knechtschaft!“
In diesen beiden Sätzen leuchtet der ganze Galaterbrief in konzentrierter und komprimierter Form auf. Was dann noch folgt, ist nur Erläuterung. „Zur Freiheit hat euch Christus befreit!“ Was aber ist gemeint, wenn es um die Freiheit geht? Was ist Freiheit? Schautafeln verweisen mich auf die Tradition. Nach und nach gehe ich an ihnen entlang.
Freiheit von Sklaverei und körperlicher Arbeit, steht da. Freiheit zur Muße und zur politischen Betätigung - darum, so lese ich, ging es bei den Griechen. Ich gehe weiter die Tafeln entlang.
Freiheit, Liberté – zusammen mit der Gleichheit und der Geschwisterlichkeit hatten sich die Revolutionäre des Jahres 1789 in Frankreich die Befreiung von feudalen oder vordemokratischen Strukturen auf ihre Fahnen geschrieben.
Die Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden – das können wir bei Rosa Luxemburg nachlesen.
Freiheit – sie ist die Beschreibung eines Zustandes, in dem man nichts mehr zu verlieren hat – freedom is just another word for nothing left to loose – so klingt es in Me and Bobby McGee, dem berühmten Folk-Song von Kris Kristofferson, den Janis Joplin einst so unnachahmlich interpretiert hat.
Freiheit – verstanden als Anspruch, tun und lassen zu können, was ich will. Als Möglichkeit, willentlich zu handeln. Gegen die Überzeugung mancher Neurowissenschaftler.
Freiheit - verstanden als das Recht, meinen Führungsanspruch und meine Auffassung der Welt durchzusetzen - und womöglich der Verlockung der Macht zu erliegen?
Oder auch Freiheit als das Recht, auf meine individuelle Weise das Glück anzustreben, wie die amerikanische Verfassung es formuliert.
Und auf der letzten Tafel steht eine Frage: Freiheit – Freiheit von etwas oder Freiheit zu etwas?
Zum Glück entdecke ich plötzlich eine Museumsmitarbeiterin im Raum. „Haben sie irgendwelche Fragen?“ Ganz freundlich wendet sie sich mir zu. Natürlich habe ich Fragen. „Wovon sind die Menschen frei geworden, an die Paulus diesen Brief gerichtet hat?“, will ich wissen. Die Antwort kommt prompt und bestimmt: „Frei geworden sind sie von bestimmten Vorgaben des Weges zu Gott. Frei geworden sind sie davon, sich beschneiden zu lassen. Denn diese Beschneidung hätte schließlich zur Folge gehabt, dass alle, die beschnitten wurden, auch alle Regeln und Vorgaben der jüdischen Mutterreligion des Paulus hätten einhalten müssen. Die Speisegesetze etwa, die genau festlegen, was rein ist und was nicht. Oder die Regel, dass ich am Sabbat keinerlei Arbeit verrichten soll.
Diesen Weg will Paulus vor allem denen ersparen, die aus einer anderen Religion kommen. Denen eben, die nicht zu seiner eigenen jüdischen Glaubensgemeinschaft gehören. Völker nennt die hebräische Bibel diese Gruppe. Luther übersetzt dieses Wort mit Heiden. Freiheit hieße dann Freiheit von einem diese Menschen womöglich überfordernden Netz der Tradition. Freiheit also auch von der Beschneidung. Freiheit ist also das Recht, ein Heide zu sein. Und einen anderen Weg zu Gott wählen zu können.“
Die Mitarbeiterin unterbricht ihren Redefluss. Das war fast etwas zu viel auf einmal. Mir wird klar: Paulus ist hier im Umfeld von Menschen aktiv, die nicht der jüdischen Religion angehören. Niemand muss also erst Mitglied einer jüdischen Gemeinde werden, um an Gott glauben zu können. Das ist hier mit Freiheit gemeint.
Freiheit ist hier also der Ausdruck einer gänzlich neuen Art zu leben. Nur: „Wie soll das konkret gehen?“, frage ich mich. Da höre ich, dass neben der einen Stimme jetzt noch eine zweite zu hören ist. Sie fällt der ersten immer ins Wort. Nicht nur „Zur Freiheit hat euch Christus befreit!“ Sondern auch: „In Christus zählt nur der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.“
Ich ahne: Ich muss auch noch in die Abteilung Liebe. Aber vorerst bleibe ich noch bei den Säulen der Freiheit. Die Zeile eines Liedes aus dem Gesangbuch kommt mir in den Sinn. Ein häufig und manchmal zu Unrecht geschmähtes Lied. „Freiheit, sie gilt für Menschen, Völker, Rassen, so weit, wie deine Liebe uns ergreift.“ Ich nehme mir vor, das nächste Mal etwas gnädiger zu sein, wenn Menschen sich dieses Lied wünschen.
Einiges ist mir jetzt klar geworden. Freiheit, so wie Paulus sie im Brief nach Galatien beschreibt – das begründet im Letzten keine neue Religion. Sondern eine neue Haltung gegenüber der Wirklichkeit. Und damit auch gegenüber Gott. Diese neue Haltung, dieses neue Vertrauen – das macht bei Paulus den Glauben aus, zumindest den Glauben als Möglichkeit für die, die nicht aus dem Judentum stammen.
Durch einen kurzen Gang gelange ich in die Abteilung Freiräume des Glaubens. Eine leise Stimme singt Antworten auf die Frage, was das bedeutet: Glauben in der Freiheit eines Christenmenschen. Ich höre genauer hin:
Glauben heißt – im Freiraum dieses Christus sein Leben gestalten.
Glauben heißt – in der Liebe Gottes wahrhaft Mensch werden.
Glauben heißt – die Gerechtigkeit von Gott her erhoffen.