Androiden 8: Falle für die Posmi - Lucy Guth - E-Book

Androiden 8: Falle für die Posmi E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Wir schreiben das Jahr 2084 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Fast ein Jahr lang herrschte in der Milchstraße Krieg gegen Roboter, die aus unbekannten Gründen Welten der Galaxis überfallen hatten, die dortigen Einwohner vertrieben oder töteten. Die Herkunft der Roboter ist menschlich, ihre Entstehung eng mit Perry Rhodans Historie verknüpft – wie es aussieht, kam es in der Vergangenheit zu einer technischen Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen ist. Perry Rhodan gelang es, weiteres Wissen über die Hintergründe der Invasion zu erfahren, das ihn zum Kunstplaneten Wanderer führte. Dort erhielt er ein Mittel, die Roboter dauerhaft zu befrieden. Es scheint, als sei der Krieg vorbei. Doch ausgerechnet der normonische Admiralregent Nagmum Kane, der sich als Held im Kampf gegen die Roboter hervorgetan hat, ist gegen den Frieden. Weil er den Kampf fortführen will, greift eine weitere unbekannte Macht ein – in Gestalt eines gewaltigen schwarzen Raumschiffs, dessen unbekannte Besitzer die Auslieferung Kanes fordern. Wer sitzt in diesem Raumschiff? Das herauszufinden, macht sich die Posmi Aurelia Bina zur Aufgabe. Ihr geheimer Einsatz erweist sich jedoch als FALLE FÜR DIE POSMI ...

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Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Nr. 8

Falle für die Posmi

Sie sind Jäger und Gejagte zugleich – Aurelia Bina geht an ihre Grenzen

Lucy Guth

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Gefangen

2. Die Fliege

3. Eine Chance

4. Undercover

5. Trauerweide

6. Recherche

7. Erwacht

8. Misstrauen

9. Nachtschwärmer

10. Angriff auf Symphosis

11. Aufbruch

12. Weizen

13. Talsenken

14. Kunstpause

15. Die Anschuldigung

16. Kōshinsō

17. VINGUARD

18. Ein Nichts

Impressum

Wir schreiben das Jahr 2084 der Neuen Galaktischen Zeitrechnung, mehr als dreitausendsechshundert Jahre in der Zukunft. Fast ein Jahr lang herrschte in der Milchstraße Krieg gegen Roboter, die aus unbekannten Gründen Welten der Galaxis überfallen hatten, die dortigen Einwohner vertrieben oder töteten.

Die Herkunft der Roboter ist menschlich, ihre Entstehung eng mit Perry Rhodans Historie verknüpft – wie es aussieht, kam es in der Vergangenheit zu einer technischen Entwicklung, die aus dem Ruder gelaufen ist. Perry Rhodan gelang es, weiteres Wissen über die Hintergründe der Invasion zu erfahren, das ihn zum Kunstplaneten Wanderer führte. Dort erhielt er ein Mittel, die Roboter dauerhaft zu befrieden. Es scheint, als sei der Krieg vorbei.

Doch ausgerechnet der normonische Admiralregent Nagmum Kane, der sich als Held im Kampf gegen die Roboter hervorgetan hat, ist gegen den Frieden. Weil er den Kampf fortführen will, greift eine weitere unbekannte Macht ein – in Gestalt eines gewaltigen schwarzen Raumschiffs, dessen unbekannte Besitzer die Auslieferung Kanes fordern.

Wer sitzt in diesem Raumschiff? Das herauszufinden, macht sich die Posmi Aurelia Bina zur Aufgabe. Ihr geheimer Einsatz erweist sich jedoch als FALLE FÜR DIE POSMI ...

Die Hauptpersonen des Romans

Aurelia Bina – Die Agentin geht eigene Wege.

Junia und Lilja Ryksdottir – Die Schwestern waren jahrelang aneinander gefesselt.

Dan Takahashi – Der Leiter des Terranischen Liga-Dienstes steht Aurelia Bina im Weg.

Perry Rhodan

Prolog

Illicasystem, 4. August 2084 NGZ

»Ihr seid aufgefordert, euch aus diesem Sonnensystem zurückzuziehen. Die nicht-biologischen Zivilisationen der Milchstraße sind geschützt. Zusätzlich fordern wir die Auslieferung des Kriegsverbrechers Nagmum Kane.«

Die tiefe, unbewegte Stimme kam über Funk, aber ihr Ursprung lag in einem schwarzen, unregelmäßig geformten Objekt von etwa 250 Kilometern Durchmesser, das unerwartet im Illicasystem aufgetaucht war. Perry Rhodan betrachtete die holografische Darstellung irritiert und beunruhigt.

Drei Mal hatte die unbekannte Stimme ihre Forderung bislang wiederholt, stoisch und gleichmäßig. Auch Nagmum Kanes zorniger Befehl, das Feuer auf das Riesenobjekt zu eröffnen, hatte nichts an den Worten geändert.

»Widerrufe sofort deinen Befehl!«, forderte Perry Rhodan den Admiralregenten der Föderation Normon auf. Das holografische Gesicht Kanes war in einem Komholo in der Zentrale der OREST ATHAPILLY die ganze Zeit zu sehen – seit Rhodans Flotte ins Illicasystem gekommen war, standen die beiden Flaggschiffe der Anführer in ständigem Kontakt.

Zunächst hatte Rhodan erfolglos versucht, Kane davon abzuhalten, die Roboterzivilisation auf dem Planeten Omara zu vernichten. Dann war das unbekannte schwarze Objekt aufgetaucht, und die Lage war eskaliert. Ein ganzes normonisches Geschwader – 25 Raumer der eintausend Meter durchmessenden GOLIATH-Klasse – war bei dem Versuch, das unbekannte Riesenschiff anzugreifen, soeben restlos vernichtet worden. Erst hatten seltsame blaue Lichttropfen die gestaffelten HÜ- und Paratronschirme beseitigt, danach hatten Hyperraumaufrisse die Schiffe regelrecht zerfetzt und teilweise verschlungen.

Genau deswegen wollte Rhodan Kane von weiteren Manövern dieser Art abhalten. »Lass es bleiben, Admiralregent. Wir wissen nicht, womit wir es zu tun haben.«

»Und darum werden wir uns auf unserem eigenen Gebiet nicht einschüchtern lassen.« Das holografische Gesicht von Kane war hinter dem blonden Schnurrbart dunkelrot angelaufen. »Wir müssen klarmachen, wer hier das Sagen hat.«

Rhodan verzichtete darauf, Kane zu erinnern, dass sie sich auf dem Gebiet der Freien Galaktiker und nicht etwa der Föderation Normon befanden. Das Sagen hatte also eigentlich Rhodan. Ehe er jedoch weiter an Kanes Vernunft appellieren konnte, hatte sich der ganze normonische Verband in Gefechtsposition begeben und feuerte mit nichts Geringerem als den Transformkanonen auf das unbekannte Objekt, in dem Rhodan ein riesiges Raumschiff vermutete.

»Bericht, Huntley?«, fragte Rhodan. Major Huntley Butler stand in einer Wolke aus bunten Holos, in denen wohl nur er den Überblick behielt. »Tja, das war wohl nichts«, sagte der Funk- und Ortungsoffizier lapidar. »Der Angriff ist einfach verpufft. So wie alles verpufft oder versickert, was diesem Ding begegnet: Impulse, elektromagnetische Strahlung, sogar Wärmestrahlung.«

Rhodan atmete tief durch. »Admiralregent Kane, es hat keinen Sinn. Stopp diesen Angriff! Wir müssen die neue Situation erst einmal analysieren.«

»Und wertvolle Zeit verschwenden? Ich denke gar nicht dran! Wir werden jede einzelne Waffe anwenden, die unsere Flotte zu bieten hat.« Kane war nicht mehr rot, er war blass vor Wut. »Kommandanten, ihr habt freie Hand in der Wahl der Geschütze – aber blast diesen Eindringling aus unserem Hoheitsgebiet!«

Rhodan schloss resigniert die Augen. Hinter sich hörte er die Stimme der Siganesin Karen Bago: »Das ist völlig verrückt! Wir werden uns doch sicher nicht daran beteiligen?«

»Auf keinen Fall!« Rhodan wandte sich an den Kommandanten Tomun Pargan. »Oberst, wir wappnen uns für alle Eventualitäten. Unsere Space-Jets sollen sich zum Ausschleusen bereithalten. Und wir bereiten die Schirme vor. Aber vorerst bleiben wir neutrale Beobachter und mischen uns nicht ein.«

»Verstanden!«

Kanes Flotte hatte indessen den Befehlen gehorcht. Jedes der etwa fünfzig verbliebenen Schiffe setzte sein Multivariables-Hochenergiegeschütz gegen den unbekannten Riesen ein. Und nicht nur das. Intervallkanonen, Thermostrahler, Desintegratoren wurden abgefeuert; Paratronwerfer wurden aktiviert, ebenso Dissonanzgeschütze.

Kane hat seine Flotte ziemlich aufgerüstet – sollte uns das zu denken geben ...?

Gegen den schwarzen Riesen nutzte das Arsenal freilich gar nichts. Im Gegenteil: Die angreifenden Schiffe wurden umgehend selbst vernichtet.

»Major, was geht da vor sich?«, fragte Rhodan alarmiert.

Aus Huntley Butlers Gesicht war alle Farbe gewichen – aber nicht vor Zorn, wie es bei Kane der Fall war, sondern vor Entsetzen. »Es ist, als ob die Föderationsschiffe auf einen Spiegel schießen! Auf jeden Angriff gibt es sofort einen Gegenangriff mit ... mit exakt der Art Waffenstrahl, mit der das unbekannte Objekt attackiert wurde. Nur um das Hundertfache verstärkt. Der Gegner röstet die Föderationsschiffe im Grunde mit ihren eigenen Mitteln!«

Rache, heiß serviert, dachte Rhodan. »Kane, du musst den Angriff sofort abbrechen«, rief er.

Bago zeigte auf die holografische Darstellung. »Das machen die Kommandanten der Föderation bereits. Die sind schließlich nicht lebensmüde.«

Kane tobte. »Irgendetwas muss dieses Ding aufhalten!«

»Das ist Selbstmord!«, mischte sich Rhodan ein. »Du hast selbst gesehen, was ein Angriff anrichtet!«

»Ihr seid aufgefordert, euch aus diesem Sonnensystem zurückzuziehen«, erklang stoisch erneut die Stimme. »Die nicht-biologischen Zivilisationen der Milchstraße sind geschützt. Zusätzlich fordern wir die Auslieferung des Kriegsverbrechers Nagmum Kane.«

Allerdings beließ es der Riese dieses Mal nicht bei der verbalen Forderung. Von dem schwarzen Giganten ausgehend richtete sich ein gleißender Strahl auf das Föderationsschiff, das ihm am nächsten war. Der Strahl drang scheinbar mühelos durch den Paratronschirm. Das Schiff wurde durchbohrt. Immer und immer wieder.

»Was ist das für ein Angriff?«, fragte Rhodan.

»Ich weiß es nicht genau.« Butler standen Schweißtropfen auf der Stirn. »Ich erkenne Hyperenergien im SHF-Band. Sie sind von immenser Stärke, durchsetzt mit niederfrequenten, desintegratorähnlichen Pulsen. Das Schiff ist bereits völlig durchsiebt. Ich fürchte, dass dort nicht mehr viele Besatzungsmitglieder am Leben sind.«

»Setzt unser Gegner diese Waffe noch bei einem weiteren Schiff ein?«

»Im Moment nicht. Aber, Augenblick ... Soeben hat der Gegner die uns bereits bekannten Torpedos abgefeuert, die Hyperaufrisse verursachen.« Butler wies auf fünf grellblaue Lichter, die sich von dem Objekt lösten. »Zwei davon halten auf Schiffe unserer Flotte zu.«

»Ausweichen und zurückziehen!«, befahl Rhodan. »Wir haben gesehen, dass wir uns dabei nicht auf die Schirme verlassen können. Funkfrequenz öffnen.«

Er wandte sich direkt an den großen Unbekannten: »Ich protestiere! Mein Flottenverband hat sich nicht an den Attacken auf euer ... Schiff beteiligt. Brecht den Angriff ab!«

»Sehr mutig, Herr Liga-Kommissar«, höhnte Kane, der die ganze Zeit zugeschaltet war. »›Schießt nicht auf uns, die anderen waren es!‹«

»Sei still! Wegen dir sind wir überhaupt in dieser Lage!«

»Sie reagieren nicht«, rief Pagan. »Stattdessen hat das Objekt sechs weitere blaue Torpedos losgeschickt, drei davon in unsere Richtung.«

»Ich habe eine Nachricht aus der Analyseabteilung«, meldete sich Bago. »Wie Butler vermutet hat, handelt es sich bei diesem Objekt nicht um ein künstliches Gebilde, sondern um einen Asteroiden. Die Kollegen müssen es geschafft haben, aus dem wenigen, was der Riese emittiert, wenigstens ein paar Daten abzuleiten ...« Sie fuhr sich mit der Hand über den Kopf, als würde sie sich Schweiß davon abwischen. »Jedenfalls ... der Asteroid ist angereichert mit großen Mengen Hyperkristall und Technik. Keine Spuren von organischem Leben entdeckt.«

»Eine uns unbekannte Lebensform auf Technikbasis also?«

»Mit anderen Worten – ein riesiger Roboter!«, sagte Kane kalt.

»Er macht keinen Unterschied zwischen den terranischen und den Föderationsschiffen«, meinte Rhodan, ohne darauf einzugehen. »Wahrscheinlich erkennt er gar keinen.«

»Die ersten Torpedos haben die Föderationsschiffe erreicht«, meldete Butler. Auf den Holos verfolgten sie, wie der Hyperraum aufriss und drei Einheiten verschlang. Das anvisierte Schiff der Liga würde als Nächstes an der Reihe sein.

»Flüchten Sie«, wies Rhodan den Kommandanten an. »Wir haben dieser Waffe nichts entgegenzusetzen. Wir alle sollten zusehen, dass wir hier wegkommen, es bleibt uns nichts anderes übrig.«

»Einen Moment, Perry«, sagte Bago, während die ersten Schiffe dem Befehl bereits nachkamen. »Unsere Spezialisten halten es für möglich, dass diese Torpedos eine Schwachstelle haben. Die Waffenwirkung war bei den zuletzt getroffenen Schiffen weniger stark als bei denen, wo der Torpedo eine kürzere Strecke zurückgelegt hat. Vielleicht, weil ihr Triebwerk eine hyperenergetische Signatur hat. Bei der geringen Größe können sie nur eine kleine Menge Schwingquarz als Energiequelle tragen – und darauf greifen wahrscheinlich sowohl Antrieb als auch Sprengkopf zu. Im Prinzip zehren sie ihre beim Flug selbst auf, wenn man ihnen also lange genug entkommen kann, dürften sie einfach ... nun ja, liegen bleiben.«

»Viel Spekulation, um darauf ein Schiff zu wetten«, sagte Rhodan. »Außerdem sind sie zu schnell, um sie abzuhängen.«

»Vielleicht nicht für einen OXTORNE-Kreuzer«, mischte sich Pagan ein. »Also schon, aber der Igel muss ja nur lang genug rennen, bis der Hase schlapp macht.«

»Das ist ein Kamikazeunternehmen!«

»Es ist eine Chance, unseren Gegner besser zu verstehen.«

Dem musste Rhodan beipflichten. »Also schön. Rückzug der Flotte, die OREST ATHAPILLY zieht sich zum Rand des Illicasystems zurück und wartet, ob der Igel Erfolg hat. Minimalbesatzung, es werden ausschließlich Freiwillige eingesetzt, ein Begleitschiff bleibt in Transmitterreichweite zur Evakuierung!«

Auch Kanes Flotte startete einen überstürzten Rückzug, büßte jedoch dabei noch zwei weitere Schiffe ein. Die Liga-Schiffe entkamen knapp in den Hyperraum. Rhodan beobachtete aus sicherer Entfernung die mutige Besatzung, die sich einen der Torpedos vornahm und sich selbst zur Zielscheibe machten. Sie setzten sich genau vor einen der Jäger, um ihn zu sich zu lenken. Ziemlich gewagt, fand Rhodan. Zu nahe kommen durften sie ihm dabei nicht, da ihre Hypertechnik sonst ausgefallen wäre. Es war ein riskantes Spiel, und Rhodan war nicht sicher, ob es den Einsatz wert war. Immerhin startete der schwarze Riese keine weiteren Angriffe – der Rückzug der Flotten schien ihm zunächst zu genügen.

1.

Gefangen

Terrania, TIPI, 5. August 2084 NGZ

Lichtstrahlen fielen durch das Fenster und malten ein abstraktes Muster auf die Bettdecke, unter der sich der schmale, geschundene Körper von Lilja Ryksdottir abzeichnete. Langsam, wie mechanisch fuhr Junia die Linien mit ihrem Finger nach. Sie dachte sie sich in Blau und Smaragdrot – es ergäbe ein wunderschönes Bild, wenn sie es malte.

Von dem herrlichen Sommertag, der draußen eine nahezu magische Wirkung auf alle Einwohner Terranias entfaltete, bekam Junia hier in diesem Appartement im Terranischen Institut für Paranormale Individuen nichts mit. Sie hörte weder den fröhlichen Gesang der Vögel, noch spürte sie die warme Sonne auf der Haut oder roch die Mischung aus Sonnenschutzcreme, den aufblühenden Blumen in den Gärten und Grünanlagen und dem Wasser, das aus Verneblern gesprüht wurde, die zur Kühlung der terranischen Bevölkerung eingesetzt wurden.

Stattdessen tat sie das, was sie seit über einem Jahr täglich tat: Sie lauschte den regelmäßigen Atemzügen ihrer Schwester, studierte jede Pore und Narbe in ihrem reglosen Gesicht und fuhr mit den immer gleichen, endlos rotierenden Gedanken in ihrem Kopf Karussell.

Seit ihrer Rückkehr von Asgylon lebte Junia zusammen mit ihrer Schwester in der obersten Etage des TIPI, wie das Terranische Institut für Paranormale Individuen genannte wurde. Mehr als ein Jahr lang hatte sie sich den Untersuchungen der Ärzte, Psychologen und Mutantenforscher gestellt, hatte zugelassen, dass sie körperlich durchleuchtet und umfangreich kartografiert wurde. Im Grunde wurde sie den gleichen, akribischen Untersuchungen unterzogen wie ihre Schwester – nur dass Lilja davon nichts mitbekam, weil sie im Koma lag. Inzwischen fühlte sie sich unendlich müde und ausgelaugt, so als habe sie einen langen Marathon bestritten. Dabei tat sie seit bereits geraumer Zeit im Grunde nichts. Nichts als in diesem Zimmer an diesem Bett zu sitzen und hin und wieder das zu tun, was die Ärzte von ihr verlangten. Den Arm ausstrecken, damit Blut- oder Gewebeproben genommen werden konnten, mit Dioden an ihrem Kopf sinnlose Fragen beantworten, sich für einen Scan hinlegen. Dafür und zum Schlafen verließ sie das Zimmer. Sonst nicht. Sie hatte ihren eigenen Raum im Appartement.

Doch ob im Zimmer oder nicht – Lilja musste stets indirekt miterleben, wie es Junia erging. Die mentale Verbindung der Schwestern machte es möglich, leider auch unumgänglich. Dieser Paragabe hatten sie ihre Anwesenheit im TIPI zu verdanken.

Ein akustisches Signal kündigte die Ankunft eines Gastes an. Die Tür öffnete sich zischend, ohne dass Junia einen Befehl aussprechen musste. Ein Zeichen dafür, dass es jemand Hochrangiges war, der kam. Die wichtigen Leute konnten in Liljas Zimmer ein und ausgehen, ohne auf Höflichkeit zu achten.

Junia hatte sich daran gewöhnt. Und Lilja war es egal, ob ein Besucher anklopfte oder nicht. Das Einzige, was sie wahrnahm, war das, was sie durch Junias Augen und Ohren mitbekam. Das war es, was sie seit über zwölf Jahren mit dem Leben verband. Wer sollte sie schon stören bei diesem Leben aus zweiter Hand?

Eine hochgewachsene, dünne Frau mit hellblonden Haaren und eisblauen Augen betrat den Raum. Ania Rideaut war die Forschungsleiterin im Fall der Zwillinge. Sie beschäftigte sich mit deren Gabe, seit Lilja und Junia im TIPI waren, und untersuchte die parapsychische Verbindung der Schwestern.

»Junia, wie geht es dir heute?«, fragte sie freundlich.

Junia seufzte und hob die Schultern. »Wie immer. Lilja wacht nicht auf. Sie ist da, und sie hat heute nicht besonders gute Laune. Aber sie wacht nicht auf.«

Lilja war eine ständige Präsenz in Junias Kopf. Dabei konnten sie nicht miteinander reden oder konkrete Gedanken und Worte austauschen. Sie spürten einander, nahmen Empfindungen und Launen wahr. Und sie wussten, was die andere sah und hörte. Im Fall von Lilja war das Schwärze, klaustrophobische Dunkelheit. Hin und wieder drangen Stimmen zu ihr durch, dazu Empfindungen wie Hitze oder Kälte. Berührungen – meist unangenehm, während der nötigen Waschungen und Untersuchungen. Heute hatte Lilja tatsächlich schlechte Laune, Junia spürte es an dem unangenehm rumorenden Gefühl im Hinterkopf.

Rideaut legte ihr sanft die Hand auf die Schulter. »Ich habe nicht gefragt, wie es Lilja geht, sondern wie es dir geht. Hast du heute schon etwas gegessen?«

»Ja!« Junia nickte etwas zu heftig. »Ich habe gefrühstückt, bevor ich hierherkam.«

»Ach ja? Was gab es denn?«

»Einen Apfel und einen Kaffee.«

»Junia! Wir haben fast zwei Uhr!« Die Ärztin hockte sich auf die Bettkante und schürzte vorwurfsvoll die Lippen. »Nicht nur Lilja ist meine Patientin, du bist es genauso. Du musst auch an dich selbst denken.«

Junia senkte den Kopf. Sie kam sich vor wie ein gescholtenes Kind. »Ich weiß. Aber Lilja braucht mich.«

»Eben deswegen musst du nach dir selbst sehen und dafür sorgen, dass du weiter für sie Augen und Ohren sein kannst. Eure Gabe ist zu faszinierend, als dass ich meine Forschungsobjekte verliere, weil eines von ihnen verhungert.« Rideaut betätigte einen Sensor am Kopfende des hochmodernen medizinischen Pflegebettes, das eigentlich noch viel mehr war als eine Medoliege. Es hatte im Gegensatz zu einer rein medizinischen Liege einen gewissen Komfort.

Bloß, was hat Lilja davon?, fragte sich Junia regelmäßig.

Ein holografisches Menü erschien. Mit ein paar Tipp- und Wischbewegungen gab die Ärztin eine Bestellung ein. »Das Mittagessen ist heute sehr gut, ich lasse die Servoroboter etwas bringen. Dann brauchst du Lilja nicht allein zu lassen.«

Junia wollte abwehren, doch ihr Magen, der Verräter, stieß ein deutlich hörbares Knurren aus. »Na schön. Ich könnte tatsächlich etwas vertragen.«

Rideaut lächelte zufrieden. »Sehr schön, in der Zwischenzeit können wir über die neuesten Erkenntnisse zu eurer telepathischen Gabe reden.«

»Gibt es denn neue Erkenntnisse? Und ich dachte, wir sind keine Telepathen...«Junia stand auf, weil der Servoroboter hereinkam. Sie hatte Robotern gegenüber eine Art Phobie entwickelt. Sie rechnete jederzeit damit, dass die Maschine das Tablett zur Seite schleuderte und stattdessen das Feuer auf sie eröffnete.

Das geschah natürlich nicht. Der Roboter stellte das Essen ab und rollte wieder hinaus. Junia nahm Platz und griff nach der Gabel.