Perry Rhodan Neo 255: Die perfekte Welt - Lucy Guth - E-Book

Perry Rhodan Neo 255: Die perfekte Welt E-Book

Lucy Guth

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Beschreibung

Vor fast sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan als erster Mensch auf Außerirdische getroffen. Seither hat die Menschheit ihren Einflussbereich ausgedehnt und ferne Sonnensysteme besiedelt. Allerdings kommt es im Jahr 2102 zu einem Konflikt mit den Kolonien. Der Notfallplan Laurin wird eingeleitet – und geht schrecklich schief. Die Erde und der Mond stranden im Kugelsternhaufen M 3, rund 34.000 Lichtjahre von der Heimatsonne entfernt. Mit dem Großraumschiff SOL macht Rhodan sich auf die Suche nach den Ursachen des Transportunfalls. Die SOL gelangt in eine Raumregion, die den Naturgesetzen zu widersprechen scheint. Irreale Phänomene verursachen ein gefährliches Chaos an Bord der SOL. Schließlich stößt Perry Rhodan auf einen Planeten, der ihm sehr vertraut, zugleich jedoch völlig fremd ist: DIE PERFEKTE WELT ...

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Band 255

Die perfekte Welt

Lucy Guth

Cover

Vorspann

Prolog

1. Das Flimmern

2. Das Herz der FAIRY

3. Dschungel

4. Gucky und das Möhrentörtchen

5. Eine Reihe absurder Vorfälle

6. Quanten und Neuter

7. Das Planetensystem

8. Herantasten

9. Smulti-Karotte und K'amanaffé

10. Getarnt

11. Rückkehr der Sandrose

12. Doppelgänger

13. Im Stardust Tower

14. Hinter der Schwelle

15. Eine andere Bühne

16. Die Falle

17. Goldener Käfig

18. Zweiter Versuch

19. Der andere Rhodan

20. Chronophasen I

21. Störfaktoren

22. Chronophasen II

23. Zukunft

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

Vor fast sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan als erster Mensch auf Außerirdische getroffen. Seither hat die Menschheit ihren Einflussbereich ausgedehnt und ferne Sonnensysteme besiedelt.

Allerdings kommt es im Jahr 2102 zu einem Konflikt mit den Kolonien. Der Notfallplan Laurin wird eingeleitet – und geht schrecklich schief. Die Erde und der Mond stranden im Kugelsternhaufen M 3, rund 34.000 Lichtjahre von der Heimatsonne entfernt.

Mit dem Großraumschiff SOL macht Rhodan sich auf die Suche nach den Ursachen des Transportunfalls. Die SOL gelangt in eine Raumregion, die den Naturgesetzen zu widersprechen scheint. Irreale Phänomene verursachen ein gefährliches Chaos an Bord der SOL.

Schließlich stößt Perry Rhodan auf einen Planeten, der ihm sehr vertraut, zugleich jedoch völlig fremd ist: DIE PERFEKTE WELT ...

Prolog

Sein Körper war die SOL. Er war die SOL.

Das war etwas, was kaum jemand verstand, der kein Emotionaut war. Wenn Mentro Kosum im Pilotensitz Platz nahm und sich mit SERT-Anzug, -Haube und seinen Implantaten mit dem Schiff verband, übernahm er nicht nur die Kontrolle über die Steuerung. Er verschmolz mit dem Raumschiff, und zwar mit Haut und Haaren.

Um ihn war das All – jene geheimnisvolle Region, die sie Bacor-Kavi nannten. Vieles war anders als gewohnt. Das spürte er über die Sensoren der Schiffshülle, die nun Kosums Haut war. Sie informierten ihn, dass die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung den Emissionen eines Schwarzkörpers mit 5,8 Kelvin Temperatur entsprach, im Gegensatz zu den 2,7 Kelvin im »normalen« Universum. Nichts, was ihn ins Schwitzen brachte, aber ein Unterschied, der Kosum ins Gedächtnis rief, dass sie nicht mehr in der vertrauten Raumzeit waren.

Seine Arme und Beine waren mit dem Verschmelzen verschwunden. Zumindest in seinem Empfinden. Die SOL hatte keine Extremitäten, sondern Hantelform. Die beiden Kugeln ersetzten nicht Kopf oder Bauch; sie waren einfach da.

Kosum empfand jede Bewegung, jede Berührung winziger Teilchen auf seinem Rumpf, sogar wenn sie durch einen Schutzschirm abgefangen wurden – dann spürte er sie etwas gedämpfter. Er spürte die Besatzung des Schiffs: hilfreiche kleine Blutkörperchen, die ihre Aufgaben verrichteten. Es galt, sie zu schützen. Doch im Vergleich zur SOL waren sie so winzig, dass sie fast zur Nebensache wurden. Ein Walhai nahm die Putzerfische, die ihn umspielten, auch kaum wahr, vermutete er.

Der Emotionaut genoss das Gefühl, als sich an den Ringwulsten beider Kugeln blütenblattförmige Prallfelder aufspannten. Im Unterlichtflug fingen sie kosmische Gase und Staub ein und lieferten es den Desintegratorblöcken zu. Für Kosum fühlte es sich wie ein angenehmes Prickeln an, das durch seine Adern lief. Die Materie wurde in Protonenplasma verwandelt und per Injektor zielgenau an den Ereignishorizont des kleinen Schwarzen Lochs in der Südkugel befördert. Die Hälfte der Materie wurde dort zu Energie, die auf die Ultrawandler an den Wänden des Reaktors traf; die andere Hälfte des Plasmas wurde auf 99,99 Prozent Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, über präzise gesteuerte Magnetfelder in die Hecktriebwerke gezwungen, dort mit Hyperbarie angereichert und als Schubstrahl ausgestoßen. Die Energie durchflutete die SOL und damit Kosum wie ein gut dosierter Espresso.

1.

Das Flimmern

Wolken zogen über das Besprechungszimmer hinweg, in dem Perry Rhodan saß und mit den Fingern auf der Tischplatte trommelte. Der Raum erweckte durch die holografische Decke den Eindruck, nach oben hin offen zu sein und einen Blick auf das ungewöhnliche Habitatdeck drei der SOL zu ermöglichen. Wälder, Hügel, Wohntürme die an futuristische Wohnstätten von Elfen erinnerten – man konnte leicht vergessen, dass man sich an Bord eines Raumschiffs aufhielt. Rhodan dachte über das nach, was er in den vergangenen Stunden gehört hatte. Der Haluter Icho Tolot und die Bestie Tro Khon hatten geschildert, wie sie ins Innere der Dunkelwolke gelangt waren, in der sich nun auch die SOL befand.

»Da bist du!« Thora stand in der Tür und zog verwundert die Augenbrauen hoch, als sie ihren Mann ganz allein am Besprechungstisch sitzen sah. »Ich dachte, du wärst mit Deccon zurück in die Steuerzentrale gegangen.«

Der Kommandant der SOL hatte sich nach Tolots Bericht wieder in seinen voluminösen Chefsessel begeben, vermutete Rhodan. Er wunderte sich fast, dass Chart Deccon nicht sogar darin schlief. Der Mann war mit seinem Schiff eng verbunden, der Posten des Kommandanten eine Herzensangelegenheit.

»Er wollte dort den Befehl geben, den Kurs wieder aufzunehmen, den wir vor der Episode auf EMschen vereinbart hatten.« Rhodan tippte weiter mit den Fingern auf der Tischplatte. »Ich hingegen wollte noch etwas in Ruhe nachdenken.«

Thora Rhodan da Zoltral kam herein und setzte sich neben ihn. »Meinst du, es ist die falsche Entscheidung, tiefer ins Zentrum dieses Raumgebiets vorzustoßen?«

»Nach Tolots Bericht? Auf keinen Fall.« Rhodan schüttelte entschieden den Kopf. »Auch Tolotos und Khon sind einer Spur gefolgt, die genau dorthin führt. Es scheint der Ort zu sein, an dem wir Antworten auf unsere Fragen erhalten könnten. Unter anderem auf die, wie wir Erde und Mond wieder an ihren angestammten Platz zurückbringen.«

Das war in der Tat der Hauptgrund für ihre Anwesenheit in dieser bizarren Region: Mit NATHANS Hilfe hatten sie versucht, Terra und Luna um eine Planck-Zeit in die Zukunft zu versetzen. Das war gründlich schiefgegangen. Stattdessen waren sie im Blauen System der Akonen im 34.000 Lichtjahre entfernten Kugelsternhaufen Messier Drei aufgetaucht. Was im heimischen Sonnensystem gerade los sein mochte, wollte sich Rhodan gar nicht vorstellen.

Er hatte sich zusammen mit einem kleinen Einsatzteam an Bord des überraschend erschienenen Raumschiffs SOL auf den Weg in ein Gebiet gemacht, das die Akonen »Bacor-Kavi« nannten. Dort wollten sie den rätselhaften Hyperimpulsen nachgehen, die bei der Versetzung gemessen worden waren. Nur dass sich das Innere dieser Dunkelwolke als äußerst rätselhaft entpuppt hatte – oder, um Geoffry Waringer, den Chefwissenschaftler der SOL, zu zitieren: als »extrem mysteriös«. Ihr derzeitiges Umfeld, das sie wie die umgebende Dunkelwolke Bacor-Kavi genannt hatten, mutete eher wie eine riesige fremde Galaxis an.

»Ich hoffe nur, dass wir dieses ominöse Zentrum tatsächlich ansteuern können – laut Miss Tanaka ist es etwas schwierig, die Entfernung dorthin zu bestimmen – wie jegliche Ortung in dieser Umgebung«, meinte Thora.

»Das kann ich mir vorstellen. Das Areal ist schließlich weitaus größer als die Dunkelwolke selbst, die eigentlich nur sieben Lichtjahre durchmisst. Waringer und sein Team haben an diesem Widerspruch noch gehörig zu knabbern.«

Thora lächelte. »Ich glaube eher, der Mann ist gerade in seinem Element. Er kann nach Herzenslust forschen.«

»Stimmt. Es würde mich nicht überraschen, wenn er die Situation sogar genießt.« Auch Rhodan musste lächeln. »Er hätte sich zweifellos blendend mit Eric Leyden verstanden. Schade, dass sich die beiden nicht kennenlernen konnten.«

Eric Leyden sowie seine Kollegen Abha Prajapati und Luan Perparim – nicht zu vergessen sein Kater Hermes – waren vor vielen Jahren verschwunden und vor einiger Zeit im Innern eines Kreellblocks wieder aufgetaucht, aus dem man sie bislang nicht hatte befreien können. Erst Tro Khons Bericht hatte darüber aufgeklärt, wie es dazu gekommen war.

»Ich hoffe nur, dass wir im Zentrum von Bacor-Kavi herausfinden, wie wir hier wieder rauskommen.« Sorgenvoll strich sich Thora über die Stirn. »Immerhin ist die Dunkelwolke, durch die wir hierhergelangt sind, scheinbar verschwunden. Wir befinden uns mitten im Nirgendwo und wissen nicht, wo der Ausgang ist, um es platt auszudrücken.«

»So könnte man sagen, ja. Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als die Quelle der seltsamen Signale zu untersuchen.« Rhodan breitete die Arme aus. »Vielleicht finden wir dort tatsächlich alle Antworten, die wir brauchen.«

Thora erhob sich. »Bis dahin ist es ein weiter Flug. Vielleicht sollten wir in unser Quartier gehen und uns etwas ausruhen. Vor allem du – hast du seit deiner Rückkehr von EMschen eigentlich eine Minute geschlafen?«

Rhodan grinste seine Frau an. »Ich brauche nicht so viel Schlaf.«

Sie verzog missbilligend das Gesicht. Genau wie Rhodan hatte sie bis vor einem Jahrzehnt einen Zellaktivator getragen, ehe dieser auf rätselhafte Weise verschwunden, die Unsterblichkeit ihnen jedoch erhalten geblieben war. Sie benötigte ebenso wenig Schlaf wie er. »Nur weil man nicht zu schlafen braucht, heißt das nicht, dass man es nicht manchmal tun sollte. Los, Mister Rhodan, ab in unser Zimmer und ein, zwei Stunden Erholungspause!«

Rhodan stand ebenfalls auf und salutierte. »Zu Befehl, Ma'am. Und was ist mit Ihnen?«

»Ich komme gleich nach. Ich will noch mal bei Tolot nach dem Rechten sehen. Er wirkte etwas geknickt wegen der DOLAN.« Das Raumschiff des Haluters hatte sich noch nicht davon erholt, dass es mehrere Jahre lang verlassen auf der Planetenoberfläche von EMschen gestanden hatte. Den Haluter verband etwas Besonderes mit seinem größtenteils organischen Schiff.

»Dann sehen wir uns gleich.« Rhodan verabschiedete sich mit einem Kuss von seiner Frau, ehe er den Besprechungsraum und den kleinen Hügel verließ, in dem es lag. Er ging auf den Wohnturm zu, in dem er und seine Expeditionstruppe großzügige Quartiere bezogen hatten.

Die Gruppe bestand neben ihm selbst und Thora aus Gucky, Omar Hawk und seinem Okrill Watson, dem Arkoniden Sofgart und der Space-Disk-Besatzung Halycon Faulkner, Connor Lamondt und Morena Quispe. Auch den Emotionauten Senco Ahrat hatte Rhodan in sein Team genommen; mittlerweile wusste er, dass NATHAN den jungen Mann ohnehin als Piloten für das Großbeiboot der SOL, die FAIRY, vorgesehen hatte. Ahrat würde also nach Abschluss der Mission auf der SOL bleiben.

Rhodan wollte gerade den Wohnturm betreten, als sein Multifunktionsarmband ein Signal von sich gab. Der Anruf kam von Chart Deccon, und natürlich nahm ihn Rhodan an. Als Expeditionsleiter musste er ständig erreichbar sein – daran hatte sich nichts geändert, obwohl er vor vielen Jahren die weinrote Uniform des Protektors abgelegt und an Reginald Bull weitergegeben hatte. Auch in der silbergrauen Bordkombination, die der von Thora ähnelte, nahm er seine Aufgaben ernst.

»Mister Rhodan, wir haben da ein seltsames Phänomen vorliegen, über das unser Doktor Waringer ganz außer sich gerät. Vielleicht möchten Sie zu uns stoßen und es sich ebenfalls ansehen?«

»Ich bin auf dem Weg.« Rhodan schickte Thora eine kurze Textnachricht, dass er sich verspäten würde. Wenn er ehrlich war, hätte er ohnehin keine Ruhe gefunden, um sich zu entspannen. Dazu passierte derzeit einfach zu viel. Aber er gab Thora recht: Irgendwann musste auch er abschalten, sonst würde er das auf Dauer nicht durchhalten. Aber nicht jetzt. Ich bin gespannt, was Waringer entdeckt hat.

Das »Phänomen« war nicht zu übersehen, als Rhodan in die Zentrale kam. Die Holosphäre, die in der Mitte des weiten Raums schwebte, zeigte den Weltraum vor der SOL – der so heftig flimmerte wie eine Luftspiegelung in der Wüste.

»Was ist das?«, entfuhr es Rhodan.

»Das wüssten wir alle gern«, sagte Rebecca Montgomery, die Erste Offizierin der SOL.

»Miss Montgomery hat leider recht: Bislang kann Mister Waringer uns nicht erklären, was genau wir vor uns haben.« Deccon strich sich über das feiste Kinn. Seine Körpermasse im Sessel des Kommandanten dominierte die Kreisfläche inmitten der Steuerzentrale, um die herum die anderen Arbeitsstationen wie in einem Amphitheater angeordnet waren. »Ich habe Kosum angewiesen, das Schiff zu stoppen, bis wir Genaueres wissen.«

»Das kann noch eine Weile dauern.« Chefwissenschaftler Geoffry Abel Waringer stand auf der ersten Stufe des umlaufenden Rundhangs inmitten einer Wolke aus Datenhologrammen. »Diese seltsame Wand – oder ist es eine Wolke? – ist urplötzlich aufgetaucht. Ein schieres Wunder, dass Mister Kosum rechtzeitig anhalten konnte und wir nicht hineingerast sind. Eigentlich schade, denn dann könnte ich dieses Phänomen noch besser erforschen.«

»Wirklich sehr bedauerlich.« Deccons Stimme triefte vor Sarkasmus. »Es wäre mir trotzdem lieber, wenn Sie uns auch ohne tiefer gehende Erforschung einschätzen könnten, ob ein Hindurchfliegen ungefährlich ist.«

»Nein, das kann ich nicht.« Waringer verschränkte die Arme vor der Brust. »Der Wall besteht aus einer exotischen und physikalisch schwer zu definierenden Substanz. Mehr kann ich dazu noch nicht sagen. Ich weiß bislang nicht, ob sie sich schädlich auswirkt.«

»Das sind zu wenig Informationen«, meinte Rhodan. »Ich plädiere dafür, den Kontakt zu vermeiden.«

»Also dann.« Deccon wandte sich Kosum zu, der in seiner SERT-Liege entspannter wirkte, als er wahrscheinlich war. Immerhin wurde ein Emotionaut, wenn er sich wie Kosum mit dem Schiff verband, quasi zu dem Raumfahrzeug, als sei die SOL sein eigener Körper – Rhodan konnte sich noch immer kaum vorstellen, wie sich das anfühlen mochte. »Umfliegen wir dieses ... was auch immer es ist. Wir gehen kein Risiko ein.«

»In Ordnung.« Kosum hielt die Augen geschlossen und ließ die SOL langsam zur Seite schwenken. »Das ist mir ebenfalls lieber, als in einen unbekannten Teich zu springen ... Was zum ...?« Kosum sog scharf die Luft ein.

Rhodan sah es auch: Das Flimmern umhüllte die SOL plötzlich.

»Miss Tanaka, Bericht!«, forderte Deccon.

Die kleine Japanerin mit der komplizierten Zöpfchenfrisur machte einen überraschten Eindruck. »Die Flimmerzone hat sich plötzlich ausgedehnt – so schnell, dass es die Instrumente gar nicht erfassen konnten. Von einem Augenblick auf den anderen war sie doppelt so breit – und wir sind mitten hineingeflogen.«

»Irgendwelche Auswirkungen auf unser Schiff?«

»Bislang nicht, Sir – alle Borddaten sind unverändert.«

Deccon drehte seinen Sessel. »Waringer – nutzen Sie die Gelegenheit: Messen und orten Sie, aber schnell!«

»Schon dabei, Sir. Was ich bereits berichten kann: Die Substanz besteht aus Elementen, die sich sowohl wie Teilchen als auch wie Wellen verhalten.«

Waringer war unverkennbar aufgeregt und fasziniert von der Möglichkeit, mehr über das rätselhafte Phänomen zu erfahren. Hastig verteilte er Arbeitsanweisungen an sein Team, das teils vor Ort in der Zentrale saß, teils aus der Wissenschaftlichen Abteilung zugeschaltet war.

Perry Rhodan war weniger begeistert.

2.

Das Herz der FAIRY

Die DOLAN schien allmählich zu genesen, was Thora Rhodan da Zoltral genauso erleichterte wie Icho Tolot. Der Haluter erwog, die Schiffsintelligenz Taravat bald wieder komplett in Betrieb zu nehmen. Thora hatte zufrieden festgestellt, dass auch Icho Tolot selbst einen mittlerweile besseren Eindruck machte als kurz nach seiner Rettung. Der Grund hierfür war fraglos, dass er sich einerseits körperlich erholte, aber wohl auch, dass seine Sorge um die DOLAN abnahm.

Sie durchquerte den Hangar, in dem das Raumschiff des Haluters untergebracht war, um zurück zu dem Expresslift zu gehen, der sie zu ihrem Wohnturm bringen sollte. Sie tat das mit leichtem Bedauern, denn sie war gern im oberen Polbereich der SOL-Nordkugel. In dieser Umgebung hatte sie das Gefühl, sich wahrhaftig in einem Raumschiff zu befinden. Dieser Eindruck ging auf den Habitatdecks verloren. Das war durchaus beabsichtigt, denn ursprünglich hatte NATHAN die SOL als Generationenschiff konzipiert. Menschen sollten an Bord nicht nur arbeiten, sondern über viele Jahre hinweg leben. Deshalb waren in den fünf Habitatdecks unter anderem Schulen, Freizeiteinrichtungen, Gewerbe- und religiöse Zentren vorgesehen, um Familien einen normalen Alltag zu ermöglichen. Thora musste sich erst damit anfreunden, dass sich der Aufenthalt auf diesen Ebenen eher wie ein Wellnessurlaub als wie ein Raumflug anfühlte.

Sie hatte den Liftzugang fast erreicht, als im oberen Hangarbereich erschrockene Rufe und Schreie erklangen. Thora sah alarmiert auf: Dort lagen die Zugänge zur FAIRY. Der 500 Meter durchmessende Schlachtkreuzer war zur Hälfte in die obere Polkalotte der SOL versenkt und im Ruhezustand fest mit dem Hantelschiff gekoppelt.

Thora eilte eine der Rampen hinauf, die zu dem Großbeiboot emporführten. Die FAIRY war dort über vier Schleusen von mehreren Seiten erreichbar, die im gekoppelten Zustand weit offen standen. Sie folgte den aufgeregten Rufen. Schon aus einiger Entfernung erkannte sie Senco Ahrat, der zusammen mit zwei Frauen in den schwarzen Uniformen der SOL-Raumlandetruppen und mit einem Mann in Technikermontur am oberen Rampenende stand. Alle machten einen verwirrten und alarmierten Eindruck.

Thora beeilte sich, zu der Gruppe aufzuschließen. »Was geht hier vor, Mister Ahrat?«

Ahrat nahm sofort Haltung an, als er die Kommandantin der CREST II sah. »Ich weiß es nicht recht, Ma'am. Ich sollte mich auf Befehl von Kommandantin Nauja Taqtu auf der FAIRY melden, und als ich ankam, sah ich das dort.« Er wies auf die Schleuse – oder auf das, was mal eine Schleuse gewesen war.

Der Schiffsrumpf der FAIRY war vollflächig mit einer schwarz-grauen, schleimigen Schicht überzogen. Sie versperrte den Zugang ins Innere des Schlachtkreuzers und wirkte auf Thora organisch. Langsam ging sie näher und streckte vorsichtig die Hand aus. Sie konnte sich allerdings nicht überwinden, die seltsame Substanz zu berühren – ihre Finger verharrten kurz davor.

Dieses Zeug scheint zu pulsieren – oder zu atmen?, merkte Thoras Extrasinn an. Ob es das ganze Schiff umschließt? Wir können nur den Teil rund um die Schleuse sehen.

Thora musste unweigerlich daran denken, dass Perry vor einigen Stunden fast von der Biomasse der DOLAN verdaut worden wäre. Irgendwas läuft gründlich falsch ...

»Ist dieses Phänomen an allen Zugängen zur FAIRY aufgetreten?«, fragte Thora.

Der Techniker trat einen Schritt vor. »Ich glaube ja, Ma'am. Ich war auf der gegenüberliegenden Seite und wollte dort gerade an Bord gehen. Von einem Augenblick auf den anderen war der Durchgang durch dieses Zeug versperrt.« Er verzog das Gesicht. »Ich habe es nicht angefasst, aber mit meinem Multiwerkzeug dagegengestoßen und es untersucht. Es scheint so etwas wie eine organische Masse zu sein. Weil ich nicht durchkam, habe ich es am nächsten Zugang probiert und dann hier. Es war überall das Gleiche, und wenn ich wetten sollte, sieht es an der vierten Schleuse ebenso aus.«

»Das tut es – wir kommen aus der anderen Richtung. Wir haben versucht, per Funk Kontakt zur FAIRY aufzunehmen. Entweder kommen die Rufe nicht durch oder es reagiert niemand.« Eine der Frauen hob ratlos die Arme. »Was machen wir jetzt?«

»Sie erstatten sofort Aolani Mahoe Meldung«, entschied Thora.

Die Kommandantin der Beibootflottille würde alles Weitere in die Wege leiten und die Schiffsführung der SOL kontaktieren. Mittlerweile hatten sich nahebei weitere Besatzungsmitglieder eingefunden, die im Hangar arbeiteten und auf die Situation aufmerksam geworden waren.

Thora musterte den Techniker. Er machte einen kompetenten Eindruck, war jedoch kein auffälliger Typ. Das Interessanteste an seinem Allerweltsgesicht waren die braunen Augen und die schwarzen, nach allen Seiten abstehenden Haare. »Wie heißen Sie?«

»Alaska Saedelaere, Ma'am. Eigentlich arbeite ich in der Südkugel. Ich sollte im Auftrag von Technokommandant Hayes die Energieleitungen der FAIRY überprüfen, da gab es wohl Schwierigkeiten.«

»Nun, die Energieleitungen werden warten müssen. Sie und Mister Ahrat begleiten mich auf die FAIRY.« Sie zog ihren Strahler. »Wir müssen herausfinden, ob es der Besatzung gut geht.« Thora wies auf die zweite Soldatin. »Und Sie sind?«

Die Frau nahm Haltung an. »Britta Hansen, Ma'am.«

»Sie kommen ebenfalls mit. Wir beide setzen unsere Strahler ein, um uns einen Weg hinein zu verschaffen.«

Hansen nickte und stellte sich neben Thora auf die Rampe. Beide hoben ihre Waffen und ließen gleißende Thermostrahlen auf die Biomasse wirken, die ihnen den Weg versperrte. Zunächst geschah nichts, dann färbte sich die Substanz schwarz und verschmorte. Ein ekelerregender Geruch nach verbranntem Fleisch breitete sich aus. Nach kurzer Zeit hatten sie eine körperhohe Öffnung geschaffen, durch die sie den Schlachtkreuzer betreten konnten.

»Dann mal los!« Thora winkte ihrer kleinen Einsatztruppe. »Ich gehe voran, dann Mister Ahrat, dann Mister Saedelaere. Miss Hansen, Sie bilden den Abschluss und sichern nach hinten.«

»Wäre es nicht besser, wenn ich vorangehe?« Hansen machte eine vage Geste. »Ich kenne mich auf der FAIRY aus.«

»Unser Ziel ist zunächst die Zentrale«, erwiderte Thora, »und dort finde ich mit Leichtigkeit wieder hin. Vielleicht stoßen wir dort auf Kommandantin Taqtu.«

Vorsichtig betraten sie das Kampfschiff. Sie stellen sofort fest, dass sich der Befall mit der organischen Substanz nicht allein auf die Außenhülle beschränkte. Im Innern der FAIRY fand sich überall eine ähnliche Masse, die dort jedoch einen dunkelroten Farbton hatte. Sie kleidete die Gänge und Böden aus, überzog die Wände und Bedienfelder. Das Licht an Bord hatte sich ebenfalls rötlich verfärbt, denn auch die Lichtquellen waren von dem Material überzogen.

»Was bei allen Sternenteufeln ist geschehen?«, murmelte Thora irritiert, während sie langsam tiefer ins Schiff vordrangen. Sie machte sich ernsthaft Sorgen um die Besatzung.

Wenn das ein Angriff oder etwas Ähnliches war – warum erstreckt es sich nur auf die FAIRY und nicht auf die SOL?, rätselte Thora.

Wissen wir denn, dass es nur die FAIRY betrifft?, gab ihr Logiksektor zu bedenken. Vielleicht haben wir aus anderen Bereichen der SOL nur noch nichts gehört ...

»Mister Saedelaere, was ergeben Ihre Messungen? Ist die FAIRY durch diesen Vorgang energetisch lahmgelegt?«

»Nein, Ma'am.« Der Techniker hatte ein Positronikpad und ein Mehrzweckmessgerät gezückt und stellte konzentriert Untersuchungen an. »Ich würde sagen, die Schiffssysteme sind nicht beeinträchtigt. Allerdings registriere ich eine vermehrte biologisch-organische Aktivität. Es ist, als ob dieses seltsame Material ebenfalls arbeite, aber ich verstehe nicht ganz, was es tut.« Er hob entschuldigend die Schultern. »Das ist nicht mein Fachgebiet, Ma'am. Ich bin Techniker, kein Exobiologe.«

Ein Mann und eine Frau kamen ihnen entgegen. Sie machten einen äußerst verwirrten Eindruck. Thora konnte die Zeichen auf den Uniformen der SOL noch nicht recht deuten. Da sie Ähnlichkeit mit denen der Terranischen Flotte aufwiesen, nahm sie an, dass es sich um Servicepersonal handelte.

»Geht es Ihnen gut?«, fragte Thora.

»Ja ... schon.« Der Mann kratzte sich am Kopf. »Können Sie uns sagen, was los ist? Sämtliche Türen sind unpassierbar. Sie sind mit dieser seltsamen Schleimschicht verstopft. Überall sind Leute eingeschlossen und können nicht heraus.«

»Wir wissen nicht mehr als Sie.« Thora deutete auf die Wände. »Können Sie uns sagen, was genau passiert ist?«

»Nein.« Die Frau schüttelte heftig den Kopf. »In einem Moment war alles ganz normal, im nächsten war es so. Es ging so schnell – ich habe nicht mitbekommen, wo dieses Zeug herkam.«

Okay, dieses Mal lag es also nicht an der DOLAN ..., mutmaßte Thora.

»Was ist mit der Zentrale?«, fragte Hansen. »Ist sie ebenfalls nicht betretbar?«

Die beiden sahen sich an. »Vielleicht doch«, meinte der Mann zweifelnd. »Wir sind daran vorbeigekommen. Dort scheint es so etwas wie einen Eingang zu geben.«

Thora schickte die beiden nach draußen und zog mit ihrer Truppe weiter, um herauszufinden, was »so etwas wie ein Eingang« war. Unterwegs schickten sie das weitere Personal, dem sie begegneten, ebenfalls Richtung Ausgang. Es waren nicht viele Besatzungsmitglieder, eigentlich nur diejenigen, die sich während des Schleimüberfalls, wie es Thoras Extrasinn süffisant bezeichnete, auf den Gängen aufgehalten hatten. Alle Türen waren tatsächlich fest verpfropft – sogar mit den Strahlern kamen sie nicht durch. Und zum Entsetzen der Arkonidin wucherte die schleimige Masse jede Öffnung sofort wieder zu, die Thora und die Raumsoldatin probehalber freibrannten.

Hoffentlich passiert das nicht auch am Schleusenausgang, sonst sitzen wir alle hier fest.

Sei nicht naiv – wahrscheinlich ist es schon längst passiert, rügte sie ihr Extrasinn.

Der große, zentrale Antigravschacht war nicht zugewuchert: Der Zugang stand offen, und Saedelaeres Messungen zufolge war das bidirektionale Antigravfeld im Innern funktionsfähig. Trotzdem kostete es Thora Überwindung, in die Röhre zu steigen. Deren Wandung war genau wie alles andere von der Schleimschicht überzogen, sodass es sich anfühlte, als ob sie einem riesigen Wurm ins Maul hüpfe. Wenn sie zur Zentrale wollten, hatten sie jedoch keine andere Wahl. Zwar gab es wie auf jedem Raumschiff einen Notaufstieg über Treppen, doch der Treppenschacht war ebenso wie die Expresslifte nebenan nicht zugänglich.

Als sich Thora an der Spitze ihres Quartetts gegenüber dem Eingang zur Hauptzentrale aus dem Antigravschacht schwang, hatte sie das Gefühl, von einem Ungeheuer ausgespuckt worden zu sein – oder vielleicht eher hinuntergeschluckt. Denn sie sah sich keinem Schott, sondern etwas gegenüber, das sie an einen Mageneingang erinnerte: In der Wand befand sich ein geschlossenes Loch, ringförmig umgeben von Muskulatur, wie eine Manschette.

»So was habe ich noch nie gesehen«, äußerte Ahrat stirnrunzelnd.

»Und doch haben Sie mehrere solcher Durchgänge in Ihrem Körper.« Saedelaere spitzte die Lippen. »Ich bin zwar kein Mediziner, aber das weiß sogar ich.«

»Und da sollen wir durch?« Britta Hansen verzog angewidert das Gesicht.

Auch Thora war bei dem Gedanken nicht wohl – sie hätte sich lieber wieder den Weg freigestrahlt.

Saedelaere ging vorsichtig näher und hob sein Mehrzweckmessgerät, um die Öffnung näher zu untersuchen. Als er die Substanz damit berührte, bewegten sich die Muskeln – und ein Durchgang öffnete sich langsam.

Thora erkannte die Chance. »Schnell, hinein!« Sie stieg als Erste durch das kreisrunde, kaum einen Meter durchmessende Loch. Die anderen folgten ihr.

Ein schmaler Terraner mit chinesischen Gesichtszügen, der mitten in der Zentrale stand, fuhr zu ihnen herum. »Wer sind Sie?«

»Thora Rhodan da Zoltral, Kommandantin der CREST II.« Sie musterte den Mann mit dem gepflegten Bart. »Und wer sind Sie? Ich hatte Nauja Taqtu erwartet.«

»Ich bin Han Zetan, Erster Offizier der FAIRY.« Er verbeugte sich knapp. »Die Kommandantin ist nicht da. Sie war abwesend, als dieser Vorfall begann.«

»Sie meinen, als diese Substanz auftauchte?« Thora wies um sich. »Was ist mit der restlichen Besatzung?«

»Ma'am, wir fliegen momentan keinen Einsatz, also ist die Zentrale der FAIRY meist nur notbesetzt. Außer mir und Miss Danger war niemand hier.«

Natürlich, darauf hättest du selbst kommen können, höhnte Thoras Zweitbewusstsein.

Hey, das ist immer noch ein fremdes Schiff. Wie soll ich wissen, was auf der SOL üblich ist?

Suchend sah sich Thora nach der genannten Miss Danger um und entdeckte eine zierliche Siganesin, die sich an einer Arbeitsstation zu schaffen machte. Sich auf den dazugehörigen, schleimüberzogenen Sessel zu setzen, brachte sie wohl nicht über sich.

»Molia Danger, Funk und Ortung, Ma'am«, sagte die Siganesin, ohne von den Kontrollholos aufzublicken. »Ich will nicht unhöflich sein und Ihre Konversation unterbrechen, doch ich fürchte, Ihre Sorge um die Kommandantin hat keine Priorität.«

»Ach nein?« Thora ging zu ihr. »Was sollte es Ihrer Meinung nach haben?«

»Die Lebenserhaltungssysteme der FAIRY fallen nach und nach aus. Es dauert nicht mehr lange, und uns geht die Luft aus.«

»Können Sie dem gegensteuern?«