Perry Rhodan Neo 267: Die Aloren - Lucy Guth - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 267: Die Aloren E-Book und Hörbuch

Lucy Guth

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Beschreibung

Vor fast sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither hat die Menschheit eine Reihe von Sonnensystemen besiedelt. Dann aber werden im Jahr 2102 die Erde und der Mond in den fernen Kugelsternhaufen M 3 versetzt. Mit dem Großraumschiff SOL bricht Rhodan auf, um dieses Geschehen rückgängig zu machen, und strandet 10.000 Jahre in der Vergangenheit. In dieser Zeit kämpfen die Arkoniden und Maahks in fürchterlichen Schlachten gegeneinander. Zudem kommt es zu einer Revolte. Die Überschweren mit ihrem Anführer Leticron streben nach der Macht im Arkon-Imperium. Währenddessen konzentriert sich Rhodan auf eine noch größere Bedrohung, die in den arkonidischen Positroniken lauert. Von entscheidender Bedeutung sind die sogenannten Atorakte. Deshalb bricht ein Einsatzteam auf, um dieser Spur nachzugehen. Eine ungewöhnliche Rolle auf dieser gefahrvollen Mission spielen DIE ALOREN ...

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Seitenzahl: 216

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Zeit:5 Std. 55 min

Sprecher:Hanno Dinger

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Band 267

Die Aloren

Lucy Guth

Cover

Vorspann

1. Der Angriff

2. Die Rede des Überschweren

3. Auswahl

4. Ausreden

5. Das geheime Institut

6. Das Signal

7. Optimierungen

8. Mitten im Kampf

9. Werkzeuge

10. Der Hilferuf

11. Die Halb-Ara

12. Nano-Einsatz

13. Ein bekanntes Ziel

14. Das Brennen

15. Der Aahrk-Ais

16. Flattern

17. Neue Energie

18. Widerstand

19. Haluter in Aktion

20. Drei Tropfen

21. Blutstropfen

22. Vot Fama vot Huhan

23. Suds Albtraum

24. Das Leben ist endlich

Impressum

Vor fast sieben Jahrzehnten ist der Astronaut Perry Rhodan auf Außerirdische getroffen. Seither hat die Menschheit eine Reihe von Sonnensystemen besiedelt.

Dann aber werden im Jahr 2102 die Erde und der Mond in den fernen Kugelsternhaufen M 3 versetzt. Mit dem Großraumschiff SOL bricht Rhodan auf, um dieses Geschehen rückgängig zu machen, und strandet 10.000 Jahre in der Vergangenheit.

In dieser Zeit kämpfen die Arkoniden und Maahks in fürchterlichen Schlachten gegeneinander. Zudem kommt es zu einer Revolte. Die Überschweren mit ihrem Anführer Leticron streben nach der Macht im Arkon-Imperium.

Währenddessen konzentriert sich Rhodan auf eine noch größere Bedrohung, die in den arkonidischen Positroniken lauert. Von entscheidender Bedeutung sind die sogenannten Atorakte. Deshalb bricht ein Einsatzteam auf, um dieser Spur nachzugehen. Eine ungewöhnliche Rolle auf dieser gefahrvollen Mission spielen DIE ALOREN ...

1.

Der Angriff

»Der Stumpf heilt gut«, urteilte Gen'Thal. Ihre schlanken Finger glitten geschickt über die noch frischen, vernähten Wunden.

Der Mann vor ihr auf der Liege stöhnte vor Schmerzen, als wolle er ihre Worte Lügen strafen. Das wollte er natürlich nicht – niemand würde die Aussagen von Aloren anzweifeln. Ihre Professionalität und Kompetenz waren in der Raumflotte des arkonidischen Imperiums unumstritten. Der Soldat hatte erst vor wenigen Tontas sein Bein verloren und war halb im Delirium.

Gen'Ther legte ihm eine Hand an den Hals und verabreichte ihm durch die Mikronadeln in ihren Fingerkuppen ein Sedativum. Gen'Thal hatte ihrer Alorenschwester dazu nicht mal einen Gedankenimpuls senden müssen. Sie waren seit drei Jahren ein eingespieltes Medizinerinnenduo, da saß jeder Handgriff, gerade bei einer Standardbehandlung wie dieser.

In der Krankenstation, der Gen'Thal und Gen'Ther zugeteilt waren, ging es derzeit ruhig zu. Es gab lediglich vier Patienten zu versorgen. Die Medobarkasse THERION war erst vor Kurzem von einer Raumschlacht mit den Maahks ins Arkonsystem zurückgekehrt und befand sich nun zusammen mit dem Flottenverband, den sie begleitet hatte, jenseits des äußersten Planeten Mutral. Die Kampfschiffe warteten auf neue Befehle und setzten die Schäden der Schlacht instand.

Also wartete die THERION ebenso. Die kleinen, wendigen Medoschiffe hatten ein großes Beschleunigungsvermögen, konnten jedoch nur kurze Hyperraumsprünge absolvieren. Ihr aktueller Auftrag war, den arkonidischen Flottenverband zu begleiten, auch wenn sie nicht darin integriert waren. Ihre Aufgabe war klar definiert: schnelle Hilfe und Versorgung, wenn größere Lazarettschiffe nicht zur Verfügung standen, Bergung von Überlebenden nach Havarien.

»Wie sieht es bei Las'Kun und Las'Zorg aus?«, fragte Gen'Thal einen Medoroboter.

Zur Besatzung der THERION gehörten außer Gen'Thal und Gen'Ther ein weiteres Alorenpaar, der Pilot und eine kleine Rumpfmannschaft sowie zwei Sanitäter und zahlreiche Medoroboter. Die Medobarkasse war nicht besonders groß und verfügte über lediglich zwei Krankenstationen. Sie war eben nur als mobile Notfalleinheit gedacht.

So wie wir Aloren im Grunde ebenfalls mobile Notfalleinheiten sind. Gen'Thal war nicht sicher, ob dieser Gedanke von ihr oder von Gen'Ther stammte. Manchmal vermischte sich das.

»Auf Krankenstation zwei sind drei Patienten verstorben, zwei haben überlebt«, informierte sie der Roboter.

»Gute Quote!« Gen'Ther meinte das nicht sarkastisch; angesichts der schweren Verletzungen, die die Überlebenden des kleinen Kreuzers erlitten hatten, war es ein Wunder, dass überhaupt jemand überlebt hatte.

Gen'Thal beendete die Wundversorgung und legte einen sterilisierenden Verband über den Beinstumpf. »Sobald wir Sie auf eines der Lazarettschiffe überführen können, wird eine Prothese für Sie erarbeitet. Aber die Wunde muss zuerst verheilt sein«, teilte sie ihrem Patienten mit.

Vielleicht solltest du ihm sagen, dass wir noch nicht wissen, wann wir ihn überstellen können – und ob das überhaupt der Fall sein wird.

Warum sollte ich ihn damit belasten?, erwiderte Gen'Thal. Das bekommt er früh genug mit, wenn er die nächsten Tontas überlebt.

Die Kommunikation mit Gen'Ther verlief wie immer lautlos, sodass ihre Patienten nichts davon hörten. Hochwertige Ara-Implantate machten es möglich. Wie sie genau funktionierten, wussten nicht mal die Aloren selbst. Die Aras hatten sich von den Arkoniden vertraglich zusichern lassen, dass die Technologie, mit der die Aloren erschaffen wurden, ein Geheimnis blieb. Gen'Thal steuerte diese Kommunikation nicht bewusst – sie dachte einfach daran, was sie Gen'Ther mitteilen wollte, und es passierte. Die Implantate, mit denen sie Funkkontakt zu anderen Aloren als ihrer Schwester, zum Piloten Junto del Gnotor oder zu den Robotern aufnehmen konnte, funktionierten anders. Dafür musste sie mit der Zunge die Nachrichten am Gaumen formen und sie mithilfe des blickgesteuerten, holografischen Menüs abschicken, das ihr optimiertes rechtes Auge generierte.

»Wenn so weit alles erledigt ist, können wir uns vielleicht mal eine Pause gönnen.« Gen'Thal winkte Gen'Ther auffordernd zu. Als Aloren waren sie zäh und ausdauernd, doch ihre Kräfte waren nicht unerschöpflich. Sie mussten dringend ihre Energievorräte wieder auffüllen.

Gen'Thers Zustimmung war für Gen'Thal körperlich spürbar, dennoch sagte sie laut, damit die Patienten eine Rückmeldung erhielten: »Wir sind gleich wieder da.«

Die Alorenschwestern verließen die Medostation und begaben sich in den gleich nebenan eingerichteten Ruheraum. Dort standen zwei Liegen und ein Nahrungsspender. Gen'Thal holte sich eine Portion Energiebrei – nicht besonders schmackhaft. Das Zeug lieferte jedoch ausreichend Proteine und Kohlenhydrate, um die Alore wieder fit zu machen. Außerdem half es ihr dabei, ihre integrierten Depots aufzufüllen – während des vergangenen Einsatzes hatte sie einiges an Medikamenten verbraucht.

Auch Gen'Ther holte sich eine Schüssel von dem Brei. Der Nahrungsmittelspender war zwar durchaus in der Lage, auch andere Nahrungsmittel zu produzieren, aber für Aloren zwischen den Einsätzen war diese Speise das Sinnvollste.

Lange wird die Verschnaufpause nicht dauern, meinte Gen'Ther. Die mentale Kommunikation war ihnen so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie kaum noch merkten, wenn sie dachten, statt zu sprechen.

Das befürchte ich ebenso. Es heißt, die Maahks kommen ins Arkonsystem.

Dann ist alles vorbei. Es war eine Feststellung, mehr nicht. Aloren waren Realisten. Jammern lag ihnen nicht.

Sie hatten gerade aufgegessen, als del Gnotor sich meldete – nicht mit einer öffentlichen Durchsage, sondern mit einem gezielten Ruf an alle Aloren. »Die Flotte wird angegriffen! Richten Sie sich darauf ein, in Kürze Arbeit zu bekommen.«

»Haben die Maahks tatsächlich bereits das Arkonsystem erreicht?«, fragte Gen'Thal erschrocken. Sie hatte zwar damit gerechnet, jedoch auf mehr Vorbereitungszeit gehofft.

»Negativ. Es handelt sich nicht um Maahks, sondern um Gon-Mekara.«

»Die Überschweren?« Die Alorenschwestern sahen sich an.

Warum sollten sie uns angreifen? Sie sind unsere Verbündeten!

Das dachte ich auch ...

Von del Gnotor kam keine Antwort mehr. Die Aloren machten sich auf den Weg in den Notaufnahmehangar. Dorthin brachten die im All eingesetzten Medoroboter die Verletzten, die sie nach einer Havarie einsammelten. Sie trafen in der Halle auf Las'Kun und Las'Zorg – ein Alorenduo, das aus einem Arkoniden und einer Arkonidin bestand. Das war eher ungewöhnlich, denn die meisten Aloren waren gleichgeschlechtliche, weibliche Paare. Doch Las'Kun und Las'Zorg waren biologische Geschwister, sodass sie eine Ausnahme bildeten.

»Wir sind dieses Mal dran mit dem Außeneinsatz.« Las'Kun nickte seiner Schwester zu – in diesem Fall traf der Alorenausdruck sogar im Wortsinn zu.

Gen'Thal und Gen'Ther waren einverstanden – sie waren während der vorigen Schlacht draußen gewesen und hatten sich direkt in einem havarierten Kreuzer um Verwundete gekümmert. Als »Kleinstmedostation« waren die Aloren ausschließlich für den Fronteinsatz konzipiert. Die übliche Prozedur sah vor, dass ein weiteres Alorenpaar im Notaufnahmehangar blieb und die Verletzten, die ihnen die Roboter brachten, dort stationär versorgten.

Las'Kun und Las'Zorg legten ihre Einsatzanzüge an. Zwar trugen alle Aloren eine Ärztemontur mit einer Panzerung aus intelligentem Material, das im Notfall auch weltraumtauglich war. Doch wenn sie bewusst auf Außeneinsätze gingen, nutzten sie eine spezielle, schwerere Schutzkleidung, die mit autarken Lebenserhaltungssystemen und einem Rückstoßtriebwerk ausgestattet war. Die Geschwister hoben noch einmal kurz die Hand und verschwanden dann durch eine Strukturschleuse des Prallschirms, der das gegenwärtig weit offen stehende, große Außenschott des Notaufnahmehangars vom All abschirmte.

Über dem Energiefeld lag zudem ein Holo, das die Umgebung des Raumschiffs optisch aufbereitete – so weit von der Sonne entfernt wäre sonst nicht viel zu erkennen gewesen. Nur deswegen sah Gen'Thal, dass draußen unzählbar viele Walzenschiffe am Rand des Systems aufgetaucht waren und langsam vorrückten. Noch hielt sich die kleine, lädierte arkonidische Flotte im Nahbereich von Mutral auf, aber bald würde die Systemverteidigung aktiv werden.

Und dann bekommen wir mehr zu tun, als uns lieb ist.

Wieder wusste Gen'Thal nicht, ob es ihr Gedanke oder der ihrer Alorenschwester war. Im Grunde war es egal.

Was sie viel mehr beschäftigte, war eine unterschwellige Unruhe, die sie verspürte. Als Alore war sie sensibel und für die Empfindungen anderer empfänglich. Das waren keine außergewöhnlichen Kräfte, sondern einfach eine natürliche Empathie, ohne die sie wohl niemals zur Alore bestimmt worden wäre.

Nicht, dass Unruhe auf der THERION im Vorfeld einer Schlacht ungewöhnlich gewesen wäre, im Gegenteil. Diesmal war es jedoch anders. Es war fast so etwas wie ... Panik.

Zwei Sanitäter rannten quer durch den Hangar, um die letzten Vorbereitungen für das mit Sicherheit bald ausbrechende Chaos zu treffen. Das Areal war so etwas wie die Notaufnahme eines Feldlazaretts mit freiem, schirmgeschütztem Zugang zum All, um eine schnelle Einlieferung der Patienten zu ermöglichen. In der großen Halle standen statt Beibooten unzählige Patientenliegen und medizinische Erstversorgungswagen, die nun von den beiden Sanitätern an die richtigen Positionen gebracht und mit frischen Laken bezogen beziehungsweise mit neuen Vorräten bestückt wurden – die letzten Kampfhandlungen lagen noch nicht so lange zurück, dass dies schon vorher hätte geschehen können. Natürlich waren die Aloren die wichtigste »Ausrüstung«. Doch auch die beiden Helfer und die Medoroboter konnten mit dem übrigen Instrumentarium Leben retten, wenn Gen'Thal und Gen'Ther gerade woanders gebraucht wurden.

Es waren die Sanitäter, von denen die Panik ausging.

Gen'Thal trat einem der beiden Männer in den Weg. Es war Trebosh, der bereits seit Jahren auf der THERION diente. Sein Blick flatterte, und seine Hände zitterten.

»Was ist los?«, herrschte Gen'Thal ihn rüde an. Die Aloren waren zwar nicht in die militärische Hierarchie integriert, doch ihnen wurde Respekt entgegengebracht. Und im Notfall waren sie befugt, sogar Befehle von hochrangigen Offizieren außer Kraft zu setzen. »Wir können keine Helfer gebrauchen, die sich vor Angst einnässen. Es ist doch nicht Ihre erste Schlacht, bei den Sternengöttern!«

»Das nicht, Alore, aber ... die Situation ...« Der Mann brach ab und starrte aus der Hangaröffnung auf die sich nähernden Walzenschiffe.

»Reißen Sie sich zusammen, Mann!«, forderte Gen'Ther. Eigentlich war sie die Geduldigere von ihnen beiden. »Situationen wie diese sollten Sie kennen. Wir standen schon in vielen Schlachten. Ob die Angreifer nun Überschwere oder Maahks sind – für uns zählen nur die Verwundeten!«

Trebosh riss die Augen auf. »Haben Sie es nicht gehört?«

Weißt du, wovon er redet?

Keine Ahnung.

»Was meinen Sie?« Gen'Thal musste sich beherrschen, den Sanitäter nicht durchzuschütteln. Hoffentlich war es wichtig. Für Klatsch und Tratsch hatte sie weder Zeit noch Lust.

»Alle sprechen darüber! Sie waren wahrscheinlich damit beschäftigt, die Verwundeten zu versorgen, deswegen haben Sie die Nachricht nicht gehört ...«

»Kommen Sie zur Sache, Trebosh, oder ich werfe Sie aus der Schleuse!«

2.

Die Rede des Überschweren

Der Mann, dessen holografisches Abbild sich mitten in der Zentrale der SOL aufgebaut hatte, war eine imposante Gestalt. Nicht nur, weil er fast zwei Meter groß und so breitschultrig wie ein terranischer Ringkämpfer war; auch weil er ein fast hypnotisches Charisma hatte.

Beim Anblick von Leticron zog Atlan da Gonozal automatisch ein bisschen den Kopf ein. Das lag unter anderem daran, dass Leticron sowohl ein Idol als auch ein Buhmann seiner Kindheit war.

»Was soll dieser pathetische Auftritt?«, flüsterte Mirona Thetin an seiner Seite.

Leticron hatte auf allen öffentlichen Kommunikationskanälen eine wichtige Ansprache angekündigt, »die für jeden im arkonidischen Imperium von großer Bedeutung« sei. Vermutlich hingen nun systemweit die Arkoniden an seinen Lippen – ebenso wie diejenigen, die seine Botschaft über Hyperfunk in anderen Regionen des Tai Ark'Tussan hören würden.

Atlan hob die Schultern in einer typisch menschlichen Geste, die er sich über die Jahrhunderte angewöhnt hatte. »Letztlich sind die Gon-Mekara ebenfalls Arkonidenabkömmlinge, und wir neigen nun mal zum Drama.«

Tatsächlich? Oder bezweckt Leticron noch etwas ganz anderes? Atlans Extrasinn war wie üblich nicht geneigt, sich mit einfachen Erklärungen zufriedenzugeben.

Ringsum hatte der Überschwere jedenfalls alle Aufmerksamkeit für sich gewonnen. An Atlans anderer Seite standen Perry Rhodan und Thora Rhodan da Zoltral, die sich das Schauspiel ebenso wenig entgehen lassen wollten. Auch die Augen der übrigen Zentralebesatzung waren auf den Überschweren gerichtet. Die Zuschauer waren teils gespannt, zum größten Teil jedoch besorgt. Nach allem, was sie in jüngster Zeit mit Leticron erlebt hatten, waren keine guten Neuigkeiten zu erwarten. Der Gon-Mekara war als Feind des Imperiums entlarvt worden und hatte nun nichts mehr zu verlieren.

Leticron verzog die Lippen zu einem breiten, väterlichen Lächeln. Seine gelbliche Haut glänzte, als sei sie in Sonnenlicht gebadet.

»Gon-Mekara, meine Brüder. Es ist Zeit, zu handeln.« Der Tonfall des Überschweren stand im Kontrast zu seinem ruhigen Äußeren. Er war fast sakral.

Atlan ahnte, was kommen würde. Er hatte solche Reden oft erlebt. Es ist bezeichnend, dass er sich ausdrücklich an seine Leute wendet, obwohl er diese Botschaft an das ganze Imperium sendet.

Weil sie es sind, die er eigentlich erreichen will, kommentierte der Extrasinn. Er will sie aufputschen – genauso wie er die anderen Zuhörer demotivieren will.

»Wir haben in diesem unerbittlichen Krieg gegen die Maahks viel gegeben. Ohne die Gon-Mekara wäre das Große Imperium längst besiegt. Ohne ihren gewaltigen Blutzoll würden die Maahks bereits über alle bekannten Welten herrschen.«

Das ist fraglos übertrieben, dachte Atlan.

Darauf kommt es nicht an.

Im Hintergrund wurde ein Raunen laut. Das bewies, dass Leticron die Rede nicht irgendwo allein in einer stillen Kammer aufzeichnete; er hielt sie vor einem großen Publikum. Vielleicht vor der Besatzung eines Raumschiffs, vielleicht in einem geheimen Stützpunkt der Gon-Mekara vor Hunderten von Überschweren.

Leticron hob die Hände, und Ruhe kehrte ein. »Wir wissen, was das Imperium uns zu verdanken hat – auch wenn die Arkoniden weiterhin so tun, als wären wir nichts als Staub unter ihren Stiefeln. Ihr wisst Bescheid über die Angriffe der Maahks auf Josgorrn und auf die Hyperfunkrelaiskette zum Nebelsektor. Wir waren es, die uns dem Feind vielerorts erfolgreich entgegengestellt haben, nicht die kläglichen Arkonidenflotten. Die jüngsten Attacken nähern sich Arkon immer mehr. Wir sind es, die dem Imperium die Rettung bringen können – oder auch nicht.«

Ein recht seltsamer Anspruch, den er da erhebt. Seine Drohung sei keine Gefährdung des Imperiums, sondern dessen Rettung.

Natürlich ist das blanker Unsinn, pflichtete Atlans Logiksektor dem Arkoniden bei. Doch Propaganda schert sich nicht um den Wahrheitsgehalt.

»Gon-Mekara!«, rief Leticron und hob die rechte Faust in einer effektvollen Geste. »Wir stehen in der Gunst des Universums, das aus Schmerz und Chaos hervorgegangen ist. Wir wissen das Gon anzuzapfen, jene allgegenwärtige Kraft, die alles durchdringt. Obwohl jeder das Recht hat, von dieser Kraft zu profitieren, versagen viele dabei. Ihr wisst, warum: Es erfordert jahrelanges Training, größte Disziplin und absolute Überzeugung – alles Eigenschaften, welche die Arkoniden nicht vorweisen können. Sie sind, wie die meisten Individuen, nicht bereit, diese Opfer zu bringen. Deswegen verschenken sie ihr Potenzial – eine Bequemlichkeit und Charakterschwäche, die ich persönlich zutiefst verachte. Und ich weiß, meine Brüder und Schwestern der Überschweren, ihr seht das genauso.«

Autsch! Das tat weh. Das arkonidische Militär wird sich den Vorwurf der Disziplinlosigkeit nicht gefallen lassen.

Leticron fuhr fort: »Der dekadente und moralisch verkommene arkonidische Adel wird das Sternenreich früher oder später ins Verderben führen – und es ist unsere Aufgabe, das zu verhindern. Wir werden zum Wohl des Imperiums die Macht übernehmen und den Krieg gewinnen!«

Lautstarker Jubel des unsichtbaren Publikums brandete auf, und Leticron ließ sich feiern.

»Damit hat der Krieg zwischen den Überschweren und Arkon wohl begonnen«, kommentierte Thetin trocken.

Atlans Augen tränten. Nach den Ereignissen auf Salex IV war es nur eine Frage der Zeit gewesen, bis es zu einem Konflikt zwischen den Gon-Mekara und dem Imperium kommen würde. Aber er hatte nicht damit gerechnet, dass Leticron seine Machtambitionen zu einem so kritischen Zeitpunkt durchzusetzen versuchen würde.

Laut sagte er: »Das bedeutet, dass die Überschweren die Arkoniden in einen Zweifrontenkrieg treiben.«

Rhodan wandte ihm den Kopf zu. »Ist das in seinem Sinne? Er will das Imperium schließlich nicht vernichten, sondern über es herrschen.«

»Ich glaube, er hat keine andere Wahl mehr. Er wollte sich als unverzichtbarer Retter des Reiches etablieren, aber nun sind die Arkoniden im Besitz der Konstruktionspläne für die Konverterkanone und können den Sieg aus eigener Kraft erringen. Er muss also schnell handeln, solange er noch einige Trümpfe in der Hand hat.« Atlan dachte an seine von Leticron entführte Mutter, schob den schmerzhaften Gedanken jedoch beiseite.

»Das ist eine beunruhigende Entwicklung.« Thora hatte das Kinn in eine Hand gestützt und runzelte die Stirn. »Haben wir durch unsere Einflussnahme die Zeitlinie vielleicht bereits empfindlich gestört? Sicher, die Konverterkanonendaten sind in den Händen des Kristallmarschalls, doch es wird Jahre dauern, bis diese Waffen gebaut und einsatzfähig sind. Wenn die Gon-Mekara währenddessen zu einer zweiten Bedrohung werden, könnte der Krieg gegen die Maahks doch noch verloren gehen. Und alles nur, weil Leticron zu früh handeln musste.«

Mirona Thetin und Perry Rhodan sagten nichts. Atlan sah ihnen an, dass sie ähnliche Befürchtungen hegten.

Ihr Sternengötter!, dachte er. Was haben wir angerichtet?

Leticron hatte genug im Applaus gebadet und hob wieder die Hände. Sein Publikum verstummte.

3.

Auswahl

Es dauerte nicht lange, bis die Medoroboter die ersten Verletzten in den Hangar der THERION brachten. Gen'Thal sah das Unglück wortwörtlich kommen. Sie beobachtete, wie jenseits des transparenten Energieschirms ein Kampfschiff ihrer Begleitflotte den Planetenschatten von Mutral verließ. Eine heldenhafte und zugleich ziemlich dumme Handlung, denn sofort geriet die JAR-KORRASH, wie der Leichte Kreuzer laut Texteinblendung in dem positronisch aufbereiteten Umgebungsdarstellungsholo hieß, in den Zangengriff zweier Gon-Mekara-Walzen.

Die Kriegsschiffe ihrer früheren Verbündeten machten deutlich, dass sie sich auf ihrem Weg ins Arkonsystem nicht würden aufhalten lassen. Sie machten mit der JAR-KORRASH kurzen Prozess.

Das war das Startsignal für den restlichen arkonidischen Flottenverband, um ebenfalls zu attackieren, so sinnlos das gegen die Übermacht der Gon-Mekara auch war. Gen'Thal nahm an, dass in diesem Moment zwar unzählige Funksprüche abgesetzt wurden, die Verstärkung anforderten. Doch ihr war klar, dass diese Verstärkung nicht rechtzeitig vor Ort sein würde.

»Mein Leben für Arkon!«, murmelte sie, während sie dem Beginn des Sterbens zusah und Teil davon wurde.

Für die JAR-KORRASH kam jedenfalls jede Hilfe zu spät. Unter dem Sperrfeuer der beiden Walzenraumer platzte der Leichte Kreuzer wie eine Seifenblase. Es blieb den Helfern der THERION nichts anderes mehr zu tun, als Schiffbrüchige zu bergen. Wahrscheinlich waren Las'Kun und Las'Zorg bereits vor Ort und taten, was nötig war. Die mobilen Medoroboter, die wie ein Mückenschwarm aus der THERION geströmt waren, suchten in den Trümmern nach Verletzten und schafften sie zu Gen'Thal und Gen'Ther in den Hangar.

Die beiden Aloren eilten zwischen den immer stärker belegten Medoliegen hin und her, beurteilten die Schwere der Verwundungen und entschieden über die weitere Versorgung, während die Roboter durch Strukturschleusen des Außenschottsperrschirms unaufhörlich ein- und ausflogen.

»Stufe zwei!«, wies Gen'Thal einen Roboter an, sich um einen Raumsoldaten zu kümmern, dessen Bauch von einem scharfkantigen Gegenstand aufgerissen worden war. Mit einer Handbewegung aktivierte sie ein orangefarbenes Licht an der Medoliege, das den Status des Patienten dokumentierte. Die Überlebenschancen dieses Manns waren ungewiss, seine Verletzung war schwer, aber möglicherweise würde er es mithilfe des Medoroboters überstehen.

Gen'Ther winkte unterdessen den Sanitäter Trebosh zu sich. Sie zeigte auf eine stöhnende Offizierin, deren Unterleib völlig zerquetscht war. »Stufe drei«, sagte sie knapp und schaltete das Licht der Liege auf Rot. Trebosh wusste so gut wie Gen'Thal, was das bedeutete: Rettung nicht möglich. Der Sanitäter würde aber die Schmerzen der Frau lindern, ihr eventuell das Sterben leichter machen.

Bei den meisten Verletzten, die von den Robotern in den Hangar gebracht wurden, lautete das Urteil der Aloren »Stufe zwei« oder »Stufe drei«. Angesichts des nur spärlich verfügbaren medizinischen Fachpersonals war es zwingend nötig, eine solche Vorauswahl zu treffen, um gezielt denen zu helfen, bei denen eine Behandlung aussichtsreich war.

Schließlich empfing Gen'Thal einen mentalen Ruf von Gen'Ther. Stufe eins, komm sofort zu mir!

Gen'Thal eilte durch zwei Reihen Medoliegen zu ihrer Alorenschwester, die bereits mit der Versorgung des Patienten auf einer grün illuminierten Liege begonnen hatte. Es handelte sich um einen noch jungen Arkoniden, der Uniform nach ein Offizier am Beginn seiner Laufbahn. Ein Splitter hatte seine Schulter durchbohrt. Das größere Problem war jedoch der Schock, den die Zerstörung des Schiffs und ein wahrscheinlich nur kurzer Aufenthalt im freien Weltraum verursacht hatten. Dass er überhaupt noch lebte, hatte der Mann seinem Einsatzanzug zu verdanken.

Gen'Ther verabreichte über ihre Fingerspitzen bereits ein Medikament zur Steigerung der Kontraktionskraft des Herzens und ein Schmerzmittel. Gen'Thal begann mit der Wundversorgung. Sie entfernte den Splitter, indem sie ihr implantiertes chirurgisches Besteck benutzte, die Eintrittswunde mit einem Skalpell erweiterte und das Metallstück mit einer Zange entfernte. Kaum hatte sie das getan, übernahm es Gen'Ther, den Blutfluss zu stoppen und die Verletzung zu säubern. Im Anschluss versiegelte sie alles mit einem Heilungsgel und injizierte medizinische Nanoroboter, die das Gewebe reparieren und die Genesung beschleunigen würden.

Allerdings galt wie schon auf archaischen Schlachtfeldern nach wie vor die Grundregel: Egal wie gut die Wundversorgung sein mochte, insbesondere der Schock durch den Blutverlust blieb eine große Gefahr für das Überleben des Patienten. Deswegen setzte Gen'Thal ergänzend eine Infusion.

»Erledigt!« Sie winkte den zweiten Sanitäter herbei, einen untersetzten Essoya namens Kuopak. »Der Patient kann ins Krankenrevier!«

Kuopak schob die Liege in den hinteren Hangarbereich, wo die Erstversorgten darauf warteten, in die Hauptmedostation gebracht zu werden. Dort standen schon drei Schwebeliegen.

Kuopak warf einen Blick auf eine davon, deren Licht sich dunkellila verfärbt hatte. »Der hier hat es nicht geschafft.«

»Worauf warten Sie dann? Bringen Sie ihn zu den anderen.« Gen'Thal wedelte ungeduldig mit den blutverschmierten Händen. Dass sie so einfache Anweisungen aussprechen musste, ärgerte sie. Ein Sanitäter sollte selbst reagieren, wenn er einen Verstorbenen sah, und ihn abtransportieren. Die Leichen nahmen jenen Patienten den Platz weg, die vielleicht gerettet werden konnten. Eine Stelle nahe dem Energieschirm war eigens für die Toten reserviert; so behinderten sie niemandem und konnten später würdig bestattet werden, wenn Zeit dafür war. Falls Zeit dafür war ...

Während sie zu weiteren Neuankömmlingen eilte, bemerkte sie einen Medoroboter, der sich an der Liege eines Kolonialarkoniden aufhielt. Das Gesicht des Manns war blutleer. Sein rechter Arm und der Großteil des Torsos fehlten. Er atmete, jedoch nur noch sehr schwach. Der Roboter war damit beschäftigt, die Wunden zu säubern.

»Was tust du da? Wer hat dir diesen Befehl gegeben?«, fragte sie ungehalten, obwohl sie die Antwort bereits ahnte.

Niemand hatte dem Roboter einen Befehl erteilt, das war das Problem. Und bislang hatte niemand den Status des Patienten dokumentiert, die Liege war unbeleuchtet. Es gab derzeit einfach zu viel zu tun, und im Zweifelsfall sah die Programmierung des Medoroboters vor, eine Lebenserhaltung zu gewährleisten – vor allem bei unbeleuchteten Liegen. Die Entscheidung über Leben und Tod trafen nicht die Roboter oder die Sanitäter, sondern die Aloren. Sofern sie dazu kamen.

Gen'Thal seufzte und schaltete die Liege auf Rot. »Der hier ist eindeutig Stufe drei. Gib ihm eine ordentliche Dosis Modimaradin und kümmere dich dann um die Stufe-zwei-Patienten!«

Modimaradin war ein synthetisch optimierter Neurotransmitterhemmer, der speziell die Nervenbahnen abschaltete, die für das Schmerzempfinden zuständig waren, und zusätzlich eine vermehrte Endorphinbildung bewirkte. Dass dabei das zentrale Nervensystem angegriffen und mittelfristig zerstört wurde, spielte bei Stufe-3-Patienten keine Rolle mehr.

Der Roboter gehorchte, injizierte das Mittel und schwebte weiter zu einer orange beleuchteten Liege. Der Kolonialarkonide auf der Liege holte ein letztes Mal Atem und lag dann still. Die Beleuchtung schaltete sich automatisch auf Dunkellila – keine Lebenszeichen mehr vorhanden.

Gen'Thal hastete weiter, sortierte, bewertete, traf Entscheidungen: Rot, Orange, Rot, Rot, Rot, Grün – ein Eingriff, der schnell erledigt war und für den sie nicht mal Gen'Thers Hilfe benötigte – Orange, Orange, Rot, Rot ... Und immer wieder bereits Lila, wenn Gen'Thal bei ihnen ankam.

Sie fluchte. »Warum bringen die Schrottköpfe uns so viele Leichen an Bord? Die nehmen nur Platz auf den Medoliegen weg.«

Ihre Alorenschwester, die ein paar Liegen weiter weg einem Soldaten den zerfetzten Fuß amputierte, hob die Schultern. »Es scheinen viele kurz nach der Ankunft zu sterben, anders kann ich es mir nicht erklären.« Gen'Ther winkte einen Roboter für die Anschlussversorgung herbei. Eine Amputation dauerte kaum mehr als eine Zentitonta, wenn eine erfahrene Alore sie übernahm. Sie warf den toten Fuß in eine bereitstehende Tonne mit Gewebeabfall. »Der Kreuzer wurde geradezu zerfetzt. Ein Wunder, dass es überhaupt so viele Überlebende gibt, die es bis hierher schaffen.«

Weiter ging es: Orange, Rot, Orange, Rot, Rot ... Auf zehn unrettbare Fälle kam vielleicht ein grünes Licht. Gen'Thal kategorisierte wie immer völlig automatisch, ohne den Verletzten ins Gesicht zu sehen. Diese Art der Auswahl war hart, aber an Bord einer Medobarkasse unumgänglich. Sie konnten unmöglich allen helfen. Gen'Thal hatte sich schon lange angewöhnt, ihre Patienten nicht als Individuen wahrzunehmen, sondern lediglich als Aufgaben, die gelöst werden mussten. Unlösbare Aufgaben wurden aussortiert, um keine Zeit zu verschwenden.

Ein neuer Patient erregte ihre Aufmerksamkeit. Es handelte sich um einen Offizier, der Uniform nach ein Dreiplanetenträger, ein Vere'athor. Seine Verletzungen waren schwer: ein Schädelbruch und ein abgerissenes Bein. Sie waren nach Gen'Thals Einschätzung jedoch behandelbar, wenn sie gleich tätig wurden. Hierzu brauchte sie Gen'Thers Unterstützung.

Sie wollte die Schwester gerade rufen, als sie die Mentalimpulse von Gen'Ther empfing: Thal, Stufe eins. Ich brauche dich.