PERRY RHODAN NEO 325: Die Dimensionsfalle - Lucy Guth - E-Book + Hörbuch

PERRY RHODAN NEO 325: Die Dimensionsfalle Hörbuch

Lucy Guth

0,0

Beschreibung

Im Jahr 2114: Auf der Erde und den Welten der Terranischen Union leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Gemeinsam arbeitet man am Aufbau einer positiven Zukunft. Doch alle wissen: In der fernen Galaxis M 87 lauert eine feindliche Macht, die jederzeit angreifen kann. Ihr Name ist Catron. Mit dem riesigen Raumschiff BASIS brechen Perry Rhodan und eine wagemutige Besatzung dorthin auf. Nach ersten Abenteuern in der fremden Sterneninsel erleben sie eine große Überraschung: Sie stoßen auf eine Spur zur verschollenen SOL. Das Hantelraumschiff scheint sich in einer prekären Notlage zu befinden. Kann Rhodan seine alten Freunde wiederfinden? Oder sind alle an Bord schon seit einer Million Jahren tot? Der Rettungseinsatz führt in DIE DIMENSIONSFALLE ...

Das Hörbuch können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS

Zeit:5 Std. 49 min

Sprecher:Hanno Dinger
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Band 325

Die Dimensionsfalle

Lucy Guth

Cover

Vorspann

1. Warum sind wir kein Protoplasmaschleim?

2. Irgendwie rabiat

3. Das ist ein Monster

4. SENECA setzt eindeutige Prioritäten

5. Wen lassen wir da in unser System?

6. Einparken, bitte!

7. Ich nenne es ein n-Abyssal

8. Monade ist höchst besorgt

9. Bist du bereit?

10. Ich hatte reichlich Zeit

11. Kein Geisterschiff

12. Ich bin gerade auf einem Okrill hergeritten

13. Hier bin ich der Einzige

14. Eine Nachricht von der anderen Seite des Abgrunds

15. Kurz zuvor: Leinen los!

16. Mehr »Saft« also?

17. Da läuft etwas ganz und gar nicht nach Plan

18. Starthilfe für die SOL

19. Du bist zurückgekehrt, Liebster

20. Mäandernde Energien

21. Ein Zeichen von Höflichkeit

22. Schade eigentlich

23. Es sind IHRE Augen

24. Gestrandet

Impressum

Im Jahr 2114: Auf der Erde und den Welten der Terranischen Union leben die Menschen in Frieden und Freiheit. Gemeinsam arbeitet man am Aufbau einer positiven Zukunft. Doch alle wissen: In der fernen Galaxis M 87 lauert eine feindliche Macht, die jederzeit angreifen kann. Ihr Name ist Catron.

Mit dem riesigen Raumschiff BASIS brechen Perry Rhodan und eine wagemutige Besatzung dorthin auf. Nach ersten Abenteuern in der fremden Sterneninsel erleben sie eine große Überraschung: Sie stoßen auf eine Spur zur verschollenen SOL.

Das Hantelraumschiff scheint sich in einer prekären Notlage zu befinden. Kann Rhodan seine alten Freunde wiederfinden? Oder sind alle an Bord schon seit einer Million Jahren tot? Der Rettungseinsatz führt in DIE DIMENSIONSFALLE ...

1.

Warum sind wir kein Protoplasmaschleim?

Sekunden nach der Kollision. Chaos, Schreie, flackernde Lichter.

Donna Stetson lag auf dem Rücken, blinzelte und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Tatsache war: Die SOL war soeben an einem unbekannten Ort gegen ein unbekanntes Objekt geprallt. Oder nicht?

Warum bei Tesla sind wir nicht tot? Bei einer frontalen Kollision hätte von ihnen allen nur Protoplasmaschleim an den Raumschiffswänden übrig bleiben dürfen. Und die SOL hätte wie eine Getränkedose zusammengequetscht sein müssen.

Nicht, dass die aktuelle Lage in irgendeiner Weise als gut zu bezeichnen wäre. Aber immerhin lebten sie. Noch.

Stetson rappelte sich auf und erfasste, dass ihr letzter Gedanke nicht auf alle Besatzungsmitglieder zutraf. Unweit von ihr lag der Funker Stanislaw Dupree auf der Seite, die Augen weit aufgerissen, sein Oberkörper schwarz verkohlt. Er war definitiv tot. Aber kein Protoplasmaschleim.

»SENECA!«, krächzte sie. Ihr Kopf dröhnte, und ihr Hals fühlte sich an, als habe sie mit Glassplittern gegurgelt hätte.

Die Schiffsintelligenz der SOL reagierte nicht. Und das machte Stetson mehr Angst als das Chaos und der Tod ringsum.

Mühsam orientierte und erinnerte sie sich. Sie befand sich einige Schritte außerhalb ihrer Positronikklause, auf dem Gang, der zur Hauptzentrale führte. Kurz zuvor war sie in ihrem Arbeitsbereich gewesen, hatte mit SENECA kommuniziert. Dann hatte sie auf einem Außenbeobachtungshologramm das fremde Objekt – war es ein Asteroid? – immer näher kommen sehen, hatte mitbekommen, dass der Schiffsführung in der Zentrale fast kein Handlungsspielraum mehr geblieben war. War es dem Emotionauten Mentro Kosum trotzdem noch gelungen, die Geschwindigkeit der SOL zu reduzieren?

Der Gedanke an Kosum traf sie wie ein Hammer. Kosum ... war tot! Oder so etwas Ähnliches. Er hatte sich kurz zuvor von ihnen verabschiedet, über Funk. Sein Körper war noch an Bord, sein Gehirn war jedoch verschwunden, genau wie es einst bei Perry Rhodan geschehen war. Er hatte es der SOL dennoch irgendwie ermöglicht, eine Nottransition einzuleiten – was allerdings nach der Rematerialisierung zu der schicksalhaften Kollision geführt hatte.

Stetson taumelte auf die Positronikklause zu. Vielleicht gelang es ihr von dort aus, Kontakt zu SENECA herzustellen. Sie musste aus ihrem Arbeitsraum geschleudert worden sein.

Sie erinnerte sich: Es war Breckcrown Hayes gewesen, seit dem Tod von Chart Deccon der High Sideryt, der Kommandant der SOL, der die Steuerung des Hantelraumschiffs manuell übernommen hatte. Er hatte es nicht geschafft, die Kollision völlig zu vermeiden. Aber im letzten Moment war es SENECA gelungen, die Andruckneutralisatoren auf Maximalleistung hochzufahren und das Schiff in eine unvollständige Schutzblase zu hüllen.

Und das mit ohnehin beeinträchtigten Bordsystemen. Wegen dem, was der SOL zuvor bei Monol zugestoßen war, hatte die Maschinenzentrale bereits acht Energiemeiler wegen drohender Plasmaschmelze heruntergefahren und vom Netz genommen. Die Folgen waren zerstörerisch gewesen.

»SENECA«, wiederholte Stetson, als sie die Positronikklause erreicht hatte. Von ihrem persönlichen Arbeitsbereich aus, einem nicht allzu großen Raum, konnte sie sich wie ein Emotionaut mit SENECA vernetzen und unmittelbaren Zugriff auf die Schiffsintelligenz erhalten. Das machte es ihr als Positronikpsychologin einfacher, mit SENECA zu interagieren.

Die Wände der Klause waren transparent, sodass sie sowohl in die benachbarte Hauptzentrale der SOL auf dem Habitatdeck drei als auch in den angrenzenden Gang sehen konnte, der ins Freigelände hinausführte. In beiden herrschten wirre Zustände: Besatzungsmitglieder lagen reglos auf dem Boden, Rauch hing in der Luft, die Notbeleuchtung war angeschaltet.

»Donna, ich bin froh, dass es dir gut geht«, antwortete SENECA zu ihrer Erleichterung endlich.

»Was ist passiert?«

»Ich habe versucht, einen Aufprall zu verhindern. Leider ist mir das nicht komplett gelungen. Wir haben zwar nicht mehr viel Fahrt, doch die SOL schrammt immer noch an dem fremden Raumschiff entlang!«

Ein Raumschiff also – kein Asteroid!

»Wie ist die Lage an Bord?«

Wie um Stetsons Frage zu unterstreichen, zuckte ein Überschlagsblitz quer durch die Zentrale.

»Durch den Einsatz des sehr energiehungrigen Schutzfelds, das 99,99999 Prozent der externen mechanischen Kollisionskräfte in den Halbraum ableitet, kam es zu Problemen. Einige der Hyperenergie- und Normalenergiespeicher der SOL sind infolge von Überbeanspruchung explodiert.«

»Was ist mit den Notfallsicherungen?«

»Sie können nicht alles kompensieren.«

Stetson rief hektisch Holos von verschiedenen Bereichen des Hantelraumschiffs auf. Überall schien Chaos ausgebrochen zu sein. Der Überschlagsblitz in der Zentrale war nicht die einzige verheerende Energieentfaltung gewesen. Eine Krankenstation auf dem Habitatdeck zwei war in Brand gesetzt. Ein Magnetfeld – laut den Messungen 400 Tesla stark – brachte den Großsee auf Habitatdeck vier zum Kochen. Die Techniker in der Südkugel meldeten durchbrennende Hyperkristalle mit Mikroaufrissen, und das waren nur einige der Vorfälle.

Auch wenn SENECAS Eingreifen wohl das Schlimmste verhindert hat: Wir steuern noch immer auf eine Katastrophe zu, dachte sie mit wachsendem Schrecken, während die Bilder auf sie einstürzten.

Schon eine normale Raumschiffsbesatzung wäre mit einer solchen Entwicklung überfordert gewesen. Doch an Bord der SOL befanden sich derzeit rund fünfzehntausend Personen, die das Schiff zwar als ihre Heimat betrachteten, jedoch zumeist nicht zur Stammbesatzung gehörten. Wenig verwunderlich also, dass unter weiten Teilen dieser Solaner Panik ausbrach, wenn etwa in einem Schulklassenraum schlagartig die Bordschwerkraft ausfiel und zahlreiche Gerätschaften auch in weiteren, zum Teil lebenswichtigen Schiffsbereichen versagten.

»Was können wir tun?«, fragte Stetson.

»Ich gebe bereits mein Bestes, um die Situation unter Kontrolle zu bekommen, doch die Systeme sind stark geschädigt.«

Unter Kontrolle ... Wann war die Situation zum letzten Mal unter Kontrolle gewesen? Vor ihrem Aufbruch nach Monol im Zentrum der für sie noch immer weitgehend unbekannten Galaxis, in die es die SOL verschlagen hatte?

Hayes hatte die Solaner vor ihrem Aufbruch dorthin nicht über das aufgeklärt, was sie am Zielort erwarten mochte. Immerhin wusste er das selbst nicht so genau. Er hatte lediglich über eine Durchsage mitgeteilt, dass das Schiff durch einen »besonders turbulenten Raumabschnitt« fliegen werde.

Direkt nach ihrer Ankunft in einer Art »Nichts« hatten sie es mit feindlichen Wesen zu tun bekommen, und der Erste Pilot hatte sein Gehirn eingebüßt. Das Hantelraumschiff war schwer beschädigt worden.

Selbst denjenigen, denen es vollkommen egal war, dass sie ihr Leben dauerhaft auf einem Raumschiff statt auf einem Planeten verbrachten, musste mittlerweile definitiv klar geworden sein, dass es um Leben und Tod ging.

Haben dieses Schiff und seine Besatzung nicht schon genug durchgemacht?

Donna Stetson pflegte ihre Gefühle nicht nach außen hin zu zeigen, doch nun ballten sich ihre Hände zu Fäusten. Sie war eine der wenigen Überlebenden jener Besatzung der SOL, die von der Erde zum Chronopuls-Wall aufgebrochen war. Und das nur, weil der Schiffsarzt Sam Breiskoll spezielle Kryoapparaturen entwickelt hatte, mit denen sie und ausgewählte andere Personen lange Phasen im Kälteschlaf hatten überdauern können. Das war nur möglich gewesen, weil er dafür Substanz des Kreellblocks verwendet hatte, in dem das Leyden-Team eingeschlossen war.

Auf der SOL waren rund hundertfünfzig Jahre vergangen, seit das Schiff hundert Millionen Jahre in die Vergangenheit katapultiert worden war. Stetson war in dieser Zeit nur um etwa mehr als vierzig Jahre gealtert.

Nur ist gut! Die Donna, die damals auf der SOL unterwegs war, würde mich als alte Frau bezeichnen.

Neben ihr war nur noch eine Handvoll der ursprünglichen Mannschaft am Leben, darunter Molia Danger, Geoffry Abel Waringer oder Bjo Breiskoll. Man nannte sie »Die Großen Alten«.

Ihr Herz wurde warm, als sie an Bjo dachte. Er war ihr in all den Jahren eine Stütze und ein Freund gewesen. Mehr als ein Freund. In einem anderen Leben hätten sie vielleicht zusammen eine Familie gegründet. Obwohl Stetson sich, wenn sie ehrlich war, nie als Mutter gesehen hatte.

Nachdem Breckcrown Hayes die Rolle des Schiffskommandanten übernommen hatte, war der Paddler Krak an die Stelle als Technokommandant nachgerückt.

Im Laufe der vielen Jahrzehnte hatten die SOL sowie Menschen und Außerirdischen, die auf ihr lebten, einige harte Zeiten durchlitten: eine Revolte von SENECA und den Posbis, eine schlimme Diktatur unter dem SOLAG genannten Regime, die Rekonstitution der alten Ordnung dank des in Kreell konservierten und deshalb nur als Hologramme agierenden Leyden-Teams ...

Und vor allem die Verwandlung in ein veritables Generationenschiff. Mit dem Nachteil, dass viele der Personen, die auf der SOL lebten, nicht mehr in der Lage oder willens waren, die für den Schiffsbetrieb unabdingbare Funktionsbesatzung zu stellen.

Und all das nur, um nach der Kollision mit einem unbekannten Raumschiff an einem namenlosen Ort fern der Heimat vernichtet zu werden? Das darf nicht sein!

In ihr erwachte der Kampfgeist. »Das können wir nicht zulassen, SENECA. Du musst einen Weg finden, alle noch verfügbaren Energien umzuleiten und die Speicher wieder ...«

Eine heftige Detonation erschütterte die SOL und unterbrach Stetson mitten im Satz.

Die Vibration ließ sie taumeln. »Was ...? Was ist passiert?«

»Die SOL hat mit der Restfahrt eine Aufwölbung des Fremdschiffs erreicht und sich in dessen Gesteinshülle gedrückt.«

Stetson begriff: Der mit einem Energieschirm verstärkte Hochleistungsstahlrumpf des Hantelraumers war widerstandsfähiger als die Asteroidenhülle des Fremdobjekts. Es war, als schnitte ein Stahlmesser durch Butter. Wenn SENECA die Restgeschwindigkeit der SOL nicht fast völlig hätte abbauen können, wäre das Ergebnis zweifellos desaströs gewesen. Aber auch so blieb der Aufprall brandgefährlich. Wer wusste schon, wie dick die Staub- und Felsumhüllung des anderen Schiffs war und was geschehen würde, wenn die SOL dessen eigentlichen Rumpf erreichte?

Überall in den Holos mit Bildern aus dem Innern der SOL zuckten plötzlich Blitze, waren Explosionen zu hören. Schmerzens- und Entsetzensschreie ertönten, zahlreiche Bordbewohner wurden verletzt, stürzten zu Boden.

»Was passiert gerade?«, schrie Stetson gegen den Lärm an.

»Die Hyperenergiesilos entladen sich – ein unerwarteter Kontakt mit Hyperkristallen in ...«

2.

Irgendwie rabiat

Das Bild war unscharf und rauschte. Dennoch war jedem im Besprechungszimmer der BASIS-Medostation klar, was sie auf dem flackernden Holo vor sich hatten.

»Das ist die SOL«, wiederholte Perry Rhodan die Worte, die er soeben ausgesprochen hatte – er konnte es selbst nicht glauben.

Das vielleicht ungewöhnlichste Raumschiff, mit dem Menschen je zu den Sternen gereist waren, galt seit eineinhalb Jahren als verschollen, als höchstwahrscheinlich vernichtet. Letzteres hatten Rhodan und jene seiner Mitstreiter, die auf der PERLENTAUCHER die Katastrophe überlebt hatten, zumindest annehmen müssen. Sie hatten es zunächst nicht wahrhaben wollen, aber dann hatten sie um ihre Gefährten getrauert.

Chart Deccon, Breckcrown Hayes, Mai Tai Tanaka ... Sie könnten alle noch am Leben sein! Wie oft habe ich mir in den vergangenen Wochen während der Diskussionen mit HAMILLER gewünscht, Donna Stetson um ihre Meinung zu dieser KI fragen zu können. Und die genialen Köpfe von Waringer, Leyden und seinem Team, vielleicht sind sie doch nicht verloren!

Rhodan gestattete sich aber nicht zu viel Optimismus. Die Aufzeichnungen, welche die DOLAN während ihrer Kollision in der sonderbaren Dimensionstasche gemacht hatte, konnten alles bedeuten: Dass die SOL seit Äonen als Wrack bar jeden Lebens in dieser Hyperraumkaverne feststeckte oder dass sie und die Besatzung sich noch immer relativ wohlbehalten im selben Zustand befanden wie damals, als das Sternenschiff verschwunden war. Sicher war nur eins.

Und Thora Rhodan da Zoltral sprach es aus. »Wir müssen sie dort herausholen.«

»Keine Frage!«, rief Gucky. Ihn hatte der Verlust der SOL besonders hart getroffen. Nicht nur, weil er sich auf dem Hantelraumschiff immer besonders wohlgefühlt, sondern auch, weil er dort viele gute Freunde gehabt hatte. »Wann legen wir los?«

Rhodan wandte sich Oogh at Tarkan zu. Eben noch hatte er dem Kartanen beschieden, dass die BASIS für dessen wahnwitzigen Plan auf keinen Fall zur Verfügung stehen würde. Der Einsatz des ohnehin schon stark in Mitleidenschaft gezogenen Tesserakts, wie at Tarkan ihn anstrebte, war viel zu gewagt. Doch nun hatte sich die Lage grundlegend geändert. Es galt nicht mehr, lediglich das uralte Kartaninschiff NARGA PUUR zu retten, sondern auch ihre eigenen Freunde und Kameraden.

»Erklären Sie mir noch mal den Plan«, bat Rhodan.

At Tarkans katzenhaftes Gesicht hellte sich auf. »Dann habe ich Sie überzeugt?«

»Nun ja, es sind eher die Umstände, die mich überzeugt haben.« Rhodan warf einen raschen Blick in die Runde.

Neben ihm, seiner Frau und ihrem Sohn Thomas Rhodan da Zoltral war eine Handvoll weiterer Personen anwesend:, Melbar Kasom, der Forscher Douc Langur, Gucky, Omar Hawk mit seinem Okrill Watson sowie der gerade erst wieder aufgetauchte Haluter Icho Tolot. Natürlich war auch Rhodans Patentochter Lia Tifflor als Chefärztin der BASIS zugegen, immerhin trafen sie sich auf ihrer Medostation.

Rhodan sah ausschließlich in zustimmende Gesichter – mit Ausnahme von HAMILLERS Hologramm, das eine neutrale Miene aufgesetzt hatte. »Das Schiff, das Sie dort erkennen können und das unmittelbar neben der NARGA PUUR schwebt oder vielleicht sogar damit verkeilt ist ... Das ist zweifelsfrei die SOL. Sie gehört zu uns und ist seit längerer Zeit verschollen. Das sind die Umstände, die uns umgestimmt haben.«

At Tarkan nickte. Er hatte sich diese Geste wohl von den Menschen abgeguckt. »Ich verstehe.«

»Sie wollen den Tesserakt einsetzen.« Thora kniff die Lippen zusammen. »Ich gebe zu, dass ich deswegen noch immer nicht in Jubelrufe ausbreche.«

Einmal Kommandantin, immer Kommandantin. Rhodan verkniff sich ein Lächeln. Natürlich stand eine solche Bemerkung Thora als Stellvertretender Expeditionsleiterin zu. Aber die Art und Weise, wie sie die Stirn in Falten legte, das war typisch Befehlshaberin.

Kasom, der eigentliche Kommandant des Fernraumschiffs, nahm es ihr nicht übel. Stattdessen hakte er ebenso nach: »Welche Gefahren ergeben sich dadurch für die BASIS?«

Oogh at Tarkan richtete sich in seinem Sessel auf. Lia Tifflor warf ihm einen besorgten Blick zu. Immerhin war der Kartane gerade erst aus einem langen, komaähnlichen Zustand erwacht, der immer wieder von tranceartigen Phasen unterbrochen gewesen war, in denen er seine Geschichte erzählt hatte.

»Mein Plan ist kompliziert und gefährlich«, gab at Tarkan zu. »Sie können meine Lage nun jedoch besser verstehen als bisher. Ich würde fast alles riskieren, um mein Schiff dort herauszuholen. Es sitzt seit einer Ewigkeit zwischen den Dimensionen fest, und nun ist es durch die Kollisionen akut bedroht. Die ... SOL, wie Sie sagen, ist dort vielleicht noch nicht lange gefangen, aber sie ist in ebenso großer Gefahr. Wenn Sie keine Rettungsaktion starten, ist sie genauso verloren wie die NARGA PUUR.«

»Wenn Ihr Plan den Tesserakt gefährdet, könnte die BASIS auch verloren gehen – nicht zwischen den Dimensionen, aber stattdessen in dieser Galaxis stranden, ohne jegliche Aussicht auf eine Rückkehr in die Milchstraße«, warf Hawk ein.

Das Argument war nicht von der Hand zu weisen. Gerade deswegen hatte Rhodan at Tarkans Bitte um Hilfe bisher abgelehnt. Allerdings hatte er da noch nichts von der prekären Lage der SOL gewusst.

»Ich weiß, dass es für Sie ein großes Risiko darstellt.« At Tarkan neigte den Kopf. »Der Tesserakt der BASIS ist jedoch das einzige Werkzeug, mit dem man die Dimensionstasche, in der die SOL und die NARGA PUUR festsitzen, vielleicht aufstemmen kann. Ich stelle Ihnen gern meine Berechnungen zur Verfügung.« Mit einer müden Handbewegung rief er ein Hologramm auf. »Ich habe seit meinem Erwachen daran gearbeitet, um Ihnen mein Vorgehen verständlich zu machen.«

»Aufstemmen, das klingt irgendwie rabiat«, meinte Gucky, während sich Douc Langur und Icho Tolot mit den Daten befassten.

»Vielleicht ist es der falsche Ausdruck, mir fällt jedoch kein besserer ein«, sagte der Kartane. »Wir müssen an einer bestimmten Stelle im Ardustaarsystem Zugang zu der Dimensionstasche bekommen, dort ansetzen und diesen Zugang weiter öffnen, damit die beiden Raumfahrzeuge herausfliegen können. Dafür muss der Tesserakt – oder eher die BASIS – möglichst nah an diese Raumposition heranmanövriert werden.«

»Was wiederum die Gefahr birgt, dass auch die BASIS in diese Dimensionsfalle gerät«, stellte Kasom fest. »Oberste Priorität muss sein, zu vermeiden, dass die BASIS das Schicksal der beiden feststeckenden Schiffe teilt.«

»Nun, die Berechnungen von Mister at Tarkan scheinen in dieser Hinsicht sehr genau und zutreffend zu sein«, meldete sich HAMILLER zu Wort. Sein holografischer Avatar war nicht näher an die dreidimensionale Darstellung der Berechnungen des Kartanen herangetreten, wie Tolot und Langur. Das hatte er auch nicht nötig, schließlich hatte die Schiffsintelligenz Zugriff auf sämtliche Daten, die innerhalb ihrer Positroniksysteme angelegt wurden.

Für Rhodan war die Kommunikation mit HAMILLERS Kunstfigur nach wie vor gewöhnungsbedürftig. SENECA, die KI der SOL, war zwar hin und wieder als gesichtslose Lichtgestalt erschienen, meistens jedoch eine körperlose, wenn auch omnipräsente Stimme geblieben.

Dass HAMILLER immer häufiger das Erscheinungsbild seines mittlerweile verschwundenen und vermutlich toten terranischen Schöpfers wählte, fand Rhodan irgendwie gruselig. Die Schiffsintelligenz der BASIS war ihm auf unbestimmte Weise suspekt, wenngleich er zugeben musste, dass die Hauptpositronik des riesigen Fernraumschiffs ein technisches Meisterwerk war. Vor allem war sie Experte für den Tesserakt und steuerte souverän dessen komplexes Hyperenergiemanagement.

Rhodan musterte den untersetzten Mann mit dem weißen Bart, eine ziemlich genaue Kopie des echten Payne Hamiller. Im Gegensatz zum Original blickte der Avatar jedoch nicht mürrisch, sondern neutral. »Hast du keine Bedenken wegen des Tesserakts, HAMILLER? Immerhin ist dein Rechenkern baulich teilweise in den Hyperwürfel integriert. Du wärst also selbst gefährdet, wenn etwas mit ihm geschieht. Und der Tesserakt ist bereits beschädigt.«

Eine seltsame Verwandlung ging mit HAMILLER vor. Seine Miene wurde düster, die Stimme, bislang höflich und ruhig, bekam einen bissigen Unterton: »Glauben Sie, das weiß ich nicht?« Dann flackerte das Hologramm kurz auf und war wieder wie zuvor. »Zwar ist eine Sektion meines Primärneuronats in den großen Tesserakt der BASIS versenkt, aber ich verfüge intern zusätzlich über einen eigenen, kleineren Tesserakt. Dennoch bin ich selbstredend um das Wohlergehen des großen Bruders besorgt.«

Erstaunlich. Ich hoffe, Donna Stetson geht es gut, und sie ist auf der SOL. Ich würde ihr HAMILLER wirklich gern vorstellen ...

»Gerade deswegen kann ich bestätigen, dass die Unternehmung zwar riskant ist, bei akkurater Umsetzung jedoch nur eine geringe Gefahr für den Tesserakt besteht«, fuhr HAMILLER fort.

»Das sehe ich ähnlich«, pflichtete ihm Tolot bei. »Und um das Ziel zu erreichen, die Dimensionstasche für die Rettung der beiden Schiffe zu öffnen, darf die BASIS den Einsteinraum nicht verlassen. Das ergeben die Berechnungen eindeutig. Demokrit hat sie ebenfalls überprüft.«

Also hatte der Haluter die Schiffsintelligenz seiner DOLAN in die Bewertung des kartanischen Datenmaterials miteinbezogen.

»Wir müssen also wie folgt vorgehen: Die BASIS fliegt exakt an die von Mister at Tarkan berechnete Position im Ardustaarsystem«, erläuterte Tolot. »Der Tesserakt der BASIS ist auf diverse Weise wesensverwandt mit dem Raumschiff, das die heutigen Kartanin KLOTZ nennen und das Mister at Tarkan als NARGA PUUR kennt. Beide Objekte ragen mit wesentlichen Teilen in den Hyperraum. Der Tesserakt wird am Zielort als extrem leistungsfähiger Hyperenergielieferant agieren und am Zielort eine Art Rutsche erschaffen. Das ist möglich, weil die tesseraktinternen Hyperfelder so ineinander verschachtelt sind, dass ihre Interferenzen und Resonanzen ein Loch ins Einsteinuniversum stanzen können, durch das der gewünschte Energiefluss entsteht.«

»Ein Loch?«, echote Thora verblüfft.

Gucky schüttelte sich. »Das klingt noch rabiater als die Sache mit dem Aufstemmen.«

»Genau. Im Ardustaarsystem haben wir bereits ein solches ›Loch‹, genau da, wo der KLOTZ zu sehen ist. Dort muss die DOLAN in die Dimensionskaverne vordringen und einen Gegenpol zur BASIS bilden. Der Tesserakt schwächt anschließend die Raum-Zeit-Struktur im Einsteinraum. Er bringt quasi ein zweites Loch neben das erste, in dem der KLOTZ steckt. Dann weitet er die Tunnelverbindung zwischen sich und der DOLAN. Ähnlich wie – um einen Begriff aus der Medizin zu verwenden, passend zu unserem Versammlungsort auf einer Medostation – ein Ballonkatheter den Durchmesser einer verengten Arterie wieder vergrößern würde. Durch diese gedehnte interdimensionale Öffnung wird die NARGA PUUR fast zwangsläufig in den Normalraum rutschen. Und mit ihr hoffentlich auch die SOL.«

»Das mit dem Katheter verstehe ich«, äußerte Lia Tifflor trocken.

»Die Hyperfelder müssen für diesen Vorgang allerdings perfekt ausgerichtet sein«, warnte Tolot. »Der Katheter, um bei diesem Bild zu bleiben, besteht aus dem Tesserakt als Pumpe und der DOLAN als Ballonspitze. Beide werden hyperenergetisch miteinander verschränkt. Während die BASIS im Einsteinraum bleibt, muss hingegen die DOLAN zu den beiden anderen Raumschiffen in den Hyperraum vorstoßen, damit wir die gewünschte Rutsche oder, anders gesagt, eine Art Hebel generieren können.«

»Das heißt, wir müssen mit der BASIS nur nah genug an die richtige Raumposition herankommen?«, hakte Melbar Kasom nach.

»Exakt. Nur von unserer Dimension aus kann die gewünschte Hebelwirkung zum Tragen kommen«, bestätigte Icho Tolot. »Die DOLAN übernimmt die Arbeit von der anderen Seite aus.«

»Dann stellt sich die Frage, wie wir mit der BASIS dorthin vordringen können«, sagte Rhodan. »Weiß jemand Näheres über die aktuelle Situation im Ardustaarsystem?«

»Ich war schon einmal dort, im Rahmen meiner Forschungen.« Douc Langur wandte sich von dem Datenholo ab und den anderen zu. »Die Lage dort ist ... schwierig. Das System hat sich stark abgeriegelt, und die Kartanin unterhalten nicht viele interstellare Handelsbeziehungen mit anderen Zivilisationen von Caddronaar. Es ist daher schwer, Zugang zum Ardustaarsystem zu bekommen.«

Rhodan tippte sich nachdenklich ans Kinn. »Denken Sie, Sie könnten für uns vermitteln?«

»Ich kann es zumindest versuchen. Die Kartanin sind ein schwieriges Völkchen, nicht gerade gesellig. Und die BASIS ist ... na ja ... nicht gerade eine kleine Jacht.«

»Ich verstehe, was Sie meinen.« Omar Hawk schürzte die Lippen. »Stellen wir uns vor, dass ein fremdes Raumschiff in Größe der BASIS plötzlich im Solsystem auftauchen würde – da wäre auch Protektor Bull wenig amüsiert.«

»Es ist vorhersehbar, dass die Kartanin ebenfalls nicht begeistert sein werden«, sagte Perry Rhodan. »Mister at Tarkan, vielleicht können Sie zusammen mit Mister Langur dazu beitragen, sie zu beruhigen. Schließlich sind auch Sie Kartane, wenngleich Sie aus einer anderen Zeit stammen.«

3.

Das ist ein Monster

Drei Wassertropfen schwebten nebeneinander in der Luft: perfekte kleine Kugeln, mit funkelnden Luftbläschen durchsetzt. Ein Antigravfeld hielt sie an Ort und Stelle. Es war ein Dekoelement, eine Spielerei, die das Auge erfreuen sollte. Der weite Sitzungssaal im obersten Stock des Weißen Turms in Nuai war zugleich geschmackvoll und dezent eingerichtet.

Der Konferenztisch, um den sich der Oberste Rat der Voica versammelt hatte, war mit hellem Leinen bezogen. Seine Ringform unterstrich, dass die zwölf versammelten Voica, die Hohen Frauen der Kartanin, alle gleich stimmberechtigt waren. Im Zentrum des Rings schwebte ein Hologramm, das die aktuellen Ertragszahlen der Getreideernten zeigte. Sie waren gut, sogar außerordentlich erfreulich, wie Voica Desla-Min T'ai stolz vortrug.

Der Bericht war aber so positiv und langweilig, dass sich Shu-Han-H'ay ein wenig in der Betrachtung der Wassertropfen verloren hatte. Sie zwang sich, ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Informationen von Desla-Min zu richten, die gerade betonte, dass wieder mal keine Importe aus den umliegenden Sternsystemen nötig sein würden, um das Ardustaarsystem zu versorgen. Was die beiden bewohnten Planeten Vinau und Katosh erwirtschafteten, reichte vollkommen aus.

Diese Mitteilung wurde mit zufriedenem Gemurmel quittiert.

»Wir danken dir für deinen Vortrag«, sagte Shu-Han-H'ay, die an diesem Tag dem Rat vorsaß.

Dieses Amt rotierte innerhalb ihrer Gruppe, genauso wie die Plätze im Obersten Rat immer wieder wechselten. Eine Versammlung mit allen 128 Voica des Ardustaarsystems wäre allerdings viel zu unübersichtlich für die alltäglichen Geschäfte der kartanischen Regierung. Der Große Rat trat deshalb nur zwei Mal im Jahr vollzählig zusammen.

Shu-Han machte eine auffordernde Geste in Richtung von Iati-Olire Phau zu ihrer Linken. Sie würde über den Ausbau von Nuais Wohngebieten referieren. Durch die Panoramafenster, die den kreisrunden Sitzungssaal umschlossen, hatten alle Anwesenden einen prächtigen Blick auf die Hauptstadt, die in den vergangenen Jahren abermals größer geworden war.

Vielleicht sollten wir über die Einführung einer Geburtenkontrolle nachdenken, überlegte Shu-Han. Ehe der Wohnraum knapp wird. Eigentlich war das jedoch überflüssig. Selbst wenn auf Vinau die Städte stark expandierten, gab es auf Katosh mehr als genug freien Lebensraum. Und die meisten Kartaninfamilien hatten ohnehin höchstens ein bis zwei Nachkommen.

Ganz kurz verspürte Shu-Han-H'ay einen Stich bei diesem Gedanken. Es war wie eine alte Narbe, die hin und wieder schmerzte, wenn man sich unbedacht bewegte oder ein Wetterwechsel bevorstand. Shu-Han war eine viel beschäftigte Frau, sodass ihr nicht oft Zeit blieb, an ihre Tochter Dao-Lin zu denken. Aber wenn es zufällig geschah, war es ... schmerzhaft.

Es kam nicht oft vor, dass Kartanin das Ardustaarsystem verließen. Ihr Volk unterhielt nur eine kleine Raumflotte, importierte kaum etwas von anderen Zivilisationen der Galaxis und exportierte noch weniger. Es gab keinen Grund dafür, denn sie kamen gut allein klar. Manche junge Kartanin trieb sich vielleicht ein paar Monate in Caddronaar herum, um etwas andere Luft zu schnuppern. Aber sie kehrten alle zurück.

Fast alle.

Während Iati-Olire über die Entwicklung neuer Wohnbereiche und infrastrukturelle Veränderungen sprach sowie in mehreren Hologrammen umfangreiche Pläne und Statistiken präsentierte, öffnete sich die Saaltür.

Shu-Hans Berater La-Dok-R'usma kam herein, ein junger Kartane, den Shu-Han wegen seiner exzellenten Noten und hervorragender Empfehlungen eingestellt hatte. Nicht viele männliche Kartanin hatten den Ehrgeiz, es in der Politik weit bringen zu wollen. La-Dok indes, mit seinem hellgrauen Fell und den etwas wässrigen grauen Augen, war eher der unscheinbare Typ und hatte kein Interesse daran, eine Familie zu gründen und sich zu Hause um die Nachkommenschaft zu kümmern.

Zwar fehlte ihm die Sinneserweiterung der weiblichen Kartanin, doch er hatte eine rasche Auffassungsgabe und einen angenehmen Scharfsinn, allerdings auch einen Hang zum Pessimismus. Gerade das mochte Shu-Han an ihm: Er stellte grundsätzlich erst mal alles infrage, sodass sie gezwungen war, genauer darüber nachzudenken, ehe sie eine Entscheidung fällte.

La-Dok eilte an Shu-Hans Seite und beugte sich vor, um ihr etwas ins Ohr zu flüstern. Sie zuckte überrascht mit den Schnurrhaaren.

Wenn er mir keine Nachricht auf mein Komgerät schickt, sondern bewusst die Ratssitzung stört, muss etwas Ernstes geschehen sein.

Tatsächlich war die Nachricht, die La-Dok überbrachte, mehr als beunruhigend. Er überreichte ihr eine Holokärtchen mit den wichtigsten Daten, die Shu-Han mit zuckender Nase las.

»Ist das gesichert?«, fragte sie flüsternd.

La-Dok neigte bejahend den Kopf und trat von ihrem Sessel zurück.