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"Angst – die Finsternis ist in Dir" ist eine packende Geschichte von gesellschaftlicher Ausgrenzung, Verbrechen und Tod. Der in Hamburg ansässige Psychotherapeut Martin Limbgreen ist blind und hilft der Polizei bei der Aufklärung vieler Verbrechen, bis er selbst ins Fadenkreuz der Ordnungshüter gerät. Die Handlung wirft an dieser Stelle die Frage auf, warum man Menschen mit Handicap beruflich und gesellschaftlich so wenig zutraut, sie aber gleichsam in der Lage sieht, Verbrechen zu begehen. Nehmen Sie dieses Buch zur Hand, kommen Sie mit auf die Reise durch die Abgründe des menschlichen Bewusstseins und hinterfragen Sie einige festgefahrene Menschenbilder, auf dass sich die Dunkelheit zumindest an einigen Stellen lichtet. Wenn Sie dieses Buch als Abendlektüre verwenden, geschieht dieses auf eigene Gefahr.
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Seitenzahl: 82
Veröffentlichungsjahr: 2023
Für alle Menschen mit freien Gedanken.
Carsten Dethlefs
Angst
Die Finsternis ist in Dir
© 2023 Carsten Dethlefs
Umschlaggestaltung und Fotos: Michael Schmill Photography und Michaela Basner
Lektorat und Layout: Susanne S. Junge
Ich danke zudem Martina Dethlefs, Jutta Heim, Andrea Henkel, Dirk Jacobs und Susanne Junge für die Beratung in visuellen Fragen.
Softcover
978-3-347-92902-9
Hardcover
978-3-347-92903-6
E-Book
978-3-347-92904-3
Druck und Distribution im Auftrag: tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.
Cover
Widmung
Titelblatt
Urheberrechte
Prolog
Kapitel 1 – Hochwürden zu Gast
Kapitel 2 – Sex und Teufel
Kapitel 3 – Die Finsternis zieht auf
Kapitel 4 – Es wird ernst
Kapitel 5 – Bulimie und Borderline
Kapitel 6 – Soko im StuWo
Kapitel 7 – Vergangen und verloren
Kapitel 8 – Die Schlinge zieht sich zu
Kapitel 9 – Gedankenwelt
Kapitel 10 – Rettung naht?
Kapitel 11 – Flucht aus der Hölle
Kapitel 12 – Gefangen in der Ewigkeit
Kapitel 13 – Das Recht klopft an die Zellentür
Kapitel 14 – Vollendete Finsternis
Weiter Bücher des Autors
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Widmung
Titelblatt
Urheberrechte
Kapitel 1 – Hochwürden zu Gast
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Prolog
Es ist nicht wie die Nacht. Es hat auch nichts mit Dunkelheit zu tun. Es ist eher wie der Verlust des visuellen Bewusstseins. Blind zu sein bedeutet schlicht zu wissen, dass die Bilder, die man sich vorstellt, die trotz aller Ausgeschlossenheit von allen sichtbaren Gegenständen im Kopf herumspuken, nicht existieren.
Selbst blind geborene Personen haben demnach einen Eindruck davon, wie die Welt aussieht. Zeichnungen, die sie auf einer Folie gemalt haben, bei der der Stift tastbare Linien hinterlässt, zeugen davon. Zudem sind die anderen Sinne in den meisten Fällen viel besser ausgeprägt.
Der Duft von Blumen katapultiert fast automatisch eine Vorstellung der realen Quelle ins Bewusstsein. Der Geschmack einer kalten Zitronenlimonade an einem heißen Sommertag lässt die Welt sofort heller erscheinen. Der Schein der Sonne ins Gesicht lässt den Körper und den Geist entspannen und zaubert einen sehr viel helleren Eindruck der Welt in den Kopf. Die zarte Berührung der Lippen bei einem Kuss, den man bereits sehnlichst erwartet hat, versetzt den ganzen Menschen in eine andere Stimmung. Der Klang, den man vernimmt, wenn nur wenige Zentimeter neben Dir eine umwerfende Frau ein Kondom aufreißt und Du genau weißt, dass sie Dich gleich berühren wird – Du weißt nicht, wann, Du weißt nicht, wie – Du weißt nur, dass es geschieht, sehr bald geschieht, und Du es bis dahin eigentlich gar nicht mehr aushältst, es aber aushalten musst, Du das sehnsüchtige Verlangen noch zwei, vielleicht drei Sekunden niederkämpfen musst. Der sanfte Klang ihrer Stimme, der Klang von Musik – alles wird zu einem Kunstwerk des Seins.
Nein, mit Dunkelheit hat das alles nichts zu tun. Es ist eher wie ein Traum – ein Traum, in dem alles passieren kann. Manchmal passiert auch alles, ich merke es dann aber immer erst hinterher. Und meistens ist es schön.
Kapitel 1 – Hochwürden zu Gast
Psychotherapeutische Praxis von Dr. Martin Limbgreen
Hamburg, Dienstag, 8. Februar 2022
Es war nicht besonders kalt für diese Jahreszeit, dafür regnete es aber wie aus Eimern. Das Heulen des Windes – weiter im Süden hätte man von „Sturm“ gesprochen – machte die klimatische Geräuschkulisse nicht entspannter. Der Regen klatschte unnachgiebig mit voller Wucht an die Fensterscheibe. Wäre das Haus, in dem sich die Praxis von Martin Limbgreen befand, nicht so massiv gebaut gewesen, hätte man Angst um die Standfestigkeit des Gebäudes haben müssen. Selbst ein Klabautermann hätte diesen Sound nicht besser beschreiben können als Schietwetter, eine für Hamburg nur allzu typische Mischung aus Wind, Regen und einer Temperatur, die selbst nicht wusste, was sie wollte. Kalt lief es Martin den Rücken hinunter.
Der Psychotherapeut saß auf seinem Stuhl im Behandlungszimmer. Die Wände waren in einem eintönigen und beruhigenden Cremeweiß gestrichen. Das Licht war dezent und gab keinen Anlass zur mentalen Unruhe. Die Temperatur innerhalb des Raumes betrug vielleicht 23 Grad. Es war somit nicht zu kalt für entspannte Gespräche und nicht zu warm für konzentrierte Introspektion und Bewusstseinsanalysen. Vor ihm befand sich eine Couch, auf der in regelmäßigen Abständen Patienten – er nannte sie Gäste – Platz nahmen. Jetzt saß dort niemand, gerade mal nicht. Der nächste Gast würde erst in zehn Minuten eintreffen. Es war der blinde Priester Hellmann, der selbst mit den Beichten seiner Schäfchen nicht zurechtkam.
Martin hasste diese Termine. All seine Freunde sagten, dass er mit blinden Patienten doch erst recht gut zurechtkommen sollte. Schließlich war Martin selbst nichtsehend. Aber diese Sitzungen strengten ihn besonders an. Er musste sich hierfür schließlich selbst auf einem Gebiet erforschen, das er tagsüber am liebsten vergaß.
Die stereotype Sichtweise auf das Thema „Blindheit“ nervte ihn, erschwerte ihm zunächst den Zugang zum Studium – „nicht darstellbar“ hieß es von den Professoren. Als er nach langem Hin und Her dann doch an der psychologischen Fakultät der Universität Hamburg zugelassen wurde, sein Studium mit Erfolg hinter sich brachte und anschließend eine Therapeuten-Ausbildung absolvierte, fand er keine Frau, während seine Kommilitonen auf den Studentenpartys schon längst mit manchmal vier unterschiedlichen Kommilitoninnen in der Woche ins Bett sprangen.
Dann wurde es schwierig mit dem Job. Außer einer eigenen Praxis traute ihm niemand etwas zu. Niemand wollte auch nur ein bisschen Verantwortung übernehmen. Es war schließlich alles andere als alltäglich, dass ein Mitarbeiter ohne Augenlicht eingestellt wurde. Obwohl seine Professoren immer wieder betonten, dass er als Psychotherapeut besonders geeignet sei – schließlich könne er besser als andere auf Dinge wie Tonfall, Unruhe in der Stimme und den Duft von Angstschweiß achten. Die übrigen Sinne waren schließlich sehr viel schärfer ausgeprägt, wenn ein entscheidender Reiz fehlte. Aber auch an der Uni wollte man ihn nicht beschäftigen.
Fünf Jahre war er jetzt sein eigener Herr, und er war hoch zufrieden damit, auch wenn er auf Patienten wie Priester Hellmann gut verzichten konnte. In diesem Moment kam alles wieder hoch: Der Unfall, die quietschenden Reifen, das Auto, das nicht mehr bremsen konnte und ihn im Alter von 12 Jahren auf die Fahrbahn schleuderte. Ein Wunder, dass er überlebte, das sagten die Ärzte noch vier Jahre später. Sein Kopf war größtenteils zertrümmert, das Gehirn gequetscht und die Stirn stark zusammengepresst. Der Sehnerv war nicht mehr zu retten gewesen. Für seine Eltern war es in dem Moment wahrscheinlich viel schlimmer als für ihn selbst. Ihm war klar – nachdem er aus dem künstlichen Koma erwacht war – dass er alles irgendwie schaffen würde. Für Außenstehende war es wahrscheinlich schwer zu begreifen. Ins Nachdenken kam er erst später, kurz nach dem Abitur. Es stellten sich wahnsinnige Träume ein, in denen er sehen konnte und die sich in grellen Farben aufdrängten. In der Traumwelt hatte er keinerlei Einschränkung. Auch Jahre später wachte er nachts noch immer schweißgebadet mit dröhnenden Ohren auf und zitterte. Erst die Wolldecke, die stets unter seinem Bett lag, konnte ihm in diesem Moment ein wenig Linderung verschaffen.
Dennoch hätte alles viel schlimmer kommen können. Es ging ihm gut, besser als es irgendein Arzt prophezeit hatte. Da war das eine Schuljahr, das er wiederholen musste, ein kaum spürbares Opfer. Ja, auf die Schule konnte er weiter gehen. Er musste lernen, mit speziellen technischen Geräten umzugehen, die Blindenschrift zu lesen und aufmerksam zuzuhören.
Er fühlte auf seine aufklappbare Uhr. Mit spitzen Fingern erkundete er die Zeigerstellung. Es waren jetzt noch fünf Minuten, bis der teuflisch verwirrte Gottesmann auf seiner Couch Platz nehmen würde. Wahrscheinlich würde es wieder um irgendwelche mittelschweren Verbrechen gehen, über die er zu keinem anderen Menschen sprechen konnte, ja, unter Aufbietung all seiner christlichen Wertvorstellungen nicht sprechen durfte.
„Herr Dr. Limbgreen, kann Herr Hellmann schon reinkommen? Er ist heute etwas früher.“
Die blonde Arzthelferin Mirja steckte ihren frisch frisierten, mit Locken bedeckten Kopf zur Tür hinein. Ein Schwall von Zigarettenrauch, gemischt mit einem süßen Parfüm, drang durch die geöffnete Tür ins Behandlungszimmer. Es war einer der wenigen Fehler, die Mirja in Martins Augen hatte: Sie rauchte zu viel. Der Zigarettengenuss verschaffte ihr eine leicht raue Stimme, die aber immer noch hell und freundlich klang. Priester Hellmann – nun, es gab ja doch kein Entrinnen. Martin straffte seinen Oberkörper, obwohl Hellmann ihn ja gar nicht sehen konnte, rang seine ungewöhnlich großen Hände und stimmte zu.
„Er soll kommen“, sagte Martin, dann habe ich es schneller hinter mir, waren seine Gedanken, die er aber schnell verscheuchte. Die Sitzungen mit Hellmann strengten ihn sogar noch mehr an als die gelegentlichen Auswärtstermine, die er nur in Ausnahmefällen gemeinsam mit seiner Assistentin Mirja wahrnahm.