Anstiften, Anstoßen, Aufbauen. - Christoph Kroschke - E-Book

Anstiften, Anstoßen, Aufbauen. E-Book

Christoph Kroschke

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Beschreibung

Deutschland steht vor enormen wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Herausforderungen: Inflation, Lieferengpässe, Energiekrise und geopolitische Machtverschiebungen. Die Folge ist nicht mehr nur eine Stimmung: Unser sicher geglaubter Wohlstand gerät ins Wanken. Und damit auch der soziale Frieden in Deutschland. Die Familienunternehmer und Stifter Christoph und Felix Kroschke zeigen, wie wir auf diese Herausforderungen reagieren müssen: Mit einem starken Dritten Sektor, der ganz nach unternehmerischen Prinzipien handelt und so auf der Überholspur am behäbigen Behördenapparat vorbeizieht. Stiftungen und andere gemeinnützige Organisationen sind nah an den Menschen, weiten den Blick auf die ganze Bandbreite sozialer Schieflagen in Deutschland. Und seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in Deutschland in der Tat von einem Stiftungsboom gesprochen. Aber nur effektive Stiftungen sind auch in der Lage, einen echten Beitrag zum Gemeinwohl zu leisten. Die meinungsstarke These des Buches: Wir brauchen mehr Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich stifterisch engagieren und wir brauchen Rahmenbedingungen, die dieses Engagement vereinfachen. Weniger Bürokratie, mehr Anreize, einfachere rechtliche Rahmenbedingungen, weniger Vorurteile über gesellschaftspolitisch engagierte Unternehmer. Vor dem Hintergrund der größten Reform des Stiftungsrechts seit Jahrzehnten, die im Juli 2023 in Kraft tritt, plädieren die Autoren vehement für den Transfer von best practices guter Unternehmensführung in den Stiftungssektor und für mehr Kooperation im dritten Sektor. Abgerundet wird das Buch mit einem praktischen Leitfaden für Stiftungsgründer: Was gibt es vorab zu bedenken, welche Fallstricke bestehen und von welchen Leuchtturmprojekte können wir lernen?

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Anstiften

Anstoßen

Aufbauen

Christoph Kroschke   Felix Kroschke

Anstiften

Unternehmerisches Engagement

Anstoßen

schafft sozialen Frieden

Aufbauen

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Ein Plädoyer für sinnstiftendes Unternehmertum

Kapitel 1

Anstiften

1 / Die Welt im Krisenmodus: Der bürokratische Staat kehrt zurück

2 / Unternehmen sind vom sozialen Frieden abhängig – und müssen diesen mitgestalten

Kapitel 2

Anstoßen

3 / Selbstverortung: Der deutsche Mittelstand, seine Unternehmer und die Positionierung in der Stiftungslandschaft

4 / Generationen-Gespräch: Zwischen Fortschritt und Bewahren – wie die Übergabe von Unternehmen und Stiftung gelingt

5 / Konkurrenz oder Ergänzung zum Staat: Wie Stiftungen strukturell wirken können

6 / Vorurteile über Stiftungen – und was an ihnen falsch ist

7 / Vorbild für Europa? Die Giving Back Culture der USA

Kapitel 3

Aufbauen

8 / Zweifelhafter Boom: Die Stiftungslandschaft wächst – aber viele sind ineffizient

9 / Schwerpunkt und Wirkung gesucht: Damit Stiftungen den größtmöglichen Nutzen erzielen

10 / Verbrauchsstiftung: Plädoyer für ein neues Modell

11 / Kommunikation: Tu Gutes und sprich darüber – und hol Rat aus dem Zielumfeld ein

12 / Stiftungsorgane: Wie die Auswahl getroffen werden sollte

13 / Governance: Fehler, die Stiftungen vermeiden müssen

14 / Finanzen: Warum Stiftungen ihr Kapital mutiger und nachhaltiger anlegen sollten 

15 / Nachhaltigkeit: Warum Klimaschutz auch für Stiftungen relevant ist

16 / Diversity: Die Vorteile der Vielfalt

Anfangen: Engagiert euch!

Glossar

Über die Autoren

Einleitung: Ein Plädoyer für sinnstiftendes Unternehmertum

Schwirrt Ihnen auch manchmal der Kopf? Weil wir in einer so unübersichtlichen Zeit leben, in der kaum noch etwas zueinander zu passen scheint und Gegensätze dominieren? Und weil Unklarheit und Divergenz es einem so schwer machen, seinen Weg zu finden und zwischen den Extrempositionen zu navigieren?

Nehmen wir als Beispiel nur die großen Wirtschaftsskandale der vergangenen Jahre, die Verunsicherung und Misstrauen nicht eben beschwichtigen helfen: Obwohl vor allem von Konzernen produziert, sehen sich mittlerweile alle Unternehmen – also auch Familienunternehmer im Mittelstand wie wir – einem enormen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt, häufiger und massiver denn je. Dabei werden wir seit Jahren geradezu überrollt von einer legislativen Wut, die alle Bereiche der Wirtschaft erfasst und speziell den klassischen Mittelstand vor erhebliche Herausforderungen stellt.

Natürlich gehörten Insolvenzen, geplatzte Fusionen und leider auch Betrugsfälle immer schon zum Bild. Hinter Firmen stehen Menschen, und wenn Menschen sich zusammentun und gemeinsam das Ziel verfolgen, Gewinne zu machen, dann läuft nicht alles glatt. Da werden Fehler gemacht und riskante Entscheidungen getroffen. Große Egos treffen auf schüchterne Genies, Talente auf weniger Begabte. Die einen bringen ihre Teams voran, die anderen sind von Gier, Selbstsucht und Missgunst getrieben. Und wieder andere – sehr wenige – werden kriminell. Wie im Rest der Gesellschaft sind in Unternehmen die unterschiedlichsten Charaktere vertreten, gelten also letztlich dieselben Regeln.

So gesehen könnte man annehmen, dass die negativen Schlagzeilen, die Konzerne, Parteien und sonstige Institutionen in jüngster Vergangenheit produziert haben, nichts wirklich Neues, sondern eine Fortsetzung der bisherigen Erfahrungen sind. Und doch hat sich etwas verändert in jüngster Zeit. Die Dreistigkeit und Skrupellosigkeit, so scheint es uns, mit der Politiker, Vorstände und Manager die ihnen übertragene Macht zu ihrem Vorteil nutzen, zeigen sich in neuer Dimension. Eine Dimension, die nicht nur auf sie zurückfällt. Auch wir, die sich an die Regeln halten, müssen uns immer wieder die Frage gefallen lassen, ob wir genauso handelten, ebenfalls bloß an der Maximierung unserer Gewinne interessiert seien und unser Agieren ohne Rücksicht auf andere Interessen gestalteten. Wir werden, das spüren wir deutlich, in einen Topf geworfen mit denen, die die Regeln ganz offenkundig brechen. Dass sich jemand die Mühe macht zu unterscheiden, sich informiert und differenziert, wird seltener.

Stattdessen werden die Debatten lauter und polemischer und fast nur noch um bloße Meinungen geführt.

Alles, was abseits des Mainstreams bleibt, wird kaputtgeredet, wenn nicht gleich in aggressiver Gegenreaktion verunglimpft.

Dabei ist es gar nicht so, dass wir die Empörung über zweifelhafte Unternehmenspraktiken nicht verstehen würden. Zwar nicht in allem, aber im Grundsatz teilen wir sie sogar.

Etwa wenn wir das Treiben des österreichischen Immobilienunternehmers René Benko verfolgen.1 Nachdem dieser seine Kaufhauskette Karstadt mit dem Konkurrenten Kaufhof zu einem Konzern zusammengeschlossen und vollmundig »nachhaltige, langfristige Perspektiven« für die mehr als 170 Filialen und tausenden Mitarbeiter versprochen hatte, verließ ihn sein unternehmerisches Können plötzlich, als es im Tagesgeschäft darum ging, die Kunden zurückzugewinnen, die zu den Online-Händlern abgewandert waren. Filialen wurden geschlossen, Angestellte entlassen. Gleich zweimal wurde Schutzschirm-Insolvenz angemeldet und schließlich Staatshilfen in Höhe von 680 Millionen Euro beantragt – die dann auch gewährt wurden! Wie viel Benko von dem Steuergeld jemals zurückzahlen wird, steht in den Sternen. Die Förderung war eigentlich für Unternehmen vorgesehen, die vor der Corona-Pandemie noch nicht in der Krise waren. Wir selbst konnten ein Portfoliounternehmen nicht durch die Krise führen, weil es bereits vor der Corona-Pandemie in der Restrukturierung befindlich war.

Vollends fassungslos macht es einen, wenn man von Unternehmen erfährt, bei denen Geld in Milliardenhöhe mal eben verschwinden kann. Wo die Summe von 1,9 Milliarden Euro abgeblieben ist? Keine Ahnung, sagen die ehemals Verantwortlichen des einstigen Finanzdienstleisters und Dax-Konzerns Wirecard, zumindest die, die von den Strafermittlern festgesetzt und vor Gericht gebracht werden konnten; einer von ihnen wird bekanntlich seit seiner Flucht per internationalem Haftbefehl gesucht. Dass die Aufsichtsbehörden und Wirtschaftsprüfer über Jahre hinweg nicht in der Lage waren, Wirecards erfundene Umsätze in den Bilanzen von nicht existierenden Kunden zu erkennen, kommt noch erschwerend hinzu. Erst nachdem Journalisten der britischen Financial Times maßgeblich zur Aufdeckung beigetragen hatten, begann dann auch die juristische Aufarbeitung des – laut Staatsanwaltschaft – »bandenmäßigen Vorgehens«.

Doch auch dort, wo fast ausschließlich mit öffentlichem Geld gearbeitet wird, scheint der Begriff Selbstbedienungsmentalität nicht gänzlich unbekannt zu sein.

Gezeigt hat das unter anderem die Intendantin des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) Patricia Schlesinger, die zusammen mit weiteren Angestellten des Hauses, darunter der Chefaufseher, gehen musste, nachdem ein Geflecht aus Filz und Vetternwirtschaft bekannt geworden war. Gemeinsam sollen sie sich unrechtmäßige Vorteile verschafft haben durch überhöhte Gehälter, Bonuszahlungen, dienstlich abgerechnete Privatpartys, Firmenautos mit Massagesitzen und eine überteuerte Renovierung der Chefetage. Keine Spur von Sensibilität im Umgang mit öffentlichen Gebühren, um die praktisch kein Besitzer eines Fernsehers, Radios oder Computers mit Internetzugang herumkommt. Auch dass neben dem finanziellen Desaster die Reputation der RBB-Mitarbeiter und des öffentlich-rechtlichen Rundfunks stark angekratzt wurde, nahmen Schlesinger & Co. offenbar billigend in Kauf. In einer Zeit, in der unabhängige, von Lesern und Zuschauern finanzierte Medien noch wichtiger sind als vielleicht je zuvor seit deren Einführung, ist das Signal fatal. Und zumindest hätte diese Affäre zu ernsthaften Reformen führen müssen. Immerhin hatte sie das Zeug, das grundsätzliche Vertrauen in den Journalismus zu untergraben und damit langfristig die Demokratie zu schwächen.

Die Reihe der Skandale lässt sich, wir wissen es alle, beliebig verlängern: um die Masken-Deals der Unions-Politiker während der Pandemie; um die obszönen Profite der Energiekonzerne durch Russlands Krieg gegen die Ukraine; um die US-Kryptobörse FTX, deren Gründer nach seinem rasanten Aufstieg und jähen Absturz vor Gericht landete; um die Cum-Ex-Betrugsfälle von Banken und Investoren; um die VW-Affäre oder – weiter zurück – die globale, von gierigen Spekulanten ausgelöste Finanzmarktkrise 2007/2008.

Angesichts solcher Vorkommnisse sind Forderungen nach mehr Verantwortungsbewusstsein in der Wirtschaft berechtigt.

Zockende Führungspersonen, die ganze Firmen aufs Spiel setzen und die Existenz der Mitarbeitenden und ihrer Familien riskieren, sind nicht tragbar. Weder für das jeweilige Unternehmen noch für die Gesellschaft, zumal die Folgen gerade bei international verwobenen Organisationen nur schwer abzusehen sind. Wenn Regierungen anschließend zur Rettung mit Steuergeldern herbeieilen, die eigentlich für Schulen, den Netzausbau oder die Instandsetzung der Infrastruktur gedacht waren, entsteht ein doppelter Schaden.

Zugleich sehen wir eine Gefahr darin, dass die Erwartungen an Unternehmer und Unternehmerinnen zu groß werden. Die Mischung aus Ethik-Appellen und bürokratischen Vorgaben, die mehr Umweltbewusstsein, soziales Engagement und Nachhaltigkeit einfordern und verpflichtend machen sollen, überfrachten die operative Arbeit insbesondere von kleineren und mittelständischen Betrieben, die gerade das wirtschaftliche Rückgrat in Deutschland bilden. Bei ihrem Bemühen, alle Auflagen und Anforderungen zu erfüllen, geraten sie gegenüber wirtschaftlich stärkeren Unternehmen in Rückstand, weil sie sich die notwendige Unterstützung durch entsprechende Spezialisten nicht leisten, geschweige denn die gestiegenen Kosten durch höhere Preise kompensieren können. Ihnen bleibt nur, die Anpassung an die diversen neuen »Werte und Missionen«, an Vorgaben durch »CSR«, »ESG« und »New Work« mit den bisherigen Mitteln zu stemmen – und das zusätzlich zur täglichen Arbeit. Denn, so ließe sich zugespitzt formulieren: Nur wer agil bleibt und flexible Arbeitszeiten im Homeoffice ermöglicht, hat die Chance, innovativ zu sein und auch künftig noch Geschäfte zu machen. Zugleich ist man gefordert, eine eigene Haltung zu demonstrieren und authentisch aufzutreten, sowohl nach außen als auch nach innen; oder auch die Unternehmensphilosophie in einem Leitbild zu verankern, damit daraus eine Kultur des gegenseitigen Respekts entstehen kann. Falls das nicht auf Anhieb gelingt, kann auf die Hilfe spezialisierter Agenturen zurückgegriffen werden, die dann den individuellen »Purpose Readiness Index« 2 ermitteln und anschließend die »erfolgreiche Purpose-Entwicklung in fünf Schritten« als Durchlauf anbieten.

Zwischen Skandalen und Kriminalität auf der einen Seite und überbordenden moralischen Ansprüchen auf der anderen scheint es, folgt man den aktuellen Debatten, nicht viel zu geben.

Dabei existiert sehr wohl ein gesundes Maß, das für Mittelständler und Familienunternehmen ganz regulär gilt und nach dem sie handeln. Tag für Tag, überall in Deutschland.

Da sie damit selten oder auch gar nicht ins Rampenlicht geraten, ist auch ihr tägliches Engagement außerhalb ihres Firmengeländes und Bürogebäudes kaum sichtbar. Sie operieren nicht kurzfristig nach den aktuellsten Trends, sondern in langfristiger Perspektive. Setzen dabei auf Substanz und prüfen laufend, ob ihre Arbeit und Investitionen auch noch in ein, zwei Generationen relevant sein werden und ob sie das, was sie aufbauen, später mit gutem Gewissen an ihre Kinder und deren Kinder übergeben können. Das ist auch der Grund, warum sich viele gesellschaftlich engagieren und über ihr Unternehmen hinaus etwas bewirken möchten. Zum Beispiel, indem sie eine Stiftung gründen.

Genau diesen Entschluss haben wir für unser Unternehmen getroffen. Ich, Christoph Kroschke, habe in den 1970er-Jahren zusammen mit meinem Bruder Klaus den Betrieb unserer Eltern übernommen. Von Braunschweig aus, wo sie sich mit dem Prägen von Autoschildern eine Existenz aufgebaut hatten, haben wir die Firma über die niedersächsischen Grenzen hinaus bundesweit bekannt und groß gemacht. 1993 entschieden wir uns dann dafür, einen weiteren Schritt zu gehen, und gründeten die Kroschke Kinderstiftung. Aus der Erfahrung dieser Stiftungsarbeit ist, vor jetzt 25 Jahren, ein erstes Buch mit dem Titel Stiften mit Gewinn entstanden. Es ging uns darum, damit unseren Standpunkt zu vermitteln, warum man sein Geld in eine Stiftung investieren und sich für Menschen, die vom Staat nicht die notwendige Hilfe erhalten, einsetzen sollte. Wichtig war uns aber auch, wesentliche Stiftungsaspekte zu erörtern, beispielsweise seine Steuern selbst zu steuern, die Nachfolge zu regeln, sich Absatzmärkte zu sichern und Innovationen zu fördern.

Aus mehrerlei Gründen haben wir uns entschlossen, diese Überlegungen und Anregungen wieder aufzunehmen und in einem neuen Buch weiterzuführen. Wie mittlerweile nämlich zu beobachten ist, werden Stiftungen oft nicht mit ausreichend Kapital ausgestattet, sodass sie ihrem Zweck nur unzureichend nachkommen können. Unternehmer sollten ihre Stiftung deshalb nicht getrennt von ihrem Geschäft betrachten, sondern beides miteinander verknüpfen, Synergien erzeugen und diese zum Wohle aller einsetzen.

Hinzu kommt, dass zum 1. Juli 2023, also etwa zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Buches, eine Stiftungsreform in Kraft treten wird, durch die das jahrhundertealte Modell des Stiftens in eine neue Zeit überführt werden soll. Lange wurde an der Neugestaltung des Stiftungsrechts gearbeitet, und nicht alle für eine Reform wichtigen Aspekte sind nach Auffassung von Experten beachtet und umgesetzt worden. Auch wir sehen Defizite, die man hätte angehen und lösen müssen. Um welche es sich dabei handelt, wird vor allem im dritten Kapitel angesprochen. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist es weiter notwendig, sich mit der Frage zu befassen, wie Stiftungen in Zukunft aussehen und welche Rolle sie in unserer Gesellschaft spielen sollen und können. Anders als vor 25 Jahren haben Stiftungen mehr Konkurrenz bekommen, Gründer und Unternehmer haben vielfache Möglichkeiten, ihr Engagement zu organisieren. Auch spielen Themen der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit inzwischen eine ganz andere, sehr aktuelle Rolle, vor der sich Stiftungen nicht verschließen dürfen, sondern sich den brennenden Fragen stellen sollten: Wie divers ist die Stiftung aufgestellt? Wie breit oder spitz ist der Zweck definiert, wie wird die Wirkung gemessen, und wie groß ist sie überhaupt? Und auch: Wird das Kapital bereits nach ESG-Kriterien angelegt, oder lauern darin womöglich Reputationsrisiken, die zu negativen Schlagzeilen führen könnten?

Darüber hinaus bewegt uns weiterhin die so wichtige Frage der Nachfolgeregelung. Wie gelingt es, ein Unternehmen und seine Stiftung so zu übergeben, dass beides langfristig Bestand hat und die jüngere Generation ihre Ideen und Vorstellungen eines zukunftsweisenden Geschäftsmodells und des stifterischen Engagements einbringen und verwirklichen kann? Die Verantwortung für die Christoph Kroschke GmbH liegt seit ein paar Jahren in den Händen meiner Söhne Philipp und Felix. Letzterer hat im Stiftungsrecht promoviert und mittlerweile auch den Vorsitz der Stiftung übernommen. Wir betrachten dieses Buch, das in gemeinsamer Arbeit entstanden ist, als Bestandsaufnahme und Zeugnis der Transformation und – hoffentlich – als Inspiration für andere Gründer und Unternehmer, unserem Weg zu folgen. Eine Anleitung wollten wir damit nicht vorlegen.

Denn anders als vielfach angenommen, ist es grundsätzlich nicht schwer, eine Stiftung ins Leben zu rufen.

Es gibt Ratgeber und als Ansprechpartner den Bundesverband Deutscher Stiftungen; die Stiftungsbehörden in den Bundesländern verstehen sich ebenfalls als Dienstleister und helfen bei der Formulierung von Satzungen. Zudem haben Stifter sehr vielfältige Möglichkeiten, ihren Willen auszugestalten. Jeder Unternehmer bringt entsprechend seinem Geschäftsmodell, den Firmenstrukturen, dem familiären Hintergrund und dem zur Verfügung stehenden Kapital ganz eigene Voraussetzungen mit – und dieser Vielfalt könnten wir im Rahmen dieses Buches nicht in allen Facetten gerecht werden. Auch Privatpersonen, Künstler oder sonstige Förderer gründen Stiftungen mit interessanten Zwecken.

Welchen Zweck sollte ein Unternehmen verfolgen, welchen Sinn soll es haben? Managementberater Peter F. Drucker erklärte dazu einst, dass sich das freie Unternehmertum nicht dadurch rechtfertigen ließe, dass es dem Geschäft diene. »Es lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass es der Gesellschaft dient.« Oder anders formuliert: »Unternehmen machen nicht Geld, sondern Schuhe.« 3 Der Mathematiker James Collins wies zusammen mit Jerry I. Porras in mehreren Studien ab Ende der 1980er-Jahre nach, wie wichtig der Purpose für erfolgreiche Unternehmen ist, also der verfolgte Zweck, der nicht das Geldverdienen als erstes und vor allem ausschließliches Ziel definiert; Werte und ein ideologischer Anker seien hierfür essenziell.4 2009 wurde der Berater und Autor Simon Sinek bekannt, weil er in einem TED-Talk und seinem Buch Start with Why darlegte, wie wichtig es sei, sich darüber klar zu werden, warum man etwas mache. Erst danach sollte man sich mit dem »Was« und dem »Wie« befassen. So wie Unternehmen organisiert und Manager überfrachtet seien, komme es aber viel zu selten dazu.

Dass der innere Antrieb zu häufig auf der Strecke bleibt, liegt auch an dem Einfluss eines anderen Vordenkers. Vor rund 50 Jahren erklärte der Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman bekanntlich, dass für die gesellschaftliche Legitimierung einer Firma die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Maximierung der Gewinne ausreichen. Diese schlichte Betrachtung war schon damals verkürzt, und selbst börsennotierte Konzerne, die quartalsweise berichten müssen und deren Shareholder ordentliche Renditen einfordern, dachten – in der Regel – in mehr Dimensionen. Der Kern von Friedmans Überlegung hält sich bis heute trotzdem hartnäckig. Natürlich ist es richtig, dass ohne Umsätze und Gewinne alles nichts ist. Keine Firma kann dauerhaft defizitär sein. Sie muss Überschüsse erwirtschaften, auch um neu investieren und konjunkturschwache Phasen überbrücken zu können – erst dann wird der Wirtschaftskreislauf angetrieben und aufrechterhalten, von dem viele profitieren, nicht nur Unternehmer. Aber weil wir am Horizont mehr existenzielle Gefahren sehen als in den vergangenen Jahrzehnten – darunter Klimawandel und Artensterben, Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, politischer Rechtsruck in vielen Staaten und die Aushöhlung demokratischer Normen und Institutionen –, ist es wichtiger denn je, abzuklopfen, wofür man steht und welchen Beitrag man zur Bewältigung der Probleme leistet. Über die finanziellen Kennziffern hinaus.

Leicht ist das nicht. Aufgrund der komplexen Krisen, die viel Verunsicherung mit sich bringen, suchen wir Halt und Orientierung. Die Multioptionsgesellschaft, in der wir leben und die uns mit immer neuen Reizen konfrontiert, verleitet aber dazu, sich laufend andere Fixpunkte zu suchen, die Halt und Orientierung versprechen. Die daraus resultierenden kurzlebigen Trends und die Sprunghaftigkeit finden sich auch in Unternehmen, sowohl in der Führung und Belegschaft als auch bei den Partnern und Kunden. Es ist daher vielleicht so kompliziert wie nie, eine einmal beschlossene Strategie durchzuziehen. Wer sich trotzdem – oder gerade deshalb – entschließt, eine Stiftung aufzubauen, setzt gerade jetzt ein deutliches Signal. Anders als eine einmalige Spende oder ein Freiwilligentag für die Mitarbeiter ist eine Stiftungsgründung kein singulärer Akt, sondern steht für die Zusage, sich mit seinem Engagement langfristig zu binden. Mittelständler und Familienunternehmer beweisen durch ihre Arbeit, dass ihnen das nicht fremd, sondern Teil ihrer DNA ist. Deshalb wollen wir noch mehr von ihnen ermuntern, uns zu folgen: zuerst durch dieses Buch und dann in die Welt der Stiftungsgründer.

1 Ehe, Krise, Korruption? Protokoll eines Absturzes«, in: Wirtschaftswoche, 03.11.2022.

2 Purpose Readiness Index Deutschland 2022. Abrufbar unter: https://globe-one.com/german/lateststudies/purpose-readiness-index-deutschland-2022/ (zuletzt abgerufen am 12.05.2023).

3 Peter Drucker: »Die Manager tun mir leid«. In: Süddeutsche Zeitung, 17.05.2010. Abrufbar unter: https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/peter-f-drucker-die-manager-tun-mir-leid-1.141582-0#seite-2 (zuletzt abgerufen am 12.05.2023).

4 Philipp Lüninghöner: »Klassiker der Organisationsforschung« (30), in: Jim Collins, in: OrganisationsEntwicklung 4/2018.

 

1 / Die Welt im Krisenmodus: Der bürokratische Staat kehrt zurück

Wer in einer Krise steckt, ist gut beraten, sich Hilfe zu holen. Sich nur auf sich selbst zu verlassen reicht häufig nicht aus. Vor allem nicht bei der Vielzahl von Krisen, in denen wir – die gesamte Gesellschaft – gerade stecken. Zum Beispiel im Klimawandel: Er zwingt uns dazu, jede noch so kleine Handlung des Alltags zu dekarbonisieren, weil wir sonst unsere Lebensgrundlagen und die der kommenden Generationen zerstören. Oder geopolitisch: Durch Russlands Überfall auf die Ukraine ist eine neue Ära angebrochen – die Welt teilt sich wie schon im Kalten Krieg in zwei Lager auf, und erstmals seit dem Fall der Mauer gibt es wieder mehr Autokratien als Demokratien. Und in der Wirtschaft versuchen Unternehmen, ihre Lieferketten robuster zu machen, sodass sie weniger anfällig für externe Schocks werden und trotz Rohstoffengpässen und gestiegener Energiepreise produzieren können. Dann hat Covid-19 bewiesen, wie leicht ein Virus Millionen Menschen töten und sämtliche Nationen in den Lockdown schicken kann – wobei es jederzeit möglich ist, dass ein neuer Erreger vom Tier auf den Menschen überspringt und eine Epidemie oder Pandemie auslöst. Und schließlich sind digitale Technologien und insbesondere die Künstliche Intelligenz dabei, in immer mehr Bereiche des Lebens vorzudringen und unter anderem zahlreiche Jobs infrage zu stellen. In den sozialen Medien sind Hassreden vor allem gegenüber Minderheiten und Frauen an der Tagesordnung, Hacker greifen Firmen und Behörden an und erpressen sie, demokratische Wahlen werden unterwandert.

Seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 reihen sich negative Ereignisse und Trends von globaler Tragweite in so engem Takt aneinander, überlagern und beeinflussen sich gegenseitig, wie wir es bislang wohl noch nie erlebt haben. Die verbreitete Annahme, dass die Zivilisation schon einmal weiterentwickelter war als heute, lässt sich inzwischen sogar belegen. Der »Human Development Index« der Vereinten Nationen maß 2019 und 2020 eine rückläufige menschliche Entwicklung – erstmals seit Beginn der Aufzeichnung der Daten vor mehr als 30 Jahren.5

Zu erleben, wie die so lange als sicher empfundene Welt um uns herum brüchig wird und Risse bekommt, kann Gefühle der Überforderung und Ohnmacht auslösen. Vor allem, weil sich die Risse so oft gerade im Individuellen zeigen, individuell aber kaum zu kitten sind. Wer seinen gastronomischen Betrieb während der Pandemie vor dem Ruin retten und seine Angestellten weiter beschäftigen wollte, kam ohne staatliche Hilfsgelder und Kurzarbeit nicht über die Runden. Wer nachhaltiger leben und auf ein Auto mit elektrischem Antrieb umsteigen möchte, ist darauf angewiesen, dass Hersteller bezahlbare E-Autos anbieten und es ausreichend Ladesäulen im gesamten Straßennetz gibt. Wer darauf hofft, dass sich die mutigen Frauen und Männer im Iran aus der Unterdrückung ihres Regimes befreien, kann kaum mehr tun, als Videos in den sozialen Medien zu teilen und darauf zu setzen, dass andere Staaten ihnen zu Hilfe eilen.

Das ist es, was die großen Probleme unserer Zeit gemein haben: dass sie so stark verzahnt und verflochten sind, dass man ihnen nur mit strukturellen Veränderungen etwas entgegensetzen kann. Mit der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte haben sich auch die daraus resultierenden Herausforderungen globalisiert. Kaum etwas lässt sich noch im Alleingang bewältigen. Gefordert und gesucht sind große Lösungen.

Wenn die Deutschen momentan also auf die Bundesregierung blicken und nach den Antworten des Staats auf die multiplen Krisen fragen, ist das einerseits nur verständlich. Sie suchen Sicherheit im Wandel. Und die Politiker sind, wie sich zeigt, bereit, diese Rolle anzunehmen. Während der Pandemie, der Energiekrise und der Inflation schnürten sie im Akkord Entlastungspakete, verstaatlichten Unternehmen und schufen ein 100 Milliarden Euro großes »Sondervermögen« für die nicht wehrhafte Bundeswehr. Auch in anderen Ländern ist die Rückkehr des bürokratischen Staats, der sich vermehrt einmischt, regelt und lenkt, zu beobachten. Debattiert wird, ob mehr sogenannte »Moonshot Investments« nötig sind, um, als nur ein Beispiel, die Energiewende und Reduktion von CO2-Emissionen mithilfe technologischer Innovationen deutlich schneller als bisher voranzubringen. Dies anknüpfend an Erfolge wie die Mondlandung oder die Entwicklung des Internets, die, so die Argumentation, ohne die Initiative der US-amerikanischen Regierung nicht möglich gewesen wären.

Andererseits gilt es auch festzuhalten, dass der Staat sich mit seinen Unterstützungsleistungen mittlerweile übernimmt, finanziell wie organisatorisch.

Das Mikromanagement ufert in einem beunruhigenden Maße aus, immer mehr Geld – Steuergeld – fließt in die Aufrechterhaltung eines laufend größer werdenden Apparats. Bestes Beispiel: der Bundestag.6 Dieser hat im Frühjahr 2023 zwar beschlossen, sich selbst von derzeit 736 auf dauerhaft 630 Sitze zu verkleinern, nachdem eine wachsende Zahl an Überhang- und Ausgleichsmandaten für die stetige Aufblähung des Parlaments gesorgt hatte. Bei potenziell 800 Abgeordneten würden einer Rechnung des Bundes der Steuerzahler zufolge allein die Mehrkosten gegenüber der eigentlich angestrebten Sollgröße von 598 Sitzen 600 Millionen Euro betragen. Ob es aber bei dem jüngsten Beschluss bleibt, ist ungewiss. Und auch bei der Regierung wächst die Bürokratie scheinbar unaufhaltsam: Zusätzlich zu den 14 Ministern und Ministerinnen beschäftigt sie 36 parlamentarische Staatssekretäre 7 und 43 Beauftragte der Bundesregierung, so viele wie nie zuvor. Auch die Zahl der Beamten, die für die Regierung tätig sind, ist im gleichen Maße gestiegen (von 17 000 im Jahr 2010 auf mehr als 27 000 im Jahr 2022); im öffentlichen Dienst kamen zwischen 2010 und 2021 rund 500 000 Beamte hinzu, deren Gesamtzahl damit auf 4,7 Millionen stieg; die Zahl der öffentlichen Unternehmen wuchs von 14 704 (2008) auf 19 009 (2019).

Wer nun glaubt, dass mit diesem enormen Zuwachs die Qualität öffentlicher Dienstleistungen zugenommen hat, Anträge schneller bearbeitet und Innovationen vorangetrieben werden, täuscht sich.

Genehmigungsverfahren ziehen sich weiterhin in die Länge, etwa wenn es darum geht, dringend benötigte Windparks zu errichten. Die Digitalisierung der Ämter kommt kaum voran, und Ende 2022 erklärte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft: »Wir sind eine absolute Mangelverwaltung.« 8 Eigentlich sollten er und seine Kolleginnen und Kollegen die von der Energiekrise profitierenden Energiekonzerne zusätzlich besteuern und die Gelder aus den politisch beschlossenen Entlastungspaketen auszahlen, zielgerichtet an alle bedürftigen Bürger und Haushalte. Technisch wie personell war die Deutsche Steuer-Gewerkschaft mit dieser Aufgabe allerdings überfordert – was zu Fehlern und Verzögerungen führte. Der Ökonom Justus Haucap erklärte angesichts der zunehmenden Bürokratie im Handelsblatt: »Die wachsende Zahl an Positionen schafft in der Regel zusätzliche Mitwirkungsrechte und -pflichten und Berichtspflichten, die oftmals eher lähmen als beschleunigen.« 9

Der Staat muss sich verschlanken und die Zahl seiner Beamten um zwei Drittel reduzieren. Dass er es nicht tut, hat Folgen. Steuern werden vergeudet, und das Übermaß an Bürokratie lässt die Bürger unselbstständig werden. Eigenverantwortung, aus der heraus wir beispielsweise unser Familienunternehmen aufgebaut haben, schwindet immer weiter. Inzwischen wird jeder Schritt vermessen und überwacht. Zum Start des Jahres 2023 erfragten die Verbände Die Familienunternehmer und Die jungen Unternehmer unter ihren Mitgliedern deren größte Sorgen.10 Zwei Punkte stachen heraus und landeten anders als in den Vorjahren auf den vorderen Plätzen: die Verkrustung des Arbeitsrechts und die Befürchtung, künftig deutlich mehr Zeit für die Arbeitszeiterfassung der Mitarbeitenden aufwenden zu müssen. Das Statistische Bundesamt weist die Ausgaben, die Unternehmen in Deutschland für Statistikmeldepflichten aufwenden müssen, mit 350 Millionen Euro aus. Der Bundesregierung zufolge kostet die Bürokratie die Wirtschaft jedes Jahr mehr als 51 Milliarden Euro.11