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Die "Antifaşist (Antifa) Gençlik" wurde 1988 in Berlin an der Schnittstelle migrantischer Vereinskultur, Jugendbanden des Kiez und autonomer antifaschistischer Politik gegründet. Bald bildeten sich Antifa-Gençlik-Gruppen in mehreren deutschen Städten und darüber hinaus. Mitte der 1990er Jahre lösten sich die Strukturen als Folge staatlicher Repression auf. Bis heute stellt die Antifa Gençlik einen einzigartigen Organisationsansatz im Kontext autonomer und antifaschistischer Politik in Deutschland dar. Dieser Band dokumentiert die theoretischen Grundlagen und die Praxis der Organisation anhand von Artikeln, Diskussionspapieren und Interviews, die von 1988 bis 1994 erschienen. Zusätzlich beinhaltet er den bisher unveröffentlichten Erfahrungsbericht eines ehemaligen Mitglieds sowie Begleittexte zur historischen Verortung und gesellschaftlichen Bedeutung der Antifa Gençlik. Das Buch will einen Beitrag zur Dokumentation linker Bewegungsgeschichte leisten und Debatten zu antifaschistischem Widerstand, migrantischer Selbstorganisation, linken Bündnissen und antirassistischer Politik anregen.
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Seitenzahl: 226
Veröffentlichungsjahr: 2022
Der ak wantok ist ein Herausgeber_innenkollektiv, das sich 2009 bildete, um das Buch Perspektiven autonomer Politik zu veröffentlichen.
ak wantok (Hg.)
Antifa Gençlik
Eine Dokumentation (1988-1994)
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation
in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar
ak wantok (Hg.):
Antifa Gençlik
3. Auflage, März 2021
eBook UNRAST Verlag, März 2022
ISBN 978-3-95405-115-1
© UNRAST-Verlag, Münster
www.unrast-verlag.de | [email protected]
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Umschlag: kv, Berlin
Satz: UNRAST Verlag, Münster
Teil I Einleitung
ak wantokVorbemerkung der Herausgeber_innen
Garip BaliHistorische und soziale Verortung
Teil IIDokumente der Antifa GençlikArtikel
Eine politische Plattform für einen antifaschistischen Widerstand(Diskussionspapier 1988)
Organisation der Jugend in dem sich entwickelnden Kampf gegen Faschismus(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 2, 1990)
Wahlrecht für alle(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 1, 1990)
Das Ausländergesetz und die Frauen(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 4, 1991)
Schluß mit dem Terror auf die Gruppen 36 Boys, Black Panther, Fighters …(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 2, 1990)
Die Jugend kann nicht zum Stillschweigen gebracht werden!(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 1, 1990)
Der nächste… dein Kopf!(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 4, 1991)
Warum antifaschistische Jugend?(Antifaşist Haber Bülteni, Nr. 1, 1990)
Flugblätter
Hand in Hand auf die Straße … (1989)
Wahlrecht für alle – Nein zum Ausländergesetz! (1989)
20. April (1990)
Gedenken an Ufuk Şahin (1990)
Weg mit den alten und neuen »Ausländergesetzen«! (1990)
Gegen die Wiedervereinigungsfeiern (1990)
Aufruf zu Einheit und Widerstand (1992)
Interviews
»Keinen Fußbreit den Faschisten!«(Frontblatt. Zeitung der Volksfront Westberlin gegen Reaktion, Faschismus und Krieg, Jg. 2, Nr. 4, Mai 1990)
Widerstand der ImmigrantInnen gegen Rassismus und Faschismus(Antifaschistisches Infoblatt, Nr. 15, Sommer 1991)
»Wir müssen unsere Erfahrungen aufarbeiten«. Interview mit Kemal, Gründungsmitglied der Berliner ImmigrantInnengruppe Antifaşist Gençlik(Arranca, Nr. 4, Sommer 1994)
Kritik / Selbstkritik
Ercan Yasaroglu»Kritik Selbstkritik«
Teil IIINachwort
Çağrı KahveciNachwort zur 2. Auflage
Abbildungsverzeichnis
Als wir 2010 an dem Buch Perspektiven autonomer Politik arbeiteten, suchten wir auch Kontakt zu ehemaligen Mitgliedern der Antifa Gençlik. Die Antifa Gençlik (kurz für Antifaşist Gençlik, zu Deutsch ›Antifaschistische Jugend‹) wurde 1989 in Berlin gegründet und bestand hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) aus Jugendlichen, deren Familien aus der Türkei und Kurdistan nach Deutschland emigriert waren. Dem Berliner Beispiel folgend entstanden in den folgenden Jahren mehrere Antifa-Gençlik-Gruppen in deutschen Städten. Wir wollten der Antifa Gençlik in Perspektiven autonomer Politik einen Abschnitt widmen, da sie bis heute als eine von Migrant_innen getragene Antifa-Bewegung mit starker Anknüpfung an das autonome Milieu einzigartig ist.
Zu unserer primären Kontaktperson wurde das frühere Antifa-Gençlik-Mitglied Ercan Yasaroglu, der uns eine Reihe von Texten aus der Geschichte der Bewegung sowie eine persönliche (unveröffentlichte) Auswertung seiner Erfahrungen mit dem Titel »Kritik Selbstkritik« zur Verfügung stellte. Leider konnten wir im Rahmen von Perspektiven autonomer Politik nur Auszüge aus diesen Texten abdrucken. Schon damals hofften wir, zu einem späteren Zeitpunkt die gesamten Texte – gemeinsam mit anderen Dokumenten aus der Geschichte der Antifa Gençlik – herausgeben zu können. Nun ergab sich diese Gelegenheit, und so entstand dieses Buch.
Es ist uns wichtig, den Dokumentationscharakter dieser Publikation zu betonen. Wir sind aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage, eine »Geschichte der Antifa Gençlik« zu schreiben: wir wurden, als sich die Antifa Gençlik gründete, gerade erst politisiert; wir kommen nicht aus Berlin; und wir können nicht aus derselben migrantischen Perspektive sprechen.
Sich als Herausgeber_innen auf die Dokumentation einer politischen Bewegung zu beschränken, heißt natürlich nicht, einen Anspruch von Objektivität einnehmen zu können. Erstens können wir hier neben den öffentlich zugänglichen Texten nur diejenigen publizieren, die uns zur Verfügung gestellt wurden. Zudem handelt es sich bei dem vielleicht zentralen Text der Sammlung, »Kritik Selbstkritik«, um die subjektiven Reflexionen eines Einzelnen. Aber: vor die Alternative gestellt, die vorliegenden Texte unter den uns möglichen Bedingungen zu präsentieren oder gar nichts herauszugeben, entschieden wir uns für Ersteres. Dies aus folgenden Gründen:
Das Bewahren von Bewegungsgeschichte ist uns wichtig. Bisher gibt es jedoch keine einzige Publikation zur Antifa Gençlik, die deren Geschichte auch für jüngere Generationen zugänglich macht.
Die Einzigartigkeit der Antifa Gençlik verlangt auch zwanzig Jahre nach ihrem Ende noch, sich mit ihr analytisch auseinanderzusetzen, um über die Linke in Deutschland, die autonome und antifaschistische Bewegung, über migrantische Selbstorganisation und Möglichkeiten politischer Bündnisse nachzudenken.
Die Geschichte der Antifa Gençlik handelt von einem Versuch, aus migrantischer Perspektive in einen kapitalistischen, rassistischen und von faschistischen Tendenzen geprägten Alltag zu intervenieren. Entsprechende Ansätze und Diskussionen haben nichts an Aktualität verloren.
Die hier veröffentlichten Texte sind eine Mischung aus Positionspapieren, Artikeln, Interviews und Flugblättern. Sie sind nicht als Abschluss, sondern als Anstoß einer Debatte zu sehen. Alle Texte stammen aus dem Umfeld der Antifa Gençlik in Berlin. Gruppen, die sich Anfang der 1990er Jahre unter demselben Namen in anderen deutschen Städten bildeten, sowie Gruppen, die sich des Namens in jüngerer Zeit bedienten, sind hier nicht repräsentiert.
Die Konzentration auf Texte der Antifa Gençlik heißt auch, dass ihre aktivistische Seite nicht in der notwendigen Breite erfasst werden kann. Die Texte selbst sind nicht nur Ausdruck des Selbstverständnisses der Antifa Gençlik, sondern auch Beiträge zu Debatten, die in den 1990er Jahren in antifaschistischen Zusammenhängen stattfanden, wie etwa die Bündnisdebatte, die Organisierungsdebatte und die »4. Reich«-Debatte.
Wir haben die Texte so gegliedert, dass sie die Geschichte der Antifa Gençlik chronologisch aufrollen: die Sorge angesichts der im Kontext der deutschen Wiedervereinigung offen zutage tretenden faschistischen Strömungen, das allgemein rassistische Klima (das sich auf institutioneller Ebene unter anderem in den deutschen »Ausländergesetzen« widerspiegelte), und schließlich die Ermutigung zu Selbstorganisation und Widerstand. In den Originaltexten enthaltene Tippfehler und dergleichen wurden ausgebessert. Die Schreibweise von »Antifaşist Gençlik« wurde in dieser Form vereinheitlicht. Ansonsten wurden die Texte im Original – und damit auch in der vor 1996 gültigen Rechtschreibung – belassen. Was die ursprünglich auf Türkisch im AntifaşistHaber Bülteni erschienenen Texte betrifft, wurden uns damals angefertigte deutsche Übersetzungen zur Verfügung gestellt.
Um die Dokumente nicht im luftleeren Raum stehen zu lassen, haben wir zwei Genossen gebeten, sie einzurahmen: Garip Bali schildert in einem Vorwort die historischen und gesellschaftlichen Bedingungen, unter denen sich die Antifa Gençlik 1989 gründete, und Çağrı Kahveci fasst in einem Nachwort die politische Bedeutung der Organisation im Kontext linker Politik in Deutschland zusammen. Details zur Entstehungsgeschichte der Antifa Gençlik finden sich in »Kritik Selbstkritik«.
Zum Ende der Antifa Gençlik kam es 1994, als die Bewegung anlässlich des sogenannten »Kaindl-Falles« von der staatlichen Repression zerrieben wurde. Gerhard Kaindl war ein in der Landesführung der Deutschen Liga für Volk und Heimat organisierter Rechter, der am 3. April 1992 Stichverletzungen erlag, die ihm bei einer Auseinandersetzung mit Jugendlichen in einem Chinarestaurant in Berlin-Kreuzberg zugefügt worden waren. Die Polizei verortete die an der Auseinandersetzung beteiligten Jugendlichen im Umkreis der Antifa Gençlik. Es kam zu mehreren Verhaftungen und einigen Verurteilungen. Die kontroversen Diskussionen, die während und nach der Repressionswelle in der radikalen Linken geführt wurden, werden in diesem Buch nicht behandelt. Leser_innen, die sich für diese interessieren, seien vor allem auf zwei Broschüren verwiesen, die 1995 von Unterstützungsgruppen für die Gefangenen und Verdächtigten veröffentlicht wurden: Der »Fall Kaindl«. Eine Nachbetrachtung sowie Anna und Arthur drücken die Augen zu. Überlegungen zum »Kaindl-Fall«. Literarisch verarbeitet wurde der Stoff von Raul Zelik in dem 1997 erschienenen Roman Friss und stirb trotzdem.
Wir danken den ehemaligen Mitgliedern der Antifa Gençlik, mit denen wir Kontakt aufnehmen konnten, einer Reihe in Berlin lebender Genoss_innen sowie dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum Berlin (apabiz), den Redaktionen des Antifaschistischen Infoblatts und der Zeitschrift Arranca!, dem Bildarchiv Umbruch und dem Unrast Verlag für ihre freundliche Unterstützung bei diesem Projekt. Ohne ihre Hilfe wäre dessen Realisierung nicht möglich gewesen.
Um die Geschichte der Antifa Gençlik verstehen zu können, müssen wir uns die Situation der Migrant_innen in Deutschland Ende der 80er Jahre vor Augen halten. Die Migrant_innen – damals wurden sie noch Ausländer genannt, was auch als Selbstbezeichnung unüberlegt übernommen wurde – kamen aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland. Aus der Türkei waren schon in den 60ern viele als sogenannte »Gastarbeiter« gekommen und nach den Militärputschen von 1971 und 1980 kamen dann auch verstärkt politische Flüchtlinge und Student_innen. Es wurde viel darüber diskutiert, ob man in Deutschland bleiben oder wieder in die Türkei zurückkehren sollte. Dabei gab es eine Spaltung zwischen den Generationen: die Älteren sprachen oft über die Rückkehr, die Jüngeren sahen ihre Zukunft eher in Deutschland, und zwar trotz der Probleme, denen sie sich gegenübersahen: soziale Ausgrenzung und Diskriminierung genauso wie schlechte Ausbildung. Aber man wollte das Beste aus der Situation machen.
Sehr wichtig für das soziale und politische Leben der türkischen und kurdischen Migrant_innen war die Vereinskultur, die in Deutschland aufgebaut wurde. Die Vereine waren für viele Menschen wie familiäre Verhältnisse, sie bildeten ihr soziales Netz. Die Vereine, in denen sich die Linken organisierten, setzten sich zwar aus türkeistämmigen Migrant_innen zusammen, definierten sich aber eindeutig als Orte linker Politik. Der politische Fokus blieb dabei lange Zeit die Entwicklung in der Türkei. Anfang der 1980er Jahre etwa stand außer Frage, dass gegen die Brutalität der Militärdiktatur, der Tausende von Menschen zum Opfer fielen, protestiert werden musste. So versuchten wir durch vielfältige Aktionen, u.a. durch europaweite Hungerstreiks, das Schweigen in der Öffentlichkeit zu durchbrechen.
Im Laufe des Jahrzehnts entwickelten sich dann zwei Hauptströmungen in der türkisch-kurdischen Linken. Es gab einige, die die Hoffnung verloren, was den Kampf in der Türkei betraf; ihnen fehlten die Perspektiven, es machte sich ein Gefühl der Ohnmacht breit und sie begannen, sich auf ihr Leben in Deutschland zu konzentrieren. Viele nahmen sich jetzt primär als Migrant_innen wahr und nicht mehr in erster Linie als Linke. Das führte beispielsweise zur Bereitschaft, mit allen möglichen türkischen Organisationen in Deutschland zusammenzuarbeiten, auch Millî Görüş.
Gleichzeitig gab es Leute, für deren linke Identität zwar weiterhin der Bezug auf bestimmte Bewegungen in der Türkei wesentlich war, die diese Identität aber zunehmend im Kontext ihrer Situation in Deutschland definierten. Schließlich lebten sie dort, viele von ihnen schon lange Jahre. Eine wichtige Frage war in diesem Zusammenhang, wie sich Erfahrungen des linken Kampfes in der Türkei nach Deutschland übertragen ließen. Vor allem die Ansätze der Bewegung »Devrimci Yol« (abgekürzt Dev-Yol, auf Deutsch »Revolutionärer Weg«) wurden dabei aufgegriffen. Devrimci Yol hatte in der Türkei Ende der 1970er Jahren Widerstandskomitees gegründet, um die sozialen Verhältnisse in den Stadtteilen zu verbessern und den faschistischen Terror abzuwehren. Das Konzept, das in der autonomen Linken in Deutschland unter dem Begriff »Freiraum« bekannt wurde, war darin durchaus schon angelegt. Der Dev-Yol ging es darum, Räume zu schaffen, die sich, zumindest partiell, außerhalb des Zugriffs der Staatsmacht befanden. Die Rede von »befreiten Gebieten« machte die Runde. Es ging dabei um ganze Viertel, die Keimzellen der zukünftigen Gesellschaft sein sollten – hinsichtlich des Umgangs der Menschen miteinander, des Abbaus von Herrschaftsverhältnissen usw. In Fatsa, einer Kleinstadt am Schwarzen Meer, wurde sogar die Selbstverwaltung realisiert. Die politische Arbeit der Dev-Yol hatte immer einen klaren sozialistischen Anspruch, und diesen Anspruch übernahmen wir auch für unsere politische Arbeit in Deutschland. Die dringendsten Fragen waren dabei das fehlende politische Mitbestimmungsrecht (deshalb die vielen Kampagnen zum Wahlrecht für Ausländer_innen in jener Zeit), die Situation migrantischer Arbeiter_innen und der Rassismus, mit dem man sich täglich konfrontiert sah und der sich nach der Wiedervereinigung 1990 mit dem Wachsen des Nationalismus und den Pogromen gegen »Nicht-Deutsche« intensivierte. Die Organisation der Selbstverteidigung wurde zu einer zentralen Frage der politischen Arbeit und des täglichen Überlebens.
In diesem Kontext entstand die Antifa Gençlik, in der sich Gruppen aus einigen Stadtteilen Berlins zusammenfanden. Der Antifa Gençlik ging es vor allem darum, Nazis offensiv zu konfrontieren und von zentralen Orten zu verdrängen. Migrantische Jugendliche, die sich stadtteilweise in Gangs organisierten, sollten in diesem Prozess mobilisiert und politisiert werden. Die Antifa Gençlik war stark praxisorientiert, doch es gab auch die Bemühung, Analysen der Verhältnisse in Deutschland zu erstellen.
Wir können sagen, dass sich die Antifa Gençlik an einem Schnittpunkt von drei Strömungen formierte: da war erstens die Geschichte der migrantischen Selbstorganisation, etwa in Form der erwähnten türkisch-kurdischen Vereine; zweitens der enge Bezug zu den Jugendbanden, die sich damals verstärkt in migrantischen Stadtvierteln Berlins bildeten; und drittens der Bezug zur autonomen und antifaschistischen Szene, die in Deutschland in den 80er Jahren entstanden war.
Zur Bedeutung der türkisch-kurdischen Vereine habe ich schon etwas gesagt. Was die Jugendbanden betraf, so waren sie für die Antifa Gençlik besonders wichtig. Es gab eine enge Zusammenarbeit, und die Antifa Gençlik versuchte, die Jugendlichen zu politisieren bzw. die Jugendbanden in das politisierte Konzept des Anti-Nazi-Kampfes einzubinden. Das Etikett »Antifa« stand quasi für eine bewusste, politisierte Gruppe. Die Antifa Gençlik versuchte, durch einen gemeinsamen politischen Anspruch die Konkurrenzverhältnisse zwischen den Banden einzuebnen, was ihr nicht immer gelang.
Was das autonome Antifa-Element betrifft, so reflektierte es einen engen Bezug zur »deutschen Antifa«. Viele antifaschistische Aktionen wurden durchaus gemeinsam geplant und durchgeführt. Auch Diskussionen über unterschiedliche Erfahrungen und Standpunkte bezüglich der antifaschistischen Praxis und der Organisierung gehörten zum gemeinsamen Anliegen. Die Antifa Genclik konnte trotz unterschiedlichem Politikverständnis auf eine Art Rückendeckung und Logistik der Szene zurückgreifen. So kam die Zeitung der Antifa Gençlik, Antifaşist Haber Bülteni, zusammen mit dem Antifaschistischen Infoblatt heraus, und die Veranstaltungen der Gruppe fanden oft in Räumen der autonomen Linken Berlins statt.
Ich selbst war zu jener Zeit Mitglied des selbstorganisierten Migrantenvereins ADA (»Insel«). Wir organisierten soziokulturelle Aktivitäten und Antifa-Aktionen, solidarisierten uns mit dem politischen Kampf in der Türkei und gaben später die antirassistische und antifaschistische Zeitschrift inisiyatif heraus. Wir versuchten, der Hetze gegen Flüchtlinge etwas entgegenzusetzen, und machten vor allem Stadtteil- und Öffentlichkeitsarbeit. Durch die Zunahme der rassistischen Angriffe wurde auch das Selbstschutzkonzept zunehmend wichtiger. Beispielsweise organisierten wir eine Demonstration zum legalen Erwerb von Waffenscheinen, was eine große öffentliche Resonanz hervorrief. Mit der Antifa Gençlik arbeiteten wir immer wieder zusammen, hatten aber auch unsere Kritikpunkte. Der Fokus der Antifa Gençlik lag vor allem auf der Militanz, was unvermeidlich zur Verengung der politischen Arbeit führte.
Zusammenarbeit zwischen linken türkeistämmigen Migrant_innengruppen und herkunftsdeutschen Linken gab es immer auf verschiedenen Ebenen. ADA hatte beispielsweise mit einer Reihe von linken/autonomen Gruppen, Kollektiven und Hausgemeinschaften Kontakte, die als Ausgangspunkt für gemeinsame Aktivitäten und Projekte dienten. Die historische Phänomenalität von Antifa Gençlik besteht darin, dass sie in der Geschichte der Nachkriegszeit eine »massenhafte« Antifakultur (vor allem in Form von Organisierung des Selbstschutzes und militanter Verdrängung von Nazis) unter migrantischen Jugendlichen in Gang setzte, die fern von herkunftsbedingter Orientierung und in enger Zusammenarbeit mit der »deutschen« Antifa die neue Basis für migrantische Kämpfe gegen Nazis und Rassismus wesentlich mitbedingte, obwohl sie nur eine relativ kurze Lebensdauer hatte.
Garip Bali migrierte 1971 nach Berlin, wo er heute noch lebt und als Ingenieur, Lehrer und Sozialarbeiter tätig ist. Seit 1980 ist er politischer Aktivist, u.a. engagierte er sich in studentischen Organisationen wie dem AstA der TU und dem Bund Demokratischer Studenten sowie in migrantischen Selbstorganisationen wie dem Arbeiterjugendverein tigb, ADA und der Plataforma der MigrantInnen und Flüchtlinge. Heute ist er aktives Mitglied von Allmende – Haus alternativer Migrationspolitik und Kultur.
Die vermeintlich »in der Vergangenheit« gebliebene faschistische Gefahr entwickelt sich rapide von Tag zu Tag und lebt wieder auf. Selbst wenn der Faschismus von Staat zu Staat verschiedene Nuancen zeigt, setzen solche Bewegungen ihre Ausgangspunkte und ihre Entwicklungen auf die »Ausländerfeindlichkeit«. Die gestrig verehrten »Gäste«, Besitzer der Leistung, werden nicht nur heute als »schwarzköpfige Lebewesen« dargestellt, sondern auch als Ursache jeglicher bestehender gesellschaftlicher Probleme öffentlich angezeigt. Von nun an müssen wir dies begreifen, dass in der imperialistisch- und proletarisch-revolutionären Zeit, in der wir leben, der Faschismus keine lokale oder vergängliche Realität ist.
In einer Situation der sich vertiefenden ökonomischen Krise und einer daraus resultierenden und sich vertiefenden sozial-politischen Krise, hält die kapitalistisch-imperialistische Bourgeoisie mit alten parlamentarisch-demokratischen Methoden das Volk unter einer Klassenherrschaft nicht fest. Wenn das kapitalistische Ausbeutungssystem und die dafür nötige Rationalisierung ihre Aufgaben nicht erfüllen können, dann ist der einzige Weg für sie, die Masse mit Faschismus zu beherrschen. Für sie ist es mehr ein Muß als eine Wahl, mit dieser Methode das kapitalistische System unerschütterlich zu befestigen und zu schützen. Alle bürgerlichen Staaten treten letztendlich entweder mit einem Regierungsputsch oder mit einem friedlichen Weg oder grausam oder mit einer süßsaueren Form zum Faschismus über. Die Übertretungsmethoden sind nicht wichtig. Diese sind von den besonderen Voraussetzungen, dem gesellschaftlichen Bau und dem Gleichgewicht zwischen den politischen Kräften und den Klassen eines bestimmten Staates abhängig. Historisch, gesellschaftlich und nach ökonomischen Bedingungen sowie nationalen und internationalen Eigenschaften wird die Entwicklung des Faschismus unterschiedlicher Form sein.
Wir dürfen die Entwicklung und die Machtübernahme des Faschismus nicht als ein von dem Finanzkapital an einem einfach festgelegten Datum geplantes und geregeltes Ereignis begreifen. Der Faschismus ist das Resultat aus den widersprüchlichen und gewalttätigen Kämpfen in den bourgeoisen Camps und übernimmt direkt die Regierung durch Ermöglichung einiger rückschrittlicher Maßnahmen der bourgeoisen Regierungen und festigt seine Wurzeln und breitet diese aus. Die Theorie der Zusammenarbeit zwischen den Kapitalisten und den Arbeitern, die Harmonie zwischen den Klassen, die Existenz der Profiteinheit und somit die bestehende Notwendigkeit eines Klassenkampfes wird von der (den) faschistischen Bewegung(en) als Propagandamittel immer geschürt, um den Kapitalismus zu sichern und zu festigen, damit das vorhandene Ausbeutungssystem gesund weiter existieren kann.
Obwohl der Faschismus für die grenzenlose Ausbeutung der Massen ist, nähert er sich meisterhaft den Massen mit einer anti-kapitalistischen Demagogie, um sein Gesicht zu verbergen. Aus diesem Grund profitiert der Faschismus von dem Haß der Massen gegenüber dem Kapital. Um diese Reaktionen um sich herum zu sammeln, kommt er mit falschen Slogans hervor, die die Massen täuschen sollen. Zum Beispiel in unserem Land (Türkei) gilt der Slogan: »Die Erde dem Bearbeitenden, die Fabrik dem Arbeitenden«. In Deutschland: »Allgemeines Wohl, unvergleichlich dem Wohl des Einzelnen«. Und in den USA: »Laß uns den Reichtum teilen«, usw. Und wieder versucht die faschistische Bewegung mit einem Wunsch »ehrlicher und nicht degenerierter Regierung« den Massen gegenüber aufzutreten und den vorhandenen Regierungen von allen Seiten stark zuzusetzen, sie mit Heuchelei zu beschuldigen und die Reaktionen der Massen gegenüber den vorhandenen Regierungen in die faschistischen Bewegungen zu kanalisieren. »Wegen der Notwendigkeit der Profite des rückschrittlichen Umfeldes der Bourgeoisie hält der Faschismus die enttäuschten Massen auf, die die alten bourgeoisen Parteien verlassen haben.«
Heute ist es deutlich zu sehen, daß die Angriffe der faschistischen Bewegungen gegen die existierenden Regierungen einen besonderen Platz beim Beeinflussen der Massen haben. Durch Beschuldigungen an den vorhandenen Parteien und an der CDU-CSU Regierung, etwa daß sie vergammelt, stinkend und ängstlich sind, beantworten sie die Forderung der Massen nach einem nicht-degenerierten und ehrlichen Staat und beeinflussen somit die Massen.
Die Basispolitik der faschistischen Bewegungen gegen die Arbeiterklasse und deren gewerkschaftliche Bewegung ist »Teile-und-Herrsche«-Politik. Der Faschismus legt besonderen Wert darauf, die unterschiedlichen Kategorien des Proletariats gegeneinander, den Arbeitslosen gegen den Arbeiter, den einheimischen Arbeiter gegen den aus einem anderen Land gekommenen Arbeiter, die Massen gegen die anderen Staaten zu hetzen und somit nationale Gefühle zu schüren, die Gedanken des Nationalismus und des Chauvinismus mächtig werden lassen. Am Ende dieses Prozesses ist das einzige Ziel des Faschismus, die Einheit der Arbeiterklasse mit der Axt zu fällen und zu teilen und somit die Massen unter seine Herrschaft zu nehmen. »Der Faschismus ist der Todfeind des Proletariats und der Klassengewerkschaften. Und das langfristige Ziel des Faschismus sind in Wirklichkeit die Fabriken.«
Die faschistische Bewegung ist sich dessen bewußt, daß sie heute in den Fabriken schwach ist, aber auch, daß ihr Erfolg in diesem Bereich, das heißt, in den Fabriken, durch die Arbeiten in den Fabriken hindurch gehen muß. Innerlich befindet sie sich im Erfolg dieser Arbeiten und legt einen Schwerpunkt auf Propagandaarbeiten, um die Einheit der Arbeiterklasse auseinanderzureißen. Wenn die Entstehung und die Entwicklung der faschistischen Bewegung gut beobachtet wird, wird deutlich, daß die Politik, der sie folgt, jene ist, die Arbeiterklasse zu teilen. Die Faschisten haben es sich zum Grundstein ihrer Propaganda gemacht, daß die Ursache der Arbeitslosigkeit die ausländischen Arbeiter sind und daß mit dem Abhauen der Ausländer aus diesem Land die Arbeitslosigkeit gelöst würde. Zweifellos ist diese Politik darauf aus, die einheimischen und ausländischen Arbeiter gegeneinander anzufeinden, in feindliche Camps einzuteilen und die Einheit des gewerkschaftlichen Kampfes der Arbeiter auseinanderzureißen. Und diese Politik ist heute die Basispolitik, die das Kapital ausübt.
Wenn man es in Betracht zieht, daß die Gesellschaftsform Deutschlands eine Industriegesellschaft ist und daß diese die Gesellschaft in zwei Hauptklassen teilt, nämlich in Bourgeoisie und Proletariat, dann wird der Erfolg sowohl der faschistischen als auch der revolutionären Bewegung (der Opposition) durch die Arbeiterklasse somit durch die Fabriken hindurch gehen müssen. Als bestimmendes Arbeitsfeld sollen Fabriken und Gewerkschaften dienen, in denen hindurch gegen den Rassismus und Separatismus der Klassenkampf organisiert wird. Die faschistisch-rassistischen Bewegungen, die die Arbeiterklasse auseinander reißen, müßen wirkungslos gemacht und ihre Entwicklung verhindert werden.
Der Kampf gegen den Faschismus muß natürlich in jedem Bereich und überall ohne Wenn und Aber geführt werden. Der Faschismus soll überall, wo er gesehen wird, vernichtet und zertreten werden.
Wir müssen mit Ehrgeiz versuchen, entgegen der nationalistisch-chauvinistischen Klasseneinigungspropaganda, im Klassendenken den Kampf zu entwickeln. Wir müssen die revolutionäre Klassenideologie der Arbeiter und den internationalen Geist bei den Massen verbreiten, um die Zuneigung der Massen zum Nationalismus zu neutralisieren.Dafür ist ein intensiver ideologischer Kampf zu führen, der die demagogische Propaganda des Faschismus aufdeckt und sein wahres Gesicht den Massen zeigt. Mit dieser Agitation und Propagandaarbeit soll der demagogische Charakter des Faschismus an die Massen herangebracht werden.
Es ist notwendig, die Klassengewerkschaften zu verstärken, die arbeitenden Massen auf die Seite von diesen Gewerkschaften zu ziehen, um die Trennung von einheimischen und ausländischen Arbeitern zu zerbrechen; es ist besonders wichtig, die aus anderen Ländern kommenden Arbeiter in die Gewerkschaftsarbeit einzubeziehen.
Besonderer Wert ist darauf zu legen, daß jeder vorgehende Schritt des Faschismus zu beobachten ist; rechtzeitig und sofort sollen Massenkampagnen organisiert werden, um die Massen gegen den Faschismus zu stellen.
Von nun an sollen Zellen der Einheitsfront gebildet werden, damit der Kampf der verschiedenen Schichten des arbeitenden Volkes koordiniert vorangehen und es gewährleistet werden kann, daß diese Kräfte zusammen den gemeinsamen Feind bekämpfen.
Gegen faschistische Angriffe und Terror sind unterschiedliche Formen des Widerstandes zu entwickeln; es gilt, vorbereitet zu sein, Verteidigungssysteme in Ortschaften und Schulen aufzubauen. Der Faschismus ist in allen Ländern für das methodische Vorgehen der proletarischen Klasse eine kontinuierlich fortlaufend größer werdende Gefahr.
Während dieser Aktivitäten muß immer im Auge behalten werden, daß »der Faschismus für die Klassenaktion des Proletariats in allen Ländern eine ständige und permanent wachsende Gefahr darstellt. Die endgültige Beseitigung dieser Gefahr ist erst mit dem Sturz der bürgerlichen Herrschaft möglich.« Eine gegensätzliche Betrachtungsweise würde uns zu der falschen Annahme verleiten, die faschistischen Bewegungen existierten unabhängig vom und trotz des Kapitals. Diese Annahme würde uns zwingen, schwerwiegende Fehler zu begehen… Sie würde uns letztendlich dazu bringen, die Bürgerlichen darum zu bitten, Organisationen dieser Art zu zerschlagen und zu verbieten. Wir dürfen nicht vergessen, daß die sich entwickelnde faschistische Bewegung organisierende, ihr den Weg bereitende und hinter ihr stehende Kraft die Bourgeoisie ist. Im Gegenteil, wir müssen dies begreifen und den Massen nahebringen. Wir müssen eine Entlarvungsarbeit leisten, die das Kapital als die hinter dem Faschismus stehende Kraft bloßlegt.
»Der Kampf gegen Faschismus ist der Kampf gegen das Kapital« ist die Hauptlosung, die wir den Massen beibringen müssen. Denn es ist das Kapital selbst, das in der heutigen Phase, um der Interessen der Ordnung des Kapitals willen, den Rassismus entwickelt und den Faschismus braucht. Das Hauptmotiv, dessen der Faschismus und das Kapital sich heute bedienen, um sich zu entwickeln und zu stärken, sind »die Ausländer«. Aber auch hier sollten wir uns vor einem Fehler hüten. Faschismus ist nicht gleich »Ausländerfeindlichkeit«… Nein, die faschistische Bewegung können wir nicht zur Ausländerfeindlichkeit herunterspielen. Faschismus ist eine Bewegung des wilden Angriffs, des unbändigen Chauvinismus, der tollwütigen Reaktion und der Konterrevolution, die das Kapital gegen die werktätigen Volksmassen richtet. Daß er sich heute der Ausländer als Thema bedient, bedeutet nicht, daß er ausländerfeindlich ist. Faschismus ist ein Angriff des Kapitals auf das gesamte werktätige Volk.
Nachdem wir diese Seite des Phänomens kurz erläutert haben, sollten wir uns jetzt kurz mit dem Faschismus und dem Kapital hinsichtlich der »Ausländer« beschäftigen. Obwohl der Faschismus der »Ausländerfeindlichkeit« und antifaschistischer Kampf dem Kampf der Ausländer um Gleichheit entspricht, spielt das »Ausländerproblem« für beide Seiten eine wichtige Rolle…
Das Einsetzen von ausländischen Arbeitskräften durch den westlichen Kapitalismus ist keine neue Erscheinung. »Billige ausländische Arbeitskraft« wurde schon im letzten Jahrhundert durch westliche Kapitalisten eingesetzt. Vor dem ersten imperialistischen Verteilungskrieg lebten z.B. im damaligen Deutschland über eine Million Arbeitsimmigranten. Der Transfer der türkischen Arbeiter in den Westen in Form von Arbeitskräften fand in den 60er Jahren statt, infolge eines Bedarfs der westlichen imperialistischen Länder nach billiger, intensiver Arbeitskraft, als sie mit dem Neuaufbau ihrer im Zweiten Weltkrieg zerstörten Wirtschaft angefangen hatten.
Nach dem zweiten Verteilungskrieg hat der westdeutsche Kapitalismus einen neuen Vorstoß begonnen. Große Monopole sind mit der »US-Unterstützung« wieder zu sich gekommen (diese Unterstützung hatte zwei Gründe: 1. Die eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen der USA, 2. Der Schutz und die Stärkung der kapitalistischen Weltordnung gegenüber dem sozialistischen Block). Unter den damaligen Bedingungen, unter denen die Gewinner des Krieges einen Vorsprung hatten, war der Einsatz billiger Arbeitskräfte für die deutsche Monopolbourgeoisie selbstverständlich der kürzeste Weg, auf den Weltmärkten schnellstens konkurrenzfähig zu werden. Das eigentliche Problem war aber nicht der Bedarf nach Arbeitskräften. Als 1955 der erste Vertrag mit Italien unterzeichnet wurde, um »Arbeiter nach Deutschland zu bringen«, gab es in Westdeutschland ca. eine Million Arbeitslose.
Das eigentliche Problem war der Wunsch, mit billiger Arbeitskraft ein schnelles Wachstum zu erreichen. Denn durch Import billiger Arbeitskraft aus Ländern, wo die Arbeitskraft billiger zu haben ist als Wasser, kann man sich von den Kosten für einheimische Arbeitskräfte befreien und so eine hohe Gewinnrate erreichen. Zweitens spart man sich durch den Import der Arbeitskraft die Kosten für die Ausbildung der qualifizierten oder halbqualifizierten einheimischen Arbeiter und erzielt astronomische Gewinne… Und schließlich werden die ausländischen Arbeitskräfte aus gesunden und kräftigen Menschen zusammengestellt, damit die Gesundheitskosten auf das Minimum gesenkt werden und über die Krankenkassen viel Geld eingespart werden kann. Das wichtigste ist, daß die »ausländische« Arbeitskraft als Konkurrenz der einheimischen Arbeitskraft ausgenutzt wird. So werden einerseits die Preise auf dem einheimischen Arbeitsmarkt gesenkt, andererseits wird die Arbeiterklasse gespalten und geschwächt. Dadurch werden die Bedingungen dafür geschaffen, die Herrschaft des Kapitals in aller Ruhe weiterzuführen.
Die in den 70er Jahren beginnende Krise des Imperialismus, die ein unausweichliches Resultat der inneren Mechanismen des Systems war, hielt länger als frühere Krisen an und dauert heute noch an. Diese Krise vertieft sich und entwickelt sich zu einem Zusammenbruch. Um sich aus dieser Krise herauszuarbeiten, schlugen die großen Monopole, ihr Staat und ihre politischen Organisationen einen Weg ein, der einerseits unter der Bezeichnung »Stabilitätspolitik« die Einschränkung der Demokratie und der materiellen und sozialen Rechte der Arbeiterklasse insgesamt vorsieht, andererseits im Wirtschaftsbereich »die Modernisierung und Rationalisierung der Produktivkräfte«. Diese Politik brachte letztendlich Armut, Arbeitslosigkeit, Repression und Gewinne in Milliardenhöhe.