Anton und Gerda - Hans Fallada - E-Book
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Hans Fallada

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Beschreibung

Dieses eBook: "Anton und Gerda" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Auf einem dieser Sofas saß ich, meilenweit entfernt von den anderen Tischen, so daß ich nicht erkennen konnte, wer dort war. In den Gläsern schalte schaumloser Sekt. Zwei Gläser standen vor mir. Und ich bemerkte plötzlich, daß ich nicht allein war, sondern neben mir saß starr, mit tief gesenkten Lidern, eine meiner früheren Schreibdamen. Während ich sie noch rätselnd anschaute, wurden ihre Arme mit einem Ruck wie an Schnüren zur Decke gerissen; schon saß sie auf meinem Schoß. Straff gekreist riß sich ihr Mund auf, ihre Kleider klafften auseinander, und ich sah zwischen ihren Brüsten abwärts über den Nabel fort einen Streif wolligen Vließes, der sich zwischen den Schenkeln verlor. Dann sagte sie, daß sie Austern wolle." Hans Fallada (1893-1947) war ein Künstler der Neue Sachlichkeit. Er orientiert sich an der Realität, auf die damalige Gesellschaft und auf deren Probleme ein, z. B. die Armut vieler Menschen. Die Voraussetzung dafür war ein kritischer Blick auf die damalige Gegenwart. Die Umgebung wurde nüchtern und realistisch dargestellt. Die soziale, politische und wirtschaftliche Wirklichkeit der Weimarer Republik, die Nachwirkungen des Ersten Weltkrieges und die Inflation waren beliebte Motive. Die Themen, die die Gesellschaft bewegten, fanden sich in der Literatur wieder.

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Hans Fallada

Anton und Gerda

e-artnow, 2018 Kontakt: [email protected]
ISBN 978-80-268-8416-3

Inhaltsverzeichnis

Buch I
1. Warum müssen Hunde nachmittags bellen?
2. Spazierwandeln: Anfang
3. Spazierwandeln: Fortgesetzt
4. Schwer - Schwer
5. Fortsetzung
6. Mulus in jedem Belang
7. Trautes Heim – Glück alleim
8. Vollkommen unverständlich
9. Der zu Schleifende
10. Kotzen
11. Trara! Trara!
12. Seltsam unverständliches Gespräch
13. Denkens Beginn
14. Heimgang in der Frühe
15. Horche auf, Kleiner ...
16. Der Träumer legt sich von der Herzseite auf die rechte
17. Abgetan im Unratwinkel
18. Fiebertag
19. Abfuhr
20. Kleines Gewitter
21. Mutter und Sohn
22. Onkel Otto
23. Der Traum
24. Angst
25. Im Garten
26. Eine Wolkenwand vorm Monde
Buch II
1. Auftakt
2. Heimkunft
3. Wiedersehen
4. Letzter Rundgang
5. Kleinmädchengeschichte
6. Die Zeitung
7. Hotelhalle
8. Wirbel
9. Abend
10. Diskorde
11. Nacht
12. Refrain
13. Noch Nacht, bald Dämmern
14. Morgen
15. Mittag ... doch bald Dämmerung
Buch III
1. Im Wartesaal
2. Erinnerung
3. Wind, Wellen, Nacht erzählt
4. Fremde Stadt
5. Lokal
6. Begegnungen
7. Irre ... wo Ziel?
8. Angst
9. Gesang von Wind und Wellen, Gesang der Nacht
10. Erwachen
11. Wie werde –?
12. Nachtwanderung
13. Nachtvergnügung
14. Schlafsaal
15. Halbe Heimat
16. Fort, nur zu ihr ...
17. Marsch
18. Das Sandfarbene
19. Wartesaal
Buch IV
1. Motiv
2. Hierhin – dorthin
3. Dampfer Möwe
4. Dämmerungswege ...
5. Halbwach
6. Das andere Gesicht
7. Die Glücks- und Unglückstage
8. Morgen am Meer
9. Strand, Sand, Sonne
10. Verhalten
11. Tage ... Nächte ...
12. Variationen über ein Thema
13. Zwei Briefe
14. Zwei Gegner
15. Entspannung
16. Mahnung ...
17. Freundin –?
18. Feindin ...?
19. Vor dem Brief
20. Brief – Katze – Brief
21. Intermezzo
22. Noch einmal der Strand ...
23. Und das Meer ...

Buch I

Inhaltsverzeichnis

1. Kapitel Warum müssen Hunde nachmittags bellen?

Inhaltsverzeichnis

Der mittellose, etwa dreißigjährige Dichter Anton Färber, der bei Freunden auf dem Lande lebte, hatte sich soeben zum Nachmittagsschlaf auf sein Bett gelegt, als das jaulende Lärmen der Hofhunde ihn mit einer Verwünschung hochfahren ließ. Kurzsichtig – das Glas lag neben ihm auf dem Stuhle – blinzelte er zum Fenster, pfiff einige Male gellend und ließ den Kopf wieder zwischen die Kissen fallen, mit einem Aufatmen in der plötzlich stark rauschenden Stille. Die Augenlider glitten kühl herab, der Mund öffnete sich ein wenig, die Glieder ruhten tiefer in den Polstern, und sacht verschwimmende Bilder flossen im Hirn –, als das Jaulen neu einsetzte und Färber vollwach auffuhr.

»Auf dem Lande kommen die Tiere vor den Menschen, also, da sich das Viehzeug, scheint's, nicht beruhigen will, geh ich ein wenig spazieren –?

Ans Meer –?

Ans Meer!«

2. Kapitel Spazierwandeln: Anfang

Inhaltsverzeichnis

An der Gartenpforte zögerte er, öffnete sie, trat ein, und zwischen Gemüsebeeten hindurch ging er den überrasten Gang abwärts, bis dahin, wo er sich im Gewucher von Haseln, Schneeballstrauch, Holunder und anderm Wildgewächs verlor. Hier setzte er sich auf eine Bank und sann vor sich. Seine Hand tastete spielend nach manchem Zweig, riß ihn ab, entblätterte ihn. Er kaute darauf. Dann waren rote Beeren da, und er freute sich an ihnen. Seine Stirn runzelte sich unwillig. »Ich muß gehen«, murmelte er und gab sich einen Ruck. Aber er war so müde. Er lehnte sich zurück, ein bitterer Geschmack zog im Munde herum. Noch mehr Zweige, noch mehr Blätter, noch mehr Gekäu. Was sollte das? Die reine Spielerei.

»Nein, ich muß gehen.«

Dann war ihm, als kläfften die Hunde wieder, aber so fern, so fern ...

Dann ...

3. Kapitel Spazierwandeln: Fortgesetzt

Inhaltsverzeichnis

Seit die letzten Hocken eingefahren sind, ist die Landschaft weit geworden, ausgeräumt. Die verstreuten Höfe liegen endlos voneinander entfernt, jeder in seinem windbewegten Baumhorst von einer Eigenschicht durchsonnter Luft umgeben, und der dunkle Waldstreif am Horizont wird durch die Landweite der geschälten Felder und die Wolkenballungen über den Wipfeln niedrig und weltenfern gemacht.

»Vielleicht wird es schon dunkeln, wenn ich an den Strand komme. Am Rand der Dünen auf der König-Lear-Heide will ich liegen«, beschloß Färber, der rasch querfeldein ging.

Kein Mensch begegnete ihm. Der Wind blies ihm das beruhigt tiefe Summen vieler Dreschmaschinen bald nah, bald fern ins Ohr, er hatte den kleinen Hundsärger vergessen und pfiff munter vor sich hin. Nun war der Wellenschlag zu hören, allein, dann vermischt mit dem Brausen der Baumkronen, dann dieses wieder für sich, und nun ging er schon auf der schmalen Waldschneise.

Als er auf die Heide trat, die mit Wacholder und Kiefernkuscheln über scharfem Gras und holzigem Erikakraut bestanden war, tat Färber etwas Seltsames, etwas, das er noch nie getan, das er noch nie zu tun gedacht hatte, und nun schien es ihm das Selbstverständlichste von der Welt.

Zuerst wandte er sich landein, dorthin, wo er den Freundeshof vermutete, verbeugte sich dreimal und sagte ein erstes, ein zweites, das dritte Mal: »Ade derweilen.«

Nun zu der Sonne, halblinks über den Dünenkuppen, gewandt tat er gleiches, sprach: »Hinfüro nicht mehr.«

Doch dem blassen Mond im Blau knickste er rasch und schnippisch zu: »Nun grade! Nun grad doch! Nun grade!«

4. Kapitel Schwer - Schwer

Inhaltsverzeichnis

»Ich bin wohl albern geworden!«

Färber warf sich stöhnend herum, blinzelte kurzsichtig, fuhr fort im ...

5. Kapitel Fortsetzung

Inhaltsverzeichnis

Im Erheben aus der Beugung des letzten Grußes stand er eine Weile, nicht denkend, nein, nur wie wartend, und die erwartete Intuition kam: er ging rasch auf einen Wacholder zu, beugte sich, scharrte ein wenig Sand von den Wurzeln, hob ein leinenes Beutelchen aus der Erde und hielt's, ohne es zu betrachten, in der hohlen Hand.

Kam auf die Düne, sah das Meer, dem die Sonne näher sank, warf sich auf den Rücken, und nun, umweht vom Wind, angetan vom Branden, Zischen, Steinmahlen der Wellen, gepeitscht das Blut von manchem Möwenschrei, legte er das Säckchen auf die Stirn.

Zuerst war's kühl, dann liefen warme Schlänglein in die Schläfen, um das Haupt, sie verknoteten sich zum Kranze, verkürzten sich zu schädelsprengendem Knebel – ihm war, als würfe er sich hoch, brülle diesen rasenden, unerträglichen Schmerz mit äußerstem Willen aufs Meer; doch nun schien ihm Zurücksinken richtig, Erschlaffen, Ausbreiten des Leibes ... Die Wellen trugen keinen Schaum mehr, eine endlose tiefblaue Dünung, in der er trieb, ein Ertrunkener, Salz auf den Lippen, die Augen wie einer Pflanze Poren aufgetan, atmend ... trieb, trieb in der Dünung ... einmal noch würgte Ekel, schmeckte bitter ... und im Hirn des Ertrunkenen wacht ein Traum auf, regt sich wie ein Kind im Schlaf, wacht auf ein Traum ...

6. Kapitel Mulus in jedem Belang

Inhaltsverzeichnis

Auf dem Hof des Pennals promenieren mit Toni die drei andern von der mündlichen Prüfung Befreiten. Sie spähen zu den Fenstern empor, horchen, wiederholen noch einmal die gleichen Bedenken: »Schiffmann wird schwer vor den Wind kommen.«

»Ich glaube nicht einmal. Aber Matz hat eine Pieke auf Tümmel, und will solch Aas etwas finden, dann ...«

»Matze ist Spiel.«

»Jedoch erst der köstliche Knorpelhahn ...«

Törichtes Geschwätz, aufgeplustertes Zeug. Ein reines Garnichts! Standpunkte von Achtzehnjährigen? Sie können nicht Weizen und Hafer unterscheiden, wissen kaum, was ein Wallach ist, aber sie reden in ihrer Schülersprache herrlich über die Außenseite der Lehrer und dünken sich welterfahren, weil sie die Versmaße Horazischer Oden auswendig lernten. Menschen? Hungrige Hirne, mit Schleckerei gefüttert, schlaff gemacht.

Hoffmann meinte: »Wir sind durch. Laßt also heute endlich dies Pennälergeschwafel. Sagt lieber, wer kneipt in der Union mit –? Es werden Studenten dort sein.«

»Ich.«

»Und feste! Ich!«

»Und ich!«

»Also wir vier sämtlich. Sagt aber den andern nichts, ich will selber sehen ... Alle Saubande braucht nicht gerade dabei zu sein –«

Eine Tür krachte, auf der Treppe jagten Schritte, einzelne, mehr, Gehaste ... die Köpfe fuhren herum ... und in ihren Kreis sauste ein langer Bebrillter mit dem Schrei: »Alle durch!«

Die Herde folgte, man schrie, lachte, rote Mützen wirbelten in der Luft, Hände wurden geschüttelt, einer trocknete sich die Stirn, ein anderer: »Au wei, das hat noch gut gegangen!«

Unterdes abseits verhandelten Toni und Arne: »Ehrenwort! Ich hab ihm versprochen, in der Union ...«

»Immerhin. Aber um elf treffen wir uns am Hopfenmarkt. Ich habe einen großen Zug vor. Endlich –«

»Aber das kostet Geld –?«

»Meine Sache, Kleinchen. Ich zeige dir Rostock bei Nacht, wie ...«

»Geschenkt! Geschenkt! Also um elf.«

7. Kapitel Trautes Heim – Glück alleim

Inhaltsverzeichnis

Abendessen bei Oberlehrer Färber. Herr Oberlehrer nebst Gattin. Der einzige Sohn: Toni.

Gattin: Und du willst wirklich heute nacht noch fort, Tonerl? Kannst du das nicht bei Tage –?

Anton: Ausgeschlossen, Mutti. Und übrigens ist sieben Uhr abends noch nicht Nacht.

Oberlehrer: Laß ihn doch, Altchen. Heute als Mulus! Summa cum laude!! Primus omnium! Junge, daß ich die Freude erleben durfte –! Komm, gib mir einen Männerkuß!

Anton: Gerne, Papa.

Gattin: Bitte, ich auch, Tonerl. – Ich glaube, du mußt wirklich bald anfangen, dich zu rasieren.

Anton: Das hat noch Zeit, Mutti.

Oberlehrer: Was werdet ihr singen, heut abend? Denk an meinen Leibkantus, laß ihn steigen:

Komm mit aufs Forum ...! Ahnst du voll Wonne, Was uns am Pippusbogen winkt, Während die Sonne Lodernd versinkt? ... Venus, die Fee, um ...

Gattin: Aber, Mann, was soll der Junge ...

Oberlehrer: Laß, Altchen, laß. Der Junge ist nun doch fast erwachsen, bezieht die Universität. Da können wir ihn nicht mehr vor jedem rauhen Wort behüten. Aber die rechten Grundsätze hat er mitbekommen auf den Weg.

Gattin: Bleibe rein, Junge.

Oberlehrer: Und fromm.

Gattin: Liebe guter Junge, bleib, der du bist.

Oberlehrer: Und: wenn dich die bösen Buben –

Anton: Weiß schon. – Also denn, liebe Altchen ...

8. Kapitel Vollkommen unverständlich

Inhaltsverzeichnis

Vorplatz bei Oberlehrers, kaum von einer Sparlampe erhellt. Anton kommt aus seinem Zimmer, läßt die Tür offen: Abenddämmerung mischt sich mit dem Funzellicht. Er sucht am Garderobenständer.

Anton: Martha! Martha! Mein Mantel!

Mädchen: Kommt schon. Nur ein Bügelstrich.

Anton: Dalli, dalli, Holdeste!

Mädchen: Hier! Gott, wie patent Sie ausschauen, junger Herr! Man könnte sich wirklich – .

Anton: Nun?

Mädchen: Oh, nichts!

Anton: Doch etwas. Und –?

Mädchen: Neinnein.

Anton: Ich weiß ja doch, was Sie –

Mädchen: Wenn Sie wissen, ist's ja gut.

Anton: Martha –?

Mädchen: Ja?

Anton: Wollen Sie mir einen Gefallen tun?

Mädchen: Und welchen?

Anton: Nein, Sie müssen vorher Ja sagen.

Mädchen: Das tue ich nicht. Sagen Sie erst ...

Anton: Sie erst: Ja.

Mädchen: Und so was will achtzehn Jahr sein!

Anton: Und ob! Warum etwa nicht?

Mädchen: Passen Sie lieber auf, daß Sie heut nacht nicht in den Automatenschlitz fallen!

Anton: Sie sind mir überhaupt viel zu dumm!

Mädchen: Dumm und doof verträgt sich gut.

Mädchen: Wo gehen Sie denn heute abend überhaupt hin?

Anton: Rostock besehen bei Nacht, wie es weint und wie es lacht!

Mädchen: Na denn man los! Vergessen Sie nur den Schnuller nicht.

Anton: Martha!

Mädchen: Du entschwandest.

Sie schließt die Tür. Es ist fast ganz dunkel. Anton im Gehen: Völlig rätselhaftes Geschöpf!

9. Kapitel Der zu Schleifende

Inhaltsverzeichnis

Kneipzimmer in der Unionbrauerei. Hecht. Bier. Viel Bier. Alle mehr oder weniger angesäuselt, mit Stürmern auf dem Kopf, Fuchsenbändern um die Brust. Ein paar Studenten keilend unter den Muli.

Chorus:

Ahnst du voll Wonne, Was uns am Pippusbogen winkt, Während die Sonne Lodernd versinkt?

Präside: Schöner Cantus ex! Ein Schmollis den fidelen Sängern und der Hauskapelle!

Tümmel: Komme dir einen Halben, Färber.

Anton: Ehrt mich ungemein, ziehe nach.

Porzig: Ein Halber deiner Jungfernschaft, Färber.

Anton: Ich bitte ...

Studiker: Fuchs hält das Maul und zieht einen Ganzen nach!

Burlage: Auf deine Jungfernschaft, Toni!

Anton: Aaaber ...

Studiker: Fuchs hält das Maul und zieht einen Ganzen nach!

Konski: Auf deine Keuschheit, Josaphat! Ja, dich mein ich, Färber!

Anton: Ehrt mich ungemein, ziehe nach.

Brüllendes Gewieher.

Studiker: Fuchs zieht einen Ganzen nach.

Anton: Ihr könnt mir alle ...

Muß hinausstürzen. Brüllendes Gelächter.

10. Kapitel Kotzen

Inhaltsverzeichnis

Stadthof. Nacht. Wenig Lichtschein aus Fenstern, Regen sickert. Anton, in eine Ecke zwischen modernde Holzplanken gedrückt, preßt, bricht, fühlt kalten Schweiß, zittert. Er denkt: »Seichte Hechte, verdammte! Was das für Sinn hat, dies Zeug in sich reinzumölen! Auf Kommando, in Massen?! Neinnein, wenn das studentische Freiheit ist, danke! Mutti hatte Recht, mich zu warnen. Nie wieder!«

Er macht ein paar Schritte gegen die Tür, bleibt wieder stehen. »Und doch – alle rühmen dies. Freiheit, schrankenloser Lebensgenuß sagt man wohl. Ach! Das Genießen scheint schwerer zu sein als die Arbeit in jener meiner Kammer dort hinten, die Stirn über das Buch geneigt. Welch Glück – kaum dämmerte es –, die Vorhänge zu schließen, die ganze Welt auszusperren und allein zu sein mit den Büchern, reinlichem Papier und einer guten Feder, mit der man endlose Reihen untereinander setzen konnte. Welche Freude, mit brennenden Augen, kochenden Schläfen ins Bett zu gehen. Welche Einschlafträume von Arbeit, von Erfolg, von Ruhm gar. Ah, herrlich leicht wäre das Leben, brauchte man nur zu arbeiten. Man muß mit andern reden, laut sein, sich gegen sie behaupten und vielleicht gar – sich verlieben.«

Der Magen krampfte sich von neuem hoch. Ein ekelhaft bittrer Geschmack stand ihm im Munde; er beugte sich wieder vor, glitt halb hin, indes es tröstlich in ihm dachte: »Das ist nur physisch. Mein Kopf ist klar. Ich denke folgerecht. Weiß ich nicht wohl, daß ich Arne um elf treffen wollte? Nun gut – gehen wir an den Lebensgenuß. Und dann – nie wieder! – Guten Abend auch, ihr ...!«

11. Kapitel Trara! Trara!

Inhaltsverzeichnis

Er sah sie.

Eine Spielerische hinter der Theke, ein stumpfes junges Profil, zufahrend auf einen Pinscher, der blafft, tiefes Lachen, wie verhaltenes, Schultern in Seide, eine zugreifende gespreizte Hand, und da sie schlichtend die Flechten streicht, blitzen Steine dort zwischen dem bläulich glänzenden Schwarz, blitzen, funkeln, und ein blasses Gesicht – – – .

Schweige doch! O so schweige doch! Verlieben eine Angst? Sich-Verlieren Pein? Dies war von Anfang und besteht für sich, all dein Leben reicht nicht an diese Geste einer gespreizten Hand, die jung ist ...

Arne bestellt geläufig, und: »Für den Kleinen eine Prärieauster, die Bande hat ihn mir schon dun gemacht. Er verträgt nichts.«

»Ist das wahr, mein Herr?«

Ihm schien es, als komme alles darauf an, in dieser Minute ihren Blick zu bestehen, und er trank sich ein in die schmalen grünen Ringe, die, nun sah er's, leise bewegt um die schwarze Pupille liefen. Einzudringen meinte er, tief, tiefer, das Gesehene verschwimmt, nun geht er durch ein glasklares grünes Wasser, das wie Luft ist, das jede Pore der Haut streichelt, auf dem Meeresgrund ist er, wandelnd Ertrunkener, märchenhaft frei –, als blitzschnell zwei Lider fallen, so nah, daß ein Windzug ihn zu streifen scheint.

Sie lacht. »Aber Augen kann er machen, Ihr Freund!«

Und Arne: »Gott! Das lütte Gemüse!«

12. Kapitel Seltsam unverständliches Gespräch

Inhaltsverzeichnis

Später hört er dem Gespräch der beiden zu. Sie sitzt leicht vorgebeugt, die schwarze Seide bauscht ein wenig vor der Brust, ein Strohhalm tanzt zwischen ihren Fingern, sie fragt: »Wie gefällt Ihnen mein Pinscher?«

»Er scheint echt zu sein.«

»Und ob! Fünfhundert Mark.«

»Bitte, was gar nichts sagt.«

»Sehen Sie ihm ins Maul: der Gaumen ist völlig schwarz.«

Arne prüft, gibt sich besiegt. »Dann freilich!« Und: »Woher haben Sie ihn?«

»Von einem Herrn, einem Gastwirt.«

»Das ist gut. Ich dachte schon, es wäre ein Damenhund, und Sie wissen –«

»Nun?«

»Damenhund. Man kennt das, wofür solche Tiere gehalten werden.«

»Nein, das wäre mein Tod. So etwas ekelt mich an.«

»Darum fragte ich, woher Sie ihn hätten. Ich dachte, er hätte üble Angewohnheiten.«

»Neinnein! Lisa, höre bloß, der Herr meint ...!«

Und Arne, zum Freund gewandt, doch die andern horchen darauf: »Ich kannte eine Kellnerin, die es sich für drei Mark von einer Ulmer Dogge machen ließ.« Und nach einer Pause: »Du verstehst doch –?«

Geste. Die Mädchen kreischen, eine ruft: »Sone Kamellen! Zahlte die Dogge den Taler?«

»Unsinn! Die Zuschauer! Das Tier war wie –«

Gerda: »Na, ich danke!«

Und Lisa: »Aber das geht doch nicht!«

»Wieso: geht nicht?«

»Aber jeder sieht ein ... Wie soll denn das funktionieren? Wie denken Sie sich denn das?«

»Gar nicht. Hab's gesehen und damit basta!«

Und ganz plötzlich greift sie nach Antons Hand, hebt sie sacht, läßt sie fallen, streicht einmal, zweimal darüber. »Nun – und Sie? Glauben Sie, was Ihr Freund erzählt?«

»Verzeihung, wie –? Ich habe wirklich nicht verstanden –«

Er verstummt, sieht sie an, und ein kleines, zages Lächeln runzelt um seine Augen. Ein wenig verziehen sich seine Lippen, und dann ist ihm, als habe sie verstanden, dieses: »Reden wir immerhin ... Das zählt nicht.«

Als ihm Arne auf die Schulter schlägt. »Der und verstanden! Diese Heideknospe! Wissen Sie, wie er bei uns auf dem Pennal –«, verbessernd: »– Universität heißt –? Josaphat! Warum –? Keusch wie Joseph und liebreich wie das Tal Josaphat.«

Sie hebt die Brauen, schiebt die Unterlippe vor. »Wie dumm das ist! Aber Jo werde ich ihn nennen, Jo paßt zu ihm. Lisa! Lisa! Sekt! Wir wollen Brüderschaft trinken.«

»Aber ich habe kein Geld.«

»Was macht das! Ich feiere heute Geburtstag, du bist mein Gast!«

Lisa lacht. »Schon wieder Geburtstag, Gerda? Wie lange ist's her, daß du mit dem dunklen –«

»Nicht dumm sein, Lisa. Ist Jo nicht lieb? Komm, trinke, kleiner Jo!«

»Und ich –?« fragt Arne.

»Wünschen Sie noch einen Schwedenpunsch?«

»Dann kann ich wohl gehen.«

»Niemand hält Sie.«

»Eine eigentümliche Bedienung! Ich werde den Wirt –«

»So ist es recht, mein Herr! Weil ich Ihren Freund netter finde, aber, was wollen Sie, Sie liegen mir einmal nicht ...«

»Schon gut! Geschenkt! Also noch einen Punsch.«

»Bitte schön.«

»Übrigens habe ich Sie neulich mit dem dunklen Herrn gesehen.«

»So?«

»Ja, auf der Steinstraße. Und ich wundre mich über Ihren Geschmack.«

»Steht Ihnen frei.«

»Er sah brutal aus.«

»Möglich.«

»Aber man weiß schon, wählerisch ...«

»Zum Beispiel Sie –? Nein, mein Lieber. Nie!«

Und plötzlich beugt sich Anton vor; sein Gesicht nahe dem ihren, fast in ihren Mund fragt er leise und bebend: »Wie denn müßte man sein, Ihnen zu gefallen –?«

Sie ist stumm, sieht ihn an, ein sanftes Rot steigt in ihre Wangen; sie wendet ihre zweifelnden und feuchten Augen von ihm, blickt zur Erde. Noch mehr Stille, und dann: »Ich weiß nicht ... nein ... ich habe vergessen ...«

Ein Übermaß von Freude glüht in ihm. Er lächelt verwirrt, streicht sich über die Stirn ... Ihre Hand in der seinen spricht er: »Dies ist Leben, nicht?«

»Seht doch das Lüttje!«

13. Kapitel Denkens Beginn

Inhaltsverzeichnis

Verging Zeit –?

Vielleicht. Arne war streitsüchtig gewesen, dann lachend geräuschvoll, er hatte Zoten gerissen, Komplimente gedrechselt, nun musterte er mürrisch trübe die beiden, schwieg.

Doch Anton lernte sich anders kennen, fühlte Erwachen, ein nie erlebtes. Zartes feuriges Rieseln lief durch den Leib, seine Hände erneuten sich, und tasteten sie, fühlten die Finger wirklich. So stark drang durch die Haut Ansturm intensivsten Lebens, daß er einen Augenblick die Augen schloß, um nicht ganz an die Fülle verlorenzugehen. Wie ein Schmerz war es, ein heißer Schmerz, ein guter, daß er den Mund verzog.

»Lächelst du, Jo?«

»Nein. Nicht. Aber ich muß daran denken, daß ich es im Grunde immer gewußt habe. Es lag in mir, Kern in der Nuß, und nun ... ja, immer habe ich es gewußt, schon ganz früh ...«

»Was ist es, das du gewußt hast?«

»So war es. Sieh, daheim hörte ich nur von Pflicht, von Arbeit, Frömmigkeit. Nicht anders waren die Eltern. Sonst nichts. Gar nichts. Man war sie. Wurde wie sie. War's anders möglich? Denken war nie not, alles Erlebte Beweis, daß stets die Eltern recht hatten. Und mit ihnen ich Folgsamer. Siegte ich mit meinem Fleiß über die Faulen, zeigte nicht das schon, wie sehr sie recht hatten? Alles Abweichen trug seine Strafe in sich, und nur Schein war der Triumph des Betrügers, denn dem unentdeckten selbst wurde als mildeste Strafe das Bewußtsein, Sünder zu heißen, versetzt.«

Ins Leere gesprochen, zögernd, suchend, mit zager Stimme: angstvolle Nichtigkeiten, unwichtige, angeglüht doch schon von dem Glanz des ungeheuren Sonnenaufgangs, der alles, alles sichtbar machen wird. Jetzt noch: schrecklich sichtbar. Eine Erhellung, die erschüttert, blinzeln läßt. Wo ist der gute Dämmerwinkel, da du haustest, Nachttier Bürger? Tastest in zu viel Licht nun, stolperst, suchst, tastest ...

Finger, schmale, klägliche Knabenfinger, deren mittelster von Schreibarbeit knotig verdickt ist, Finger tupfen leise über die Messingplatte, als wollten sie dies Gelbe schmecken. Nun hebt er den Blick, steil im Licht steht sein Gesicht, eine Strähne schlägt zärtlichen Bogen über die Stirn zum sinnenden Auge, feine Hände krampfen sich – und wie ein Schluchzen aus Glück schwingt's in der Stimme des Rufers: »Und zu denken, beinahe war man sein ganzes Leben zu solchem Betruge verdammt! Ohne es zu wissen. Man hätte mitgemacht, von Treue und Stolz und Arbeit geredet und Pflicht – und die Elenden und die andern verachtet ... Nun kann man wohl niemand mehr verachten –?«

Er zweifelte, hob die Achsel, und seinen Blick in dem ihren, begann er plötzlich zu lächeln, ratlos. Der Bürger suchte den Winkel; rasch warf er den Kopf zurück, sprang auf. »Aber was kümmert uns das? Komm, die Musik spielt, wir tanzen ...«

Sie glitt um die Theke, ging ihm entgegen und staunend sah er, wie klein sie war, ein Junge, zart, doch mit Schultern, mit Hüften, die ... O nein, nicht denken, nicht überlegen, nur nicht zergliedern ... Aber du fühlst wohl, wie ihr Gang dich verwirrt, dieser streifende, sachte, der ein wenig breit ist; nicht wahr doch –? Ein wenig breit –?

»Ach, wie dumm! Ein Walzer!«

»Warum? Ist Walzer nicht schön?«

»O du! Wo hast du Tanzen gelernt? Nein, so: eines, zweie, drei ...«

Durch die Seide stieg die Kühle ihrer schmiegsamen Schulter, eine Kühle, von weither seltsam erneuert durch ruhende Wärme – er zog die Hand zurück, taumelte, stand. »Es geht nicht.«

»Nein, tanzen kannst du nicht. Aber was macht es? Ich bringe dir's schon bei.«

»Du willst –?« Doch ganz enttäuscht: »Aber nein, es geht doch nicht.«

»Warum nicht? Was sollte nicht gehen?«

»Nein. Du denkst doch daran, daß ich arm bin?«

Kurzes Besinnen, wegwerfend: »Oh, auch ich habe nie Geld.«

»Aber –« Er sah sie fassungslos an. »Wer wie du –«

»Versteh doch! Frieren und hungern tu ich nicht, aber oft begehre ich toll etwas: einen Putz, irgendeinen Ring ...« Ihr Blick verflattert, fällt. »Und ...«

»Und ...«

»Und es gibt nichts, das ich dann nicht täte.«

»Das sagt man so.«

»Sei still, du verstehst nichts davon, sollst es nie verstehen, nie –! Aber wo lebt denn ihr? Woher kommst denn du, daß du nicht einmal dies weißt? Wir wußten's schon als Kinder, und der Apfel beim Bruder, die Puppe der Schwester wurden lieber vernichtet als gegönnt.«

»Wie du gelitten hast! Man muß sehr gut sein zu dir.«

»Sei es. Versuch's. Sei es.«

»Durchdacht muß es werden, all das. Auf der Fischerbastion werde ich morgen sitzen; über mir Wind in Bäumen, unten das gerauhte Band der Warnow, werde ich daran denken ...«

»An was, Lieber?«

»An alles. An die Welt und dich. – Hast du nie Angst?«

»O ich kann böse sein.«

»Siehst du, auch dich haben sie gestraft mit falschem Denken. Denn das muß falsch sein. Ich glaube nun, niemand ist böse. All das ist Lüge.

Aber ich habe es gewußt, ganz drunten in mir hat's gewußt und gewartet und nun brach's hervor, als ich dich ... Sieh, das ist so gewesen: wenn ich arbeitete und die Ziele sah und den Ehrgeiz fühlte und Wachsen des Wissens, dann war ich am frohesten, wenn ich die Vorhänge schließen konnte, das Gas summte leise, und kaum je, daß ein fliegender Ruf mich streifte.«

Listig: »Aber das war es, da steckte der Betrug, und in mir hat's ihn geahnt: die Welt war draußen. Um mich Bücher – oh, es muß noch andere Bücher geben, und ich werde sie finden! –, Möbel, deren Häßlichkeit ich nun erst sehe, Spruchbänder, die mich immer anlogen, Nippes, versteinerte Gewordenheit –: aber die Welt war draußen.«

Und mit freier Gebärde – als würfe er sich einer Sonne zu, erglänzte feierlich sein Gesicht –: »Warum wäre denn der Flieder gar so schön? Warum wäre die Welt einmal weiß und blau, einmal golden und grün? Warum krampfen Reihen von gereimten Worten mein Herz wunderbar schmerzvoll zusammen? Und warum ist es froh im tiefsten Grunde, da es dich sieht und nun bis an alles Ende weiß, daß es ein Lächeln wie deines auf der Welt gibt?«

»Danke, Liebster.«

»Oh, ich ahne es erst, welcher Dumpfheit ich entkam. Noch ziehen die Nebel, und wenn ich erst die Sonne sehe ... Ich werde sie sehen!«

Und Arne. »Sie muß bald aufgehen. Ich denke, es ist Zeit für uns.«

Ernüchtert: »Ja, natürlich. Wir sind wohl die letzten. Adieu, Gerda.«

Ihre Hände sanken ineinander. Ihre Augen.

»Wartet, Buben, ich komme mit euch. Ihr bringt mich nach Haus.«

(Nachhall: »Wartet, Buben –!«)

14. Kapitel Heimgang in der Frühe

Inhaltsverzeichnis

Dunkle Straßen. Kalter Wind vom Meer.

Dem Jungen ist's, als müsse er aufhorchen, als würde er dann über dem endlosen Sturmessausen die hellen und wilden Rufe der Möwen vom Meere her hören, die ewig das Gefühl endlosester Einsamkeit in die Seele des Horchers schreien. Ihn fröstelt, ein wenig taumelt er, aber schon glitt eine warme Hand in seine, hielt ihn, eine Stimme fragte: »Mein Junge ist traurig?«

»Oh –«

»Soll es nicht sein. Bin ich doch da.«

»Freilich, du bist da.«

Und heiß, innen: »Aber bald wird sie wieder fort sein. Morgen schon! Morgen? Heute noch! Schon beginnt es zu dämmern, die Umrisse des Kröpeliner Tors treten aus der Nacht, so wenig Schritte noch und der neue wolkige Tag wird mit Regenschauern und Sturm die frohhellen Konturen dieser Nacht vage machen ...«

Ein wenig zögerte er, dann rührte sich seine Hand in der ihren, und diese Bewegung schien seinen Wünschen Hoffnung, seinen Entschlüssen Feuer gegeben zu haben. Warum denn sollte man verzichten? Heimkehren wie ein Odysseus etwa, dem allein vom Locklied der Sirenen Strickmale an Arm und Bein blieben? Ins Wasser hinein! Vorwärts schnellen dich deine Schwimmstöße, und nun am Strande beugst du Nackter die Knie vor den nie geahnten Köstlichkeiten dieser. »Sterben –? Aber bei ihnen sterben! Nicht wieder heimkehren müssen in das Grau, dort arbeiten, Pflichten erfüllen und dort, dort, dort im Sumpfe sterben müssen! Nein, heitere Salzluft der erschwommenen Insel, heiteres Gesträuch, heitere Sonne, heiteres Lachen und – .«