Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina - Petra Wild - E-Book

Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina E-Book

Petra Wild

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Beschreibung

Über die Palästina-Frage scheint schon alles gesagt. Das Buch von Petra Wild beweist das Gegenteil. Es orientiert sich an den neuesten Erkenntnissen der Kolonialismus- und Genozidforschung, die den Zionismus als eine Form des europäischen Siedlerkolonialismus ausweisen. Nach einer Einführung in den Ursprung des palästinensisch-israelischen Konflikts und den exklusiv ethno-religiösen Charakter des Staates Israel wird in diesem Werk detailliert auf die israelische Politik gegenüber den Palästinensern innerhalb der Grenzen Israels und in den 1967 besetzten Gebieten eingegangen. Diese wird von israelischen, palästinensischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen wie auch von UN-Organisationen immer wieder als Apartheid angeprangert.

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Petra Wild Apartheid und ethnische Säuberung in Palästina

© 2013 Promedia Druck- und Verlagsgesellschaft m.b.H., Wien

Lektorat: Hannes HofbauerGestaltung: Stefan Kraft

ISBN: 978-3-85371-819-3(ISBN der gedruckten Ausgabe: 978-3-85371-355-6)

Fordern Sie unsere Kataloge an: Promedia Verlag Wickenburggasse 5/12 A-1080 Wien

E-Mail: [email protected]

Inhalt

Die Autorin
Einleitung
Der Ursprung des Konflikts: Zionistischer Siedlerkolonialismus und die ethnische Säuberung 1947/1948
Ethnokratie, Apartheid und ethnische Säuberung
Die gläserne Mauer: Segregation und Ausschluss der Palästinenser innerhalb der Grünen Linie
Vertreibung, Landraub und Zerstörung der einheimischen Kultur innerhalb der Grünen Linie am Beispiel des Naqab/Negev
Rassismus in der jüdisch-israelischen Bevölkerung
Die israelische Kolonialpolitik in den 1967 besetzten Gebieten vor und nach den Oslo-Abkommen
Gettoisierung, Enteignung und schleichende Vertreibung der Palästinenser in der Westbank
Die ethnische Säuberung des Jordantals
Die Funktion der Siedler: Landraub und Terrorisierung der einheimischen Bevölkerung
Ethnische Säuberung und Zerstörung der historischen Stadt in al-Quds/Jerusalem
Die Blockade des Gazastreifens und die Genozid-Debatte
Demokratischer säkularer Staat statt Apartheid und ethnischer Säuberung
Literaturliste
Landkarten

Die Autorin

Petra Wild, geboren 1963 in Aarbergen/Hessen, studierte arabische Sprache und Islamwissenschaften in Jerusalem, Leipzig, Damaskus und Berlin. Sie arbeitet als freiberufliche Publizistin vor allem zur Palästina-Frage und zur Arabischen Revolution.

Einleitung

Die Realität in Palästina wird besonders in Deutschland verdeckt durch einen dichten Schleier aus Desinformation und Manipulation. Durch ständige Wiederholung werden im Bewusstsein der Öffentlichkeit bestimmte Verknüpfungen und Konnotationen hergestellt: Dass Israel der Staat der Überlebenden des Holocausts sei; dass Israel die einzige Demokratie im Nahen Osten sei; dass Israel ein bedrohter und belagerter Staat in einer feindlichen und zivilisatorisch rückständigen Region sei; dass die Araber und Muslime Israel ablehnten, weil der Islam eine repressive und barbarische Religion und/oder die arabische Kultur in vormodernen Strukturen gefangen sei; dass Israel nach Frieden strebe, während Palästinenser, Araber und Iraner Israel vernichten wollten; dass jeder israelische Krieg per definitionem nur der Selbstverteidigung diene und Israels Recht auf Selbstverteidigung sakrosankt sei, ebenso dessen Anspruch, ein exklusiv jüdischer Staat sein zu wollen. Die immer gleichen propagandistischen Versatzstücke prägen die Reaktionsmuster der Öffentlichkeit, die sich oftmals in eingeübten Reflexen auf gegebene Reize erschöpfen.

Sobald es um Israel geht, wenden auch kritische Köpfe völlig andere Kriterien an als auf andere Staaten. Während es in den 1980er Jahren selbstverständlich war, den Apartheidstaat Südafrika zu boykottieren, wird die Apartheidpolitik Israels als zulässig betrachtet, da dieses seinen jüdischen Charakter bewahren müsse. Je nach politischer Vorliebe solidarisieren sich viele mit der baskischen Minderheit in Spanien oder der tibetischen in China, die Unterdrückung der palästinensischen Minderheit in Israel wird jedoch geflissentlich übersehen. Die antideutsche Linke, die alle Nationalstaaten eifrig bekämpft, glorifiziert gleichzeitig den Nationalstaat Israel. Jeder andere Staat, der im 21. Jahrhundert darauf bestünde, der exklusive Staat einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu sein, würde als fundamentalistisch verurteilt. Jeder andere Staat, der ein System von nach Ethnien getrennten Wohngebieten und Straßen unterhielte, würde als rassistischer Staat verurteilt. In Bezug auf Israel jedoch scheint es eine Immunisierung des Denkens zu geben, die verhindert, dass die Realität so wahrgenommen werden kann, wie sie ist. Die außerordentlich brutale israelische Kolonial- und Kriegspolitik und der beharrliche Widerstand der Palästinenser dagegen haben allerdings in den vergangenen zehn Jahren in den meisten westlichen Ländern dazu geführt, dass der Schleier zerrissen wurde und die Dinge beim Namen genannt werden. Hierzulande jedoch ist die Auseinandersetzung mit der Palästina-Frage von einer bemerkenswerten Rückständigkeit gekennzeichnet. Die Solidaritätsbewegung ist schwach, die internationale Kampagne zu Boykott, Desinvestment und Sanktionen gegen Israel beginnt erst langsam sich zu entwickeln. In der Palästina-Frage gibt es keine nennenswerten Unterschiede zwischen rechten und linken Parteien und Organisationen. Die Sicherheit Israels ist von der Bundesregierung zur Staatsräson erklärt und das Existenzrecht Israels von der Linkspartei ins Parteiprogramm geschrieben worden. Die außerparlamentarische Linke, die sich als antifaschistisch versteht, überholt die herrschenden Parteien von rechts und vertritt teilweise ähnliche Positionen wie die Partei »Die Freiheit«, »politically-incorrect« und andere rechte rassistische Strömungen. Die wenigen kritischen Stimmen, die es gibt, werden regelmäßig mittels inszenierter Antisemitismusvorwürfe zum Schweigen gebracht, Veranstaltungen, die nicht die offizielle israelische Linie wiedergeben, immer wieder verhindert.

Entscheidend für das Gelingen der fortwährenden Manipulation der Öffentlichkeit ist die Instrumentalisierung des Antisemitismusvorwurfes. Zionisten innerhalb und außerhalb Israel bezeichnen auch Antizionismus und Kritik an der Politik des Staates Israel als Formen des Antisemitismus. In den Metropolen wurde dieser Ansatz in den letzten Jahren aufgegriffen, und wenn heute von Antisemitismus die Rede ist, ist meist Israelkritik oder Antizionismus gemeint. Beides sind jedoch grundverschiedene Dinge. Während der Begriff des Antisemitismus den pauschal gegen die jüdische Religionsgemeinschaft gerichteten Rassismus bezeichnet, ist Antizionismus eine politische Position, die im Kern in der Ablehnung der Vertreibung, Enteignung und Entrechtung der Palästinenser und eines exklusiven jüdischen Staates in einem multiethnischen, multireligiösen Land besteht. Welche Theorien in Umlauf gebracht, gefördert werden und sich durchsetzen können, hängt in nicht geringem Maß von den ideologischen Interessen der Herrschenden ab. Theodor W. Adorno hat das bereits in den 1960er Jahren pointiert formuliert: »Über das, was wahr und was bloße Meinung, nämlich Zufall und Willkür sein soll, entscheidet nicht, wie die Ideologie es will, die Evidenz, sondern die gesellschaftliche Macht, die das als bloße Willkür denunziert, was mit ihrer eigenen Willkür nicht zusammenstimmt.«1

Um der permanenten Manipulation etwas entgegenzusetzen, hatte ich ursprünglich vor, ein Buch über die israelische Apartheidpolitik und die Ein-Staat-Lösung zu schreiben. Bei meinen Studien stellte sich jedoch heraus, dass die israelische Politik gegenüber den Palästinensern sich nicht auf Apartheid beschränkt, sondern auch systematische ethnische Säuberungen einschließt. Der antizionistische Israeli Moshe Machover lehnt die Verwendung des Apartheidbegriffs sogar als Verharmlosung ab, da der Kern israelischer Kolonialpolitik die ethnische Säuberung sei. Im Gegensatz zum südafrikanischen Apartheidregime habe Israel kein Interesse an der Ausbeutung der Arbeitskraft der einheimischen Bevölkerung, sondern wolle sich ihrer entledigen.2 Diese Einschätzung wird von mehreren kritischen Israelis und internationalen Kolonialismus- und Genozidforschern geteilt. Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung wurde mir klar, dass die israelische Kolonialpolitik weder durch den Begriff der Apartheid noch durch den der ethnischen Säuberung ausreichend erklärt werden kann, da beide nur Folgen sind, Symptome. Die Suche nach der Ursache führte mich zur Beschäftigung mit dem Phänomen des Siedlerkolonialismus. In der neueren Kolonialismus- und Genozidforschung werden Israel und dessen Staatsdoktrin, der Zionismus, als solcher behandelt. Der reine Siedlerkolonialismus, für den Israel ein Beispiel ist, strebt danach, die einheimische Bevölkerung durch eine eingewanderte Siedlerbevölkerung vollständig zu ersetzen. Die Grenzen werden stets weiter nach vorne verschoben und die einheimische Bevölkerung auf stets kleiner werdenden Flächen zusammengedrängt, um ihr Land und ihre Ressourcen für die Siedlerbevölkerung freizumachen. Charakteristisch für siedlerkolonialistische Gebilde sind neben territorialer Expansion ein ausgeprägter Rassismus in der Siedlerbevölkerung und die Behauptung, das Land sei menschenleer gewesen, als die Siedler kamen. Die bekanntesten siedlerkolonialistischen Staaten sind die USA, Neuseeland, Australien, Südafrika und Israel. Der Begriff des Siedlerkolonialismus war der Schlüssel, um die Logik, die der Apartheid und ethnischen Säuberung in Palästina zugrunde liegt, verstehen und die konkreten Ausprägungen der zionistischen Kolonialpolitik miteinander in Bezug setzen zu können. So wurde aus einem Buch über die israelische Apartheidpolitik ein Buch über den zionistischen Siedlerkolonialismus in seinen verschiedenen Ausdrucksformen, zu denen – wie in allen siedlerkolonialistischen Staaten – Apartheid, ethnische Säuberung und schleichender Genozid gehören.

Petra Wild,Berlin, im Januar 2013

1. Adorno, Theodor W., Meinung Wahn Gesellschaft in: Eingriffe. Neun kritische Modelle, Frankfurt/Main 1963, S. 153

2. Machover, Moshe, Is it Apartheid?, News from Within (AIC), Jerusalem, December 2004/January 2005; deutsche Übersetzung von Ellen Rohlfs, Ist es Apartheid? unter: arendt-art.de/deutsch/palestina/Stimmen_Israel_juedische/machover_moshe_apartheid.htm

Der Ursprung des Konflikts: Zionistischer Siedlerkolonialismus und die ethnische Säuberung 1947/1948

»Der israelisch-palästinensische Konflikt ist seinem Wesen nach ein Konflikt zwischen einer in die Region eindringenden, in erster Linie aus dem Westen stammenden Siedlerbewegung, die aufgrund alttestamentlicher Verheißungen und von der Imperialmacht Großbritannien gemachter Versprechungen nach Palästina kam und um keinen Preis anerkennen wollte, dass das Land schon bewohnt war, und einer palästinensisch-arabischen Ursprungsbevölkerung von Muslimen und Christen, die sich ohne großen Erfolg dem Verlust ihres Territoriums und der Zerstörung ihrer Gesellschaft immer entgegengestellt hat.« (Edward W. Said)3

In der arabischen Welt wird der Zionismus seit jeher als koloniales Projekt angesehen. Die Arbeiten arabischer Wissenschaftler zu dem Thema, wie etwa die des bekannten ägyptischen Professors Abdel-Wahab al-Massiri, wurden in der westlichen Welt nicht zur Kenntnis genommen, da ihnen mangelnde Objektivität und propagandistische Absichten unterstellt wurden.4 Vereinzelte Ansätze europäischer und israelischer Wissenschaftler in den 1970er und 1980er Jahren, Israel als Siedlerkolonialismus zu behandeln, blieben weitgehend folgenlos.5 Erst in den vergangenen Jahren hat sich die Analyse des Zionismus als Siedlerkolonialismus in stärkerem Maße durchsetzen können. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von Büchern und Texten zum Thema und auch kritische israelische Wissenschaftler wie Ilan Pappe und Oren Yiftachel bedienen sich dieses Begriffs. Eine Konferenz über den Siedlerkolonialismus in Palästina, wie im März 2011 von der School of Oriental und African Studies (SOAS) in London veranstaltet, oder Debatten unter Genozidforschern über die Frage, ob die israelische Politik genozidal sei, wie 2010 im »Journal of Genocide Research« veröffentlicht, wären vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen.6

Der Siedlerkolonialismus ist eine spezifische Form des Kolonialismus. Er basiert auf dem Raub des Landes und der Ressourcen durch Siedler, die aus anderen Ländern kommen, während die einheimische Bevölkerung verdrängt und ihre Gesellschaft und Kultur zerstört werden. Zur Legitimation dieser Politik bedienten sich alle siedlerkolonialistischen Projekte in der Vergangenheit wie auch Israel in der Gegenwart eines ausgeprägten Rassismus. Der Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer definiert Siedlerkolonialimus als »Versuch der Kontrolle und bevölkerungspolitischen Neuordnung größerer Territorien nach den Vorgaben einer von außen in die Region gekommenen Bevölkerung. Er basierte zwingend auf einer ethnisch verstandenen Hierarchisierung der Bevölkerung. Motiviert und auch gerechtfertigt wurden sowohl die Invasion als auch die Besetzung fremder Kontinente durch die Einteilung der Menschen in höhere, zum Herrschen bestimmte und niedere, ihnen unterworfenen Rassen. Ob unverhohlener Raub, oder Rechtfertigung als Zivilisationsmission, kaum irgendwo findet sich eine Akzeptanz des indigenen Gegenübers als Gleichem.«7

Je nachdem, ob die einheimische Bevölkerung als billige Arbeitskräfte eingebunden wird oder nicht, entwickelt der Siedlerstaat unterschiedliche Techniken im Umgang mit ihr. Der reine Siedlerkolonialismus hat nicht die Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung zum Ziel, sondern die Aneignung des Landes möglichst ohne sie. Europäische Siedlerkolonialisten orientieren sich an der von ihnen glorifizierten westlichen Zivilisation, der sie entstammen und streben nach der Errichtung einer Kopie Europas außerhalb Europas unter Ausschluss der einheimischen Bevölkerung. Diese wird entweder Opfer breitflächiger ethnischer Säuberungen, Segregation und Einsperrung oder eines Genozids. Beispiele für den reinen Siedlerkolonialismus sind die USA, Neuseeland, Australien und Israel. Beispiele für den Ausbeutungssiedlerkolonialismus waren die französische Kolonie Algerien und Südafrika bis zur Beseitigung der Apartheid 1994.

Der Zionismus entstand Ende des 19. Jahrhunderts im europäischen jüdischen Kleinbürgertum. Er war einerseits eine Reaktion auf den zunehmenden Antisemitismus und Assimilationsdruck in Europa und andererseits eine Verkörperung der damals vorherrschenden nationalistischen und kolonialistischen Ideologien. Er definierte Judentum nicht mehr nur als Religionsgemeinschaft, sondern als Volk bzw. Nation. Da die Zionisten die Prämisse der Antisemiten übernahmen, dass Juden und Nicht-Juden nicht zusammenleben könnten, sahen sie die Lösung für die Diskriminierung und Verfolgung von Juden in der Gründung eines eigenen Nationalstaates außerhalb Europas. Der österreichische Journalist Theodor Herzl, der eigentliche Gründer des Zionismus, legte das Projekt in seinem 1896 erschienenen Werk »Der Judenstaat« programmatisch dar. Ein Jahr später fand in Basel der erste Kongress der Zionistischen Weltorganisation (WZO) statt, die dieses Projekt in die Praxis umzusetzen suchte. Die zionistische Bewegung bezeichnete sich in ihren ersten Jahrzehnten selbstbewusst als koloniale Bewegung und Herzl bezeichnete sein Projekt in einem Brief an Cecil Rhodes, dem Gründer der afrikanischen Siedlerkolonie Rhodesien, als »koloniales Projekt«.8

Die Entscheidung der WZO für Palästina als Ort des zukünftigen »Judenstaates«, nachdem auch Argentinien und Uganda in der Diskussion gewesen waren, ging einher mit einer fundamentalistischen Bibelauslegung, die trotz des zunächst vorwiegend säkularen Charakter des Zionismus eine zentrale Rolle spielte bei der Legitimation des zionistischen Anspruches auf das Land Palästina, das damals zum Osmanischen Reich gehörte. Dort lebten zu diesem Zeitpunkt etwa eine Million Palästinenser, die dem Land seinen spezifischen Charakter gaben, darunter 4 % Juden.9 Der Bezug auf biblische Versprechen war indessen keine zionistische Erfindung, sondern ist charakteristisch für alle siedlerkolonialistischen Projekte. Auch die europäischen Siedler in Nordamerika und Südafrika hatten sich ihrer bedient. Die Tatsache, dass Juden seit der Herausbildung ihrer Religion neben einer Vielzahl von anderen religiösen und ethnischen Gemeinschaften immer auch in Palästina gelebt hatten, schien jedoch der Rechtmäßigkeit des zionistischen Kolonisierungsprojekts eine besondere Glaubwürdigkeit zu verleihen: »Der Zionismus als eine kolonialistische Bewegung bot der Welt die originellste und einzigartigste Verteidigung für eine solche Unternehmung an. Die Rechtfertigung basierte in diesem Fall nicht auf einer Zivilisierungsmission oder kommerziellen Interessen. Anders als Siedler in anderen Teilen der Welt, behaupteten die zionistischen Siedler, dass sie nicht in ein neues Land kämen (...), sondern nach einem verlängerten Auslandsaufenthalt einfach nach Hause zurückkehrten; die scheinbar Einheimischen wären die eigentlichen Fremden.«10

Eine Vertreibung der Juden aus Palästina, auf die sich die Rhetorik von der »Rückkehr« stützt, hat, wie mittlerweile belegt ist, niemals stattgefunden. Vielmehr sind die heutigen Palästinenser die Nachkommen aller Religionsgemeinschaften – darunter auch der Juden –, Ethnien und Zivilisationen, die sich in der etwa sechstausendjährigen Geschichte des Landes dort getroffen, vermischt und eine spezifisch palästinensische Kultur hervorgebracht haben.11

Die zionistische Bewegung suchte zur Durchsetzung ihres kolonialen Projekts die Protektion einer Großmacht und versprach, dass der künftige jüdische Staat ein Teil Europas sein, die europäische Zivilisierungsmission fortsetzen und europäische Interessen verteidigen werde.

Theodor Herzl drückte das folgendermaßen aus: »Für Europa würden wir dort ein Stück des Walles gegen Asien bilden, wir würden den Vorpostendienst der Kultur gegen die Barbarei besorgen.«12

Während des Ersten Weltkriegs ging die Weltmacht Großbritannien aus eigenen geostrategischen Interessen ein Bündnis mit der Zionistischen Weltorganisation ein. Sie sicherte dieser im November 1917 in der Balfour-Deklaration ihre Unterstützung für die Errichtung »einer jüdischen Heimstatt« in Palästina zu. Nach der Besetzung des Landes durch britische Truppen 1918 intensivierte sich die Einwanderung europäischer zionistischer Siedler und die zionistische Bewegung begann in Kooperation mit der britischen Kolonialmacht quasi-staatliche Strukturen aufzubauen. Dazu gehörte ab 1920 auch die Aufstellung paramilitärischer Einheiten. Oberste Priorität hatte jedoch der Erwerb arabischen Landes als Basis der kolonialen Siedlung. Dafür zuständig war der auf dem 5. Zionistischen Weltkongress 1901 gegründete Jüdische Nationalfonds (JNF), der jedes erworbene Land zum unveräußerlichen jüdischen Eigentum erklärte, das nicht an Nicht-Juden verkauft oder von diesen bearbeitet werden durfte.13 Nach dem Kauf von Land wurden die Pächter, die das Land zum Teil schon seit Generationen bearbeitet hatten, vertrieben, sodass Tausende von Menschen landlos wurden. Es waren vorwiegend außerhalb des Landes lebende Großgrundbesitzer, die Land verkauften. Die zionistische Bewegung nahm in der ersten Phase die Hilfe französischer Experten für die Kolonisierung Nordafrikas in Anspruch. Diese waren besonders geeignet, da Frankreich Algerien bereits 1830 besetzt und dort eine große europäische Siedlerkolonie aufgebaut hatte.14

Die einheimische palästinensische Bevölkerung wurde sowohl in den britischen wie in den zionistischen Planungen ignoriert. Als Nicht-Europäer, Nicht-Weiße galten die Palästinenser beiden gleichermaßen als unzivilisiert und minderwertig. Weder ihre nationalen und politischen Rechte noch ihre Identität, Kultur und Geschichte wurden anerkannt. Lord Balfour gestand ihnen – der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung – in seiner Deklaration mit der typischen Arroganz des Kolonialherrn nur Minderheitenrechte zu. Israel Zangwill brachte die Parole »Ein Land ohne Volk für ein Volk ohne Land« in Umlauf, die nicht bedeutete, dass die Anwesenheit einer einheimischen Bevölkerung der zionistischen Bewegung nicht bekannt war, sondern vielmehr, dass diese nicht als vollwertige Menschen, nicht als an die europäischen Siedler heranreichende Menschen angesehen wurden.15 Der langjährige Vorsitzende der WZO, Chaim Weizmann, zum Beispiel fand: »Es gibt einen fundamentalen Qualitätsunterschied zwischen Jude und Eingeborenem.« Als der Leiter der Kolonisationsabteilung der Jewish Agency ihn über die Araber in Palästina befragte, antwortete er: »Die Briten haben uns gesagt, dass es dort einige Hunderttausend Neger gibt, die keinen Wert haben.«16

Das Ziel der zionistischen Bewegung war die Übernahme des gesamten Mandats-Palästinas und die Ersetzung der einheimischen Bevölkerung durch eine europäische Siedlerbevölkerung.17 Dem Vorsitzenden der Zionistischen Weltorganisation, Chaim Weizmann, zufolge sollte Palästina so jüdisch werden wie England englisch ist.18 Das war nur zu erreichen, indem die einheimische Bevölkerung vertrieben wurde. Das hatte bereits Theodor Herzl nahegelegt: »Die arme Bevölkerung trachten wir unbemerkt über die Grenze zu schaffen, indem wir ihr in den Durchzugsländern Arbeit verschaffen, aber in unserem eigenen Land jederlei Arbeit verweigern.«19

Alle zionistischen Fraktionen waren sich über die Notwendigkeit eines »Transfers« – wie die Vertreibung euphemistisch genannt wurde – der einheimischen Bevölkerung einig. Ab Mitte der 1930er Jahre wurden mehrere aufeinander folgende Komitees eingesetzt, die Möglichkeiten zum »Bevölkerungstransfer« untersuchen sollten.20 David Ben-Gurion, ein weiterer Vorsitzender der Zionistischen Weltorganisation, sagte auf dem 20. Kongress der WZO mehr als eine Dekade vor der Gründung des Staates Israel: »Die wachsende jüdische Macht im Land wird unsere Möglichkeiten, einen großen Transfer auszuführen, erhöhen.« Der langjährige Vorsitzende des Jüdischen Nationalfonds (JNF), Joseph Weitz, erklärte auf einem Treffen des »Transferkomitees« 1937, warum die Vertreibung der einheimischen Bevölkerung notwendig war: »Der Transfer der arabischen Bevölkerung aus dem Gebiet des jüdischen Staates dient nicht nur einem Ziel – der Verringerung der arabischen Bevölkerung. Er dient auch einem zweiten, nicht weniger wichtigen Ziel, nämlich das Land zu evakuieren, das gegenwärtig von Arabern besessen und kultiviert wird und es so für die jüdischen Einwohner freizumachen.«21

1940 notierte Joseph Weitz in seinem Tagebuch, dass eine Koexistenz mit den Palästinensern im Rahmen des zionistischen Projekts unmöglich sei: »Unter uns muss klar sein, dass es im Land keinen Platz gibt für beide Völker zusammen. (...) Mit den Arabern werden wir unser Ziel, ein unabhängiges Volk in diesem Land zu sein, nicht erreichen. Die einzige Lösung ist Eretz Israel, zumindest der westliche Teil Eretz Israels, ohne Araber (...) und es gibt keinen anderen Weg, als die Araber von hier in die benachbarten Länder zu transferieren, sie alle zu transferieren. Nicht ein Ort oder Stamm soll übrig bleiben und der Transfer muss auf den Irak, Syrien und sogar Transjordanien gerichtet sein. Zu diesem Zweck wird Geld aufzutreiben sein, viel Geld; und nur durch diesen Transfer kann das Land Millionen unserer Brüder aufnehmen. Es gibt keine Alternative dazu ...«22

Nach der Verabschiedung der UNO-Teilungsresolution 181 am 29. November 1947 hielt die zionistische Führung den Zeitpunkt für gekommen, mit der ethnischen Säuberung des Landes zu beginnen. Die Resolution war ein Erfolg für die Zionisten, weil darin erstmals ihre territorialen Ansprüche auf Palästina international anerkannt wurden. Mehr noch: obwohl Juden zu diesem Zeitpunkt auch nach Jahren der intensiven Einwanderung nur ein Drittel der Bevölkerung stellten und weniger als 7 % des Landes besaßen, wurden dem zukünftigen jüdischen Staat 55,5 % der Fläche Palästinas zugesprochen. Die einheimischen Palästinenser hingegen, die zwei Drittel der Bevölkerung ausmachten und mehr als 93 % des Landes besaßen, sollten nur 44,5 % des Landes bekommen. Die Palästinenser bildeten in 15 der 16 Subdistrikte des Landes die Bevölkerungsmehrheit. Auch in dem für den jüdischen Staat vorgesehenen Gebiet hätten sie fast die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht.23 Die Palästinenser lehnten den Teilungsplan ebenso ab wie die arabischen Staaten. Die Zustimmung der zionistischen Bewegung zur Resolution war taktischer Natur. Es ging ihr zunächst darum, internationale Legitimation und Anerkennung zu erhalten, um, sobald die Gelegenheit sich bot, das Territorium des jüdischen Staates zu vergrößern. Ben-Gurion hatte schon 1937 geschrieben: »Errichtet sofort einen jüdischen Staat, selbst wenn es nicht im ganzen Land ist. Der Rest wird im Laufe der Zeit kommen. Er muss kommen.«24

Im Dezember 1947, noch während die britische Kolonialverwaltung das Land regierte, unternahmen zionistische Milizen die ersten Operationen zur Vertreibung der Palästinenser. Das waren zunächst begrenzte, einzelne Aktionen, die jedoch von großer Brutalität gekennzeichnet waren. Im Dorf Khisas sprengten zionistische Milizen mitten in der Nacht einige Häuser mitsamt der darin schlafenden Menschen in die Luft. 15 Palästinenser wurden dabei getötet. Als die Aktion unerwünschte internationale Aufmerksamkeit auf sich zog, entschuldigte sich Ben-Gurion dafür, nahm sie aber wenige Monate später in die Liste der erfolgreichen Operationen auf.25

Die ethnische Säuberung in großem Stil begann im März 1948, nachdem der innerste zionistische Führungskreis die Umsetzung des zu diesem Zweck bereits vorbereiteten »Plan Dalet« beschlossen hatte.26 Die beteiligten militärischen Einheiten erhielten ausdrückliche Befehle zur »Säuberung« und Zerstörung der Dörfer. Die Vertreibung der Palästinenser wurde ebenso systematisch ausgeführt wie sie zuvor geplant worden war. Teilweise wurden die Menschen direkt vertrieben, teilweise durch Gräueltaten zur Flucht gezwungen. Massaker an der Zivilbevölkerung spielten eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Furcht und Schrecken. Nach dem gegenwärtigen Forschungsstand begingen zionistische Truppen mindestens 70 Massaker und Gräueltaten, von denen die bekanntesten in Deir Yassin bei Jerusalem/al-Quds, Tantura bei Haifa und Duwayma bei Hebron/al-Khalil stattfanden.27

In Deir Yassin wurden im April 1948 zwischen 100 und 150 der 750 Dorfbewohner – Männer, Frauen und Kinder – getötet. 25 der überlebenden Männer wurden daraufhin in blutdurchtränkter Kleidung im Triumphzug durch Jerusalem geführt, um dann in einer ruhigen Ecke der Stadt erschossen zu werden. In Tantura wurden im Mai 1948 vor allem Männer auf den Straßen, in den Häusern und in kleinen Gruppen auf dem Friedhof des Dorfes gezielt erschossen. Einige hatten zuvor noch ihre Gräber ausheben müssen. Die Gräueltaten in Duwayma im Oktober 1948 wurden von einem Soldaten, der direkt nach dessen Besetzung in das Dorf beordert wurde, wie folgt geschildert: »Sie töteten etwa 80-100 Araber, Frauen und Kinder. Die Kinder wurden getötet, indem ihre Schädel mit Knüppeln zertrümmert wurden. Es gab kein einziges Haus ohne Tote. (...) In dem Dorf verbliebene Männer und Frauen wurden ohne Essen und Trinken in Häuser gesteckt. Dann kamen die Pioniere, um die Häuser zu sprengen. Ein Offizier befahl einem Pionier, zwei alte Frauen in das Haus zu bringen, dass er sich zu sprengen anschickte. Der Pionier weigerte sich und sagte, er würde nur Befehlen gehorchen, die ihm von seinem eigenen Befehlshaber gegeben würden. Also befahl der Offizier seinen eigenen Soldaten, die alten Frauen hineinzubringen und die Gräueltat wurde ausgeführt. Ein anderer Soldat brüstete sich damit, dass er eine arabische Frau vergewaltigt und dann erschossen hatte. (...) Gebildete, wohlerzogene Kommandanten, die als gute Kerle betrachtet werden, haben sich in primitive Mörder verwandelt. Und das geschah nicht im Toben der Schlacht und aus blinder Leidenschaft, sondern aufgrund des Systems von Vertreibung und Vernichtung. Je weniger Araber bleiben, desto besser.«28

Diese systematischen Massaker an der Zivilbevölkerung sind typisch für den Siedlerkolonialismus, für den die Aneignung des Landes der einheimischen Bevölkerung eine Frage von Leben oder Tod – wir oder sie – ist. Der Genozidforscher Patrick Wolfe begründet das folgendermaßen: »Land ist Leben – oder zumindest notwendig zum Leben. Daher können Kämpfe um das Land Kämpfe um das Leben sein – und sind es tatsächlich oft.«29 Der Genozidforscher Martin Shaw bewertet die ethnische Säuberung Palästinas 1948 als Genozid, da sie auf die Zerstörung der Palästinenser als Gruppe gerichtet war. Er führt diese nicht nur auf den siedlerkolonialistischen Charakter des Zionismus zurück, sondern auch auf dessen exklusiven Nationalismus. Der Zionismus habe bereits vor dem Krieg von 1948 Ansätze einer »genozidalen Mentalität« gegenüber der arabischen Gesellschaft entwickelt, die derjenigen geglichen habe, die europäische Nationalisten zu dieser Zeit gegenüber den Minderheiten in »ihren« Nationalstaaten hatten.30

Die palästinensische Bevölkerung war diesem Schrecken weitgehend schutzlos ausgesetzt. Sie war noch erschöpft von der blutigen Niederschlagung ihres Aufstands von 1936 bis 1939 und nach der Tötung oder Exilierung ihrer Führung zudem weitgehend führungslos. Die am 15. Mai 1948 halbherzig intervenierenden, schlecht ausgebildeten und schlecht ausgerüsteten arabischen Armeen vermochten nicht, die ethnische Säuberung zu stoppen. In diesem ersten israelisch-arabischen Krieg gelang es Israel vielmehr, sein Staatsgebiet um 22 % zu erweitern. Durch die ethnische Säuberung wurden mindestens 750.000 Palästinenser vertrieben, mehr als 80 % der einheimischen Bevölkerung desjenigen Teils Palästinas, der zu Israel werden sollte und etwa die Hälfte der palästinensischen Bevölkerung des ganzen Landes. Dem israelischen Historiker Ilan Pappe zufolge wurden 530 arabische Dörfer und 11 Städte zerstört. Der palästinensische Historiker Salman Abu Sitta beziffert die Zahl der zerstörten Dörfer und Städte auf 675.31 Die Palästinenser bezeichnen das als Nakba, Katastrophe. In der israelischen Politik und Gesellschaft wird die ethnische Säuberung Palästinas bis heute mehrheitlich entweder geleugnet oder als notwendig und legitim angesehen. Ein Beispiel dafür ist der israelische Historiker Benny Morris, der im Januar 2004 in einem Interview mit der israelischen Tageszeitung Haaretz sagte: »Ich glaube nicht, dass die Vertreibungen von 1948 Kriegsverbrechen waren. Man kann kein Omelett machen, ohne Eier zu zerschlagen. Man muss seine Hände beschmutzen. (...) Ein jüdischer Staat wäre nicht entstanden, wenn man nicht 700.000 Palästinenser vertrieben hätte.«32

Als nach der Besetzung der Westbank und des Gazastreifens erneut größere Gruppen von Palästinensern gewaltsam vertrieben wurden und Fragen nach der Legitimität dessen auftauchten, stellte Yeshayahu Ben-Porat 1972 in der Tageszeitung Yediot Ahronot klar: »Es ist die Pflicht der [israelischen] Führung der Öffentlichkeit klar und mutig eine Reihe von Wahrheiten zu erklären. Eine Wahrheit ist, dass es keinen Zionismus, keine Siedlung und keinen jüdischen Staat gibt, ohne die Araber zu evakuieren, ihr Land zu enteignen und sie abzuzäunen.«33

Wenn es Kritik an der ethnischen Säuberung gibt, so beschränkt sie sich oftmals darauf, dass nicht genug Araber vertrieben worden seien. Der als liberal geltende Benny Morris etwa meint, dass die Israelis heute in Frieden leben könnten, wenn 1948 alle Araber vertrieben worden wären.34

Die vertriebenen Palästinenser wurden per Gesetz zu »Abwesenden« erklärt, deren Rückkehr nicht erlaubt ist. Palästinenser, die trotzdem versuchten, zurückzukehren, wurden als »Infiltratoren« bezeichnet und erschossen. Mehrere Tausend Palästinenser verloren auf diese Weise in den Jahren nach 1948 ihr Leben. Ihr Land, ihre Häuser, Geschäfte, Plantagen, Bankkonten und sonstiges Eigentum wurden beschlagnahmt und zum Aufbau des Staates Israel verwendet. Das war ein gigantischer Transfer des Eigentums der einheimischen Bevölkerung an die europäischen Siedler, die bis 1948 weniger als 7 % des Landes besessen hatten. Von den 370 neuen jüdischen Siedlungen, die zwischen 1948 und 1953 errichtet wurden, befanden sich 350 auf dem Land palästinensischer »Abwesender.« 1954 lebte über ein Drittel der jüdischen Bevölkerung in Gebieten, aus denen die Palästinenser vertrieben worden waren. Etwa ein Drittel der Neueinwanderer (250.000) ließ sich in Städten nieder, die kurz zuvor von der einheimischen Bevölkerung ethnisch gesäubert worden waren. Auch Zehntausende Geschäfte und Unternehmen wurden von den Siedlern übernommen. Zwischen 1948 und 1953 sicherten die Exporte der landwirtschaftlichen Erzeugnisse beschlagnahmter palästinensischer Haine und Plantagen das ökonomische Überleben Israels. 1949 standen Oliven aus Hainen, die bis 1948 palästinensisch gewesen waren, nach Zitrusfrüchten und Diamanten an dritter Stelle der israelischen Exporte. Auch die exportierten Zitrusfrüchte stammten zu einem großen Teil von palästinensischen Plantagen. Der Wert des von Israel beschlagnahmten beweglichen und unbeweglichen palästinensischen Eigentums wurde in den 1950er Jahren von der UNO auf 120 Millionen britische Pfund, von der arabischen Liga auf mehr als das Zehnfache geschätzt.35

Die vertriebenen Palästinenser und ihre Nachkommen hingegen leben seitdem meist unter elenden Bedingungen in den Flüchtlingslagern der arabischen Nachbarländer oder in der weltweiten Diaspora und kämpfen um ihr Recht auf Rückkehr. Das Recht auf Rückkehr und Entschädigung ist im internationalen Recht verankert und wurde von der UNO in mehreren Resolutionen bekräftigt.

3. Said, Edward W., Versöhnung zwischen Gleichen in: Frieden in Nahost? Heidelberg 1997, S. 252

4. Für einen Einblick in seine Analysen: The Transnational Institute of Policy Studies (TNI), Examining the Realationship between Zionism and Racism, Phyllis Bennis, For the Record, No. 81, 6.9.2001, unter: www.tni.org/detail_page.phtml?page=archives_bennis_zionism

5. vgl. Rodinson, Maxime, Israel: A Colonial Settler State?, New York 1973; Shafir, Gershon, Land, Labour and the Origins of the Israeli-Palestinian Conflict, 1882-1914, Cambridge 1989

6. School of Oriental and African Studies; Past is Present: Settler Colonialism in Palestine, 7th Annual Conference, 5-6. März 2010 London, Programm unter: www.soas.org.ac.uk/Imei/events/file65315.pdf; Shaw, Martin, The Question of Genocide in Palestine, 1948: A Debate between Martin Shaw and Omer Bartov, Journal of Genocide Research, Vol.12, Nos. 3&4 2010, S. 243-259

7. Zimmerer Jürgen, Der erste deutsche Genozid/Zum Verhältnis von Kolonialismus und Holocaust, Vortragsmanuskript Kolonialismus und Nationalsozialismus/Die Debatte um (Dis-)Kontinuitäten Freiburg 7./8.Februar 2008, unter: www.freiburg-postkolonial.de/Seiten/iz3w2008-KD-Zimmerer.htm

8. Herzl, Theodor, Briefe und Tagebücher, dritter Band, herausgegeben von Alex Bein, Hermann Greive, Moshe Schaerf, Julius H. Schoeps, Berlin/Frankfurt a.M/Wien 1985, S. 327f.

9. White, Ben, Israeli Apartheid. A Beginner’s Guide, London/New York 2009, S. 13

10. Beit-Hallahmi, Benjamin, Original Sins. Reflections on the History of Zionism and Israel, London 1992, S. 82

11. vgl. Sand, Shlomo, The Invention of the Jewish People, London/Brooklyn, 2009; Pappe, Ilan, The One Palestine: Past, Present and Future Perspectives, Nebula, Glebe/Australia 5.3, A Journal of Multidisciplinary Scholarship, September 2008, S. 61-77

12. Herzl, Theodor, Der Judenstaat, Leipzig/Wien 1896, Neudruck der Erstausgabe, Osnabrück 1968, S. 29

13. Lehn, Walter; Davis, Uri, The Jewish National Fund, London/New York 1988, S. 14-42

14. White, a.a.O., S. 13

15. vgl. Gregory, Derek, The Colonial Present, Malden/Oxford/Carlton 2004, S. 79ff; Masalha, Nur, The Politics of Denial, London 2003, S. 12ff.

16. White, a.a.O., S. 16f.

17. Zu den territorialen Vorstellungen der Zionisten vgl.: Harttung, Arnold (Hg), Ursprung und Entwicklung des arabisch-israelischen Konflikts und der Palästina-Teilungsplan der Vereinten Nationen, Berlin 1993, S. 19ff., Anhang III. S. 198

18. Flapan, Simha, Zionism and the Palestinians, London/New York 1979, S. 46

19. Herzl, Theodor, Briefe und Tagebücher, Zweiter Band, herausgegeben von Alex Bein, Hermann Greive, Moshe Schaerf; Julius H. Schoeps, Berlin/Frankfurt/M/Wien 1983, S. 117

20. Masalha, The Politics of Denial, a.a.O., S. 23ff.; Flapan, Simha, The Birth of Israel. Myths and Realities, New York 1987, S.103 ff.; ders., Zionism and the Palestinians, London/ New York 1979, S. 259ff.

21. White, a.a.O., S. 19

22. Weitz, Joseph, A Solution to the Refugee Problem, Davar 29.9.1967, zitiert nach: Davis, Uri, Apartheid Israel. Possibilities for the Struggle within. London/New York 2003, S. 20

23. White a.a.O., S. 21f.

24. zitiert nach: Karmi, Ghada, Married to Another Man. Israel’s Dilemma in Palestine, London/New York 2007, S. 17

25. White, a.a.O., S. 27

26. Eine umfassende Darstellung der Vertreibung der PalästinenserInnen siehe: Pappe, Ilan, Die ethnische Säuberung Palästinas, Frankfurt/Main 2007

27. Abu Sitta, Salman, The Origins of Sharon’s Legacy in: Al-Ahram Weekly Issue No.779 26.1.-1.2.2006, Kairo, unter: www.plands.org/articles/018.html

28. Kafkafi, Eyal, A Ghetto Attitude in the Jewish State, Davar 6.9.1979 zitiert nach: Davis, a.a.O., S. 24f.

29. Wolfe, Patrick, Settler Colonialism and the Elimination of the Native, Journal of Genocide Research 8 (4), Dezember 2006, S. 387

30. Shaw, Martin, Palestine in an International Historical Perspective on Genocide, Holy Land Studies 9, 1, 2010, S. 1-24, S. 11f.

31. Abu Sitta, Salman, The Right of Return Inevitable, Washington Report on Middle East Affairs Vol. XXIX, No. 9, Dezember 2010

32. Shavit, Ari, Survival of the fittest, Haaretz 8.1.2004; deutsche Übersetzung: Flottau, Heiko, Die Eiserne Mauer, Berlin 2009, S. 112

33. Ben-Porat, Yeshayahu, Yediot Ahronot, 14.7.1972, zitiert nach: Masalha, Nur, A Land without a People. Israel, Transfer and the Palestinians 1949-96, London 1997, S. 98

34. Shavit, Avi, Survival of the fittest, Haaretz 8.1.2004 unter: www.haaretz.com/survival-of-the-fittest-1.61345; der zweite Teil des Interviews ist nicht mehr abrufbar, aber dokumentiert unter: www.counterpunch.org/2004/01/16/an-interview-with-benny-morris

35. (Den damaligen DM-Kurs zum Pfund (11,7:1) auf Euro umgerechnet, sind das ca. 720 Millionen Euro). Davis, a.a.O., S. 34f.

Ethnokratie, Apartheid und ethnische Säuberung

»... die treibende Kraft hinter den Bemühungen des politischen Zionismus war seit seiner Gründung auf dem ersten Zionistischen Kongress nicht liberal-demokratisch, sondern ethnokratisch, nämlich der Versuch, in Palästina einen Staat zu errichten, der so ›jüdisch‹ sein würde wie England ›englisch‹ war – in anderen Worten, im Land Palästina einen souveränen Staat, einen jüdischen Staat zu errichten und zu konsolidieren, der versucht, durch das Gesetz und in der Praxis eine demografische Mehrheit der jüdischen Stämme in den Gebieten unter seiner Kontrolle zu garantieren: einen Apartheidstaat.« (Uri Davis)36

Israel definierte sich 1948 in seiner Unabhängigkeitserklärung als »jüdischer Staat«. Gleichzeitig nimmt es in Anspruch, ein demokratischer Staat zu sein. In die »Knesset Basic Laws«, die die Verfassung ersetzen, wurde 1992 ein Gesetz aufgenommen, in dem Israel explizit als »jüdischer und demokratischer Staat« definiert wird. Seitdem hat die Diskussion darüber, ob ein Staat, der sich auf einer religiös-ethnischen Grundlage definiert, tatsächlich demokratisch sein kann, nicht aufgehört.37 In der israelischen Staatsdoktrin, dem Zionismus, war historisch betrachtet wenig Platz für Demokratie. Ariel Scharon hat das mit der ihm eigenen Offenheit formuliert: »Die Intention des Zionismus war selbstverständlich nicht, eine Demokratie aufzubauen. Er wurde einzig motiviert von der Errichtung eines jüdischen Staates in Eretz Israel, der dem gesamten jüdischen Volk und dem jüdischen Volk allein gehört.«

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