Aphorismen – Sudelbücher - Georg Christoph Lichtenberg - E-Book

Aphorismen – Sudelbücher E-Book

Georg Christoph Lichtenberg

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Beschreibung

"Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen?" "Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?" Eine Auswahl aus Lichtenbergs berühmten "Sudelbüchern": Bissiges, Ironisches, Nachdenkliches. Zu Lebzeiten hat der Schriftsteller seine Aphorismen für sich behalten, für manche hätte er seine Stellung oder mehr riskiert. Ein Lektürevergnügen und zugleich Nahrung für die grauen Zellen. "Wer zwei Paar Hosen hat, mache eins zu Geld und schaffe sich dieses Buch an."

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Georg Christoph Lichtenberg

Aphorismen – Sudelbücher

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Georg Christoph Lichtenberg (Titel)

 

Aphorismen und Gedanken

 

Eine Auswahl aus den „Sudelbüchern“

 

 

Editorische Notiz

 

Hinweis zu dieser Ausgabe: Schreibweisen und Zeichensetzung wurden behutsam modernisiert, um die Lesbarkeit zu verbessern. Lichtenberg schrieb in der uns wenig vertrauten, uneinheitlichen Rechtschreibung des 18. Jh., zudem handelt es sich wirklich um „Sudelbücher“ in dem Sinne, dass sie für die Schublade geschrieben waren und zu Lebzeiten des Verfassers weder ediert noch publiziert wurden. Diese Ausgabe nähert Lichtenbergs Texte an die klassische orthographie Konrad Dudens, also die aus unserer Sicht „alte“ Rechtschreibung, an, ohne sie absolut zu setzen.

 

 

Aphorismen und Gedanken

 

 

 

Es ist wahr, alle Menschen schieben auf, und bereuen den Aufschub.

 

Die größten Dinge in der Welt werden durch andere zuwege gebracht, die wir nichts achten, kleine Ursachen, die wir übersehen, und die sich endlich häufen.

 

Die Esel haben die traurige Situation, worin sie jetzo in der Welt leben, vielleicht bloß dem witzigen Einfall eines losen Menschen zu danken, dieser ist Schuld, daß sie zum verächtlichsten Tier auf immer geworden sind und es auch bleiben werden, denn viele Eselstreiber gehen deswegen mit ihren Eleven so fürchterlich um, weil es Esel, nicht weil es träge und langsame Tiere sind.

 

Die Schnecke baut ihr Haus nicht, sondern es wächst ihr aus dem Leib.

 

Wir würden gewiß Menschen von sonderbarer Gemüts-Art kennen lernen, wenn die großen Striche, die jetzo Meer sind, bewohnt wären, und wenn vielleicht in einigen Jahrtausenden unser gegenwärtiges festes Land Meer und unsere Meere Länder sein werden, so werden ganz neue Sitten entstehen, über die wir uns jetzo sehr wundern sollten.

 

Die Furcht vor dem Tod, die den Menschen eingeprägt ist, ist zugleich ein großes Mittel, dessen sich der Himmel bedient, sie von vielen Untaten abzuhalten, vieles wird aus Furcht vor Lebensgefahr oder Krankheit unterlassen.

 

Die Speisen haben vermutlich einen sehr großen Einfluß auf den Zustand der Menschen, wie er jetzo ist, der Wein äußert seinen Einfluß mehr sichtbarlich, die Speisen tun es langsamer, aber vielleicht ebenso gewiß, wer weiß ob wir nicht einer gut gekochten Suppe die Luftpumpe und einer schlechten den Krieg oft zu verdanken haben. … Allein wer weiß, ob nicht der Himmel damit große Endzwecke erreicht, Untertanen treu erhält, Regierungen ändert und freie Staaten macht, …

 

Heftigen Ehrgeiz und Mißtrauen habe ich noch allemal beisammen gesehen.

 

Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.

 

Ich habe etliche Mal bemerkt, daß ich Kopf-Weh bekam, wenn ich mich lange in einem Hohl-Spiegel betrachtete.

 

Die Vorurteile sind so zu reden die Kunsttriebe der Menschen, sie tun dadurch vieles, das ihnen zu schwer werden würde bis zum Entschluß durchzudenken, ohne alle Mühe.

 

Um uns ein Glück, das uns gleichgültig scheint, recht fühlbar zu machen, müssen wir immer denken, daß es verloren sei, und daß wir es diesen Augenblick wieder erhielten …

 

 

Es gibt eine gewisse Art Menschen, die mit jedem leicht Freundschaft machen, ihn eben so bald wieder hassen und wieder lieben; stellt man sich das menschliche Geschlecht als ein Ganzes vor, wo jeder Teil in seine Stelle paßt, so werden dergleichen Menschen zu solchen Ausfüll-Teilen, die man überall hinwerfen kann.

 

Man findet unter dieser Art von Leuten selten große Genies, ohneracht sie am leichtesten dafür gehalten werden.

 

Die wahre Bedeutung eines Wortes in unsrer Muttersprache zu verstehen bringen wir gewiß oft viele Jahre hin. … Ich habe gefunden, daß die Redens-Art: Es ist gut auf fünferlei Art von uns ausgesprochen wird, und allemal mit einer andern Bedeutung, die freilich auch oft noch durch eine dritte veränderliche Größe, nämlich: die Miene, bestimmt wird.

 

 

Jedermann gesteht, daß schmutzige Historien, die man selbst aufsetzet, lange nicht die gefährliche Wirkung auf uns tun, als die von Fremden.

 

 

Das Maß des Wunderbaren sind wir; wenn wir ein allgemeines Maß suchten, so würde das Wunderbare wegfallen und würden alle Dinge gleich groß sein.

 

 

Ein Narr, der sich einbildet, ein Fürst zu sein, ist von dem Fürsten, der es in der Tat ist, durch nichts unterschieden, als daß der Narr ein negativer Fürst, und der echte Fürst ein negativer Narr ist, ohne [Vor]zeichen betrachtet sind sie gleich.

 

 

… daß ein Regent meistens ein schlechter Mann ist. Der in Frankreich backt Pasteten und betrügt ehrliche Mädchen, der König von Spanien haut unter Pauken und Trompeten Hasen in Stücke, der letzte König in Polen, der Kurfürst von Sachsen war, schoß seinem Hofharren mit dem Blasrohr nach dem Arsch, der Fürst von Löwenstein beklagt bei einem großen Brand nichts als seinen Sattel, … der Herzog von Württemberg ist ein Wahnsinniger, ... Und dieses sind die Obersten unter den Menschen; wie kann es denn in der Welt nur erträglich hergehen, wenn ein Narr der Herr von allen ist, der keine Oberen erkennt, als seine Dummheit, … seine Huren und seinen Kammer-Diener, o wenn doch die Welt einmal erwachte, und wenn auch drei Millionen am Galgen stürben, so würden doch vielleicht 50 bis 80 Millionen dadurch glücklich;

… sprach einst ein Perückenmacher in Landau auf der Herberge, man hielt ihn aber mit Recht für völlig verrückt, er wurde ergriffen, und von einem Unteroffizier noch ehe er in Verhaft gebracht wurde, mit dem Stock todgeschlagen, der Unteroffizier verlor den Kopf.

 

 

Es kann ohnstreitig Kreaturen geben, deren Organe so fein sind, daß sie nicht im Stande sind durch einen Lichtstrahl durchzugreifen, so wie wir nicht durch einen Stein durchgreifen können, weil unsere Hände eher zerstört werden würden.

 

 

Vielleicht ist ein Gedanke der Grund aller Bewegung in der Welt, …; unsere ganze Welt ist nichts als die Wirkung eines Gedankens von Gott auf die Materie.

 

Die Welt ist ein allen Menschen gemeiner Körper, Veränderungen in ihr bringen Veränderung in der Seele aller Menschen vor, die just diesem Teil zugekehrt sind.

 

 

Träume führen uns oft in Umstände und Begebenheiten hinein, in die wir wachend nicht leicht hätten können verwickelt werden, oder lassen uns Unbequemlichkeiten fühlen, welche wir vielleicht als klein in der Ferne verachtet hätten, und eben dadurch mit der Zeit in dieselben verwickelt worden wären. Ein Traum ändert daher oft unsern Entschluß, sichert unsern moralischen Fond besser als alle Lehren, die durch einen Umweg ins Herz gehen.

 

 

Eine genaue Betrachtung der äußeren Dinge führt leicht auf den betrachtenden Punkt, uns selbst, zurück und umgekehrt wer sich selbst einmal erst recht gewahr wird gerät leicht auf die Betrachtung der Dinge um ihn. Sei aufmerksam, empfinde nichts umsonst, messe und vergleiche; dieses ist das ganze Gesetz der Philosophie.

 

 

 

Es gibt Grade des Verlierens, ein Ding in keiner einzigen gegebenen Zeit wieder finden können, heißt dieses Ding verloren haben. Zuweilen läßt sich aus den Umständen nicht schließen, ob diese Zeit unendlich werden wird oder nicht, wird aber oft endlich befunden. Man kann etwas wirklich verloren haben, wenn man auch gleich weiß, daß man es nach einer halben Stunde Fleiß wieder finden könnte.

 

 

 

Es donnert, heult, brüllt, zischt, pfeift, braust, saust, summet, brummet, rumpelt, quäkt, ächzt, singt, rappelt, prasselt, knallt, rasselt, knistert, klappert, knurret, poltert, winselt, wimmert, rauscht, murmelt, kracht, gluckset, röcheln, klingelt, bläset, schnarcht, klatscht, lispeln, keuchen, es kocht, schreien, weinen, schluchzen, krächzen, stottern, lallen, girren, hauchen, klirren, blöken, wiehern, schnarren, scharren, sprudeln. Diese Wörter und noch andere, welche Töne ausdrücken, sind nicht bloße Zeichen, sondern eine Art von Bilderschrift für das Ohr.

 

 

 

 

Sätze, worüber alle Menschen übereinkommen, sind wahr; sind sie nicht wahr, so haben wir gar keine Wahrheit.

 

 

Aberglaube selbst ist Lokal-Philosophie …

 

 

Weiser werden heißt immer mehr und mehr, die Fehler kennen lernen, denen dieses Instrument, womit wir empfinden und urteilen, unterworfen sein kann. Vorsichtigkeit im Urteilen ist, was heutzutage allen und jeden zu empfehlen ist, gewönnen wir alle 10 Jahre nur eine unstreitige Wahrheit von jedem philosophischen Schriftsteller, so wäre unsere Ernte immer reich genug.

 

 

Mancher fühlt neu – und sein Ausdruck, womit er dieses Gefühl andern deutlich machen will, ist alt.

 

 

Den Männern in der Welt haben wir so viel seltsame Erfindungen in der Dichtkunst zu danken, die alle ihren Grund in dem Erzeugungstrieb haben, alle die Ideale von Mädchen und dergleichen.

Es ist schade, daß die feurigen Mädchen nicht von den schönen Jünglingen schreiben dürfen, wie sie wohl könnten, wenn es erlaubt wäre. So ist die männliche Schönheit noch nicht von denjenigen Händen gezeichnet, die sie allein recht mit Feuer zeichnen könnten.

 

 

 

Wenn er seinen Verstand gebrauchen sollte, so war es ihm, als wenn jemand, der beständig seine rechte Hand gebraucht hat, etwas mit der linken tun soll.

 

 

Der Pöbel wünscht sich Gold und Chargen und würde sich betrogen finden, wenn er sie hätte. Unter den Großen ist es nun auch Mode geworden, die Quelle und den Strohsack dem Bauern zu beneiden, mancher würde sich auch in diesem Zustand betrogen finden. Der Dichter versteht aber ein Ideal, wird man sagen, wer weiß aber, ob nicht der Bauer sich den Zustand des Großen auch idealisiert.

 

 

Es gibt eine gewisse Art von Büchern, und wir haben in Deutschland eine große Menge, die nicht vom Lesen abschrecken, nicht plötzlich einschläfern, oder mürrisch machen, aber in Zeit von einer Stunde den Geist in eine gewisse Mattigkeit versetzen, die zu allen Zeiten einige Ähnlichkeit mit derjenigen hat, die man einige Stunden vor einem Gewitter verspürt. Legt man das Buch weg, so fühlt man sich zu nichts aufgelegt, fängt man an zu schreiben, so schreibt man eben so, selbst gute Schriften scheinen diese laue Geschmacklosigkeit anzunehmen, wenn man sie zu lesen anfängt. Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß gegen diesen traurigen Zustand nichts geschwinder hilft als eine Tasse Kaffee mit einer Pfeife Varinas.

 

 

Die Geschichte eines Jahrhunderts ist aus den Geschichten der einzelnen Jahre zusammengesetzt. Den Geist eines Jahrhunderts zu schildern kann man nicht die Geister der hundert einzelnen Jahre zusammenflicken, unterdessen ist es dem der ihn entwerfen will allemal nützlich auch die letzteren zu kennen, sie können ihm immer neue Punkte darbieten seine steten Linien dadurch zu ziehen.

 

 

Der Pöbel ruiniert sich durch das Fleisch, das wider den Geist, und der Gelehrte durch den Geist, dem zu sehr wider den Leib gelüstet.

 

 

In den Romanen gibt es tödliche Krankheiten, die im gemeinen Leben nichts weniger als tödlich sind, und umgekehrt im gemeinen Leben tödliche, die es in Romanen nicht sind.

 

 

Der Deutsche liegt im Charakter so zwischen dem Franzosen und Engelländer in der Mitte, daß unsere Romanen-Schreiber leicht einen von diesen beiden schildern, wenn sie einen Deutschen nur mit etwas starken Farben malen wollen.

 

 

 

Es sind sehr wenige Dinge von denen wir uns durch alle 5 Sinne Begriffe erwerben können.

 

 

Gott schuf den Weibern die Haare lang und um die Schultern hängend, aber ein Perückenmacher fand für gut dieses zu ändern, und sie hinaufzukämmen.

 

 

Wir können gar nichts von der Seele sehen wenn sie nicht in den Mienen sitzt, die Gesichter einer großen Versammlung von Menschen könnte man eine Geschichte der menschlichen Seele nennen mit einer Art von chinesischen Zeichen geschrieben. Die Seele legt, so wie der Magnet den Feilstaub, so das Gesicht um sich herum und die Verschiedenheit der Lage dieser Teile bestimmt die Verschiedenheit dessen, das sie ihnen gegeben hat.

Je länger man Gesichter beobachtet, desto mehr wird man an den sogenannten nichtsbedeutenden Gesichtern Dinge wahrnehmen, die sie individuell machen.

 

 

Diese Frau war mit einer Zunge schon eine Fama, was würde sie erst getan haben, wenn sie tausendzüngig gewesen wäre.

 

 

Jeder Mensch hat auch seine moralische backside, die er nicht ohne Not zeigt, und die er so lange als möglich mit den Hosen des guten Anstandes zudeckt.

 

 

In dem Hause, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten hölzernen Treppe gelernt, und zugleich den Takt, in welchem sie jeder meiner Freunde, der zu mir wollte, schlug, und, ich muß gestehen, ich bebte allemal, wenn sie von einem Paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden.

 

 

Der Mann zu sein, der so absolut in Deutschland herrschen könnte wie ich auf meinem Schreibtische, wünsche ich mir nie, ich würde gewiß nur Tintenfässer umwerfen, und durch Aufräumen die Sachen nur noch mehr verwirren.

 

 

 

Grabschrift.

Ich starb sehr jung, ohnerachtet ich väterlicherseits mit dem Tode ziemlich nahe verwandt war, ich ward nur 15 Jahr alt und mein Vater war ein Arzt.