Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen... - Georg Christoph Lichtenberg - E-Book

Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen... E-Book

Georg Christoph Lichtenberg

4,7

Beschreibung

Zum 275. Geburtstag des Experimentalphysikers und Aphoristikers. Was Georg Christoph Lichtenberg, der berühmte Göttinger Experimentalphysiker, gedacht und beobachtet und auf einmalige Weise in seinen geheim gehaltenen, selbstironisch »Sudelbücher« genannten Notizheften formuliert hat, das gehört zu dem bedeutendsten Ertrag seiner Epoche. Der bucklige große Gelehrte und funkensprühende akademische Lehrer schrieb das Gesehene und Reflektierte 33 Jahre hindurch unnachahmlich und erstaunlich modern auf. Die Quintessenz eines Denkerlebens ist dieses versteckte Werk geworden, und ein wohl unauslesbares Buch der deutschen Literatur obendrein. Ulrich Joost versammelt Aphorismen, Satirisches und Parodistisches aus Lichtenbergs Sudelbüchern, Briefen und Aufsätzen zu einem Buch, das man mit auf eine einsame Insel nehmen sollte, von einem Schriftsteller, den man als Gesprächspartner beim Abendessen haben möchte.

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Georg Christoph Lichtenberg

Wenn ein Buch undein Kopf zusammenstoßen …

Aphorismen und andere Sudeleien

Herausgegeben und kommentiertvonUlrich Joost

Inhalt

I. »Schmierbuch-Methode bestens zu empfehlen«

II. »Pfennigs-Wahrheiten«

III. 300 Ratschläge für junge Naturforscher

IV. »Dieses wird ein Brief werden, den ich selbst überbringe« – Satirisches und Parodistisches aus Sudelbüchern, Briefen und Taschenkalendern

Anhang

Nachwort

Zur Edition

Siglen und Abkürzungen

Erläuterungen zu Lichtenbergs Texten

Lebenschronik Lichtenberg

Kommentierte Auswahlbibliographie

Verzeichnis der Abbildungen

I. »Schmierbuch-Methode bestens zu empfehlen«

Ich habe eine Menge kleiner Gedanken und Entwürfe zusammengeschrieben, sie erwarten aber nicht sowohl noch die letzte Hand, als vielmehr noch einige Sonnenblicke, die sie zum Aufgehen bringen. [B 290 / 295]

[…] in seinem Sudelbuch (common place book) […][D 662 / 668]

Hier habe ich alles wie in einem Sudelbuch durcheinander geworfen, was ist denn nun meine Meinung heute, das Resultat von dem was ich weiß (denn wenn ich besser unterrichtet werde, so kann es sein, dass ich sie ändere) […][– / RA 93]

Die Kaufleute haben ihr Waste book (Sudelbuch, Klitterbuch glaube ich im Deutschen), darin tragen sie von Tag zu Tag alles ein was sie verkaufen und kaufen, alles durch einander ohne Ordnung, aus diesem wird es in das Journal getragen, wo alles mehr systematisch steht, und endlich kommt es in den Leidger at double entrance nach der italiänischen Art buchzuhalten. In diesem wird mit jedem Mann besonders abgerechnet und zwar erst als Debitor und dann als Creditor gegenüber. Dieses verdient von den Gelehrten nachgeahmt zu werden. Erst ein Buch worin ich alles einschreibe, so wie ich es sehe oder wie es mir meine Gedanken eingeben, alsdann kann dieses wieder in ein anderes getragen werden, wo die Materien mehr abgesondert und geordnet sind, und der Leidger könnte dann die Verbindung und die daraus fließende Erläuterung der Sache in einem ordentlichen Ausdruck enthalten. vid.[eatur] p. XXVI [E 46 / 46]

ad p. VI [meint: E 46] In dem Sudel-Buch können die Einfälle die man hat, mit aller der Umständlichkeit ausgeführt werden, in die man gewöhnlich verfällt so lang einem die Sache noch neu ist. Nachdem man bekannter mit der Sache wird, so sieht man das Unnötige ein und fasst es kürzer. Es ist mir so gegangen als ich meinen Timorus schrieb. Ich [habe] oft mit dem, was ein Aufsatz im Sudelbuch war, einen Ausdruck schattiert.[E 149 / 150]

Über den Charakter eines wahren Geschichtschreibers habe ich in allen meinen Hudelbüchern Bemerkungen gesammelt, die zusammen zu suchen sind. Was mag wohl die Ursache sein dass wir so wenig recht gute Geschichtschreiber haben, Leute die die Lieblinge der Nation sind, die auf allen Tischen angetroffen werden? Wir haben Leute die gnau sind und das ist nötig aber gewiss nicht alles was nötig ist. Das interessiert den Menschen nicht, wenn es nicht aus einer Neben-Absicht geschieht, dass er entweder in einem Examine gut bestehen oder in einer Gesellschaft nicht unwissend scheinen, oder nicht es zu Unterstützung eines Beweises gebrauchen will. Wir vergrößern wie alle Wissenschaft so auch die Historie zu sehr, so wie unsere meisten Geschichtschreiber die Geschichte lehren gehören sie ihre oft unausstehliche Weitschweifigkeit ausgenommen in Lexika. Sie nehmen das Detail in einem unrechten Verstand. Große Vorfälle müssen detailliert werden aber nicht ein ganzer Krieg. Ich möchte wohl den Zeitpunkt beschreiben im vorigen Krieg von der Schlacht bei Roßbach bis nach der Schlacht bei Lissa, jenen für den König so wichtigen Winter. [E 386 / 389]

Titelblatt des Sudelbuchs F.[Von Lichtenbergs Hand, mit Tinte und Beistift:] Sudel-Buch | Göttingen am grünen . 1776. den 4ten April. | F. | Lucii Sectani Satyra. Der noch lebende Pater Cordara in Rom ist der Verfasser. vid Björnståhl T. II. p. 77. | Fabroni. | Tongatabou. | Höhe des Brockens über den Horizont von Ilsenburg 2645,48 Pariser Fuß, oder etwa 2820 Englische. (nach HE. [Eberhard August Wilhelm] Zimmermann und falsch.)

Ich habe schon lange an einer Geschichte meines Geistes so wohl als elenden Körpers geschrieben, und das mit einer Aufrichtigkeit die vielleicht manchem eine Art von Mitscham erwecken [wird], sie soll mit größerer Aufrichtigkeit erzählt [werden] als vielleicht irgend einer meiner Leser glauben wird. Es ist dieses ein noch ziemlich unbetretner Weg zur Unsterblichkeit (nur von Kardinal de Retz). Nach meinem Tod wird es der bösen Welt wegen erst heraus kommen. [F 803 / 811]

Schmierbuch-Methode bestens zu empfehlen. Keine Wendung, keinen Ausdruck unaufgeschrieben zu lassen. Reichtum erwirbt man sich auch durch Ersparung der Pfennigs-Wahrheiten. [F 1209 / 1219]

Exzerpten-Buch Sparbüchse. [J 467 / 471]

II. »Pfennigs-Wahrheiten«

Ich träumte neulich an einem Morgen ich läge wachend im Bette und könnte keinen Atem bekommen, darauf erwachte ich ganz helle und spürte, dass ich nur ganzf mäßig Mangel nach meiner damaligen Lage daran hatte, einem bloß fühlenden Körper kommen böse Empfindungen allzeit größer vor, als einem der mit einer denkenden Seele verknüpft ist, wo selbst oft der Gedanke, dass die Empfindungen nichts zu bedeuten haben, oder dass man sich, wenn man nur wollte, davon befreien könnte, vieles vom Unangenehmen vermindert. Wir liegen öfters mit unserm Körper so, dass gedrückte Teile uns heftig schmerzen, allein, weil wir wissen, dass wir uns aus dieser Lage bringen könnten, wenn wir nur wollten, so empfinden wir wirklich sehr wenig. Dieses bestärkt eine Anmerkung, die ich unten gemacht habe, nämlich, dass man sich durch Drücken die Kopfschmerzen vermindern kann. [A 51 / 52]

Man muss sich die Menschen nach ihrer Art verbindlich machen nicht nach der unserigen. [KA 2 / 165]

Wenn er seinen Verstand gebrauchen sollte, so war es ihm als wenn jemand, der beständig seine rechte Hand gebraucht hat, etwas mit der linken tun soll. [B 1 / 1]

Jeder Mensch hat auch seine moralische backside, die er nicht ohne Not zeigt, und die er so lange als möglich mit den Hosen des guten Anstandes zudeckt. [B 74 / 78]

In dem Hause, wo ich wohnte, hatte ich den Klang und die Stimmung jeder Stufe einer alten hölzernen Treppe gelernt, und zugleich den Takt, in welchem sie jeder meiner Freunde, der zu mir wollte, schlug, und, ich muss gestehen, ich bebte allemal, wenn sie von einem Paar Füßen in einem mir unbekannten Ton heraufgespielt wurden.[B 75 / 79]

Charakter einer mir bekannten Person.

Ihr Körper ist so beschaffen, dass ihn auch ein schlechter Zeichner im Dunkeln besser zeichnen würde, und stünde es in ihrem Vermögen, ihn zu ändern, so würde sie manchen Teilen weniger Relief geben. Mit seiner Gesundheit ist dieser Mensch, ohnerachtet sie nicht die beste ist, doch noch immer so ziemlich zufrieden gewesen, er hat die Gabe, sich gesunde Tage zu Nutze zu machen, in einem hohen Grade. Seine Einbildungskraft, seine treuste Gefährtin verlässt ihn alsdann nie, er steht hinter dem Fenster den Kopf zwischen die zwo Hände gestützt, und wenn der Vorbeigehende nichts als den melancholischen Kopfhenker sieht, so tut er sich oft das stille Bekenntnis, dass er im Vergnügen wieder ausgeschweift hat. Er hat nur wenige Freunde, eigentlich ist sein Herz nur immer für einen Gegenwärtigen, aber für mehrere Abwesende offen, seine Gefälligkeit macht dass viele glauben er sei ihr Freund, er dient ihnen auch aus Ehrgeiz, Menschenliebe, aber nicht aus dem Trieb der ihn zum Dienst seiner eigentlichen Freunde treibt. Geliebt hat er nur ein oder zweimal, das eine Mal nicht unglücklich, das andere Mal aber glücklich, er gewann bloß durch Munterkeit und Leichtsinn ein gutes Herz, worüber er nun oft beide vergisst, wird aber Munterkeit und Leichtsinn beständig als Eigenschaften seiner Seele verehren, die ihm die vergnügtesten Stunden seines Lebens verschafft haben, und könnte er sich noch ein Leben und noch eine Seele wählen, so wüsste ich nicht ob er andere wählen würde, wenn er die seinigen noch einmal wieder haben könnte. Von der Religion hat er als Knabe schon sehr frei gedacht, nie aber eine Ehre darin gesucht ein Freigeist zu sein, aber auch keine darin, alles ohne Ausnahme zu glauben. Er kann mit Inbrunst beten und hat nie den 90ten Psalm ohne ein erhabenes, unbeschreibliches Gefühl lesen können. Ehe denn die Berge worden pp ist für ihn unendlich mehr als: Sing unsterbliche Seele pp. Er weiß nicht was er mehr hasst, junge Offiziers oder junge Prediger, mit keinen von beiden könnte er lange leben. Für Assembleen sind sein Körper und seine Kleider selten gut, und seine Gesinnungen selten …. genug gewesen. Höher als drei Gerichte des Mittags und zwei des Abends mit etwas Wein, und niedriger als täglich Kartoffeln, Äpfel, Brot und auch etwas Wein, hofft er nie zu kommen, in beiden Fällen würde er unglücklich sein, er ist noch allzeit krank geworden, wenn er einige Tage außer diesen Grenzen gelebt hat. Lesen und Schreiben ist für ihn so nötig als Essen und Trinken, er hofft es wird ihm nie an Büchern fehlen. An den Tod denkt er sehr oft und nie mit Abscheu, er wünscht dass er an alles mit so vieler Gelassenheit denken könnte, und hofft sein Schöpfer wird dereinst sanft ein Leben von ihm abfordern, von dem er zwar kein allzu ökonomischer, aber doch kein ruchloser Besitzer war. [B 77 / 81]

Ihr Unterrock war rot und blau sehr breit gestreift und sah aus, als wenn er aus einem Theater-Vorhang gemacht wäre. Ich hätte für den ersten Platz viel gegeben, aber es wurde nicht gespielt. [B 212 / B 216]

Was mich allein angeht denke ich nur, was meine guten Freunde angeht sage ich ihnen, was nur ein kleines Publikum bekümmern kann schreibe ich, und was die Welt wissen soll wird gedruckt. Von einem Gedanken der mich angeht brauche [ich] nur ein Exemplar, eben so für den Freund und das kleine Publikum eben so viel, jedes auf eine Art gedruckt wie es sich für sie am besten schickt und am bequemsten ist, die Welt muss mehrere Exemplare haben, und so lassen wir drucken. Wäre es möglich auf irgend eine andere Art mit ihr zu sprechen, dass das Zurücknehmen noch mehr stattfände, so wäre es gewiss dem Druck vorzuziehen. [B 268 / 272]

Ein gewisser Freund den ich kannte pflegte seinen Leib in drei Etagen zu teilen, den Kopf, die Brust und den Unterleib, und er wünschte öfters, dass sich die Hausleute der obersten und der untersten Etage besser vertragen könnten. [B 339 / 344]

Professor Philosophiae extraordinariae. [B 380 / B 386]

Bei mir liegt das Herz dem Kopf wenigstens um einen ganzen Schuh näher als bei den übrigen Menschen, daher meine große Billigkeit. Die Entschlüsse können noch ganz warm ratifiziert werden. [C 19 / 20]

Er kann sich einen ganzen Tag in einer warmen Vorstellung sonnen. [C 36 / 38]

Es war ihm unmöglich die Wörter nicht in dem Besitz ihrer Bedeutungen zu stören. [C 156 / 158]

Bei einem Brief an einen guten Freund, der gut geschrieben sein soll, muss immer hauptsächlich der eine Gedanke durch das Ganze hervorsehen: Sie hatten nicht nötig gehabt sich zu bedanken. Im Jetzigen muss das Künftige schon verborgen liegen. Das heißt Plan. Ohne dieses ist nichts in der Welt gut. [C 193 / 195]

Herr Capitaine-Lieutenant von Hammerstein war sehr für den Unterricht durch Maschinen. Sein Haupt-Argument war beständig, dass es immer ein Glück wäre so früh als möglich seine Absicht zu erreichen. Er hatte fast keinen andern Beweis. Da aber die Untersuchung einer Sache, die Bemühung sie zu verstehen uns das Ding an sich besser von mehreren Seiten kennen lehrt, sich von der besten Seite an unser Gedanken-System anschließet, so ist gewiss für Leute die die Kräfte haben eine Zeichnung dem Modell vorzuziehen. Der allzu schnelle Zuwachs an Kenntnissen der mit zu wenigem eigenem Zutun erhalten wird ist nicht sehr fruchtbar, die Gelehrsamkeit kann auch ins Laub treiben ohne Früchte zu tragen. Man findet oft sehr seichte Köpfe, die zum Erstaunen viel wissen. Was man sich selbst erfinden muss lässt im Verstand die Bahn zurück die auch bei einer andern Gelegenheit gebraucht werden kann. [C 194 / 196]

Zwei auf einem Pferd bei einer Prügelei ein schönes Sinnbild für eine Staatsverfassung. [C 227 / 229]

Ich kann es wohl begreifen aber nicht anfassen und umgekehrt. [C 275 / 277]

Die Menschen können nicht sagen, wie sich eine Sache zugetragen sondern nur wie sie meinen, dass sie sich zugetragen hätte. [C 373 / 375]

Wenn ich dieses Buch nicht geschrieben hätte, so würde heute über 1000 Jahre abends zwischen 6 und 7 z.[um] E.[xempel] in mancher Stadt in Deutschland von ganzen andern Dingen gesprochen worden sein, als wirklich gesprochen werden wird. Hätte ich zu Vardöhus einen Kirschkern in die See geworfen, so hätte der Tropfen Seewasser den Myn Heer am Kap von der Nase wischt nicht gnau an dem Ort gesessen. [D 54 / 55]

Wenn er eine Rezension verfertigt, habe ich mir sagen lassen, soll er allemal die heftigsten Erektionen haben.[D 74 / 75]

Alles bis auf das äußerste hinaus zu verfolgen, so dass nicht die geringste dunkle Idee zurückbleibt, mit Versuchen die Mängel daran zu entdecken, sie zu verbessern, oder überhaupt zu dieser Absicht etwas Vollkommeneres anzugeben, ist das einzige Mittel uns den so genannten gesunden Menschen-Verstand zu geben, der der Haupt-Endzweck unsrer Bemühungen sein sollte. Ohne ihn ist keine wahre Tugend. Er macht allein den großen Schriftsteller, scribendi recte sapere est et principium et fons. Man muss nur wollen, war der Grundsatz des Helvetius.[D 131 / 133]

Heutzutage machen drei Pointen und eine Lüge einen Schriftsteller. [D 137 / 139]

Ein Grab ist doch immer die beste Befestigung wider die Stürme des Schicksals. [D 141 / 143]

Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, das heißt vermutlich der Mensch schuf Gott nach dem seinigen. […][D 198 / 201]

Von der Verwandlung des Wassers in Wein vermittelst Zirkel und Lineal. [D 239 / 242]

Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen. [D 241 / 244]

Bei wachender Gelehrsamkeit und schlafendem Menschen-Verstand ausgeheckt. [D 322 / 325]

Dass der Mensch das edelste Geschöpf sei lässt sich auch schon daraus abnehmen, dass es ihm noch kein anderes Geschöpf widersprochen hat. [D 328 / 331]

Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch? [D 396 / 399]

Ich glaube kaum, dass es möglich sein wird zu erweisen, dass wir das Werk eines höchsten Wesens, und nicht vielmehr zum Zeitvertreib von einem sehr unvollkommenen sind zusammengesetzt worden. [D 409 / 412]

Es gibt heuer eine gewisse Art Leute, meistens junge Dichter die das Wort Deutsch fast immer mit offnen Naslöchern aussprechen. Ein sicheres Zeichen dass der Patriotismus bei diesen Leuten sogar auch Nachahmung ist. Wer wird immer mit dem Deutschen so dicke tun? Ich bin ein deutsches Mädchen, ist das etwa mehr als ein englisches, russisches oder otaheitisches? Wollt ihr damit sagen dass die Deutschen auch Geist und Talent besitzen? O das leugnet nur ein Unwissender oder ein Tor. Ich stelle mich zum Beweis, wenn er sich zur Behauptung stellt. Er sei Prinz, Duc, Bischof, Lord, Aldermann, Don oder was er will. Gut das ist ein Narre oder Unwissender wer das leugnet, das nehme ich schlechtweg an. Ich bitte euch Landesleute, lasst diese gänzlich unnütze Prahlerei, die Nation die uns verlacht und die die uns beneidet müssen sich darüber kützeln, zumal wenn sie inne werden, dass es ihnen gesagt sein soll. [D 440 / 444]

Der Mann hatte so viel Verstand, dass er fast zu nichts mehr in der Welt zu gebrauchen war. [D 447 / 451]

Wenn Scharfsinn ein Vergrößrungs-Glas ist, so ist der Witz ein Verkleinerungs-Glas. Glaubt ihr denn dass sich bloß Entdeckungen mit Vergrößerungs-Gläsern machen ließen? Ich glaube mit Verkleinerungs-Gläsern, oder wenigstens durch ähnliche Instrumente in der Intellektual-Welt sind wohl mehr Entdeckungen gemacht worden. Der Mond sieht durch einen verkehrten Tubum aus wie die Venus und mit bloßen Augen wie die Venus durch einen guten Tubum in seiner rechten Lage. Durch ein gemeines Opern-Glas würden die Plejaden wie ein Nebelstern erscheinen. Die Welt, die so schön mit Bäumen und Kraut bewachsen ist, hält ein höheres Wesen als wir vielleicht eben deswegen für verschimmelt. Der schönste gestirnte Himmel sieht uns durch ein umgekehrtes Fern-Rohr leer aus. [D 465 / 469]

Ein Louisd’or in der Tasche ist besser als 10 auf dem Bücherschrank. [D 505 / 509]

Ich kann nicht leugnen, dass mir als ich zum erstenmal sah, dass man nun in meinem Vaterland anfange zu wissen was Wurzelzeichen sind, mir die klaren Freuden-Tränen in die Augen gedrungen sind. [D 510 / 514]

Da saß nun der große Mann, und sah seinen jungen Katzen zu. [D 523 / 527]

Die Gedanken dicht und die Partikeln dünne. [E 16 / 16]

Dass die wichtigsten Dinge durch Röhren getan werden. Beweise erstlich die Zeugungsglieder, die Schreibfeder und unser Schießgewehr, ja was ist der Mensch anders als ein verworrnes Bündel Röhren? [E 35 / 35]

Ir[by] Nichts kann mehr zu einer Seelen-Ruhe beitragen, als wenn man gar keine Meinung hat. [E 62 / 63]

Es hatte die Wirkung, die gemeiniglich gute Bücher haben. Es machte die Einfältigen einfältiger, die Klugen klüger und die übrigen Tausende blieben ungeändert.[E 128 / 129]

Die Leute können nicht begreifen, wie es Menschen geben könne, die das so genannte Weben des Genies in den Wolken, wo ein glühender Kopf halb gare Ideen auswirft, für Possen halten können, ja wie man so grausam sein könne [und] ganze Kapitel voll schöner Ausdrücke nicht so hoch achtet als ein Senfkorn von Sache.[E 193 / 194]

Unser Leben kann man mit einem Wintertag vergleichen, wir werden zwischen 12 und 1 des Nachts geboren, es wird 8 Uhr ehe es Tag wird, und vor 4 des Nachmittages wird es wieder dunkel, und um 12 sterben [wir.][E 210 / 212]

Ein Buch ist ein Spiegel, wenn ein Affe hineinguckt, so kann freilich kein Apostel heraus sehen. Wir haben keine Worte mit dem Dummen von Weisheit zu sprechen. Der ist schon weise der den Weisen versteht. [E 213 / 215]

Die große Regel: Wenn dein Bisschen an sich nichts Sonderbares ist, so sage es wenigstens ein bisschen sonderbar.[E 240 / 243]

Briefe über die neuste Literatur: und ich dank es dem lieben Gott tausendmal, dass er mich zum Atheisten hat werden lassen. [E 249 / 252]

Ich erinnere mich deutlich, dass ich in meiner ersten Jugend einmal ein Kalb wollte apportieren lernen, allein ob ich gleich merkte, dass ich merklich in den nötigen Fertigkeiten zunahm, so verstunden wir uns einander alle Tage weniger, und ich ließ es endlich ganz und habe es nachher nie wieder versucht. [E 281 / 284]

Es gibt Leute, die glauben, alles wäre vernünftig, was man mit einem ernsthaften Gesicht tut. [E 283 / 286]

In einem Städtgen wo sich immer ein Gesicht aufs andere reimt. [E 289]

Wenn sie die Wahrheit in der Natur gefunden haben, so schmeißen sie sie wieder in ein Buch, wo sie noch schlechter aufgehoben ist. Formuln. [E 304 / 307]

Er schreibt, dass selbst den Engeln der Verstand stille steht. [E 307 / 310]

Schreibt man denn Bücher bloß zum Lesen? oder nicht auch zum Unterlegen in die Haushaltung? Gegen eins, das durchgelesen wird, werden Tausende durchgeblättert, andere Tausend liegen stille, andere werden auf Mauslöcher gepresst, nach Ratzen geworfen, auf andern wird gestanden, gesessen, getrommelt, Pfefferkuchen gebacken, mit andern werden Pfeifen angesteckt, hinter dem Fenster damit gestanden. [E 308 / 311]

Sagt, ist noch ein Land außer Deutschland, wo man die Nase eher rümpfen lernt als putzen? [E 313 / 316]

Ein guter Ausdruck ist so viel wert als ein guter Gedanke, weil es fast unmöglich ist sich gut auszudrücken ohne das Ausgedrückte von einer guten Seite zu zeigen.[E 321 / 324]

Viel Federkauens wollen wir gewiss nicht machen.[E 360 / 363]

Mit der Feder in der Hand habe ich, mit gutem Erfolg, Schanzen erstiegen, von denen andere mit Schwert und Bannstrahl bewaffnet zurückgeschlagen worden sind.[E 419 / 422]

Namentlich alle Buhl- und Betschwestern. [E 444 / 448]

Wenn Leute ihre Träume aufrichtig erzählen wollten, da ließe sich der Charakter eher daraus erraten, als aus dem Gesicht. [E 490 / 494]

Assoziation: Ein langes Glück verliert schon bloß durch seine Dauer. [F 6 / 6]

Lesen heißt borgen, daraus erfinden abtragen. [F 7 / 7]

Ich bin überzeugt, dass, wenn Gott einmal einen solchen Menschen schaffen [würde], wie ihn sich die Magistri und Professoren der Philosophie vorstellen, er müsste den ersten Tag ins Tollhaus gebracht werden. Man könnte daraus eine artige Fabel machen: Ein Professor bittet sich von der Vorsicht aus ihm einen Menschen nach dem Bilde seiner Psychologie zu schaffen, sie tut es und er wird in das Tollhaus gebracht. [F 32 / 33]

Das Wohl mancher Länder wird nach der Mehrheit der Stimmen entschieden, da doch jedermann eingesteht, dass es mehr böse als gute Menschen gibt. [F 51 / 52]

Es regnete so stark, dass alle Schweine rein und alle Menschen dreckig wurden. [F 99 / 100]

Wenn man ein altes Wort gebraucht, so geht es oft in dem Kanal nach dem Verstand den das ABC-Buch gegraben hat, eine Metapher macht sich einen neuen, und schlägt oft grad durch. ‹Nutzen der Metaphern.›  [F 115 / 116]

Er las so sehr gerne, wie er sagte, Abhandlungen vom Genie, weil er sich immer stark darnach fühlte. [F 131 / 132]

So wie man den Heiligen eine Nulle über den Kopf malt.[F 166 / 167]

Die letzte Hand an sein Werk legen, das heißt verbrennen.[F 172 / 173]

Nichts erklärt Lesen und Studieren besser, als Essen und Verdauen. Der philosophische eigentliche Leser häuft nicht bloß in seinem Gedächtnis an, wie der Fresser im Magen, da hingegen der Gedächtnis-Kopf mehr einen vollen Magen, als einen starken und gesunden Körper bekömmt, bei jenem wird alles was er liest und brauchbar findet, dem System und dem inneren Körper, wenn ich so sagen darf, zugeführt, dieses hierhin und das andere dorthin, und das Ganze bekommt Stärke. [F 202 / 203]

Diesen mit Kaffee geschriebenen Brief wird Ihnen der Johann übergeben. Ich hätte Blut genommen, wenn ich keinen Kaffee gehabt hätte. [F 280 / 282]

20. [Januar 1777] Was sie Herz nennen liegt weit niedriger als der 4te Westen Knopf. [F 334 / 337]

Mir ist ein Kleintuer weit unausstehlicher als ein Großtuer, denn einmal verstehen es so wenig, weil es eine Kunst ist da Großtun aus der Natur entspringt, und dann lässt der Großtuer jedem seinen Wert, da der Kleintuer den, gegen welchen er es ist, offenbar verachtet. Ich habe einige gekannt, die von ihrem wenigen Verdienst, das sie hatten, mit soviel pietistischer Dünnigkeit zu sprechen wussten, als wenn sie fürchteten man möchte schmelzen, wenn sie sich in ihrem ganzen Licht zeigten. Ich habe mir aber angewöhnt über solche Leute zu lachen, und seit der Zeit sehe und höre ich sie gerne. [F 347 / 350]

Die Metapher ist weit klüger als ihr Verfasser und so sind es viele Dinge. Alles hat seine Tiefen. Wer Augen hat der sieht [alles] in allem. [F 366 / 369]

Wie nah wohl zuweilen unsere Gedanken an einer großen Entdeckung hinstreichen mögen? [F 420 / 423]

So sagt man jemand bekleide ein Amt, wenn er von dem Amt bekleidet wird. [F 423 / 426]

Man empfiehlt Selbst-Denken oft nur um die Irrtümer anderer beim Studieren von Wahrheit zu unterscheiden. Es ist ein Nutzen, aber ist das alles? wie viel unnötiges Lesen wird uns erspart. Ist denn Lesen Studieren? Es hat jemand mit großem Grunde der Wahrheit behauptet, dass die Buchdruckerei Gelehrsamkeit zwar mehr ausgebreitet aber im Gehalt vermindert hätte. Das viele Lesen ist dem Denken schädlich. Die größten Denker, die mir vorgekommen sind, waren gerade unter allen den Gelehrten die ich habe kennen gelernt die, die am wenigsten gelesen hatten. Ist denn Vergnügen der Sinne gar nichts? [F 435 / 439]

Wenn man die Menschen lehrt wie sie denken sollen und nicht ewig hin, was sie denken sollen: so wird auch dem Missverständnis vorgebeugt. Es ist eine Art von Einweihung in die Mysteria der Menschheit. Wer im eignen Denken auf einen sonderbaren Satz stößt, kommt wohl wieder davon ab, wenn er falsch ist. Ein sonderbarer Satz hingegen, der von einem Mann von Ansehen gelehrt wird, kann Tausende, die nicht untersuchen, irre führen. Man kann nicht vorsichtig genug sein in Bekanntmachung eigner Meinungen, die auf Leben und Glückseligkeit hinaus laufen, hingegen nicht emsig genug, Menschen-Verstand und Zweifel einzuschärfen. Hieher gehört die auf der gegenüberstehenden Seite angeführte Sentenz every man’s reason is every man’s oracle.[F 438 / 441]

Zweifel muss nichts weiter sein als Wachsamkeit, sonst kann er gefährlich werden. [F 443 / 447]

Man findet Spuren aller Wissenschaften in den Sprachen und umgekehrt vieles in den Sprachen, das in den Wissenschaften nützen kann. [F 470 / 474]

Wenn die Physiognomik das wird, was Lavater von ihr erwartet, so wird man die Kinder aufhängen ehe sie die Taten getan haben, die den Galgen verdienen, es wird also eine neue Art von Firmelung jedes Jahr vorgenommen werden. Ein physiognomisches Auto da Fe. [F 517 / 521]

Vorstellungen sind auch ein Leben und eine Welt.[F 537 / 542]

Schlankheit gefällt wegen des bessern Anschlusses im Beischlaf und der Mannigfaltigkeit der Bewegung.[F 598 / 603]

Quicquid recipitur, recipitur ad modum recipientis ist eine alte logische Maxime. [F 634 / 639]

Ich empfehle Träume nochmals; wir leben und empfinden so gut im Traum als im Wachen und sind jenes so gut als dieses, es gehört mit unter die Vorzüge des Menschen, dass er träumt und es weiß. Man hat schwerlich noch den rechten Gebrauch davon gemacht. Der Traum ist ein Leben, das, mit unserm übrigen zusammengesetzt, das wird, was wir menschliches Leben nennen. Die Träume verlieren sich in unser Wachen allmählig herein, man kann nicht sagen, wo das Wachen eines Menschen anfängt. [F 737 / 743]

Neue Blicke durch die alten Löcher. [F 871 / 879]

Ich kann nicht leugnen, mein Misstrauen gegen den Geschmack unserer Zeit ist bei mir vielleicht zu einer tadelnswürdigen Höhe gestiegen. Täglich zu sehen wie Leute zum Namen Genie kommen, wie die Keller-Esel zum Namen Tausendfuß, nicht weil sie so viele Füße haben, sondern weil die meisten nicht bis auf 14 zählen wollen, hat gemacht, dass ich keinem mehr ohne Prüfung glaube. [F 962 / 971]

Es waren eigentlich nur 2 Personen in der Welt, die er mit Wärme liebte, die eine war jedesmal sein größter Schmeichler, und die andere war er selbst. [F 982 / 991]

Der Mann gehört bekanntlich mit unter die Klasse der sogenannten pompeusen Schriftsteller die nur alles schön finden, was mit Pracht falsch ist. In Deutschland kann man sich noch mit dieser Art hier und da einen Namen machen. In England ist die Art von Prose unehrlich. Es kann auch nicht geleugnet werden, dass kurz vor Anbruch des Tages im Kopf bei dämmernder Vernunft, welches bei manchen Leuten im 16. Jahr, bei andern im 25sten, bei andern im 40 oder gar im 50ten ist, diese Art zu schreiben die angenehmste ist. So sagt der oben erwähnte Verfasser des Briefs, Versailles mit Sanssouci verglichen wäre ihm vorgekommen wie die Wohnung eines Zwergen gegen die von einem Riesen. Davon ist nun kein Wort wahr, es ist ihm auch würklich nicht so vorgekommen, sondern es kam ihm zu Hause vor es wäre ihm so vorgekommen, oder es kam ihm vor, als wäre es schön, wenn es einem so vorkäme, oder es kam ihm endlich vor, es wäre schon schön bloß zu sagen es wäre ihm so vorgekommen. Es muss auch nichts wahr davon sein, denn wenn der Gedanke wahr wäre, so wäre er falsch. In einem Zimmer von Gemälden wurde der Verfasser vor Verwunderung ohnmächtig, gleich darauf wird er versteinert, das ist nun alles soviel wie nichts. [F 976 / 985]

Bei manchem Werk eines berühmten Mannes möchte ich lieber lesen was er weggestrichen hat, als was er hat stehen lassen. [F 989 / 998]

Der Trieb unser Geschlecht fortzupflanzen hat noch eine Menge anderes Zeug fortgepflanzt. [F 1070 / 1079]

Dass wir uns im Traume selbst sehen, kommt vom Spiegel-Sehen her, bei welchem wir nicht denken, dass es im Spiegel ist. Es ist aber im Traum die Vorstellung lebhafter und das Bewusstsein und Denken geringer.[F 1171 / 1180]

Eine Regel beim Lesen ist die Absicht des Verfassers, und den Hauptgedanken sich auf wenig Worte zu bringen und sich unter dieser Gestalt eigen zu machen. Wer so liest ist beschäftigt, und gewinnt, es gibt eine Art von Lektüre wobei der Geist gar nichts gewinnt, und viel mehr verliert, es ist das Lesen ohne Vergleichung mit seinem eigenen Vorrat und ohne Vereinigung mit seinem Meinungs-System. [F 1212 / 1222]

Bei Träumen ist doch dieses merkwürdig, dass Traum von Belehrung weiter nichts ist und sein kann als Erinnerung oder Zusammensetzung in unserem Kopf liegender Begriffe, es entsteht dabei eine Person dazu. [F 1219 / 1229]

[Vermutlich aus der Zeit der in der Handschrift

verlorenen Sudelbücher G und H, 1779-1789]

Die Fehler, die die Damen in den Sprachen machen sind oft unwiderstehlich. [Ms. Licht. IV, 40 – Magin S. 31 / UB 45]

Unter die größten Entdeckungen, auf die der menschliche Verstand in den neuesten Zeiten gefallen ist, gehört meiner Meinung nach wohl die Kunst Bücher zu beurteilen, ohne sie gelesen zu haben. [VS 2, 1801, 366 f. / *G 173]

Kirchtürme, umgekehrte Trichter, das Gebet in den Himmel zu leiten. [VS 2, 1801, 375 / *UB 8]

Der Amerikaner, der den Kolumbus zuerst entdeckte, machte eine böse Entdeckung. [VS 2, 1844, 84 / *G 183]

Es ist fast unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu sengen.[VS 2, 1844, 84 / *G 13]

Er las immer Agamemnon statt Angenommen, so sehr hatte er den Homer gelesen. [VS 2, 1844, 84 / *G 187]