Arbeitsbuch Systematische Theologie für Religionspädagogen - Friedrich Johannsen - E-Book

Arbeitsbuch Systematische Theologie für Religionspädagogen E-Book

Friedrich Johannsen

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Beschreibung

Systematisch-theologische Kompetenz ist für die Arbeit von Religionslehrerinnen und Religionslehrern unverzichtbar. Dazu vermittelt dieser Band Basiswissen und regt zu eigenem Denken an. Er erläutert die Geschichte der christlichen Lehrbildung und erschließt exemplarisch das Apostolische Glaubensbekenntnis. Anschließend werden die besonderen Herausforderungen der modernen, pluralen und postsäkularen Gesellschaft thematisiert. Unterschiedliche systematische Denkmodelle werden am Beispiel ausgewählter Theologen betrachtet und im Blick auf theologische Bildung erörtert. Da Religionsunterricht zunehmend konfessionell-kooperativ erteilt wird, liegt ein besonderer Akzent auf der Herausarbeitung von konfessionellen Gemeinsamkeiten und Differenzen.

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Friedrich JohannsenWiegand Wagner

Systematische Theologie für Religionspädagogen

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Es konnten nicht alle Rechtsinhaber von Abbildungen ermittelt werden. Sollte dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

1. Auflage 2014

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-022237-3

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-028858-4

epub:    ISBN 978-3-17-028859-1

mobi:    ISBN 978-3-17-028860-7

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Hinführung

I.1. Vorbemerkungen

I.2. Struktur und Besonderheiten des Arbeitsbuchs

I.3. Christlicher Glaube und Bildung

I.4. Systematische Theologie als Wissenschaft – Ein erster Zugang

I.5. Die „Systematik“ der Dogmatik

I.6. Systematische Theologie als Wissenschaft

I.7. Zugänge zur Systematischen Theologie durch Kunstwerke

II. Vorklärungen

II.1. Studium der Systematischen Theologie im Kontext des Lehramtsstudiums

II.2. Systematisch-theologische Kompetenz von Religionspädagoginnen und -pädagogen

II.2.1. Die Situation von Glaube und Religion in der sog. Postmoderne

II.2.2. Kommunikation über den Glauben vor dem Hintergrund des Relevanzverlustes der Glaubensymbole

II.2.3. Wahrnehmung und theologische Deutung von „Schülertheologie“

II.2.4. Aneignung von Orientierungswissen

III. Kurze Geschichte der Entwicklung christlicher Lehre

III.1. Die Verwurzelung des Christentums im Judentum des ersten Jahrhunderts

III.1.1. Verhältnis des Christentums zum Judentum

III.2. Entscheidungen in den ersten drei Jahrhunderten

III.2.1. Auseinandersetzungen mit Marcion und der sog. Gnosis

III.2.2. Kanonbildung

Exkurs: Offenbarung

III.2.3. Entwicklung von Ämtern und Amtsverständnis

III.2.4. Verteidigung christlicher Lehre (Apologeten)

III.2.5. Entwicklung von Bekenntnissen

III.3. Der christologische Streit

III.3.1. Der „Kampf“ ums Jota

III.3.2. Die Lehrentscheidungen von Nicäa bis Chalcedon und ihre Hintergründe

Exkurs: Christologische Aspekte in frühchristlicher Kunst

III.3.3. Die altkirchlichen Bekenntnisse

III.4. Das Apostolische Glaubensbekenntnis

III.4.1. Vorbemerkungen

Exkurs: Streit um das Bekenntnis

III.4.2: „Ich glaube.“

Exkurs: Religion – Glaube

III.4.3. Der erste Artikel: „Ich glaube an Gott…“

Exkurs: Gottesbeweise

Exkurs: Theodizeefrage

III.4.4. Der zweite Artikel: „Ich glaube an Jesus Christus…“

III.4.5. Der dritte Artikel: „Ich glaube an den Heiligen Geist…“

III.5. Das Bekenntnis zum dreieinigen Gott (Trinität)

III.5.1. Bildanalyse

III.5.2. Hinführung

III.5.3. Zur Entwicklung der Trinitätslehre

III.5.4. Aspekte zur Trinitätslehre in der Theologie des 20./21. Jh.s

III.5.5. Einzelaspekte

III.5.6. Anregungen zur Vertiefung und Auseinandersetzung

III.6. Das Wirken/Handeln Gottes

III.6.1. Hinführung

III.6.2. Die Lehre von der Rettung/Erlösung (Soteriologie)

Exkurs: Bildanalyse

Exkurs: Kurze Hinweise zu relevanten soteriologischen Begriffen

III.7. Der Neuansatz reformatorischer Theologie im Kontext des ausgehenden Mittelalters

III.7.1. Luthers Entdeckung der Rechtfertigung des Sünders:

III.7.2. Reformatorische Wende, Durchbruch, Turmerlebnis

Exkurs: Kernbegriffe reformatorischer Theologie

III.7.3. Entfaltung reformatorischer Lehre

III.8. Theologie nach der Aufklärung

III.9. Herausforderungen der Theologie in der sogenannten Postmoderne

IV. Vertiefungen

IV.1. Systematische Theologen

IV.1.1. Martin Luther (1483-1546) (Wiegand Wagner)

IV.1.2. Philipp Melanchthon (1494-1560) (Wiegand Wagner)

IV.1.3. Friedrich Daniel Schleiermacher (1768-1834)(Wiegand Wagner)

IV.1.4. Karl Barth (1886-1968)

IV.1.5. Paul Tillich (1886-1965)(Wiegand Wagner)

IV.1.6. Dietrich Bonhoeffer (1906-1945)

IV.2. Symbol – Metapher – Zeichen Zur Eigenart und zum Verstehen der Sprache des Glaubens (religiöser Sprache)

IV.3. Sakramente: Begegnungen mit dem Heiligen – Vermittlung des Heils?

IV.3.1. Allgemeines

IV.3.2. Die Entwicklung des Sakramentenverständnis

IV.3.3. Erschließung der konfessionellen Differenzen durch traditionelle Kunstwerke

IV.3.4. Taufe

IV.3.5. Abendmahl

IV.4. Den Glauben feiern

IV.4.1. Zur Bedeutung von Festkultur – Ein kurzer Ausflug in die Festtheorie

IV.4.2. Das Kirchenjahr

IV.5. Koordinaten christlichen Lebens Handeln aus dem Glauben (Theologische Ethik)

IV.5.0. Vorklärungen

IV.5.1. Orientierungen

IV.5.2. Ethik der Neuzeit

IV.5.3. Quellentexte und Vertiefungen

IV.6. Ökumene und Dialog der Religionen

IV.6.1. Ökumene

IV.6.2. Interreligiöse Ökumene – Interreligiöser Dialog

Exkurs: Herausforderungen des Glaubens durch den Prozess der Globalisierung

IV.7. Christlicher Glaube und Bildung

IV.7.1. Gottebenbildlichkeit und Bildung – Historische Ansätze

IV.7.2. Glaube und Bildung – Neuere Ansätze

IV.7.3. Fazit

V. Erschließung exemplarischer Themen

V.1. Gott zur Sprache bringen, über Gott sprechen

V.1.1. Kriterien einer theologisch sachgemäßen Thematisierung der Gottesfrage

V.1.2. Hinweise zur Thematisierung der Gottesfrage im Religionsunterricht

V.2. Jesus – Jesus Christus (Christologie)

Exkurs: Christologie in der Ikonographie

V.3. Sola scriptura: Das protestantische Schriftprinzip (Wort Gottes – Bibel)

V.4. Theologische Klärung von Sünde – Schuld – Vergebung

V.4.1. Biblische Aspekte

V.4.2. Schuldbekenntnis

V.4.3. Systematische Aspekte

V.5. Deutungen des Kreuzestodes Jesu Sühne – Versöhnung – Erlösung – Rechtfertigung

V.5.1. Allgemeiner Hintergrund

V.5.2. Biblischer Hintergrund

V.5.3. Sühneopfer?

V.5.4. Aspekte der aktuellen Auseinandersetzung zur Sühneopferdeutung

V.5.5. Rechtfertigung

V.6. Was ist der Mensch?Anthropologie aus theologischer Perspektive

Exkurs: Gottesbild, Menschenbild und Bilderverbot

Exkurs: „Gottebenbildlichkeit“ in dogmatischer Tradition

V.7. Theologie und Naturwissenschaften (Wiegand Wagner)

V.8. Freiheit – Freier Wille – Determination Der protestantische Beitrag zur Freiheitslehre

V.8.1. Zur Tradition der Fragestellung

V.8.2. Zur Aktualität der Fragestellung

V.9. Aspekte des Schöpfungsglaubens

V.9.1. Der Schöpfungsgedanke im Kontext neuzeitlicher Wissenschaft

V.9.2. Biblische Aspekte zur Schöpfungstheologie

V.9.3. „Schöpfung“ als erinnerte Zukunft und Hoffnungssymbol

V.10. Was dürfen wir hoffen? – Leid und Tod – Eschatologie

V.10.1. Religionsgeschichtlicher Hintergrund

V.10.2. Theologische Perspektiven

V.11. Evangelisch – katholisch – orthodox Gemeinsamkeiten und Differenzen der Konfessionen

V.12. Das Verhältnis des christlichen Glaubens zu den Weltreligionen

Exkurs: Religionsbegriff

Literatur

Personenregister

Begriffsregister

Vorwort

 

Langjährige Erfahrungen in der Lehre zeigen, dass gerade der Zugang zur Systematischen Theologie von Lehramtsstudierenden als schwieriger empfunden wird als der zu den anderen theologischen Fächern. Schon aus diesem Grund ist eine adressatenbezogene Einführung in diese Disziplin sinnvoll. Daher will das Buch das Verständnis dieser wichtigen theologischen Disziplin erleichtern und einen ersten Zugang schaffen. Es will Impulse geben, die für die Arbeit von Religionslehrerinnen und Religionslehrern entscheidende systematisch-theologische Kompetenz auszubilden und zu vertiefen. Ziel ist es, nicht nur Basiswissen zu vermitteln, sondern auch Interesse zu wecken und zu selbstständigem, systematisch-theologischem Denken anzuregen.

Neben einem Zugang über die Geschichte der christlichen Lehrbildung und der exemplarischen Erschließung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses werden die besonderen Herausforderungen der modernen, pluralen sowie postsäkularen Gesellschaft thematisiert. Bei der Erschließung der Lehrtraditionen werden unterschiedliche Wege gewählt. Neben Quellentexten wird ein Zugang über bildende Kunst und Literatur aufgezeigt. Unterschiedliche systematische Denkmodelle werden an den Beispielen ausgewählter Theologen wie Luther, Melanchthon, Schleiermacher, Barth, Tillich sowie Bonhoeffer betrachtet und im Blick auf theologische Bildung erörtert.

Zugleich ergibt sich die Möglichkeit, den Aspekt „Theologie und Bildung“ zu akzentuieren sowie die für Lehr-Lernprozesse relevanten lebensweltlichen Anknüpfungen zu thematisieren. Auch wenn nicht immer dezidiert darauf hingewiesen wird, bildet der Zusammenhang von Glaube und Bildung den roten Faden der Darstellung, die aus protestantischer Perspektive erfolgt.

Da der Religionsunterricht zunehmend konfessionell-kooperativ erteilt wird, liegt ein besonderer Akzent auf der Herausarbeitung von konfessionellen Gemeinsamkeiten und Differenzen.

Durch diesen Band wird die Reihe der religionspädagogischen Arbeitsbücher abgeschlossen.

Für die Anfertigung der Skizzen danken wir Frau Helga Menzel, für die Mithilfe bei der Bearbeitung Herrn Dr. Jens Riechmann, für die Vorbereitung der Drucklegung Herrn Jörn Neier und für die intensive Betreuung des Verlages Frau Julia Zubcic.

Hannover, 25.08.2014

Friedrich Johannsen           Wiegand Wagner

I.          Hinführung

I.1.       Vorbemerkungen

Dieses Arbeitsbuch ist im Kontext von systematisch-theologischen Lehrveranstaltungen mit Blick auf die Studierenden entstanden. Es soll nicht an die Stelle eines dogmatischen Lehrbuches treten, sondern Lehramtsstudierende grundlegend zu fachlicher Orientierung anleiten. Es bietet Basiswissen und Orientierungshilfen für die eigene Urteilsbildung und für theologische Diskursfähigkeit. In diesem Sinne will das Arbeitsbuch anregen, eine eigenständige systematisch-theologische Kompetenz im Kontext von religiösem Lehren und Lernen auszubilden.

Theologie hat eine lange Tradition, entsprechend groß ist der Umfang theologischer Schriften und Gedanken. Wenn in diesem komplexen Dschungel ein eigener theologischer Weg gefunden werden soll, ist zunächst eine Beschränkung der Stoff- und Themenauswahl notwendig. Eine solche Reduktion steht immer wieder vor dem Problem, Komplexität angemessen abzubilden. Das bedeutet, dass in den folgenden Darstellungen immer wieder um eine sowohl verständliche, als auch zutreffende Darstellung gerungen wird. Ein Reduktionskriterium ist die konfessionelle Perspektive der protestantischen Theologie, von der her auch die Besonderheiten der anderen Konfessionen in den Blick genommen werden.

Jede Wissenschaft entwickelt eine Fachsprache, die dem Gegenstand angemessen ist und zugleich der Verständigung unter Fachleuten dient. Was der internen Verständigung dienlich ist, kann die Verständigung mit Nichtfachleuten erschweren. Im Bildungsbereich sind Fach- und Umgangssprache in Beziehung zu setzen. Die Darstellung ist von dem Interesse geleitet, den Zusammengang von Glaube und Bildung abzubilden. Somit spielt auch die didaktische Perspektive eine Rolle, allerdings nicht in Form von ausgearbeiteten unterrichtspraktischen Anregungen, sondern in Gestalt von „fachwissenschaftlicher“ Analyse. Ziel des Studiums, zu dem das Arbeitsbuch einen Beitrag leisten möchte, ist die theologisch gebildete Lehrkraft, die in Glaubensfragen reflexions- und diskursfähig ist.

Ein Lutherzitat mag daran erinnern, dass das Erlernen theologischer Kompetenz nicht erst heute Zeit und gedankliche Mühe beansprucht:

„Ich hab mein theologiam nit auff ein mal gelernt, sondern hab ymmer tieffer grubeln mussen“.1

I.2.       Struktur und Besonderheiten des Arbeitsbuchs

Nach knapp gefassten Vorklärungen zum Verständnis und zur Funktion Systematischer Theologie im Kontext von Lehrerbildung in Teil II wird in Teil III in Grundzügen skizziert, wie sich christliche Lehre im Zusammenhang geschichtlicher Auseinandersetzungen entwickelt und profiliert hat. Besondere Aufmerksamkeit wird hier dem Apostolischen Glaubensbekenntnis gewidmet (III.4.1.-5.), das sich schon wegen seiner konfessionsübergreifenden Gültigkeit als Medium der Verständigung und Auseinandersetzung über den christlichen Glauben eignet.

Es folgt eine Vertiefung der am Apostolischen Glaubensbekenntnis gewonnenen Einsichten an ausgewählten Schwerpunkten der „Glaubenslehre“ wie dem trinitarischen Gottesverständnis (III.5.) und dem Verständnis des Wirken Gottes (III.6.).

Eine weitere Vertiefung erfolgt hinsichtlich der reformatorischen Erkenntnis Luthers vor ihrem situativen Hintergrund (III.7.).

Kurze Betrachtungen der theologischen Herausforderungen u.a. durch Aufklärung (III.8.) und „Postmoderne“(III.9.) schließen dieses Kapitel ab.

Teil IV dient der Vertiefung ausgewählter Themen. Im ersten Teil werden für die Ausformung und Auslegung reformatorischer Lehre relevante Theologen vorgestellt. Spezielle Aufmerksamkeit wird der religiösen Sprache, dem Verständnis der Sakramente, dem christlichen Festzyklus (Kirchenjahr) als feierlicher Begehung wichtiger Glaubensaspekte, dem Handeln aus Glauben (Ethik), dem Pluralismus, der Ökumene und der Globalisierung sowie dem Verhältnis von Religion und Bildung gewidmet.

In Teil V werden zusammenhängend zwölf Themen theologisch erschlossen, die für evangelische Bildungsarbeit relevant sind.

Wie jede Geisteswissenschaft ist die Theologie von der Vorherrschaft des Sprachlichen bestimmt. Als Abwendung von der Vorherrschaft des Sprachlichen hat der amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaftler William J.T. Mitchell 1992 einen „pictorial turn“ festgestellt und konstatiert, dass „das Nachdenken über Bilder wie das Denken mit Hilfe von Bildern“ aufzuwerten sei.2

Erfahrungen in der Lehre bestätigen, dass sich künstlerische Gestaltungen früherer Epochen neben Texten zur Erschließung und Vertiefung systematischer Themen eignen. Es handelt sich jeweils um Kunstwerke, die ihrerseits ein an konkretem Ort und in konkreter Zeit inszenierter Ausdruck und eine Interpretation einer theologischen Tradition sind. Klaas Huizing spricht von „epochentypische[r] Umgehensweise mit dem Heiligen“.3

In Anlehnung an die Intention des „iconic turn“, in dem es nicht darum geht, Bilder zu verstehen, sondern die Welt durch Bilder zu erschließen4, soll theologische Deutung auch durch Bilder angeregt werden.

Die Einbeziehung der geschichtlichen Perspektive, die wechselseitige Erschließung von theologischer Deutung durch Text und Kunstwerke, Thematisierung christlicher Feste als „Begehung“ christlicher Lehre sowie lebensweltliche „Anknüpfungspunkte“ erweitern die übliche Begrenzung systematischer Lehrbücher. Diese Erweiterungen sind den spezifischen Herausforderungen theologischer Kommunikation in Bildungsprozessen geschuldet.

I.3.       Christlicher Glaube und Bildung5

„Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“ (1Petr 3,15).

 

„Prüfet alles, und das Gute behaltet“ (1Thess 5,21).6

Die beiden Bibelzitate machen auf folgende Aspekte aufmerksam:

Der christliche Glaube und die aus ihm resultierende Lebensorientierung wollen erklärt, im Kontext anderer Orientierungen reflektiert und verantwortet werden. Daraus folgt, dass Glaube und Bildung untrennbar zusammen gehören. (→ IV.7)

Dieser Zusammenhang bildet die Grundlage der folgenden Ausführungen.

Dass Glaube auch erkennender Glaube ist und Einsicht wie Verstehen umfasst, ist in der Reformationszeit wieder akzentuiert und gegen die Trennung von Fachleuten und Laien gewendet worden.7

Mit dem Phänomen „Christlicher Glaube“ verbindet sich alltagsweltlich immer auch die Vorstellung von einer Summe von Lehrsätzen und Begriffen, die für den Menschen der Gegenwart schwer zu fassen sind und als überholt oder als Fremdkörper empfunden werden.

Daher fordert Jürgen Habermas mit Blick auf die postsäkulare Situation, dass der Gehalt wichtiger religiöser Begriffe in weltliche Formen übersetzt werden müsse, damit er einem breiteren Forum zugänglich würden.8

Der Zusammenhang von Glaube und Bildung fordert somit eine theologische Kompetenz, die auf beide Seiten bezogen ist: Zum einen geht es um theologische Fachkompetenz im engeren Sinn, zum anderen um die Fähigkeit, theologische Sachverhalte und Fachbegriffe in die Alltagssprache bzw. andere Sprachwelten zu „übersetzen“.

Christlicher Glaube ist geprägt durch ein bestimmtes Gottes- und Weltverständnis. Das heißt, dass der Glaube Gott, sich selbst und die Welt in einer bestimmten Perspektive wahrnimmt: z.B. Gott als befreienden und rechtfertigenden Schöpfer, sich selbst als befreites und gerechtfertigtes Geschöpf, die Welt als Schöpfung und zu bewahrenden und zu gestaltenden Lebensraum.

Seine inhaltliche Struktur erhält der Glaube, durch einen spezifischen* Bezug auf die Offenbarung** Gottes in der Geschichte Israels und in der Geschichte Jesu von Nazareth, wie sie in der biblischen Überlieferung*** bezeugt sind.

* der „spezifische Bezug“ wird durch den verwendeten Erkenntnisschlüssel bzw. das hermeneutische Verfahren hergestellt, mit dem die Überlieferung erschlossen wird.

** „Offenbarung“ verweist darauf, dass der Glaube nicht hinterfragbare Grundlagen/Vorausetzungen (Axiome) darin hat, dass davon ausgegangen wird, dass Gott sich in der Geschichte Israels und der Geschichte Jesu offenbart hat.

*** „Biblische Überlieferung“ verweist auf einen Kanon von Schriften, die als menschlicher Reflex auf die Offenbarung verfasst wurden.

Erste inhaltliche Konturen hat der Glaube in konkreten historischen Situationen erhalten und will im Prozess der geschichtlichen Veränderungen immer neu artikuliert, ausgelegt und zum Ausdruck gebracht werden.

Nur so kann die Lebens- und Weltdeutung des christlichen Glaubens in Anknüpfung und Abgrenzung zu anderen Weltanschauungen und Weltdeutungen in konkreter geschichtlicher Situation Ausdruck finden.

Inhaltlich geht es um die Auseinandersetzung mit der Frage, welche Gewissheiten unsere Wirklichkeitsdeutung, Wirklichkeitsgestaltung und Handlungen bestimmen, und davon abgeleitet um Orientierungswissen und Orientierungsfähigkeit.

I.4.       Systematische Theologie als Wissenschaft – Ein erster Zugang

Theologie ist vom Wortsinn her Lehre/Rede von Gott. Christliches Denken tat sich anfangs schwer mit diesem Wort. Das hat seine Ursache u.a. darin, dass der Begriff „Theologie“ in der Antike verbunden war mit einem Verständnis von Gott als kosmologischem Prinzip. Dieses stand im Gegensatz zum Verständnis der jüdischen Tradition, die Gott als souverän handelnde Person verstand.9

Seine spezifisch christliche Bedeutung hat der Begriff „Theologie“ erst ab dem 13. Jh. im Kontext der Entwicklung des Bildungswesens mit der Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Disziplinen gewonnen. Auf der Grundlage von Aristoteles wurde Theologie im Mittelalter als spekulative Wissenschaft verstanden, in der es um Erkenntnis und Beziehung von himmlischer und irdischer Welt ging.

Die reformatorische Theologie nahm dann eine Begrenzung und Konzentration auf das Heilswirken Gottes vor:

„Eigentlicher Gegenstand der Theologie ist der Mensch als der in Sünde verschuldete und verlorene und Gott als der Gott, der den Sünder rechtfertigt und rettet.“10

Im Kontext der Aufklärung zerbricht das Wissenschaftssystem des Mittelalters, in dem die Theologie integrierende Leitwissenschaft war. In Abkehr von allen spekulativen Ansätzen begründet Schleiermacher zu Beginn des 19. Jh.s die Wissenschaftlichkeit der Theologie als positive Wissenschaft. Erkenntnisgegenstand war für ihn der christliche Glaube als empirisches Phänomen. Damit gelingt es Schleiermacher, der Theologie einen Platz im akademischen Bildungszusammenhang der staatlichen Universität zu erhalten.

Der christliche Glaube hat nach evangelischem Verständnis seine Grundlage in der Selbstbekundung Gottes (→ Exkurs Offenbarung), die wissenschaftlich als Grundvoraussetzung (Axiom/Basisannahme) zu werten ist. Indem die Theologie auf dieser Basis Erkenntnisinteresse, Erkenntnisgegenstand und Methoden klärt, kann sie den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erheben.

Im Blick auf das Verständnis von Theologie als Wissenschaft kommt allerdings noch ein spezifischer Aspekt hinzu. Im Unterschied zur Religionswissenschaft, die Erkenntnisse über „Glauben“ aus einer Außenperspektive gewinnen will, geht es in der Theologie um so etwas wie teilnehmende Beobachtung. Das wissenschaftliche Interesse liegt darin, den Glauben aus der Perspektive des Glaubens im Interesse des Glaubens kritisch-konstruktiv zu reflektieren und verständlich zu machen. Eine wichtige Frage ist, woran sich die Gültigkeit theologischer Aussagen bemisst.

Ihren Ursprung hat theologische Wissenschaft in der Schriftauslegung. Dabei ging es darum, in ihren Sätzen die Wahrheit der Schrift zum Ausdruck zu bringen. So war die christliche Theologie zunächst wesentlich Bibelwissenschaft. Schleiermacher gliederte die theologische Wissenschaft bei der Gründung der Humboldtuniversität in drei Disziplinen mit unterschiedlichen Aufgaben: Philosophische Theologie, Praktische Theologie und Historische Theologie. Wie in anderen Wissenschaften erfolgten bald weitere Spezialisierungen. Im 20. Jh. haben sich im Bereich der Evangelischen Theologie die Differenzierungen in Bibelwissenschaft/Exegese (AT/NT), Kirchengeschichte, Praktische Theologie und Systematische Theologie durchgesetzt.

Systematische Theologie ist ganz allgemein die wissenschaftliche Disziplin, die die Besonderheit des christlichen Glaubens im Zusammengang und in Abgrenzung von anderen „Glaubensweisen“ herausarbeitet.

Systematische Theologie umfasst die drei Bereiche:

−  Apologetik/Fundamentaltheologie* (Reflexion der Situation/des Kontextes/Wahrheitsbewusstseins),

−  Dogmatik (Reflexion der Lehre)11 und

−  Ethik (Reflexion des Handelns).

 

* In der katholischen Theologie hat sich der Begriff „Fundamentaltheologie“ durchgesetzt, dieser Bereich beschreibt nicht das Gliederungsprinzip der Systematischen Theologie sondern Aufgaben, die auch innerhalb der dogmatischen und auch ethischen Reflexion aufgegriffen werden. In der Apologetik (bzw. Fundamentaltheologie) geht es um die Reflexion des christlichen Glaubens und seiner Lehre im Kontext des allgemeinen Wahrheitsbewusstseins der konkreten Zeit. Das impliziert auch die Rechenschaft über die Wahrheit christlichen Glaubens im Kontext anderer Weltanschauungen.12

Aufgabe

Arbeiten Sie aus den folgenden Definitionen von Dogmatik bzw. Systematischer Theologie Unterschiede und Gemeinsamkeiten heraus:

Korsch: Die Dogmatik hat die Funktion, die Identität des Christlichen im Blick auf innerchristliche Verständigung und im Blick auf „außen“ zu bestimmen und zu erläutern. Ihre Aufgabe ist es, die Lebens- und Weltdeutung sowie die Lebensdienlichkeit des christlichen Glaubens auf die Gegenwart bezogen in Anknüpfung und Abgrenzung zu anderen Religionen/Weltanschauungen aufzuzeigen (vgl. Korsch 2000, 2ff).

 

Schneider-Flume: „Dogmatik hat zu bedenken, wie unter der Vielzahl der Geltungsansprüche von Theorien und Behauptungen in der postmodernen pluralistischen Gesellschaft die Geschichte Gottes als Wahrheit zur Sprache gebracht werden kann“ (Schneider-Flume 2004, 13).

 

Barth: „Dogmatik ist die Wissenschaft, in der sich die Kirche entsprechend dem jeweiligen Stand ihrer Erkenntnis über den Inhalt ihrer Verkündigung kritisch, d.h. am Maßstab der hl. Schrift und nach Anleitung ihrer Bekenntnisse Rechenschaft gibt“ (Barth 1947, 9).

 

Härle: Er nennt als Intention seiner Darstellung von Dogmatik, dazu anzuleiten, vor dem Hintergrund der pluralen Situation über den eigenen Glauben gedanklich Rechenschaft zu geben, gegenüber anderen Auffassungen gesprächsfähig zu werden und in kritischer Anknüpfung einen eigenen Weg der Urteilsbildung zu finden (vgl. Härle 42012, XXI).

 

Fischer: „Systematische Theologie ist diejenige Gestalt von Theologie, die auf dem Boden des biblischen Zeugnisses und im Horizont der (kirchen-) geschichtlichen Tradition als Funktion der Kirche den auf Offenbarung beruhenden Glauben nach seinen zentralen Inhalten (Dogmatik) und nach seiner praktischen Handlungsorientierung (Ethik) auf wissenschaftliche Weise, d.h. methodisch, begründet und kritisch, und systematisch, also als klares und gegliedertes Ganzes, denkend entfaltet, auf die jeweilige Situation bezieht und so die christliche Wahrheit als eine gegenwärtige verantwortet“ (Hermann Fischer 2002, 305).

 

Danz: „Die theologische Dogmatik hat die Aufgabe, den christlichen Glauben als das Geschehen des Sich-Verstehens des Menschen in seiner Endlichkeit und Geschichtlichkeit darzustellen und in seinen einzelnen Aufbauelementen zu explizieren“ (Danz 2010, 31).

 

* Vollständige Literaturangaben: siehe Literaturliste am Ende des Bandes.

I.5.       Die „Systematik“ der Dogmatik

In der Dogmatik geht es um die denkende Verantwortung des Glaubens in der Gegenwart und den Versuch einer systematischen Darstellung der Glaubensinhalte als Ganzes.13

Ein Blick in die Geschichte14 zeigt, dass sich in der Darstellung der Dogmatik ein bestimmter Aufbau herausgebildet hat, der mit Variationen und unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen immer wiederkehrt:

−  Vorbemerkungen (Prolegomena)

−  Lehre von Gott, Schöpfung, Vorsehung

−  Anthropologie (Wie es um den Menschen bestellt ist bzw. der Mensch im Widerspruch zu seiner Bestimmung?)

−  Christologie (Person und Werk des Christus)

−  Soteriologie (Wie der Mensch sein Heil erlangt?)

−  Ekklesiologie (Was ist die Kirche: Verwaltung von Wort und Sakrament.)

−  Eschatologie (Was können wir hoffen?)

Dieser Aufriss folgt mit Variationen dem sogenannten heilsgeschichtlichen Schema. In diesem wird die Bedeutung des heilsamen Handelns Gottes in geschichtlicher Folge von der Schöpfung bis zur Endzeit erschlossen.

Eine andere Darstellung wählte z.B. Wilfried Joest. Er orientiert sich an GottinChristus als „Erkenntnisweg“15 und folgt der Entwicklung der christlichen Lehre, die in ihrem Ursprung als Christologie entfaltet wurde.

Ähnlich schlägt FriederikeNüssel vor, die dogmatischen Darstellungen heute von der Christologie her zu entwerfen, weil etwa im Unterschied zu der Situation zur Zeit Schleiermachers christliche Glaubensinhalte weitgehend nicht mehr bekannt sind. Von der Christologie her wäre dann die Gotteslehre und Bedeutung von beiden für Selbstverständnis und Lebensführung des Menschen zu entfalten.16

Jürgen Moltmann entwirft Dogmatik ganz unter dem Aspekt der Eschatologie als „Theologie der Hoffnung “.17

Einige spezifische Darstellungsformen von Dogmatik bzw. Systematischer Theologie werden in Teil IV., insbesondere an den Beispielen Schleiermacher, Barth und Tillich beschrieben.

Friederike Nüssel stellt im Blick auf gegenwärtige Dogmatik folgende Grundfragen, die durch neuzeitliche Problemstellungen bedingt sind:

•  Muss sich Dogmatik auf Grundsätze der Kirche oder auf gelebte Frömmigkeit beziehen?

•  Wie kann Dogmatik gelebte Religion wahrnehmen?18

Es sei nochmals betont, dass Selbstaufklärung über Wesen und Inhalt des christlichen Glaubens und Auskunftsfähigkeit in Glaubensfragen zugleich zentrale Bildungsthemen sind.

Erforderlich sind dazu:

•  Grundwissen über die der Dogmatik zugrundeliegenden biblischen Überlieferungen,

•  Orientierung über wesentliche dogmatische Strukturen/Themen,

•  Übersetzungsfähigkeit zwischen Alltagsvorstellungen und dogmatischen Aussagen.

Schneider-Flume formuliert die Aufgabe wie folgt:

„In der dogmatischen Arbeit muss es darum gehen, verfestigte Großbegriffe zu ‚zerbrechen‘, um die Wahrheit und den Sinn, den sie überliefern, neu zur Sprache zu bringen.“19

Für eine religionspädagogisch relevante Dogmatik ist es notwendig, die Lehre so zu entfalten, dass sie im Blick auf gegenwärtige Verstehens- und Verständnisbedingungen angeeignet werden kann.

I.6.       Systematische Theologie als Wissenschaft

(Geschichte, Erkenntnisinteresse, Quellen und Methoden Systematischer Theologie.)

Systematische Theologie ist ein wissenschaftliches Unternehmen, das eine Vorgeschichte und eine Geschichte hat.

Wissenschaftlichkeit zeichnet sich aus durch Offenlegung von Erkenntnisinteresse, Erkenntnisgegenstand und Methoden, wie Wissen/Erkenntnis gewonnen wird, durch Kategorienbildung, die Unterscheidung(en) ermöglicht, sowie durch Nachvollziehbarkeit bzw. Plausibilität der Argumentation und durch eine dem Gegenstand angemessene Sprache. Ein wesentlicher Motor wissenschaftlichen Denkens ist der Zweifel.

Das hier vorgetragen Verständnis von Wissenschaftlichkeit ist eine normative Setzung, die nicht unumstritten ist. Wissenschaftstheoretische Auseinandersetzungen werden (auch in der Theologie) kontrovers geführt.20

Dogmatische Konzepte in der protestantischen Theologie unterscheiden sich durch unterschiedliche Ansätze (a) und unterschiedliche Bezüge (b) auf die Bibel.

a) Folgende Ansätze haben sich in den letzten Jahrhunderten herausgebildet:

−  Es gilt, die in der biblischen Überlieferung bekundete Selbstmitteilung Gottes (Offenbarung) zu erschließen. Bestreitung der Möglichkeit philosophischer Erkenntnis über das Heil (Beispiel: Karl Barths Dogmatik → IV.1.4).

−  Es gilt, die gelebte Frömmigkeit des christlichen Glaubens zu strukturieren und wissenschaftlich zu erschließen (Beispiel: Schleiermachers Glaubenslehre → IV.1.3).

−  Es gilt, die Selbstmitteilung Gottes in Bezug (in Korrelation) zur gegenwärtigen Situation/zum gegenwärtigen Wahrheitsbewusstsein zu erschließen (Beispiel: Paul Tillichs Systematische Theologie → IV.1.5).

b) Der biblische Kanon ist „Entdeckungspotential“ (Quelle) systematischer Sätze.

Das Entdeckungspotential der Dogmatik ist der biblische Kanon. Der Rückbezug auf den biblischen Kanon ist für (protestantische) Theologie grundlegend.

Da bekanntlich auch der Teufel die Bibel zitiert (Mt 4,6) und zwischen den biblischen Texten Differenzen bestehen, ist ein kritischer Umgang mit der Bibel unhintergehbar.

Ein Rückblick auf die Dogmengeschichte zeigt, dass unterschiedliche Wahrnehmungsperspektiven bzw. „Hermeneutische Schlüssel“ zu unterschiedlichen Lehraussagen führen.

Die ersten großen Auseinandersetzungen entzündeten sich an unterschiedlichen Deutungen der Person des Christus und ihrer Teilhabe an Göttlichkeit und/bzw. Menschlichkeit.

Es ist zu beachten, dass alle geschichtlichen Ausdrucksformen des christlichen Glaubens die Bibel immer unter ausgewählten Perspektiven wahrnehmen, die sich im Laufe der Geschichte unterscheiden und ändern.

Die Entstehung der Vielzahl von christlichen Denominationen und Konfessionen hat hierin ihren Grund. In den reformatorischen Kirchen wurde die durch das Werk Christi bewirkte Rechtfertigung des Sünders zu dem „hermeneutischen Schlüssel“ des Verständnisses der Bibel. Luther fasste das in dem oft missverstandenen Kriterium zusammen: „Was Christum treibet“21.

I.7.       Zugänge zur Systematischen Theologie durch Kunstwerke

Bildhafte Darstellungen sind fester Bestandteil religiöser Weltdeutungen. Das Verhältnis von Religion und Kunst ist in den monotheistischen Religionen nicht ohne Spannungen.

In der christlichen Tradition waren die ersten Jahrhunderte in den Spuren des biblischen Bilderverbotes durch die Ablehnung des heidnischen Bildkultes geprägt.

Da das Bild bzw. die Statue als sinnliche Präsenz der unsichtbaren Gottheit verstanden wurde, geht die Entmachtung mit dem Sturz des Götterbildes einher.

Im 4. Jh., in Folge der sogenannten Konstantinischen Wende werden trotz bleibender Kritik Christus und Märtyrer bildlich dargestellt (s.a. III. 2.3.).

Die anhaltenden Auseinandersetzungen um den Bilderkult kumulierten im sogenannten byzantinischen Bilderstreit im 8. Jh. in Bilderverbot und Bilderzerstörung.

In Anlehnung an Kol 1,15, wo Christus als Bildnis des unsichtbaren Gottes bezeichnet wird, entwickelte sich auf der Basis der Inkarnationslehre in der Ostkirche die Ikonentheologie.

Grundlage war das neuplatonische Verständnis vom Zusammenhang und Unterschied von Urbild und Abbild. Durch das Abbild hindurch erreicht die Verehrung das Urbild.

Abgesehen von wenigen Berührungen folgte die Westkirche dieser Entwicklung nicht. Hier blieb das religiöse Bild weitgehend auf Erbauung und Belehrung beschränkt.

In reformierter Tradition hat sich im Anschluss an Zwingli weitgehend eine generelle Ablehnung von Bildern durchgesetzt, obwohl Calvin lediglich einschränkende Weisungen machte: „Weil Skulptur und Malerei […] Gaben Gottes [sind], verlange ich nur einen reinen und berechtigen Gebrauch beider […]“.23 In der Folgezeit wurde die Bedeutung von Kunstwerken besonders in ihren katechetischen Möglichkeiten gesehen.

Im Katholizismus gab das Tridentinum als Konzil der Gegenreformation (1545-1563) deutliche Signale für eine kunstfreundliche Entwicklung. Es erklärte die Bilder von Christus und den Heiligen für verehrungswürdig und öffnete der sakralen Kunst des Barock, die das 17. Jh. bestimmen sollte, weit die Tore.

Wenn der Kunst die Fähigkeit zur Manifestation des Transzendenten zugeschrieben wird, wird sie zum Verbündeten oder Konkurrenten des Religiösen.

„Kunstgibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar“, kommentierte 1920 Paul Klee (1879-1940) in seiner „Schöpferischen Konfession“ die Intention seines Kunstschaffens.24

Damit wird dem Kunstwerk eine unvergleichliche Ermöglichung der Welterschließung zugeschrieben. Noch pointierter bringt das der Kunsthistoriker Gottfried Boehm zum Ausdruck, der 1994 den iconic turn ausrief. Bilder, so lautet seine These „entfalten eine eigene Wirkmacht, die sich der Sprache zu entziehen scheint“.25

Eine produktive Synthese im Blick auf die Bedeutung von Bildern im Kontext des christlichen Glaubens zeigt Wilhelm Gräb auf:

„Der christliche Glaube braucht Bilder – innere Bilder und äußere Bilder. Er hängt zwar am Wort. Aber das ist kein Widerspruch gegen die Angewiesenheit auf Bilder. Auch der am Wort hängende Glaube lebt und leibt in Bildern, den inneren Bildern, die zugleich immer schon mitgeformt sind durch die äußeren Bilder, die an uns herankommen. Der Glaube lebt damit auch durch die Bilder der Kunst. Die Kunst hat mit ihren Bildern an der Symbolwelt des Christentums seit jeher gearbeitet […]. Anders als in Bildern gewinnt der Glaube keine Auffassung von dem, worauf er sich richtet. Aber er weiß auch, wenn er echter Glaube ist, also Vertrauen auf Gott, den kein Auge gesehen hat, dass die Bilder bloße Bilder sind.“26

In diesem Arbeitsbuch wird angeregt, Bilder in Analogie zu Texten mit spezifischen Methoden zu erschließen.27

Literatur

−  Johannsen, Friedrich: Du sollst dir kein Bildnis machen…, in: Ders.: Religion im Bild, (Fs Liselotte Corbach), Göttingen 1981, 13-31.

−  Lange, Günter: Bilder zum Glauben. Christliche Kunst sehen und verstehen, München 2002.

−  Schoberth, Wolfgang: Art. Kunst und Religion. IV. Christliche Theologie, 1. Fundamentaltheologisch, in: RGG4 Bd. 4, Sp. 1885f.

−  Schwebel, Horst: Die Kunst und das Christentum, Geschichte eines Konflikts, München 2002.

−  Stock, Alex: Keine Kunst. Aspekte der Bildtheologie, Paderborn 1996.

−  Sundermeier, Theo: Christliche Kunst – Weltweit. Eine Einführung, Frankfurt a. M. 2007.

−  Wichelhaus, Manfred/Stock, Alex: Bildtheologie und Bilddidaktik. Studien zur religiösen Bilderwelt, Düsseldorf 1981.

−  Wipfler, Esther: Theologie und Kunstgeschichte. Zum Beitrag der Protestanten, in: EvTh 69. Jg. (2009), 46-58.

1     WA TR I, NR. 352.

2     Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften, Reinbek bei Hamburg 42010, 329.

3     Huizing, Klaas: Handfestes Christentum. Eine kleine Kunstgeschichte christlicher Gesten, Gütersloh 2007, 11.

4     Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns, 349.

5     Das spezifische Bildungsverständnis des christlichen Glaubens wird in IV.7. dargestellt.

6     Falls nicht anders vermerkt, wird die Bibel zitiert nach der Lutherübersetzung (Revision 1984).

7     Vgl. Busch, Eberhard: Credo. Das Apostolische Glaubensbekenntnis, Göttingen 2003, 73.

8     Vgl. Habermas, Jürgen: Glaube und Wissen, Frankfurt a. M. 2001.

9     Dahlfert, Ingolf: Von der Mythenkritik zur Entmythologisierung. Eine Erinnerung an unverzichtbare Aufgaben der Theologie, in: Hörner, Volker/Leiner, Martin (Hg.): Die Wirklichkeit des Mythos. Eine theologische Spurensuche, Gütersloh 1998, 70.

10   Luther WA 40/II, 328.

11   Schleiermacher verwendete den Begriff „Glaubenslehre“ und wollte damit der Tatsache Rechnung tragen, dass nicht Gott, sondern nur der Glaube an ihn Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion sein kann. In jüngeren Veröffentlichungen wird (wieder) überwiegend der Begriff „Dogmatik“ verwendet.

12   Vgl. Petzoldt, Matthias: Fundamentaltheologie. 2. Ev. Tradition, in RGG4 Bd. 3, Sp. 429f

13   Vgl. Zehner; Joachim: Arbeitsbuch Systematische Theologie, Gütersloh 1998, 14.

14   Zur Geschichte der Systembildung s. II.7.

15   Vgl. Joest, Wilfried: Dogmatik. Bd. 1. Die Wirklichkeit Gottes, Göttingen 31989, 108.

16   Nüssel, Friederike: Das traditionelle heilsgeschichtliche Schema der Dogmatik – Leitfaden oder Fessel, in: Deuser, Hermann/Korsch, Dietrich (Hg.): Systematische Theologie heute. Zur Selbstverständigung einer Disziplin, Gütersloh 2004, 41-59, 58.

17   Moltmann, Jürgen: Theologie der Hoffnung, München 1963.

18   Vgl. ebd.

19   Schneider-Flume, Gunda: Grundkurs Dogmatik, Göttingen 2004, 25.

20   Einen Überblick über diese Kontroversen gibt Härle, Wilfried: Dogmatik, Berlin/New York, 42012.

21   Aus Luthers Vorrede auf die Epistel S. Jacobi 1522, in: WA. Deutsche Bibel 7, 385,26.

22   Wipfler, Esther: Theologie und Kunstgeschichte. Zum Beitrag der Protestanten, in: EvTh 69. (Jg. 2009), 46-58, 46.

23   Calvin: zit. nach Wipfler, a.a.O., 46.

24   Klee, Paul: „Über die moderne Kunst“. In: Ders., Kunst-Lehre. Aufsätze, Vorträge, Rezensionen und Beiträge zur bildnerischen Formlehre, Leipzig 1995, 84.

25   Vgl. Bachmann-Medick, Doris: Cultural Turns, 329f.

26   Gräb, Wilhelm: Ästhetik, in: Gräb, Wilhelm/Weyel, Birgit (Hg.): Handbuch Praktische Theologie, Gütersloh 2007, 737-747 (743).

27   Beispiel in Anlehnung an Alex Stocks „Strukturale Bildanalyse“ in III.6.2.

II.          Vorklärungen

II.1.      Studium der Systematischen Theologie im Kontext des Lehramtsstudiums

1. Warum (und in welcher Gestalt) ist Systematische Theologie für Lehrende wichtig?

Drei Antworten von Systematischen Theologen, die nach der Relevanz ihrer Disziplin für die Religionspädagogik befragt wurden:

Nach Christine Axt-Piscalar entfaltet Systematische Theologie das Spezifische der christlichen Religion im Zusammenhang von Gottesverhältnis (des Einzelnen), Selbstwahrnehmung und Weltverhältnis. (97) Betont wird, dass Religion in ihrer Besonderheit (nicht als Ethik, Denken und Handeln) zur Geltung kommt als „Gegengift gegen die Verzweckung des Individuums“ durch „Unterbrechung des alles beherrschenden Zweckrationalismus des gesellschaftlichenLebens“. (101)28

Wolfgang Schoberth sieht die Aufgabe der Systematischen Theologie in der „Selbstreflexion der Praxis desGlaubens“ und kritisiert ihre Perversion zu einem sich selbstumkreisenden Denk- und Satzsystem. (145) Ebenso kritisiert er eine Reduktion auf Grundwissen und plädiert für eine „offene, methodisch angeleitete Auseinandersetzung um den Wahrheitsanspruch des Glaubens. (147)“ Ziel des Studiums sei die Fähigkeit zum selbstständigen Urteilen. Lernwege zu diesem Ziel werden erschlossen, indem „die Themen der Systematischen Theologie als Reflexion […] einfacher Fragen des Glaubens erkennbar werden.“29 (148)

Nach DietrichKorsch ist Dogmatik (Ordnung von) Lebensdeutung auf der Basis von Religion30. Dogmatik habe die Funktion, die Identität des Christlichen im Blick auf innerchristliche Verständigung und im Blick auf „außen“ zu bestimmen und zu erläutern. Da Verständnis und Verständigung immer nur in einem sprachlich erschlossenen Denk- und Verstehenshorizont möglich sind, ist theologische Reflexion immer auf eine konkrete geschichtliche Situation bezogen. D.h., es ist gleichermaßen für biblische Texte wie für das Glaubensbekenntnis Auslegungskompetenz gefordert, die im Sinne wechselseitiger Erschließung von Vergangenheits- und Gegenwartsdeutung erfolgen muss.

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