Arelion - Der Schmerz der Nacht (Band 2) - A. Kissen - E-Book

Arelion - Der Schmerz der Nacht (Band 2) E-Book

A. Kissen

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Beschreibung

Hinweis: Das ist Band 2 der Arelion Reihe und benötigt die Informationen und Hintergründe von Band 1. Warnung: Es ist ein sehr emotionaler Band und heißt nicht ohne Grund "Der Schmerz der Nacht".

„Die Göttin muss doch echt verrückt sein!"
Ein Krieg steht vor den Toren der dunklen Welt. Die Prinzessin des Lichts wurde erweckt, doch der Fürst der Dunkelheit ging verloren. Aber ohne ihn kann sich die Prophezeiung nicht erfüllen.

Die Prinzessin hat nur drei Monate, um sich des Schwarzen Ordens zu entledigen. Schafft sie es nicht, wird die Göttin selbst das Arelion freisetzen und die dunkle Welt vernichten. Gleichzeitig verfestigen sich die Gerüchte um einen neuen Ordenskrieger, der die Klans der Allianz nacheinander ausrottet.

Begleite die Prinzessin in ihrer Entwicklung zu einer wahren Herrscherin eines Blutvolkes. Jede Entscheidung die sie trifft, hat nun unausweichliche Konsequenzen für die dunkle Welt – denn Schmerz und Tod verfolgen sie auf Schritt und Tritt.

Arelion Reihe:
Arelion - Das Licht der Schatten (Band 1)
Arelion - Der Schmerz der Nacht (Band 2)
Arelion - Die Erlösung der Dunkelheit (Band 3)
Arelion - Das Erwachen (Band 4)
Weitere Bände werden derzeit umgesetzt.

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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A. Kissen

ARELION

Der Schmerz der Nacht

Band 2

Inhaltsverzeichnis

Copyright

Der Fluss des Lebens

Prolog - Der Fluss des Lebens

1. Kapitel - Freund oder Feind?

2. Kapitel - Die Gefangene

3. Kapitel - Die Hoffnung

4. Kapitel - Die neue Ordnung

5. Kapitel - Der Schmerz

6. Kapitel - Die Inauguration

7. Kapitel - Wissen ist Macht

8. Kapitel - Der neue Krieger

9. Kapitel - Tod und Leben

10. Kapitel - Die Versuchung

11. Kapitel - Neue Wege

12. Kapitel - Unter den Feinden

Epilog - Das Bildnis der Zukunft

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Copyright

1. Auflage 2018

Copyright © 2018 A. Kissen

A. Kissen

c/o AutorenServices.de

König-Konrad-Str. 22

36039 Fulda

[email protected]

Facebook: AKissen

Instagram: akissenarelion

Covergestaltung: Jaqueline Kropmanns /jaqueline-kropmanns.de

Bildmaterial: depositphotos.com

Lektorat: Annette Scholonek

All rights reserved. No part of this publication may be reproduced, stored in or introduced into a retrieval system, or transmitted in any form or by any means (electronic, mechanical, by photocopying, recording or otherwise) without the prior written permission of the publisher.

»Der Fluss des Lebens vermag

Höhen und Tiefen in sich zu vereinen.

Jedoch ist er geduldig und genügsam, und führt so auf seine eigene, oft überraschende Art und Weise die Glückseligen zusammen.«

© A. Kissen

Prolog

Der Fluss des Lebens

<< Vor 504 Jahren – an einem Ort, den es eigentlich nicht geben dürfte … >>

Das Wasser der Zeit tobte. Schon wieder! Mein Blick lag fest auf dem, was mir der Brunnen offenbaren würde. Ungeduldig drehte ich mit einem Finger dicke Locken in mein langes Haar und wartete.

Bei jedem Aufwallen wogte das Wasser über den Brunnenrand, auf dem ich saß, und dabei wurde meine Robe nass. Noch war das Urteil der irdischen Wesen ungewiss. Erst wenn sich der Brunnen beruhigte, hatten sie ihre Entscheidung getroffen und die veränderte Zukunft wurde im Brunnen sichtbar.

Ein kindlicher Schrei! Mein Herz stockte. Die Stimme meiner Tochter – einer besonderen Tochter – hallte aus der Ferne. Fast schon konnte ich ihre Schmerzen spüren, als wären sie meine eigenen. Tränen der Verzweiflung drückten sich aus meinen Augen. Der Schrei kam vom Rand meines Gartens!

Was ist ihr passiert? In meinem Garten sind meine Kinder geschützt. Werden wir angegriffen? Nein, das ist unmöglich! Die irdischen Wesen können uns hier nicht erreichen!

Mit einer Geschwindigkeit, die nur einer Göttin wie mir zu eigen war, eilte ich zu dem herzzerreißenden Weinen. Das Bedürfnis, meine Tochter zu beschützen, wurde übermächtig und nahm mir den Atem.

Ihr Weinen wurde lauter. Bald war ich bei ihr!

Ich darf sie nicht noch einmal verlieren! Niemals wieder darf so etwas geschehen!

Eine Handvoll meiner anderen Kinder standen beim Eingang des Gartens und blickten auf den Wald hinaus, der den Garten umschloss.

Nein, das darf nicht wahr sein! Meinen Kindern ist es nicht erlaubt, den Garten zu verlassen.

Doch das Weinen meiner Tochter kam von außerhalb.

Hektisch griff ich auf das messingbeschlagene Tor und riss es auf. In meiner Bewegung lag zu viel Kraft, beinahe hätte ich es aus den Angeln gerissen, aber das war in diesem Moment nicht von Bedeutung.

Dann sah ich sie! Ihr Körper lag auf dem Boden und einer meiner Söhne beugte sein blondes Haupt über sie. Ich schlug mir die Hand auf den Mund. Habe ich sie erneut verloren?

Eine geisterhafte Erscheinung festigte sich vor mir und hielt mich davon ab, zu meiner kreischenden Tochter zu gelangen. Beinahe wäre ich in ihn hineingelaufen. Wut brandete wie Säure in mir hoch. Wer wagt es, sich mir in den Weg zu stellen? Mir, einer wahrhaftigen Göttin!

Tiefblaue Augen fixierten mich. Vor mir stand ein kleiner Junge. Dreitausend Jahre alt, gefangen im Wesen und Körper eines Dreijährigen. Seine kleinen Hände hatte er nach oben gehoben. »Mutter Hekate! Bitte beruhigt Euch! Magnus kümmert sich bereits um Elinas Verletzungen«, sagte der Junge, ohne seine Lippen zu bewegen. Er benutzte unsere geistige Verbindung.

Seine Stimme in meinem Kopf ließ mich ruhiger werden. Er hatte Recht. Magnus’ heilendes Licht fuhr bereits über das blutende Beinchen meiner Tochter. Vor den beiden lagen gespaltene Äste. Meine Tochter musste vom Baum gefallen sein!

Sie wimmerte immer noch vor Schmerzen. Wenigstens hatte ihr Weinen aufgehört.

Ein tiefer Atemzug meinerseits folgte. Ja, Magnus würde sie heilen und ihr schlussendlich auch die Schmerzen nehmen.

Mein Blick glitt wieder zu meinem Sohn. Lächelnd streckte ich ihm die Hand entgegen. Alaric wachte immer noch über sie – und das, obwohl ich ihn bereits vor neun Jahren in einem irdischen Körper wiedergebären ließ. Seitdem war seine jetzige Erscheinung mit seinem irdischen Wesen verbunden.

Unsere Hände berührten sich. Fest zog ich ihn in meine Arme und strich gedankenverloren sein rabenschwarzes Haar zurück. Er und seine Schwester Elina waren die erste Generation, die in meinem Garten heranwuchs. Obwohl ich alle meine Kinder liebte, waren die beiden etwas Besonderes für mich. Denn in Gegensatz zu den anderen Kindern bestanden sie nicht einzig aus meiner Lebensenergie. Sie hatten einen irdischen Vater!

Diese Herkunft gab ihnen unbeschreibliche Macht. Und diese Macht würden sie auch nach ihrer irdischen Wiedergeburt im Herzen tragen, obwohl ihre neuen Körper von fremden Eltern gezeugt werden.

Ich blickte zu meiner Tochter.

Der Blondschopf half ihr aufzustehen. Mit seinem Daumen wischte er ihr die letzten Tränen aus dem Gesicht. Magnus lächelte sie an. Jeder konnte sehen, wie sehr er seine Schwester liebte.

Sie umarmte ihn und dann traf uns ihr Blick. Obwohl sie wusste, dass sie meinen Garten nicht verlassen durfte, erhellte sich ihr Gesicht, als sie den Jungen neben mir erblickte.

Ich konnte das Band förmlich durch die Luft schweben sehen, das die beiden verband. Deshalb entließ ich meinen Sohn Alaric aus der Umarmung.

Doch er wandte sich zum Gehen ab.

Ich fasste ihn an der Schulter und hielt ihn auf. »Warum sprichst du nie mit ihr? Sie vermisst dich.«

Er kniff seine Augen zu Schlitzen zusammen. »Mein irdisches Wesen sehnt sich so nach seiner zweiten Hälfte. Selbst mit seinen neun Jahren spürt mein irdisches Ich, dass ihm ein wichtiger Teil seiner selbst fehlt. Ich finde es nicht richtig, das zu genießen, was meinem irdischen Selbst vorenthalten wird.«

»Aber ihr seid doch eines. Dein irdisches Selbst wird ihre Nähe bei dir spüren.«

»Wann werdet Ihr Elina in einem neuen Körper wiedergebären lassen?«, fragte er, ohne auf das vorher Gesprochene einzugehen.

»Die Zeit ist noch nicht reif. Gerade erst wurde Elinas irdische Mutter geboren.«

»Dann werde auch ich so lange warten.« Er schenkte Elina einen kurzen emotionslosen Blick, dann ging er zurück in den Garten, vorbei an den anderen Kindern, die immer noch am Tor standen.

Elina hatte den Kopf gesenkt. Die langen schwarzen Haare waren ihr ins Gesicht gefallen.

Magnus’ Gesicht hatte sich verfinstert. Seine Fäuste waren geballt.

Ich winkte ihn zu mir.

Unverzüglich folgte er meinem Ruf.

»Ehrwürdige Mutter«, sagte er und hob beschwichtigend die Hände. »Bitte bestraft Elina nicht. Es war meine Idee gewesen, außerhalb des Gartens zu spielen und auf dem großen Nussbaum zu klettern. Ich habe zu spät bemerkt, dass uns der Ast nicht beide tragen kann.«

Seufzend schüttelte ich den Kopf, wusste ich doch, dass Magnus niemals eine meiner Regeln verletzen würde. Er wusste, dass diese nur existierten, damit meine Kinder beschützt waren. Und er würde nichts tun, das Elina in Gefahr brachte. Sie musste selbst auf diese Idee gekommen sein …

Meine Tochter stand nun neben ihm und nahm seine Hand. »Magnus, nimm die Schuld nicht auf dich. Mutter erkennt jede Lüge. Sie sieht diese in deinem Herzen.« Ihre Stimme klang immer noch tränenerstickt.

»Ihr beide habt mich sehr enttäuscht«, sagte ich. »Ihr wisst, dass meine Magie euch nur in meinem Garten beschützen kann. Magnus, du wirst dich jetzt von den anderen verabschieden und mich dann beim Brunnen treffen. Deine Wiedergeburt wird heute vollzogen.«

Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Sein Mund öffnete sich.

»Nein!«, jammerte meine Tochter. »Bitte, ehrwürdige Mutter, bestraft nicht ihn, sondern mich! Es war meine Idee gewesen!«

Wehmütig blickte ich in ihre beiden Gesichter. Ihre Verzweiflung, sich Jahre, vielleicht Jahrhunderte nicht zu sehen, schwappte auch zu mir.

»Tochter, die Wiedergeburt ist keine Strafe, sondern die Chance auf eine neue Existenz.«

»Aber warum heute? Und warum Magnus?« Eine ihrer Tränen lief über ihr Gesicht und tropfte auf den Weg.

Ich legte meine Hand auf ihre Schulter. »Elina«, sagte ich sanft. »Wie auch deinem Bruder Alaric eine Aufgabe in die Wiege gelegt worden ist, muss Magnus ebenfalls seinen Teil dazu beitragen. Alaric braucht ihn genauso, wie du ihn brauchst. Auf der Erde ist er alleine, weil er so anders als meine anderen wiedergeborenen Kinder ist, denn nur er ist der Sohn eines Dunklen und von einem Kind des Lichts.«

»Dann geh ich mit ihm!« Trotz entstieg ihrer Stimme.

»Das geht nicht«, sagte ich. »Deine Zeit ist noch nicht gekommen. Außerdem habt ihr euch noch hier oben, in meinem Garten.«

»Ihr meint, wie Alaric?«, fauchte sie. »Er spricht nie mit mir! Er steht immer nur da und starrt vor sich hin.«

Magnus packte Elinas Hand.

Überrascht zuckte sie zusammen.

»Elina, ich werde immer bei dir sein, das verspreche ich dir! Aber Mutter hat Recht. Alaric braucht mich. Ich spüre schon seit längerer Zeit seine Einsamkeit. Er ist ganz alleine. Wir dürfen nicht nur an uns denken!«

Ein Schmunzeln stahl sich in mein Gesicht. Sosehr Magnus Elina auch liebt, Alaric und ihn verbindet immer noch eine tiefe Freundschaft. Doch im Gegensatz zu Elina spricht Alarics Abbild mit Magnus.

»Magnus, ich danke dir für dein Verständnis«, sagte ich. »Aber nun geh dich verabschieden.«

Magnus zwang sich zu einem Lächeln. Obwohl er ebenso im Körper eines Dreijährigen steckte wie Elina, war er um einen ganzen Kopf größer als sie. Er beugte sich zu ihr herunter und küsste sie auf die kindliche Stirn.

»Nein! Bitte verlass mich nicht«, hauchte sie und sah wehmütig dabei zu, wie er sich von ihr entfernte.

Ich gab ihr einige Zeit, in der ich mich fragte, ob ich den richtigen Weg für meine Kinder gewählt hatte. Mein Instinkt riet mir, all meine Kinder in einen schützenden Kokon einzuschließen, doch ein großer Feind bedrohte die Existenz meiner irdischen Kinder. Bereits so viele hatte ich an ihn verloren und damit verschwanden auch ihre Abbilder in meinem Garten.

»Komm. Das Wasser der Zeit im Brunnen brodelt. Es möchte uns ein weiteres Schicksal offenbaren. Wenn du willst, kann es sein Geheimnis auch mit dir teilen.«

Ihr Nicken war nur zaghaft, aber sie kam mit.

Kaum betraten wir meinen Garten, verteilten sich meine anderen Kinder und gingen ihren Spielen nach. Mittels einer einfachen Handbewegung schloss ich das Tor hinter mir und versiegelte es mit einem Bann. Niemand würde mehr ohne meine Erlaubnis herein- oder heraustreten können.

Schon von Weitem konnte ich den Schaum auf dem aufgewühlten Wasser erkennen. Es war gleich so weit. Der Brunnen würde sein Geheimnis offenbaren.

Als wir am Brunnenrand Platz genommen hatten, hörte das Brodeln auf. Nun sah ich ein deutliches Bild. Bei allen heiligen alten Göttern! Ausgerechnet der Lebensfluss meiner kleinen Prinzessin hatte sich geändert!

Auch sie erkannte ihr Schicksal. »Ich werde sterben!«, rief sie entsetzt aus.

Meine Gedanken rasten. Das war keineswegs das, was ich erwartet hatte. Der Brunnen zeigte eine unausweichliche Zukunft. Eine Konstante in der Zeit, die nicht verändert werden konnte. Egal, welche Entscheidungen ich treffen würde, diese Zukunft würde genauso eintreten.

Es dauerte etwas, bis ich realisierte, dass meine Tochter mit mir sprach.

»Mutter! Ich darf nicht wiedergeboren werden, denn ein grausamer Tod wird mich in meinem irdischen Leben treffen! Und das lange bevor ich meine Brüder und Schwestern befreien werde!«

Ich wischte über mein Gesicht, als könnte ich so meine Sorgen vertreiben. »Du weißt, dass der Brunnen Dinge zeigt, die passieren müssen.«

»Ihr werdet mich also diesen grausamen Schicksal überlassen?«, sagte sie mit hauchdünner Stimme.

Mit Schwung erhob ich mich und setzte ein aufmunterndes Lächeln auf. »Dein Tod ist vorhergesagt, doch ich bin nicht ohne Grund die Göttin des Lichts. Mit meiner Magie werde ich dir neues Leben einhauchen. Vertraue mir und meiner Kraft.«

Zweifel stand in ihrem Gesicht.

Von Weitem sah ich Magnus auf uns zukommen. Er war bereit für seine Wiedergeburt. Bereit, Alaric in seinem irdischen Kampf zu unterstützen. Doch nun musste er eine weitere Aufgabe übernehmen. Mit seiner Wiedergeburt würde ich seine bereits vorhandenen Heilkräfte verstärken und das Schicksal meiner Tochter in seine Hände legen.

Und damit auch unser aller Schicksal!

1. Kapitel

Freund oder Feind?

<< September 2010 >>

Schmerz! Ein lauter Schrei! Mein Schrei?

Ich versuchte mich zu bewegen, aber meine Glieder waren steif. Hilfe! Ich war alleine und es tat so weh! Der Schmerz brach über mich herein! Überall auf meinem Körper brannte quälende Hitze! So helft mir!

Jemand rüttelte an mir. »Prinzessin! Bitte wach auf!«

Wie aus den Fängen eines Wolfes riss ich mich los und hob trotz schmerzendem Nacken meinen Kopf. Verwirrt sah ich in Dons besorgte braune Augen.

Don oder Spyridon, wie er in der dunklen Welt genannt wurde, war im letzten Jahr mein bester Freund geworden. Er war einer der wenigen die Verständnis für meine Anfangsschwierigkeiten bei meinen Eintritt in die Welt der Vampire zeigte. Vermutlich deswegen, weil er als einziger mentale Fähigkeiten besaß und unter anderen die Gedanken anderer Wesen lesen konnte.

Immer wenn er sein für ihn typisches donnerndes Lachen losließ, wackelten seine braunen schulterlangen Locken. Es gab niemanden der ihn nicht mochte, stets hatte er einen witzigen Spruch auf Lager. Aber als einer von Alarics Wächtern trug er ebenso Mitverantwortung über den Klan.

»Beruhige dich, es war nur ein Albtraum.« Er hielt mir ein Glas Wasser hin, welches ich dankbar annahm. Ungestüm löschte ich meine vor Trockenheit kratzende Kehle.

Habe ich schon wieder im Schlaf geschrien?

Seit Alarics Entführung gab es keine Nacht, in der ich von Albträumen verschont wurde. Bilder von seiner Folter durchzogen meinen Kopf und immer wieder fühlte ich diese grausamen Schmerzen.

Abermals nahm ich einen kräftigen Schluck und versuchte die Erinnerungen an meinem Albtraum herunterzuspülen.

»Geht’s wieder, Süße?«, fragte Don.

Ich nickte und ließ mich in mein Kissen zurückfallen.

Mitfühlend strich er mir eine Strähne aus dem verschwitzten Gesicht. »Du solltest mein Angebot wirklich annehmen. Wegen deiner Blutsverbindung zu Alaric musst du nicht solche Höllenqualen erleiden.«

Energisch schüttelte ich den Kopf.

»Bitte, Lina, sei doch vernünftig!«

Wie jeden Morgen versuchte Don mich umzustimmen, damit ich seine Hilfe annahm, aber ich wollte sie nicht. Soweit ich seine Erklärung verstanden hatte, würde er mit Hilfe seines eigenen Blutes Alarics und meine Blutsverbindung überlagern wollen – das konnte ich nicht zulassen! Diese Blutsverbindung – dieser Schmerz – ist die einzige Verbindung, die ich zu Alaric noch habe. Alaric versucht zwar stets, die Verbindung zwischen uns zu trennen, aber wenn der Schmerz bei ihm am Größten ist, kann auch ich ihn spüren. So weiß ich wenigstens, dass er noch lebt!

»Du brauchst deinen Schlaf, um zu Kräften zu kommen. Du bist unsere Prinzessin und dein Volk braucht dich! Seit Alarics Entführung versteckst du dich im Obergeschoss.«

Mein Volk kann warten! Wie festgenagelt blieb ich liegen.

»Dann geh zumindest zur Schule«, flehte Don. »Heute beginnt sie wieder. Wenigstens kommst du wieder unter die Leute und ich denke, die Normalität wird dich etwas von deinem Verlust ablenken.« Auf seine Handbewegung hin gingen die Jalousien hoch. Grelles Licht flutete das Zimmer.

Schnell zog ich die Decke über meinen Kopf.

»Hopp hopp! Oder soll ich andere Saiten aufziehen?«

Ich lächelte. Durch Alarics Blut konnte Don mir nichts mehr anhaben. Solange es in meinen Adern floss, waren meine Gedanken geschützt. Auch alle Versuche, mich zu hypnotisieren scheiterten. Zwar war ich immer noch aus Fleisch und Blut und damit verwundbar, aber Alarics Blut beschleunigte meine Heilung – ähnlich wie bei einem Vampir selbst.

Es wurde kalt und hell über mir. Verwundert öffnete ich die Augen. Das gibt es doch nicht!

Don stand auf der anderen Seite des Zimmers und hielt meine Decke in der Hand.

Verdammt! Er beherrscht die Teleportationskräfte seines Vaters immer besser!

Wie bei all den anderen meines Klans hatten sich seine Fähigkeiten seit meiner Erweckung zur Prinzessin des Lichts rasant gesteigert.

»Du spielst unfair!«, maulte ich.

»Soso, wir können das ja gerne bei einem kleinen Kräftemessen besprechen«, sagte er mit einem ironischen Lächeln. Danach ging er zu meinem Kleiderschrank und warf mir wahllos irgendwelche Kleidungsstücke aufs Bett. »Anziehen oder ich zeige dir noch ein paar andere Tricks, die ich nun auf Lager habe!«

Skeptisch blickte ich ihn an.

Er hauchte noch ein »Los, mach schon!« und ließ mich alleine.

Im Schneckentempo tat ich, um was er mich gebeten hatte. Nach einer langen Dusche und einem ausgiebigen Frühstück fragte ich Don, wie jeden Tag, nach den Berichten der Jäger aus. Meine ganze Hoffnung lag in ihnen, sie mussten ihn endlich finden! Doch seit zwei Monaten war mein Geliebter wie vom Erdboden verschwunden.

Immer noch machte ich mir schwere Vorwürfe. Wäre ich vor zwei Monaten nicht aus dem Internat geflüchtet, wäre er niemals in die Hände des Schwarzen Ordens geraten und wäre noch immer bei uns. Hätte ich doch nur etwas mehr Vertrauen in ihn und in seine Liebe zu mir gesetzt, hätte er die Prinzessin in mir bestimmt anders entdeckt.Damals hatte ich nichts verstanden.

Eine warme Hand berührte mich und riss mich aus meinem Selbstmitleid und katapultierte mich in die Gegenwart zurück.

Dons Blick war bohrend. »Also gehst du noch zu Suki?«, fragte er mich. Jetzt erst merkte ich, dass er mit mir gesprochen hatte.

Suki, die sechsjährige Tochter eines niederen Vampirs, hatte heute ihren ersten Schultag. Zu Sukis Mutter CC, die in der menschlichen Welt den Namen Cecilia trug, hatte ich eine freundschaftliche Beziehung. Obwohl CC wie eine Jugendliche aussah, konnte sie durch ihre Blutsverbindung zu ihrem Gefährten Hektor bereits das stolze Alter von fast dreihundertachtzig erreichen. Diese Lebensverlängerung war als menschliche Gefährtin eines Vampirs völlig normal.

Weil ich meine Freundin bei so einem wichtigen Lebensabschnitt, wie dem ersten Schultag ihrer einzigen Tochter, begleiten wollte, wollte ich Suki ein kleines Geschenk überreichen.

Ich beantwortete Dons Frage mit einem Nicken und stand auf.

Da er es mir gleich tat, sagte ich mit einem Lächeln: »Du brauchst mich nicht zu begleiten. Ich gehe nicht davon aus, dass mir von Sukis Familie Gefahr droht.«

Mit zusammengekniffenen Augen sah er mich an. »Nicht von ihnen, aber als Prinzessin bist du mehr denn je in Gefahr. Der Orden wird alles in seiner Macht stehende tun, um dich zu vernichten. Du musst einfach vorsichtig sein!«

Ich lächelte. Alaric hatte mir erzählt, dass Don ihn mit seiner Überfürsorglichkeit beinahe in den Wahnsinn getrieben hatte. Dann griff ich nach seiner Hand und drückte sie fest. »Mit dir an meiner Seite wird mir nichts passieren. Und falls ich dennoch in Gefahr gerate, werde ich mich sofort mental an dich wenden.«

Er schien über meine Antwort zufrieden zu sein, denn nun lächelte er ebenfalls. »In Ordnung, aber du gehst danach sofort ins Schulgebäude und ich werde dich nach deinem Unterricht abholen. Darüber wird nicht diskutiert!«

Ich klopfte ihm mit einem Lächeln auf die Schulter und ging aus dem Speisesaal. Mit dem Aufzug fuhr ich in die zweite untere Ebene, zu den Schlafräumen von Hektors Familie. Wie alle Vampire bewohnten auch diese Familie die unteren Ebenen des märchenschlossartigen Internatsgebäudes.

Das Zuhause der Vampire lag der menschlichen internationalen technischen Lehranstalt gegenüber, nur ein langer Verbindungstunnel verband die beiden Gebäude miteinander. So konnte die dunkle Welt unentdeckt neben die der Menschen existieren. Einzig den menschlichen Gefährten waren der Zutritt und auch der Aufenthalt im Internat erlaubt.

Leise klopfte ich an die Tür. Überrascht öffnete mir ein kleiner brauner Lockenkopf und schaute mich mit ihren großen braunen Augen an.

Im Hintergrund hörte ich Hektor fluchen. »Suki! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du nicht ungefragt die Tür öffnen darfst!« Schnell stand er bei der Tür. »Verzeiht, Prinzessin. Wir haben nicht mit Eurem Erscheinen gerechnet.« Er fiel auf ein Knie und senkte demütig den Kopf.

»Bitte Hektor, steh wieder auf. Ich möchte auch nicht lange stören, sondern Suki nur ein Geschenk zu ihrem ersten Schultag machen.«

Suki starrte mich erfreut an. Ihre hüftlangen braunen Locken bedeckten fasst ihren gesamten Oberkörper. Schon bei ihrem ersten Anblick kam mir der Gedanke, dass sie ein makelloses Wesen war – perfekt, wie alle Vampire.

»Bitte Prinzessin, kommt herein. – Und du, Suki, geh aus dem Weg und mach der Prinzessin Platz!«

»Sie sieht aber gar nicht wie eine Prinzessin aus«, maulte sie. »In meinen Büchern tragen sie rosa Kleider und eine Krone. Die da hat nur Hosen und einen Schlabberpulli an – nicht mal der ist rosa!«

»Suki!«, tadelte Hektor sie.

»Bitte, sei nicht so hart zu ihr. Suki hat Recht. Mein Outfit ist für eine Prinzessin hoffnungslos underdressed.« Ich beugte mich zu ihr herunter und überreichte ihr die Schokolade in einem bunten Geschenkpapier. »Suki, hier für dich, herzlichen Glückwunsch zu deinem ersten Schultag!«

Der Lockenkopf verschränkte ihre Ärmchen vor der Brust. »Ich will kein Geschenk haben, denn ich werde sowieso nicht in die Schule gehen!«

Ein Glucksen entkam mir. »Tja, das kann ich sehr gut verstehen.« Doch dann sah ich Hektors entgeisterten Blick und musste schlucken, hatte ich doch als Prinzessin so eine Art Vorbildfunktion. »T’schuldige«, nuschelte ich in seine Richtung.

Suki schaute mich verwirrt an. »Sowas sagen Prinzessinnen auch nicht.«

»Weißt du, ich bin erst seit Kurzem eine Prinzessin und noch sehr ungeübt. Ich weiß noch nicht, wie ich mich kleiden und verhalten soll. Aber vielleicht zeigst du mir deine Prinzessinnen einmal? Ich kann bestimmt einiges von ihnen lernen.«

Suki entsprang ein Lächeln. Sie nahm meine Hand, um mich in die Räumlichkeiten hineinzuziehen. Hektor zischte, als sich unsere Hände berührten, doch die Kleine ignorierte ihn und zog mich in ihr Zimmer. Dann brabbelte sie sogleich los: »Also, Prinzessinnen haben bauschige Röcke, dazu einen Sternenstab und Lackschuhe. Warte, ich zeige dir ein paar Bilder!«

Während Suki einige Bücher aus ihren Regalen riss, schaute ich mich um. Ihr Zimmer unterschied sich kaum von den Räumen anderer Kinder. Dafür konnte die Kleine trotz ihres Alters sehr gut zeichnen. An den Wänden hingen Bilder, und eines davon gefiel mir besonders gut. In der Mitte saß Suki auf einem Einhorn. Sie hatte jedes Haar der Mähne in einer anderen Farbe gemalt, sodass ein Regenbogen entstand. Selbst trug sie ein langes gelbes Kleid und lachte herzlich.

»Du hast ein schönes Lachen«, sagte ich und zeigte auf das Bild. »Wohin reitest du denn?«

Suki, die gerade durch ein Buch blätterte, sah zu dem Bild, dann strahlte sie wie ein Sonnenschein. Es war eines dieser Kinderlachen, das jedes Herz erweichte. »Ich reite Tutu davon, das ärgert ihn immer total! Weißt du, er behandelt mich immer noch wie ein kleines Kind. Aber ich bin schon groß und kann auf mich alleine aufpassen.«

Ich lachte ebenfalls. »Hey, Suki, du sollst deinem Vater nicht weglaufen!«

Suki sah mich überrascht an. »Ich meine doch nicht Daddy! Sondern Tutu, er ist mein bester Freund!«

Ich erblickte ein weiteres Bild. Darauf hielten sich Suki und dieser braunhaarige Tutu an den Händen. Seine eisblauen fast durchsichtig wirkenden Augen wirkten eisig kalt. Er war auch auf allen anderen Bildern zu sehen. Selbst bei den Familienfotos hatte sie ihren Tutu dazu gemalt. Sein kalt wirkender Blick war stets auf Suki gerichtet. Im Gegensatz zu Suki zierte kein Lächeln das Gesicht des Jungens, der aufgrund seiner Größe etwas älter als sie schien.

»Ist Tutu aus deiner Kindergartengruppe?«

»Mein Geheimnis. Verrate ich nicht!« Sie grinste mich so überlegen an, wie es nur Kinder konnten.

Plötzlich erklang ein Geräusch an der Tür. Ich wandte den Kopf. Sukis Mutter CC stand im Rahmen. Sie kam herein und wuschelte durch Sukis Haare. »Prinzessin, ich hab dich gar nicht hereinkommen gehört. Komm Kleines, mach dich für die Schule fertig.«

»Aber Mama, sie wollte doch meine Prinzessinnen sehen!«

»Zeig sie der Prinzessin ein anderes Mal. Schule geht nun mal vor!« CC scheuchte Suki zum Kleiderschrank und bedeutete mir, in die Küche zu kommen. Gehorsam wie eine Tochter folgte ich ihr, was mir im nächsten Moment nicht standesgemäß vorkam.

»Wer ist dieser Tutu?«, fragte ich auf dem Weg.

»Das ist Sukis Fantasiefreund«, entgegnete CC und seufzte. »Ich weiß, das ist nicht normal, aber Tutu gehört irgendwie zur Familie. Schon als Baby unterhielt sie sich mit ihm und ihr erstes Wort war ›tutu‹. Er ist ihr ein guter Freund und nimmt ihr die Angst.«

»Angst wovor?«

»Vor dem Einschlafen, vor der Dunkelheit, vor Albträumen … was Kinder eben so ängstigt. Auf jeden Fall sind wir Tutu sehr dankbar dafür.« Jetzt fing sie zu lachen an. »Oh, entschuldige, jetzt rede ich auch schon so von ihm, als wäre er real.«

»Mami?«, unterbrach Suki uns. Bereits fertig angezogen stand sie im Türrahmen. »Kann mich die Prinzessin bitte, biiiiittte alleine in die Schule bringen? Ich möchte nicht, dass mich die anderen Vampirkinder für ein Baby halten …«

»Aber Suki! Die Prinzessin hat dafür gar keine Zeit. Sie muss wichtige Aufgaben für unser Volk erfüllen.«

Mein Blick fiel auf die Uhr, der Unterricht an meiner Schule begann in Kürze, doch die Zeit Suki in ihr Klassenzimmer zu bringen würde reichen. Der hauseigene Kindergarten und die Schule waren im Hauptgebäude des Internats untergebracht. »Nein, schon gut«, sagte ich zu CC und richtete den Blick anschließend auf Suki. »Ich hab Zeit, aber wir müssen gleich losgehen.«

»Juhu!« Begeistert nahm Suki meine Hand und zog mich mit einem »Tschüss Mami, bis später!« nach draußen.

»Warum wolltest du nicht, dass deine Mami dich in die Schule bringt?«, fragte ich, als wir beim Aufzug angelangt waren.

»Ach, da ist so ein Junge aus meiner Kindergartengruppe und … na ja, er sagt immer, dass ich noch ein Baby bin. Ich hasse es, wenn er das tut. Am liebsten würde ich ihm meine Kräfte zeigen, aber Tutu sagt immer, dass ich sie nicht einsetzen darf. Er meint, dass mich die Göttin für etwas Besonderes auserkoren hat. Sonst hätte ich ihm schon längst gezeigt, wie erwachsen ich bin – ehrlich!«

Es fiel mir schwer, die Kleine einzuschätzen. Wenn Suki so sprach, kam sie mir eher wie ein Mädchen in meinem Alter vor, als wie eine Sechsjährige. Aber scheinbar waren geborene Vampire ihrer Zeit weit voraus.

Ich wuschelte durch ihr Haar, wie ihre Mutter es zuvor getan hatte.

Sie lächelte mich unvermindert an.

Suki drückte den Aufzugknopf. Er würde uns in das dritte Obergeschoss führen. Suki war wie alle anderen Kinder der dunklen Welt ein geborenes Kind und konnte sich deswegen im Sonnenlicht aufhalten. »Vater liebt dich sehr, weißt du das?«

»Hektor?«, fragte ich verwundert. Unbehagen breitete sich in mir aus. Ich wusste nicht viel von Hektor, nur dass, er einer von Alarics stärksten Jäger gewesen war. Bei unseren wenigen Begegnungen verhielt er sich mir gegenüber sehr distanziert. Aber warum sollte gerade er mich lieben?

»Nein, mein zweiter Daddy! Alaric! Er ist doch mein Vormund!«

»Ach, so meintest du das!«, sagte ich erleichtert.

Nun fing sie laut zu kichern an. »Ich glaube, ich muss dir wirklich noch einiges über unsere Welt beibringen. Doch ich habe viel mit Vater über die Prinzessin gesprochen. Ich kann dir alles beibringen, was ich weiß!«

»Das wäre wirklich lieb von dir«, stimmte ich mit einem Lächeln zu.

»Vater hat mir auch ganz viele lustige Geschichten über dich erzählt und wie viele Sorgen er sich stets um dich gemacht hat.«

Ich lief rot an. »Das hat Alaric dir alles erzählt?«

»Natürlich!«, sagte sie mit einem Stolz in ihrer Stimme, der mir unheimlich war. Und es war mir peinlich. Über wie viele private Dinge hatte er mit ihr gesprochen? Etwa auch über …?

Nein, nicht weiterdenken!

»Wenn man es genau nimmt, bist du meine zweite Mama«, erklärte sie. »Zwar seid ihr noch nicht gebunden, aber das kommt noch.«

Ich schluckte. »Du weißt, dass Alaric entführt worden ist?«

»Doch nicht für immer! Vater kommt wieder, wirst schon sehen!«

Die Aufzugstür öffnete sich mit einem »Bling« und sie schritt als erste auf den langen Gang hinaus. Lärmendes Kindergelächter schwappte zu uns, der sich nicht in mindersten von menschlichen Klassenräumen unterschied. Der Ursprung lag am Ende des Ganges. In diesem Stockwerk war ich noch nie gewesen. Einige menschliche Gefährten kamen uns entgegen. Als sie mich erblickten fielen sie mit gesenktem Blick auf ihre Knie. Ihre rechte Faust auf ihre Brust gelegt. Diese Geste war in der dunklen Welt eine Anerkennung meiner neuen Herrschaft, eine Respekthandlung.

Doch ich fühlte mich unwohl. Wer bin ich schon? Vor zwei Monaten war ich noch ein Nichts in der dunklen Welt und nun verpflichten die dunklen Gesetze sie, mich zu respektieren ohne mich wirklich zu kennen.

Wir näherten uns dem Klassenzimmer. Die kraftvolle Stimme eines Jungen erhob sich empor. »Wenn ich es euch doch sage, dieses Baby hat keine Chancen gegen mich!«

Meine Haut fing zu knistern an, kleine Funken bildeten sich darauf – selbst meine Haare stellten sich zu Bergen.

Sukis Gesicht verfinsterte sich und einen Wimpernschlag später stand sie im Türrahmen, aus dem der Lärm gehallt hatte. Um sie herum bildete sich eine machtvolle glitzernde Aura. »Kevin, warum muss du mich ständig provozieren?«

Mittlerweile stand ich hinter Suki und konnte meinen Blick auf den Jungen werfen, der gegen Suki wetteiferte.

Ein blonder junger Mann stand auf dem Lehrertisch. In seiner linken Hand schwebte ein knisternder Ball. Ein freches Grinsen lag auf seinem Gesicht. »Irgendjemand muss dir ja zeigen, wo dein Platz ist!« Fünf junge geborene Vampire standen um den blonden Jungen. Dann holte er aus und ließ den Ball gegen die hintere Wand schmettern. Als er sein Ziel traf sprühten leuchtende Funken durch das Klassenzimmer.

Ich blickte auf das andere Ende des Zimmers. Eine lebensgroße Puppe mit Sukis Gesicht schwebte wie an unsichtbaren Schnüren durch die Luft. Der Puppenkörper war zerfetzt und an den meisten Stellen verkohlt. Nur noch ein dünner Streifen ihrer braunen Locken zierte deren Kopf. Der Geruch nach verbranntem Kunststoff trieb ekelhaft in meine Nase.

Auch in Sukis Hand entstand ein Ball, er war giftgrün.

Anders als der blonde Kevin, wichen die fünf Jungs erschrocken zurück. Gerade als Suki ihren Ball auf Kevin werfen wollte, zerplatzte dieser wie ein Luftballon in der Luft. Mit einem »Nein! Tutu, warum hast du das getan?« drehte sie sich um und lief in Richtung Aufzug zurück.

Kevin prustete los vor Lachen. »Jetzt spricht sie wieder mit ihrem Tutu. Wie peinlich ist das denn?« Bestätigend sah er auf die anderen Jungs, doch diese knieten sich einer nach dem anderen ab. Wie aus einem Mund sagten sie mit kindlicher Ehrfurcht in ihren Stimmen: »Prinzessin, Euer Besuch ist uns eine Ehre.«

Kevins aufgerissene Augen trafen mich. Mit einer ungeschickten Bewegung fiel er vom Lehrertisch und knallte hart auf den Boden.

Das geschieht ihm recht!

Der blonde Bursch rappelte sich schmerzverzerrt auf und kniete sich ebenfalls hin.

Obwohl mir diese ganze Prinzessinnen Sache nicht lag, konnte meine Stellung Sukis Leben deutlich vereinfachen. »Ich dulde es nicht, dass ihr Suki mobbt. Sie steht unter meinem Schutz, wenn ihr sie beleidigt, beleidigt ihr auch mich! Soweit ich das verstanden habe, steht darauf die Todesstrafe. Habt ihr das begriffen?«

Köpfe wurden gehoben und wieder gesenkt.

Ich zeigte auf die Puppe. »Und nun entfernt das!«, zischte ich.

Einer der Jungs vor mir bewegte seine Hand in der Luft und wie aus Zauberhand verschwand die Puppe.

Ohne mich zu verabschieden drehte ich mich um und ging auf Suki zu, die neben dem Aufzug am Boden saß und ihren Kopf zwischen ihre Ärmchen versteckte.

Ich hockte mich vor sie hin.

In ihre Arme wisperte sie: »Warum verhindert Tutu, dass ich mich wehre? Warum lässt er zu, dass sie sich über mich lustig machen?«

Ein kalter Windhauch brachte mich zum Frösteln.

Sie hob ihren Kopf sah aber neben mich. »Warum tust du das?« Eine Träne stahl sich aus ihrem Auge.

Verwundert starrte ich neben mich. »Ist dein Tutu jetzt hier?«

Sie nickte schwach, ohne den Blick von ihrem unsichtbaren Freund zu nehmen. Ihr Kopf legte sich schief, als würde sie einem Gespräch lauschen.

Sukis unsichtbarer Freund ist für sie mehr als bloße Einbildung. Steht sie vielleicht mit jemand in einer Blutsverbindung, so wie ich jahrelang mit Maldrik, den Anführer des Schwarzen Ordens, eine hatte? Siebzehn Jahre hatte mich dieser Dämon begleitet und mich dazu gebracht, mich immer wieder selbst zu verletzen. Doch anders als mein Dämon schien Tutu sie zu beschützen. Aber warum weiß niemand davon?

Einige Wimpernschläge später kniff sie ihre Augen zusammen. »Du hast wie immer recht«, hauchte sie und machte Anstalten aufzustehen.

Ich reichte ihr meine Hand, zart griff sie danach und ich zog sie auf ihre Beine. Ihre Aufmerksamkeit gehörte nun wieder mir. »Was hat dein Tutu zu dir gesagt?«

»Dass Kevin eifersüchtig auf mich ist, weil Vater Alaric mein Vormund ist. Außerdem warnte er mich ein weiteres Mal davor meine Kräfte einzusetzen. Meine Probleme könnte ich so sowieso nicht lösen.«

»Das stimmt, Gewalt löst nur mehr Gewalt aus. Ein sehr guter Freund von mir sagte mal: Lass sie reden, nächste Woche zerreißen sie sich über jemand anderen das Maul. Bleib einfach du selbst und verändere dich nicht, nur damit die anderen dich akzeptieren.«

Sie nahm meine beiden Hände und nickte mir zuversichtlich zu. »Danke, Prinzessin. Ich werde versuchen, für dich stark zu sein!« Damit drehte Suki sich um und stolzierte mit erhobenem Haupt zurück in die Klasse.

Da ich mich ebenfalls sputen musste, beeilte ich mich um zu dem langen oberirdischen Verbindungstunnel zu gelangen, der die dunkle und die menschliche Welt verband. Mit großen Schritten hechtete ich durch den verglasten Tunnel, die Bilder des Parks zogen an mir vorbei. Der Park umschloss gleichermaßen das Internat und das Schulgebäude.

Eine plötzliche Unruhe brachte mich dazu kurz vor dem Durchgang zur Schule stehen zu bleiben und meine Nase gegen die Glasscheibe zu drücken.

Erschrocken starrte ich auf ein Wesen, das neben dem prachtvollen Brunnen stand – ein Vampir! Und das am helllichten Tag!

Ich rang nach Luft. Das konnte nur ein Geborener sein, denn an seinem Hals befanden sich prachtvoll geschwungene Zeichen. Doch etwas stimmte nicht!

Anders als die leuchtenden Runen der dunklen Welt, waren seine starr und pechschwarz. Noch nie hatte ich schwarze Runen gesehen. Was ist er?

Nach einigem Zögern ging ich in den Park hinaus. Vorsichtig, damit dieses Wesen mich nicht entdeckte, pirschte ich mich an ihn heran, um seine Zeichen genauer zu studieren. Wie bei jedem anderen Vampir kennzeichnete ein einziges unverkennbares Zeichen auf dem Hals seine Ursprungslinie.

Wer ist sein Schöpfer? Seine Zeichen waren so anders als die der Vampire die ich kenne und schlimmer noch! Das unverkennbare Zeichen ist nicht zu erkennen!

Ein Ast brach bei meinen nicht als Spionin geeigneten Anpirschversuch. Verdammt!

Da blickte der andere auf und nickte mir freundlich zu.

Wer oder was ist er?

Innerlich verwirrt, aber äußerlich unbeirrt ging ich weiter.

Inzwischen blickte der andere sich anerkennend um, als wäre ich die Erbauerin des Gebäudekomplexes, den der Park umgab. »Prinzessin Elina, schön, Euch zu sehen. Der Fürst hat für die dunklen Wesen ein sehr schönes Zuhause geschaffen. Der Park ist wirklich wundervoll geworden«, lobte dieser mit einer alten, weisen Stimme, die so gar nicht zu seinem jugendlichen Gesicht passte.

»Woher kennt Ihr mich und wer seid Ihr?«

»Mir war klar, dass die Dunklen Euch diesen Teil Eurer Vergangenheit vorenthalten haben. Wir sind verbunden und ich gehöre wie Ihr zu den Kindern des Lichts!«

»Ihr seid ein Hexenmeister?«

»Sagte ich das nicht bereits?«, neckte er mich und reichte mir die Hand.

Zwiegespalten gab ich ihm meine. Irgendetwas an ihm zog mich magisch an.

Er lächelte, als sich unsere Hände berührten. Doch statt die Hand zu schütteln, zog er mich näher an sich heran und umfasste meine Hand auch mit seiner zweiten. »Ihr habt lange auf Euch warten lassen. Man sagte uns, Eure Erweckung etwas früher voraus. Aber Seher sind und waren nie besonders zuverlässig. Andererseits, wer kann schon mehr als fünfhundert Jahre in die Zukunft blicken? Jedenfalls ähnelt Ihr äußerlich mehr unserer wahrhaftigen Urmutter als Eurer irdischen Mutter Elsbeth. In Eurer Aura spüre ich Eure wahre Macht.«

»Ihr kennt meine Mutter?«

»Jeder in der Welt des Lichts kannte sie. Sie war diejenige, die mit Eurer Betreuung und Einweisung in die Welt des Lichtes betraut wurde. Leider hat sie sich von uns abgewandt, um diesen Menschen zu ehelichen. Eine törichte Entscheidung der Göttin, ausgerechnet ihr so viel Verantwortung zu übertragen. Elsbeth konnte ihre Aufgabe nie erfüllen, doch sei es so. Das Schicksal hat einen anderen Weg gefunden Euch zu erwecken. Mich interessiert, wie werdet Ihr Euch entscheiden?«

»Was meint Ihr?«

»Werdet Ihr die Welt von diesen mordlüsternen Ungeziefern befreien?«

Wie eine Schockwelle durchfuhr diese Frage meinen Kopf. Verdutzt starrte ich ihn an.

Möchte er wirklich, dass ich alle Vampire auf der Welt töte? Das kann und will ich nicht! Sie sind zu einem Teil von mir geworden. Sie sind meine Familie.

»Wie ich erkenne, hat Euch die Brut bereits vollends eingenommen. Ich persönlich würde eher elendig sterben, als einem dunklen Wesen zu vertrauen. Lasst mich Euch ein Geschenk überreichen. Die Göttin hat mich auserkoren und die Zeit ist endlich gekommen.«

Was nun geschah, passierte zu schnell! Viel zu schnell!

Blitzschnell legte er mir seine Finger auf den Mund und sagte: »Stille.«

Durch seine rasche Bewegung kippte ich erschrocken nach hinten, aber er stützte mich und legte mich sanft auf den Boden neben dem Brunnen. Dann folgte ein weiteres Wort: »Ruhe.«

Ich wollte schreien, dachte auch, dass ich es tat, vernahm jedoch keinen Laut – auch konnte ich mich nicht mehr bewegen. Vor Angst verkrampfte sich mein Innerstes und ich hatte Schwierigkeiten zu atmen.

Mit einem Lächeln im Gesicht fing der Hexenmeister an, beschwörende Worte zu murmeln. Aus einigen Runen auf seiner Haut kam Licht heraus. Sie bewegten sich, fügten sich neu zusammen und bildeten neue Runen. Zuletzt sammelten sie sich an seinen Händen. Diese wurden strahlend hell und blendeten mich.

Und dann fuhr er mir mit einer Hand aus Licht schmerzvoll in den Bauch. Innerlich schrie ich. Was immer er tat, es fühlte sich an, als wühlte er sich durch meine Eingeweide. Jäh fiel mir Don ein, ich öffnete einen mentalen Kanal zu ihm und schrie laut um Hilfe. Doch ich spürte keinen anderen Geist.

Wie kann dieser Hexenmeister so mächtig sein und selbst meine Verbindung zu Don unterbrechen?

Bevor ich Antworten auf meine Fragen finden konnte, wurde ich ohnmächtig.

»Wo bin ich?« Schwerfällig öffnete ich die Augen und wunderte mich über den Klang meiner Stimme. Sie war belegt, als hätte ich mich heiser geschrien.

»Wir sind in der Krankenstation. Bist du wieder in Ordnung?« Dons fürsorgliche Stimme ließ mich zu ihm blicken.

Doch die Bilder meines Angriffs lagen wie Schwefel in meinem Kopf. Der Hexenmeister! Panisch riss ich das Shirt nach oben und untersuchte meinen Bauch nach Verletzungen – ich fand keine. Mein Bauch sah wie immer aus.

Don nahm besorgt meine Hand. »Was hast du?«

»Im Park war ein Hexenmeister! Er hat irgendetwas mit mir getan! Es tat so weh und ich konnte weder schreien noch mich bewegen. Ich konnte nicht einmal nach dir rufen! Was hat er mit mir gemacht? Don!«

»Jetzt beruhige dich. Bist du sicher, dass dort jemand war? Wir haben dich nur bewusstlos im Park gefunden.«

»Don, er war da! Er wollte wissen, ob ich vorhabe, alle Vampire auszulöschen. Und als ich nicht zustimmte, da hat er … etwas mit meinem Bauch gemacht!«

Don drehte sich skeptisch zur Tür. Magnus und Agon standen dort.

Agon setzte einen empörten Blick auf. »Nein, Don, ich habe keinen Angriff vorausgesehen! Glaubst du wirklich, ich würde das Leben der Prinzessin riskieren? Ich habe erst jetzt gerade davon erfahren – so wie du!« Er wandte sich ab. »Ich werde mir das mal etwas genauer ansehen.« Damit verließ Agon den Raum.

Wiederum blickte Magnus zwischen Don und der Tür hin und her, ehe er sich der Tür zuneigte. »Ich gehe besser mit Agon. Vielleicht kann ich helfen.«

Als Don und ich alleine waren, setzte Don sich zu mir aufs Bett. »Darf ich mich in deine Erinnerungen einklinken?«

Ich nickte und schloss die Augen.

Don räusperte sich. »Das geht leider nicht mehr so leicht. Durch Alarics Blut bist du geschützt. Ich bräuchte eine andere Art von Erlaubnis – in Form von Blut.« Er ging zu einem Medizinschrank und holte ein steriles Skalpell heraus.

Erschrocken blickte ich ihn an, während er das Messer auspackte.

»Keine Angst. Ein kleiner Schnitt wird bereits reichen. Gib mir deine linke Hand. Vertrau mir einfach.«

Zögerlich folgte ich seiner Anweisung.

»Bereit?«, fragte er sanft.

Als ich nickte, schnitt er zuerst in seine Handfläche. Er tauchte den Finger in das hervorquellende Blut und zeichnete damit eine blutige Rune in meine Hand. Dann rückte er noch näher und forderte mit seinem Blick ein weiteres Mal mein Einverständnis. Erst als ich zustimmte, schnitt er vorsichtig ein Zeichen in meine Handfläche. Das Skalpell kratzte, dann brannte meine Haut leicht. Die Rune bedeutete etwa so viel wie: Geist der Erinnerung, erwache.

Dieselbe Rune schnitt er sich ebenfalls in die Hand, danach reichte er mir seine. Dons Zeichen begannen in schrillen Farben zu leuchten und die linienartigen Runen auf seiner Haut schwirrten wirr herum. Ich schaute zu, wie sie sich an seiner Hand sammelten. Auf einmal kletterten seine Runen über unsere geschlossenen Hände und meinen Körper empor. Ich kippte nach hinten und meine Augen schlossen sich. Dons warme zweite Hand lag auf meiner Schläfe. »Entspann dich. Ich bin bei dir.«

Und wie damals bei Maldrik, meinem persönlichen Dämon und Anführer des Ordens, flogen die Bilder meiner Erinnerungen wie bei einem Schnellzug an mir vorbei. Ab und zu stoppte Don meine Erinnerungen, spulte vor und zurück.

Irgendwann war es still und ein kalter Luftzug brachte Frischluft. Don hatte das Fenster geöffnet. Er saß immer noch neben mir am Bett. Auf dem Tischchen daneben konnte ich eine silberne Schüssel entdecken. In ihr befanden sich blutgetränkte Tücher.

»Ist das alles mein Blut?«, fragte ich erschrocken.

»Keine Angst. Um unsere Verbindung aufrechtzuerhalten, musste ich sehr viel von meinem Blut geben. Deine starke Blutsverbindung mit Alaric beschützt dich und verweigert deinem Körper mein Blut in dich aufzunehmen.«

Beunruhigt musterte ich ihn. »Oh nein! Du musstest eine neue Blutsverbindung schaffen!«

»Du brauchst keine Bedenken zu haben. Schon jetzt wirst du keinen einzigen Tropfen meines Blutes in deinem Kreislauf finden. Alarics Blut hat alles aus deinem Körper gedrängt.« Er zwinkerte mir zuversichtlich zu.

Das beruhigte mich etwas, denn eine Blutsverbindung bedeutete auch, dass Don Macht über mich bekam. »Was hast du gesehen?«, fragte ich ihn schließlich.

»Ich weiß noch nicht, wie ich das Ganze deuten soll. Derjenige, der dich besucht hat, gehört zum Hexenrat. Ein Wesen der alten Zeit. Sehr, sehr mächtig. Vor etwa dreihundert Jahren bin ich ihm das erste Mal begegnet.«

»Du kennst ihn?«

»Ein wenig.«

»Was hat er mit mir gemacht?«

»Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Ich habe nur gesehen, dass er dir eine Form von Energie zugeführt hat. Für welchen Zweck, das ist mir ein Rätsel.«

»Glaubst du, der Hexenmeister will mir etwas Böses antun?«

»Der Hexenrat verfolgt seine eigenen Ziele, die ich nicht kenne. Sicher ist nur, dass du auch ihre Prinzessin bist. Das bedeutet, dass die Hexen sich dir gegenüber loyal verhalten müssen. Deshalb verstehe ich diesen Angriff nicht.«

Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich griff hektisch nach Dons Hand. Noch ehe er mich jedoch etwas fragen konnte, wurde die Tür weit aufgerissen. Sofort kniete er sich ehrfürchtig neben das Krankenbett und senkte demütig den Kopf.

Der mächtige Vampir der nun hereinkam, war Eldrin, Neilas Meister und Entführer. Immer noch sah er wie ein Gelehrter aus dem 16. Jahrhundert aus. Eine nebelartige Dunkelheit umhüllte ihn, die mein Herz vor Angst zusammenzucken ließ. Wellenartig bäumte sich dieser Nebel immer wieder auf, als würde er alles, was sich in seine Nähe wagen würde, verschlingen.

Ich konnte gerade noch sehen, dass seine Wächter vor der Tür Stellung bezogen, bevor der schmächtigste von Eldrins Wächter Jerol hinter seinem Meister die Tür schloss.

Don? Was will Eldrin hier?, fragte ich in Gedanken. Bitte, lass mich nicht mit ihm alleine. Er macht mir Angst!

Eldrin sah zuerst zu Don und dann auf die Schüssel mit den blutgetränkten Tüchern. Eine Falte erschien auf seiner Stirn, die seine sonst so überhebliche Fassade, etwas zu bröckeln brachte.

Ohne den Kopf zu heben, sprach Don: »Herr, was verschafft uns die Ehre Eures Besuches?«

»Meines Besuches, Wächter?«, spottete Eldrin. »Schon gestern habe ich mein Eintreffen angekündigt! Dass ich nicht standesgemäß empfangen wurde, kann ich nur Alarics lascher Führung zuschreiben! Aber was sollte ich erwarten? Seine Führung wird sich auch in seiner Abwesenheit nicht ändern. – Nun gut, zumindest das wird sich bald ändern! Ich wünsche zu erfahren, wie so ein Angriff ausgerechnet im Kreis des Triton passieren konnte? Der Kreis, der unsere werte Prinzessin schützen soll!«

Don senkte seinen Kopf noch tiefer. »Herr, bitte entschuldigt. Wir sind gerade dabei, das herauszufinden.«

»Das sehe ich! Und zu welchem Ergebnis seid Ihr gekommen?«

»Ich denke, es wäre besser, Lina … ich meine, die Prinzessin, ruhen zu lassen und sich an einem anderen Ort zu besprechen.«

Stirnrunzelnd sah Eldrin ihn an, stimmte dann aber mit einem Kopfnicken zu. Beide machten sich auf, das Zimmer zu verlassen.

Don? Kommst du bitte so schnell wie möglich wieder zurück?

Er drehte sich zu mir und nickte mir leicht zu.

Bevor Eldrin die Tür erreichte, wurde sie von dem schwächlich wirkenden Wächter Jerol geöffnet. Mit beherrschter Stimme sagte Eldrin: »Jerol, du und Wladim, ihr bewacht die Prinzessin!«

»Natürlich, Meister«, hallte es im Einklang, danach wurde es still im Raum. Nun war ich mit meinen Gedanken alleine, die jetzt umso schneller kreisten. Warum hat mich der Hexenmeister angegriffen? Was hat er mit mir gemacht? Ist er Freund oder Feind? Und was, bei der ehrwürdigen Göttin, will dieses Scheusal Eldrin hier?

Ich musste wohl eingeschlafen sein, denn ein Trommeln gegen eine Schrankwand weckte mich. Suki saß auf einem Schrank und ihre Beine schlugen rhythmisch gegen die Schubladen. Sie biss auf ihren Fingernägeln herum.

Als die Kleine merkte, dass ich aufgewacht war, senkte sie schnell die Hand und lächelte mir zu. »Hab ich dich aufgeweckt? Mama, was machst du im Krankenzimmer? Bist du krank?«

Mama?Hilfe, so weit hatte ich noch gar nicht gedacht. Wenn sie Alaric als Vater ansah, war ich ihre … Bevor ich antworten konnte, entkam mir ein lautes Gähnen. Ich nickte einmal, während ich mich aufsetzte. »Alles in Ordnung. Nichts, worüber du dir Sorgen machen musst. Aber was machst du hier? Solltest du nicht in der Schule sein?«

Suki hob gequält die Achseln, dann zog sie eine Schnute. »Dieser doofe Lehrer hat mich nach Hause geschickt. Und da ich noch nicht heimwollte, habe ich dich gesucht.«

»Willst du mir erzählen, was in der Schule los war? Gab es wieder Probleme mit Kevin?«

Wieder nahm sie einen Finger in den Mund, fing an, auf einem Nagel herumzukauen, und schüttelte schlussendlich den Kopf. »Nein, Kevin und die anderen Jungs ignorieren mich. Es scheint so, als hätten sie jetzt Angst vor mir.«

Also hat meine Drohung doch gewirkt! Suki scheint aber dennoch noch etwas zu bedrücken. »Was ist dann passiert?«

Sie seufzte. »Wir sollten heute unsere Magie in einer Übung testen.«

»Und?«

»Tutu fand die Übung doof und zeigte mir stattdessen, wie ich eine Illusion erzeugen könnte. Eines meiner Bilder an der Klassenzimmerwand erwachte zum Leben. Das Einhorn galoppierte durch die Luft. Du hättest es sehen müssen!« Ein Kichern erklomm aus ihrem Mund, doch dann wurde sie traurig. »Der Lehrer versuchte mich zu zwingen die Illusion aufzuheben.« Wieder begann sie bekümmert an ihren Nägeln zu kauen.

Fragend sah ich sie an und wartete darauf, dass sie weiter erzählte.

»Tutu fand es nicht richtig, wie der Lehrer mich behandelte. Er hätte mich auch wirklich nicht anschreien dürfen! Das Einhorn verwandelte sich in ein Wesen, dass direkt aus der Hölle gekommen war und hat den Lehrer angegriffen.«

»Ach oje! Das hätte Tutu wirklich nicht tun dürfen!«

»Mama, Tutu beschützt mich nur. Ich konnte die Illusion noch rechtzeitig stoppen, bevor es meinen Lehrer verletzt hat.«

»Das ist gut. Das hat deinem Lehrer bestimmt einen großen Schrecken eingejagt. Du musst dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert.«

»Ich habe bereits mit Tutu gesprochen, auch ihm tut es leid. Er wird sich zukünftig aus meinem Unterricht heraushalten.«

»Das ist bestimmt das Beste«, bestätigte ich.

Suki sah immer noch so durcheinander aus. »In Ordnung. Gibt es noch etwas anderes über was du mit mir sprechen möchtest?«

Suki schätzte mich mit ihren großen braunen Augen ab und fragte schließlich: »Mama, darf ich dich etwas fragen?«

Da sie mir auf dem Tresen so verloren vorkam, klopfte ich ein paarmal neben mir aufs Bett. »Gerne. Alles, was du willst. Du kannst auch ruhig hier sitzen.«

Sogleich folgte sie meiner Geste und kuschelte sich fest an meine Brust. Etwas überrascht über ihre unerwartete Vertrautheit, wurde ich kurz steif, aber schnell verflog dieses Gefühl und ich legte meine Hand beschützend auf ihre Schulter.

»Doch du darfst mit niemandem darüber sprechen«, flüsterte sie zaghaft.

»Ich verspreche es dir«, wisperte ich. »Also, um was geht es?«

Ein tiefes Ausatmen ihrerseits folgte. »Woher wusstest du, dass mein Vater Alaric der richtige Gefährte ist? Ich meine, woran merkt man das denn?«

Der Göttin sei Dank, konnte Suki meine geröteten Wangen nicht sehen. Die Kleine war gerade mal sechs Jahre alt und machte sich bereits über so etwas Gedanken?

»Hmm, gute Frage«, nuschelte ich und suchte eine Antwort. »Also, Alaric hat mich von Anfang an in den Bann gezogen. Wir sind durch ein unsichtbares Band miteinander verbunden. Ich glaube, das Schicksal hat uns zusammengebracht.«

»Deshalb wusstest du, dass er der Richtige ist?«

»Nun ja, ich würde jederzeit alles für ihn geben, sogar mein Leben. Hauptsache, er ist glücklich. Aber worum geht es bei dir? Auch um einen Jungen?«

An meine Brust gekuschelt nickte sie.

»Wie ist dieser Junge zu dir? Kenn ich ihn?«

Sie hob den Kopf und sah mir in die Augen. Ich entdeckte die gleichen roten Bäckchen, die ihre Mutter CC hatte, wenn sie von Hektor sprach.

»Er ist immer für mich da«, sagte sie. »Und wenn er mal nicht bei mir ist, muss ich die ganze Zeit an ihn denken. Aber ich glaube, ich bin nicht gut genug für ihn, denn er hat weder Vater noch dich um ein Bündnis für uns beide gefragt.«

Peinlich berührt sah ich sie an. »Meinst du nicht, dass du etwas zu schnell unterwegs bist? Ich meine, du bist noch ein Kind …«

Wütend kniff sie die Augen zusammen, fuhr mit dem Kopf zurück und machte Anstalten aufzustehen. »Wieso denkt ihr alle, dass ich noch zu klein bin!«

Schnell nahm ich ihre Hand. »Warte!«

Suki erstarrte in ihrer Haltung.

»Weißt du, warum die Göttin mir und Alaric so schwere Steine in den Weg gelegt hat? Warum wir lange Zeit gedacht haben, dass wir nicht zusammen sein dürfen? Warum denkst du, hat sie uns nicht einfach einander vorgestellt und dem Schicksal seinen Lauf gelassen?«

Suki hob die Schultern.

»Weil unsere Liebe dadurch stärker geworden ist. Die ganzen Komplikationen haben uns noch enger aneinanderrücken lassen. Erst dadurch haben wir gelernt, was wahre Liebe bedeutet.« Ich wartete auf ihre Reaktion, doch sie stand noch immer starr da, als hätte man die Zeit angehalten. »Suki? Verstehst du, was ich dir damit sagen möchte? Lass dir Zeit mit deiner Liebe. Lass sie reifen und stärker werden. Du bist noch so jung und du hast noch so viel Zeit. Vertraue auf dein Schicksal. Es wird dich weisen!«

Suki schaute auf einen fernen Punkt, doch nach einer Zeit nickte sie. »Vielleicht hast du Recht und ich sollte wirklich noch warten. Mein Vater hat in dir eine weise Gefährtin gefunden.«

»Ähm, weise? Ich bin selbst noch ein Schulmäd…«

Prompt küsste sie mich auf die Wange. »Wirklich, du hast mir sehr geholfen. Aber ich werde nun nach Hause gehen. Daddy sucht mich bereits und ich fühle seine Sorgen um mich.«

Ehe ich etwas sagen konnte, materialisierte sie sich vor meinen Augen. Ich blinzelte einige Male, starrte auf die leere Stelle – und sogleich kam Don herein, als hätte ich ihn gerufen.

»Ausgeschlafen, Süße?« Er hob eine Hand und berührte leicht meine Wange. Dann setzte er sich neben mich. »Alles gut bei dir? Du siehst etwas verunsichert aus.«

»Ja, alles in Ordnung. Mach dir bitte keine Sorgen.« Wieso kann sich Suki wie Alaric auflösen? Hat das etwas mit seiner Vormundschaft zu tun?

Don erhob sich und brachte mir von dem Schrank, neben der Tür, ein Tablett mit Essen. Nach einem galanten Schwung stellte er es vor mich hin. »Ich werde mir immer Sorgen um dich machen, aber um mir etwas Kummer zu ersparen, könntest du etwas essen.«

Seltsam, obwohl mein Magen laut auf das Essen reagierte, wurde mir allein von dem Anblick des Kartoffelpürees übel. Die grünen Erbsen teilten das leicht angebratene Putenfleisch vom Püree. Ich schob das Tablett weg. »Ich weiß nicht Don. Ich kann jetzt nicht essen.«

Don hob die Glasglocke von dem Teller. »Du musst. Du hast seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Machen wir einen Deal. Auf jede Frage wirst du einen Bissen essen. Wir wollen den Koch, der sich sichtlich Mühe gegeben hat, doch nicht enttäuschen, oder?«

Ich verdrehte schmunzelnd die Augen. »Don, das ist Erpressung! Außerdem könnte ich dir als Prinzessin befehlen, den Koch zu enttäuschen.«

»Ja, könntest du. Tust du aber nicht.« Mit einem fetten Grinsen setzte Don sich auf die Bettseite und schob das Tablett wieder näher an mich heran. Anschließend nahm er etwas Kartoffelpüree auf den Löffel und hielt ihn mir wie eine Waffe unter die Nase. »Also, stell deine Fragen.«

Jetzt strahlte ich ihn herausfordernd an. »Was habt ihr über den Hexenmeister herausgefunden? Warum war er da und was hat er mit mir gemacht?«

Für einen Lidschlag wurde Dons Gesichtsausdruck hart, dann stellte sich wieder sein typisches Lächeln ein. »Das waren jetzt drei Fragen, also Mund auf!«

»Moment mal! Wo sind meine Antworten?«

»Ich habe nichts von Antworten gesagt, aber ich versichere dir, wenn du deinen Teil einhältst …«

Mist! Er hat mich ausgetrickst!

Resignierend öffnete ich den Mund und schluckte den kalten Brei herunter. Er steckte noch mitten im Hals, da wurde mir schon der zweite Bissen hineingeschoben und beim dritten wurde das Magenknurren unüberhörbar.

»Siehst du? Dein Magen brauchte dringend etwas zu essen!« Don senkte die Waffe und schaute erschöpft an die Decke. »Nun, was wir herausgefunden haben, ist nicht viel, aber es ist ein Anfang. Melchior heißt der Hexenmeister, dem du begegnet bist. Er versteht sich ebenso auf Gedankenmanipulation wie wir Vampire. Und auch er richtet sich nach einem Ehrenkodex und würde dich niemals hintergehen.«

Während er das erzählte, schob er mir einen Bissen nach dem anderen hinein. Mit vollem Mund fragte ich: »Und was hat er mit mir angestellt?«

»Da sind wir uns nicht sicher. Agon sieht deine Zukunft nicht, da sie von der Göttin eingeleitet worden ist. Die Göttin hat da klare Regeln. Ihre Priorität gilt zuallererst dem Überleben ihrer Hexenkinder.«

»Was denkst du, was der Hexenmeister getan hat?«

»Soweit ich es mitbekommen habe, hat er dir eine Energie zugeführt und sprach von einem Geschenk. Ich denke nicht, dass er dir schaden will. Sicher bin ich mir natürlich nicht.«

»Und warum ist Eldrin hier?«, fragte ich und wieder musste ich einen Bissen hinunterschlucken. »Wann immer er in meiner Nähe ist, fühle ich mich unwohl. Außerdem kann ich nicht garantieren, dass meine Drita-Kraft ihn nicht vernichtet. Immerhin ist Eldrin schuld, dass Neila so leiden musste.«

Dons Blick verfinsterte sich. Deutlich konnte ich sehen, dass er mir etwas vorenthalten wollte.

»Was verheimlichst du mir?«, bohrte ich nach und versuchte ihn so streng anzusehen, wie es sich für eine Prinzessin gebührte.

»Na ja, es ist so, dass … ach, verdammt! Eldrin hat sich gerade zu deinem Hüter ernannt und der Kreis des Triton hat dem zugestimmt!«

Mir fiel die Kinnlade herunter. »Ihr habt was!«

»Es ist nur zu deinem Besten.«

»Spinnt ihr? Damit darf Eldrin die Führung meines Klans übernehmen! Wie konntet ihr mir so etwas antun!«

»Prinzessin, es ist wirklich gut gemeint. Eldrin hat sich bereits nach Zions Tod um den Klan gekümmert. Das Volk vertraut ihm. Wenn du so weit bist, dann …«

Jetzt wurde mir richtig übel.

Don bemerkte es, stoppte das Füttern und hielt mir blitzschnell eine Brechschale unter. In ekligen Klößen fand das Gegessene den Weg zurück nach draußen. Ich spuckte, was mein Magen hergab. Erst als wirklich nichts mehr hinauswollte, reinigte Don meinen Mund und legte mir ein feuchtes Tuch auf die Stirn.

»Geht’s wieder?«, fragte er.

Ich nickte wie hypnotisiert, zu mehr war ich nicht fähig. Erschöpft rutschte ich am Kissen nach unten.

»Ich werde dein Essen mal entfernen und nachher nochmals nach dir sehen. In Ordnung?« Er beugte sich vor und küsste mich auf die nasse Stirn.

Eine gewaltige Hitze durchfuhr mich. Ich bäumte mich auf. Don wollte zurückweichen, aber meine Hände fuhren nach vorne und krallten sich tief in seine Schultern. Wunden entstanden. Aus ihnen floss Blut.

Hilfe, was tue ich hier?

Ehe ich ihn freigeben konnte, öffnete sich mein Mund wie von selbst. Mit einer tiefen, beschwörenden Stimme, die mir Angst einflößte, brüllte ich: »Stirb, du Verräter! Das Arelion soll dir und deinen Zöglingen einen schmerzhaften Tod bescheren! Niemand soll es wagen, mir Leid anzutun!«

Don riss seine Augen auf und versuchte sich mit den Händen aus meiner Umklammerung zu befreien. Doch es war zu spät. Explosionsartig durchflutete ihn ein blutrotes Licht, das aus meiner Körpermitte kam. Was dieses Licht auch bedeutete, es kostete mich eine enorme Kraft. Die Welt um mich begann zu verschwimmen, ich verlor die Kontrolle und dann wurde ich ohnmächtig.

Als ich wieder erwachte, umgab mich das totale Chaos. Ich setzte mich auf. Es stank heftig nach verbranntem Fleisch. Panisch blickte ich mich um. Das Tablett mit dem Essen lag auf dem Boden. Sogar der Metallwagen mit den vielen Schubladen war umgestoßen worden. Verbandsmaterial, Desinfektionsmittel, Stäbchen, verpackte Spritzen und andere medizinische Materialien lagen auf dem Boden verstreut.

Wo ist er? Was habe ich getan?

Ich öffnete einen mentalen Kanal und rief nach Don, aber er gab keine Antwort. Wackelig stemmte ich mich auf die Beine und riss die Tür des Krankenzimmers auf.

Eldrins Wächter Jerol schaute mich alarmiert an. Er griff zu seiner Waffe, einem breiten Messer, und Wladim, der andere Wächter, tat es ihm gleich.

»Habt ihr Don gesehen?«

Während Wladim vor mir stehen blieb, schaute Jerol über meinen Kopf hinweg wie jemand, der Gefahr witterte. Mit ernster Miene blickte er ins verwüstete Zimmer.

Ich habe ihn doch nicht getötet? Don, bitte antworte mir! Bitte!

Jemand öffnete einen mentalen Kanal zu mir.

Don! Gott sei Dank, du bist am Leben!

»Nein, hier ist Agon«, zischte dieser per Gedanken. »Nun sag, was ist mit Spyridon?«

Ich hatte nicht gewusst, dass Agon auch über Gedanken kommunizieren konnte, aber das war im Moment unwichtig. Vermutlich waren seine Kräfte seit meiner Erweckung ebenfalls gewachsen. Schnell erzählte ich ihm, was geschehen war.

Jerol und Wladim warfen einander Blicke zu.

Ich wusste nicht, ob sie in Gedanken kommunizierten, doch nun drehte sich Jerol ohne Vorwarnung um und lief den Tunnel entlang.

»Prinzessin, bleib, wo du bist!«, knurrte Agon in meinen Gedanken. »Magnus und ich sind gleich da!«

Einige Sekunden später kamen beide ins Krankenzimmer. Sie waren so schnell, wie es nur Vampiren möglich war.

»Puh, was ist denn hier passiert?« Magnus wischte sich mit der Hand über das Gesicht, als könnte er das Chaos nicht glauben.

Mich hingegen ängstigte mehr, was ich nicht sah. Wohin ich auch blickte, nirgendwo lag mein bester Freund.

Ist er tot? Hab ich Don umgebracht? Agon, jetzt sag es mir doch! Bitte sag mir, dass er noch lebt!

Magnus starrte verdattert zu Agon. Kurz darauf hob er beide Arme und fluchte: »Erzähl mir nicht, dass du diesen Gedankenlesekram ebenfalls beherrschst! Noch einer, der mir damit auf den Sack geht!«

Agon erwiderte nichts.

»Los Prinzesschen, raus mit der Sprache!«, forderte Magnus jetzt von mir, »Wen hast du auf dem Gewissen?«

Ehe ich ein Geständnis ablegen konnte, schloss Agon die Augen und atmete sogleich erleichtert aus. »Der Göttin sei Dank! Er lebt! Zwar sind seine Lebenszeichen sehr schwach, aber er lebt!«

»HALLO? WER?«, fragte Magnus verärgert.

»Spyridon! Lina hat ihre Kraft, ihr Arelion, auf ihn losgelassen! Spyridon ist schwer verletzt. Ich muss sofort zu ihm!«

Entsetzt starrte ich Agon an. »Ich habe was?«

»Na, deine Kraft! Die Kraft die dich als Prinzessin auszeichnet! Was glaubst du sonst, hat der Hexenmeister mit dir getan? Er hat dir dein Arelion geschenkt! Und bei der ersten Gelegenheit lässt du sie ausgerechnet auf Spyridon los!«, fuhr er mich an. Er hechtete in meine Richtung, doch Magnus stellte sich zwischen uns.