Argula von Grumbach - Peter Matheson - E-Book

Argula von Grumbach E-Book

Peter Matheson

4,8

Beschreibung

Argula von Grumbach, née von Stauff, was Europe's first woman reformer. Like other members of her aristocratic family she was drawn at an early stage into the evangelical movement. Her outrage at the persecution of a young student by the Ingolstadt theologians led her to challenge them to a disputation. The pamphlet embodying this unprecedented intervention went into 16 editions and was followed by seven other pamphlets. She was personally known to Luther, and actively engaged in the Reichstag of Augsburg (1530). She created a network of supporters and founded Lutheran congregations in Franconia. This, the first scholarly biography of this theologically and socially fascinating woman, is based on previously unknown sources.

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Peter Matheson

Argula von Grumbach

Eine Biographie

Vandenhoeck & Ruprecht

Überarbeitete und erweiterte Übersetzung von „Argula von Grumbach (1492–1554/7). A Woman before Her Time.“ Cascade Books, 2013. Mit freundlicher Genehmigung von Wipf & Stock, Eugene, OR, USA.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-647-99500-7 (EPUB) Weitere Ausgaben und Online-Angebote sind erhältlich unter: www.v-r.de

© 2014, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Göttingen/Vandenhoeck & Ruprecht LLC, Bristol, CT, U.S.A.www.v-r.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Satz: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt

Vorwort

Wie kommt ein Neuseeländer dazu, über eine bayerische Reformatorin zu schreiben? Zufall oder Fügung des Schicksals? Vor einigen Jahren suchte ich in meiner neuseeländischen Bibliothek nach einer Schrift von Luthers radikalem Kollegen Andreas Karlstadt, als ich auf ein aufregendes Gedicht mit diesen Zeilen stieß: „Will ich es gar nit underlassen / Zureden im hauß und auff der strassen.“

Obwohl ich mich schon lange mit Reformationsgeschichte beschäftigt hatte, war mir die Autorin mit dem ungewöhnlichen Namen Argula von Grumbach damals unbekannt. Es stellte sich heraus, dass sie in den frühen 1520er Jahren eine führende Gestalt war, als die Wellen reformatorischer Agitation Bayern erfassten. Ihre Energie, Sprachgewalt und Zivilcourage faszinierten mich, denn mit ihren Schriften überwand sie Hürden, die Frauen jahrhundertelang abgehalten hatten, über Religion, Politik und Erziehung zu reden.

Die stürmischen Jahre der frühen Reformation hatten ihr ein „window of opportunity“ geboten. In dieser Phase konnte sie ihre Stimme erheben, und ihre Überzeugungen veröffentlichen. Ihr Beispiel, das dauerhafte Folgen haben sollte, zeigt, wie viel eine einzelne Person erreichen kann. Die Bedeutung ihres Beitrags zu Kirche und Gesellschaft wird in der letzten Zeit immer deutlicher erkannt.

Forschung ist hauptsächlich Fleißarbeit, aber am allerletzten Tag eines Studienaufenthalts in München, der alten, eleganten Hauptstadt Bayerns, hatte ich erstaunliches Glück. Im Katalog der Staatsbibliothek fand ich einen Hinweis auf eine Sammlung von Dokumenten. Als ich den Codex in Händen hielt, fand ich zu meinem Erstaunen die der Forschung bisher unbekannten handschriftlichen Kopien der ersten zwei Schriften Argula von Grumbachs.

Und noch ein Glücksfall darf erwähnt werden: Viele wertvolle Bücher und Dokumente sind während des Zweiten Weltkrieges verloren gegangen; auch das Exemplar von Luthers bet buchlin (1522), das er eigenhändig „der edlen frawen Hargula von Stauffen tzu Grumpach“ gewidmet hatte, sollte ein „Kriegsverlust“ sein; „auf Hoffnung da nichts zu hoffen war“, wanderte ich in Berlin von Bibliothek zu Bibliothek, bis ich schließlich in einem veralteten Kartenkatalog einen Hinweis fand. Ohne große Erwartungen füllte ich den Bestellschein der Kunstabteilung der Berliner Staatsbibliothek aus. Am nächsten Tag wartete auf mich ein kleines Büchlein im Oktav-Format. Bald hielt ich das Büchlein in den Händen – wie vor fünfhundert Jahren Argula von Grumbach!

Argula von Grumbach kam aus dem bayerischen Hochadel. Diese Ehefrau, Mutter von vier Kindern und eine demütige Christin, fand sich getrungen, sich gegen die Universität, die Kirche, den bayerischen Herzog und sogar gegen ihren eigenen Mann zu stellen. Ihr Schreiben und Handeln inspirierten viele; viele fanden sie aber unsinnig, lächerlich und unverschämt.

Verglichen mit den meisten Frauen ihrer Zeit ist ihr Leben erstaunlich gut dokumentiert, nur stellt die Asymmetrie der Überlieferung ein großes Problem dar. Ihre „innere Welt“ ist für die frühen Jahre gut nachvollziehbar; wie sie später über Religion und Frömmigkeit dachte, ist weniger bekannt. Wir erfahren dafür mehr über ihr tägliches Leben. Ihre Welt war viel härter als die unsere, ohne Anästhesie und Antibiotika.

Diese bayerische Aristokratin kann uns verwirren, befremden, vielleicht auch beängstigen. Aber ihre Integrität, ihr Mut, ihre Vorstellungskraft und Zähigkeit sprechen uns immer noch an, während ihr Widerstand gegen kulturelle und gesellschaftliche Zwänge uns bisweilen den Atem nimmt.

Sie war ein Kind ihrer Zeit, geprägt von den ritterlichen Werten ihrer Familie, von der religiösen Polemik und den gesellschaftlichen Konflikten der frühen Reformation. Sie lebte im 16. Jahrhundert, sah aber die hebräischen Propheten und die neutestamentlichen Apostel als Zeitgenossen an. Bei ihnen fühlte sie sich zu Hause und verband ihre „gefährlichen Erinnerungen“ mit einem visionären Vertrauen auf eine bessere Zukunft für Kirche und Gesellschaft. Ihr Plädoyer für Toleranz und Dialog nimmt viel von dem vorweg, was für uns heute selbstverständlich ist. Fünfhundert Jahre liegen zwischen ihr und uns, doch spricht sie oft unsere Sprache.1

Eine Biographie dreht sich um eine Person, wird aber nie von einer einzigen Person verfasst. Ein Heer von Bibliothekar(inn)en und Archivar(inn)en hat dieses Buch ermöglicht, von der Otago Universität in Neuseeland zu der British Library in London und natürlich Bibliotheken kreuz und quer in Deutschland und in der Schweiz, vor allem die Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, die Staatsarchive in Würzburg und Amberg, die Bayerische Staatsbibliothek und das Bayerische Hauptstaatsarchiv München, mit besonderem Dank an Dr. Hörner, sowie die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Berlin. Prof. Denis Janz und Prof. Elsie McKee haben freundlicherweise eine Fassung des englischen Textes durchgelesen. Prof. Franz Fuchs, Würzburg, und Dr. Uwe Tresp, Berlin, waren äußerst hilfreich. Den Lokalhistorikern in Dietfurt und Zeilitzheim, Franz Kerschensteiner und Hilmar Spiegel, und auch Prof. Jürgen Hoffmann, dessen Ortskenntnisse unübertroffen sind, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Elisabeth Spitzenberger, die Heimatpflegerin von Beratzhausen, hat nicht nur die deutsche Fassung des Buches gründlich durchgearbeitet und erheblich verbessert, sondern zahllose neue Einsichten beigetragen und mich auf neue Quellen hingewiesen. In weiten Strecken ist sie die Mitverfasserin dieses Buches. Meiner Partnerin Heinke Sommer-Matheson sage ich herzlichsten Dank für Unterstützung und Nachsicht durch so viele Jahre.

1 Die persönlichen Papiere der Familie Grumbach im Bayerischen Hauptstaatsarchiv sind nicht durchgehend nummeriert; wo die Nummer fehlt wird das Datum angegeben. Der Kürze halber wird Argula von Grumbach meistens einfach Argula genannt.

Inhalt

Vorwort

Abkürzungen

Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe

Der Münchener Hof

Argulas Ehe

Politische Spannungen und Hieronymus’ Hinrichtung

Kapitel 2: Haus und Familie

Kapitel 3: Licht und Finsternis

Antiklerikalismus und Apokalyptik

Das Auftreten Luthers

Argula und Luther

Argulas Leben in Dietfurt

Kapitel 4: Zum Widerspruch gezwungen

Die Seehofer-Affäre

Die erste Flugschrift

Wirkung

Kapitel 5: Krisenjahr

Der Brief an Herzog Wilhelm

Die Reaktion

Der Brief an Ingolstadt

Argula und der Reichstag in Nürnberg

Ein aufgebrachter Verwandter

Kapitel 6: Im Kielwasser

Argulas frühe Wirkung

An die von Regenßburg

Zielscheibe des Spottes

Kapitel 7: Verwüstung

Der Bauernkrieg

Verfolgung und Widerstand

Kapitel 8: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung

Argula, Martin Luther und der Augsburger Reichstag

Kapitel 9: Ein mühsamer Kampf

Georg, der älteste Sohn

Hans-Jörg

Apollonia

Die zweite Ehe

Finanzielle Probleme

Gottfried

Kapitel 10: Die letzten Jahre

Bernhardins Tod

Gottfried in Wolgast

Schicksalsschlag

Gerichtsprozesse und Krankheit

Veränderungen in der religiösen Landschaft

Kapitel 11: Schlusswort

Ihre Rolle in Gesellschaft und Politik

Argula und die Heilige Schrift

Argulas Theologie

Tochter, Ehefrau, Mutter, Witwe

Argulas Beitrag

Quellen und Literatur

Quellen

Zeitgenössische Drucke und edierte Quellen

Literatur

Register

Abkürzungen

AHKBAW

Abhandlungen der historischen Classe der Königlich Bayerischen Akademie der Wissenschaften

AHVUFA

Archiv des Historischen Vereins von Unterfranken und Aschaffenburg

AKG

Archiv für Kirchengeschichte Böhmen-Mähren-Schlesien

AMRhKG

Archiv für Mittelrheinische Kirchengeschichte

ARG

Archiv für Reformationsgeschichte

AugUB

Universitätsbibliothek Augsburg

BABKG

Beiträge zur altbayerischen Kirchengeschichte

BayHStA

Bayerisches Haupstaatsarchiv München

BBKG

Beiträge zur Bayerischen Kirchengeschichte

BDLG

Blätter für Deutsche Landesgeschichte

BHSPF

Bulletin de l’Histoire du Protestantisme Française

BZGBR

Beiträge zur Geschichte des Bistums Regensburg

CH

Church History

EKB

Einzelarbeiten aus der Kirchengeschichte Bayerns

EMWJ

Early Modern Women. An Interdisciplinary Journal

GTA

Göttinger Theologische Arbeiten

Köhler

Köhler, Flugschriften des frühen 16. Jahrhunderts

JTS

Journal of Theological Studies

LuthQ

Lutheran Quarterly

Mü SB

Bayerische Staatsbibliothek München

Mü UB

Universitätsbibliothek München

NFur

Neue Furche

ONB

Österreichische Nationalbibliothek

QEBG

Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte

QFRG

Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte

RKG

Reichskammergericht

SCJ

Sixteenth Century Journal

SJT

Scottish Journal of Theology

StAAm

Staatsarchiv Amberg

StAW Stb.

Staatsarchiv Würzburg; Standbücher

SVRG

Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte

VGFG

Verein der Gesellschaft für Fränkische Geschichte

VHVO

Verhandlungen des Historischen Vereins für Oberpfalz und Regensburg

WA, WAB

D. Martin Luthers Werke. Weimarer Edition. 1883 ff. Briefwechsel. 1933 ff.

ZBLG

Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte

ZHF

Zeitschrift für Historische Forschung

Kapitel 1: Kindheit, Jugend, Ehe

Die Furtmeyr-Bibel ist eine Offenbarung. Sie versetzt den Betrachter in eine andere Welt. In leuchtenden Farben – blau, grün, purpur, orange und gold – begegnen uns Personen und Geschichten der hebräischen Bibel, drastisch und naiv wie der spätmittelalterliche Mensch sie sah: Adam und Eva, Noah mit der Arche, den Zug durch das Rote Meer, Moses, wie er mit scheinbar entflammtem Haar vom Berg Sinai herab schreitet, die Heldin Judit, die seelenruhig den Kopf von Holofernes abschlägt, Daniel unversehrt im Feuerofen und Simson, der kampfbereit den Eselskinnbacken schwingt!

Die Auftraggeber dieser prächtigen, 1472 vollendeten Bibelhandschrift waren Hans von Stauff und Margarethe Schenk von Geyern, Argula von Grumbachs Großeltern. Phantasievolle Vögel und Pflanzen mit Beeren und Blüten umranken die Textspalten in gotischer Schrift, betörende Miniaturen illustrieren das Hohelied. Dass die Auftraggeber sich auf einer eigenen Seite dem Betrachter präsentieren, ist ungewöhnlich: Hans in goldener Rüstung mit langem, goldenen Haar und Margarethe in blauem, pelzverbrämten Mantel, auf einer Steinbank sitzend.

Die biblischen Geschichten ereignen sich eindeutig in einer bayerischen Landschaft: Felder, Hügel, Flüsse, mittelalterliche Burgen und Städte, die teilweise von einem übernatürlich wirkenden goldenen Hintergrund beleuchtet werden. Irdisches und Göttliches, Natürliches und Übernatürliches, himmlische Engel und gewöhnliche Menschen sind eng miteinander verbunden. Die Furtmeyr-Bibel führt uns in die Welt spätmittelalterlicher Frömmigkeit; hinein in die Welt, in der Argula von Grumbach, ihre Eltern und Großeltern lebten.1 Dass ihr Großvater, Hans von Stauff, als junger Mann im Frühjahr 1449 von Venedig aus ins Heilige Land aufbrach, die Schauplätze der biblischen Geschichten also mit eigenen Augen gesehen hatte, überrascht nicht. Eine mit vielen Abenteuern verbundene Pilgerreise nach Jerusalem und der Ritterschlag am Heiligen Grab gehörten zum Bildungsprogramm standesbewusster Adeliger. Erst im tiefsten Winter kehrte die kleine Reisegesellschaft, zu der auch der Augsburger Patrizier Jörg Mülich gehörte, wieder zurück. Auch von dieser Welt von aristokratischem Standesbewusstsein, Traditionen, Privilegien, den Vorstellungen von Ehre und Ritterlichkeit war Argulas Leben und Denken geprägt. Sie unterschrieb ihre Briefe ihr Leben lang mit „geborne freyherrin von stauffen“.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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