Armageddon - Eric H. Cline - E-Book

Armageddon E-Book

Eric H. Cline

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Beschreibung

Die Geschichte einer der wichtigsten archäologischen Expeditionen aller Zeiten Lange galt sie als verschollen: Armageddon, die Stadt Salomos aus der Bibel und Ort der endzeitlichen Entscheidungsschlacht in der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament. Heute ist sie unter dem Namen Tel Megiddo eine der berühmtesten historischen Stätten Israels. Gemeinsam mit Hazor und Be'er Scheva wurde sie 2005 als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt. Eric H. Cline erzählt die spannende Grabungsgeschichte einer der bekanntesten Forschungsstätten im Nahen Osten und lässt uns am Leben der Ausgräber teilhaben. - Forschungsgeschichte, packend erzählt: Die Wiederentdeckung des historischen Armageddon - Authentisch und kenntnisreich: Wie forschten Clarence Fisher, P.L.O. Guy und Gordon Loud? - Grabungsleiter, Archäologen und Finanziers: Die Menschen hinter den sensationellen Entdeckungen - Von der Bronzezeit bis zu den Römern: Die Geschichte der »Biblischen Siedlungshügel« - Vom Bestseller-Autor Eric H. Cline (1177 v Chr.: Der erste Untergang der Zivilisation)Die Wiege der biblischen Archäologie: Die verlorene Stadt des Königs Salomo 1925 entsendet der berühmte Ägyptologe James Henry Breasted ein Grabungsteam ins Heilige Land. Ihre Ausgrabungen in Megiddo machen weltweit Schlagzeilen, reichen doch die Funde vom Neolithikum bis zur Zeit der Perser. Was sich hinter den Kulissen abspielte, ist jedoch bislang wenig bekannt. Mit seinem spannenden Bericht erweckt Eric H. Cline, der viele Jahre selbst an den Ausgrabungen in Meggido beteiligt war, nicht nur die Teilnehmer einer der wichtigsten archäologischen Expeditionen zum Leben. Er beleuchtet dabei quasi nebenbei auch die Geschichte der Bronzezeit und der Eisenzeit im antiken Israel und in der gesamten Levante.

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Seitenzahl: 740

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Die englische Originalausgabe ist 2020 bei Princeton University Press

(41 William Street, Princeton, NJ 08540, USA und 6 Oxford Street, Woodstock, Oxfordshire OX201TR, England) unter dem Titel Digging up Armageddon.

The Search for the Lost City of Solomon erschienen.

© 2020 by Princeton University Press

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

www.dnb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

wbg THEISS ist ein Imprint der wbg.

© der deutschen Ausgabe 2021 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt

Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht.

Lektorat: Wanda Löwe, Berlin

Gestaltung und Satz: Arnold & Domnick, Leipzig

Einbandgestaltung: www.martinveicht.de

Einbandmotiv: Kanaanitische Statuette, Bronze mit Goldfolie. © Oriental Institute of the University of Chicago

Abb. auf S. 2: Luftbild von Meggido; akg-images / Albatross / Duby Tal

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-4341-3

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:

eBook (PDF): ISBN 978-3-8062-4331-4

eBook (epub): ISBN 978-3-8062-4358-1

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Impressum

Während ich diese Zeilen schreibe …, erhebt sich hinter mirHar-Megiddo, der „Hügel von Megiddo“, oder in seiner gräzisiertenForm, wie die westliche Welt den Ort kennt: „Armageddon“.Das hoch über der Wüste aufragende Armageddon war einst einebedeutende Festung … Heute bedeckt es der Unrat TausenderJahre, darauf wächst grün wogendes Gras, bunte Anemonenwiegen die Köpfe im Wind. Gerade sind die ersten Gräben in denHügel gegraben … [und] schon haben [unsere] Arbeiter einenSteinblock mit ägyptischen Hieroglyphen geborgen.1

– James Henry Breasted, März 1926

INHALT

Vorwort„Willkommen in Armageddon“

Prolog„Glauben Ställe Salomos gefunden zu haben“

TEIL EINS

1920–1926

Kapitel I„Reiche hiermit meine Kündigung ein“

Kapitel II„Er muss kürzertreten, sonst bringt es ihn noch um“

Kapitel III„Ich haute ihm recht deutlich auf die Finger“

Kapitel IV„Wir haben bereits drei verschiedene Schichten“

TEIL ZWEI

1927–1934

Kapitel V„Ich brauche wirklich ein wenig Urlaub“

Kapitel VI„Das können nur Stallungen sein“

Kapitel VII„Bin unter Umständen bereit, nachsichtig zu sein“

Kapitel VIII„Das Klopfen der Hacken“

Kapitel IX„Das schäbigste Schreiben, das mein Büro je erreicht hat“

Kapitel X„Entweder eine Schlacht oder ein Erdbeben“

TEIL DREI

1935–1939

Kapitel XI„Böses Erwachen“

Kapitel XII„Wir sind alle fassungslos“

Kapitel XIII„Baten Sie mich nicht um eine Sensation?“

Kapitel XIV„Eine veritable Morddrohung“

Kapitel XV„Das stratigrafische Skelett mit Fleisch und Blut füllen“

TEIL VIER

1940–2020

Kapitel XVI„Anweisungen zum Schutze der Liegenschaft seien erteilt worden“

Epilog„Bestimmxste Bereiche sind noch nicht vollständig ausgegraben“

Anhang

Das Ensemble: die Mitglieder der Grabungsmannschaft aus Chicago samt Anhang

Dank

Anmerkungen

Bibliografie

Abbildungsnachweis

Register

VORWORT

„Willkommen in Armageddon“

Das ganze Jahr über bietet sich jeden Morgen dasselbe Schauspiel: Kurz nach 9 Uhr treffen die ersten Reisebusse in Megiddo ein, denen jeweils 50 Touristen entsteigen. Wenn die Ausgrabungsstätte um 17 Uhr ihre Pforten wieder schließt, werden es mehrere Dutzend Busse gewesen sein und viele Hundert Besucher. „Willkommen in Armageddon“, verkünden die Fremdenführer, bevor sie ihre Herde den steilen Abhang hinauftreiben und durch das antike Stadttor marschieren lassen. Sie rezitieren ihre eingeübten Sätze, und bald haben sie den ersten Haltepunkt erreicht. Die Gruppe schnauft und holt Luft, und oft sind Leute dabei, die spontan ein Kirchenlied anstimmen oder zu beten beginnen, vor allem, wenn sie eigentlich auf dem Weg nach Nazareth sind, das am entgegengesetzten Ende der Ebene liegt.

Wir, eine kleine Gruppe von Archäologinnen und Archäologen, lächeln und geben uns tolerant. Wir waren bereits vor Ort, bevor die Sonne aufging. Mit Spitzhacken, Kellen und Kehrblechen bewaffnet, verbarrikadiert hinter Eimern und Schubkarren voll frisch ausgehobener Erde, spielen wir unser Spiel, das nie langweilig wird: Wir versuchen auf 50 Meter Entfernung die Nationalität der Touristengruppe zu erraten, die gleich an unserer Ausgrabung vorbeikommen wird. Von der nahe gelegenen Aussichtsplattform aus können die Besucher auf der einen Seite die gesamte Jesreelebene überblicken, auf der anderen Seite schauen sie in den tiefen Graben, den unsere Vorgänger, die Ausgräber aus Chicago, angelegt haben. Am Maschendrahtzaun, der Touristen nur selten vom Betreten des Areals abhält, wo gegraben wird, hängt ein Schild: „Die Archäologen bitte nicht füttern.“ Das ist natürlich ein Scherz. Auch wenn es uns nicht jedes Mal gelingt, ihre Nationalität zu raten, können wir immer noch hoffen, dass die Touristen ein paar Kekse für uns übrig haben.

Megiddo wird im Alten Testament ein Dutzend Mal erwähnt und in anderen antiken Texten noch viel häufiger, doch bekannt ist es vor allem aus dem Neuen Testament, als Schauplatz der vorletzten Schlacht zwischen den Armeen von Gut und Böse. In Offenbarung 16,16 erfahren wir über die zwei widerstreitenden Mächte, sie würden dereinst „versammelt an einen Ort, der da heißt auf Hebräisch Harmagedon“.1 Der Name Armageddon kommt von Har Megiddo, das ist Hebräisch für „Hügel“ oder „Berg“ (har) von Megiddo. Bis zum Mittelalter hatten diverse Länder, Sprachen und Jahrhunderte ein N hinzugefügt, sodass aus Har Megiddo zunächst Harmageddon wurde. In der Moderne verschwand schließlich noch das H.2

In gewisser Weise gab es in Megiddo zahlreiche Armageddons: Im Laufe der Jahrtausende musste immer wieder eine Kultur, Volksgruppe oder politische Einheit einer anderen weichen – eine Welt ging unter, eine neue entstand. Das begann mit den Kanaanitern, die von den Israeliten abgelöst wurden, dann kamen die Neuassyrer, die Neubabylonier, die Perser, die Griechen und die Römer, später die Muslime, die Kreuzfahrer, die Mongolen, die Mamluken und die Osmanen. Die letzten Kriege hier waren der Erste Weltkrieg und der Israelische Unabhängigkeitskrieg von 1948.3 Doch was die Touristen sehen wollen, ist natürlich die berühmteste Inkarnation der Stadt: das Armageddon des Neuen Testaments.

Der antike Siedlungshügel ragte einst mehr als 36 Meter über den umliegenden Feldern auf, der höchste Punkt lag im Norden. Im Jahr 1904 war ein Besucher der Stätte überrascht, wie hoch der Hügel war. Anstelle der niedrigen Erhebung, die er erwartet hatte, fand er „einen richtigen Berg“ vor, der „über der Ebene thront“. Die Archäologen aus Chicago machten den Hügel ein wenig niedriger, indem sie die obersten Siedlungsschichten abtrugen. Dennoch erhebt er sich nach wie vor 20 Meter über der Jesreelebene und ist noch aus großer Entfernung gut zu sehen.4

Frühe Fotografien zeigen den Hügel in seinem ursprünglichen Zustand (Abb. 1), noch unberührt von den Schaufeln und Hacken der Ausgräber und ohne die gewaltigen Haufen ausgehobener Erde, die heute das Areal verunzieren. Diese Fotos wurden nördlich von Megiddo aufgenommen. Aus der Ferne erkennt man zwei verschiedene Ebenen: eine untere Ebene mit einer exakt horizontalen Terrasse auf halber Höhe des Hügels (hier hat Gottlieb Schumacher, der erste Ausgräber Megiddos, die Überreste einer Befestigungsmauer gefunden, die einst die Stadt vor Angreifern schützte) und eine etwas kleinere obere Ebene, die direkt darüber liegt, wie die obere Etage eines Hauses oder die obere Schicht einer Torte.5

Abb. 1: Frühes Foto von Megiddo

Heute wissen wir, dass sich in dem Hügel Reste von mindestens 20 antiken Städten verbergen, die im Laufe von fast 5000 Jahren errichtet wurden, von etwa 5000 v. Chr. bis kurz vor 300 v. Chr., und zwar immer eine auf den Überresten der letzten. Die verschiedenen Ausgräber haben jeder dieser Siedlungsschichten eine römische Ziffer zugeordnet, durchlaufend von I bis XX. Schicht I, ganz oben, ist die jüngste und stammt aus der Perserzeit. Schicht XX, direkt über dem gewachsenen Fels, ist die älteste und datiert in die Jungsteinzeit. Die Schichten dazwischen waren in der Kupfersteinzeit, in der Bronze- und in der Eisenzeit besiedelt, also auch zur Zeit der Kanaaniter und Israeliten (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1. Chronologie der Kulturperioden des Alten Orients in Bezug auf die Stratigrafie von Megiddo (nach Ussishkin 2018, 15; ungefähre Daten)

Epoche

Schichten (Megiddo)

Ungefähre Daten

Bekannt für:

Neolithikum und Chakolithikum

XX

5000–3400 v. Chr.

Domestizierung von Pflanzen und Tieren, Erfindung der Keramik, Verwendung von Kupfer

Frühe und Mittlere Bronzezeit

XIX–XIV

3400–2000 v. Chr.

Erfindung/Verwendung von Bronze, Schrift, erste Städte

Mittlere Bronzezeit

XIII–X

2000–1550 v. Chr.

Kanaaniter, Hyksos

Späte Bronzezeit

IX–VII

1550–1130 v. Chr.

Ägyptisches Neues Reich

Israeliten (Eisenzeit)

VI–IV

1130–734 v. Chr.

Frühe Israeliten, Davidisch-salomonisches Großreich, Nord-/Südreich Israel

Neuassyrer

III–II

734–600 v. Chr.

Neuassyrisches Reich, Zerstörung Israels

Neubabylonier und Perser

I

600–330 v. Chr.

Neubabylonisches Reich, Zerstörung Jerusalems, Kyros

II

.

Hellenismus

330–30 v. Chr.

Seleukiden und Ptolemäer, Makkabäer

Rom/ Byzanz

1.–6. Jh. n. Chr.

Jüdischer Krieg und Bar-Kochba-Aufstand, (erneute) Zerstörung Jerusalems

Keinem von uns fällt es leicht, jeden Morgen um 5 Uhr auf der Ausgrabungsstätte zu erscheinen. Doch uns bleibt nichts anderes übrig, wenn wir unseren achtstündigen Arbeitstag beenden wollen, bevor es zu heiß zum Arbeiten ist. Und so klingeln in dem Kibbuz, in dem wir untergebracht sind, jeden Tag in aller Herrgottsfrühe die Wecker. Bis 4:35 Uhr haben wir mehrere große Busse und eine kleine Armada von Autos bestiegen, wobei eine Armada von kleinen Autos vielleicht die passendere Bezeichnung ist. Alles in allem sind wir fast 120 Personen – das Grabungspersonal, das aus professionellen Archäologen und Doktoranden besteht, sowie die ehrenamtlichen Helfer, die allen möglichen Berufsgruppen angehören: Ärzte, Anwältinnen, Krankenschwestern, Buchhalter, Lehrerinnen, Studierende, die „schon immer mal“ bei einer Ausgrabung dabei sein wollten.

Nach nicht ganz einer halben Stunde erreichen wir Megiddo und stellen unsere Autos auf dem Parkplatz neben dem Besucherzentrum ab, das aus den Überresten des Gebäudes errichtet wurde, das das Team aus Chicago Anfang der 1920er-Jahre nutzte. Heute verfügt es über ein Restaurant, Toiletten, mehrere Andenkenläden und zwei Ausstellungsräume, in denen die Geschichte der Ausgrabung nachgezeichnet wird. Hier steht auch ein Modell der antiken Stätte.

Wir erklimmen den antiken Hügel und schleppen unsere Grabungswerkzeuge, Wasserbehälter und andere Vorräte hinauf. Wir durchqueren das spätbronzezeitliche Stadttor, das zur Zeit des ägyptischen Ketzer-Pharaos Echnaton im 14. Jahrhundert v. Chr. errichtet wurde, und nehmen denselben Weg wie später die Touristen, bis wir das Plateau des Hügels erreichen. Das mit Palmen übersäte Areal ist, so weit das Auge reicht, von einem Gewirr antiker Ruinen bedeckt.

Wir stellen Stangen auf, die schwarze Sonnensegel tragen, nippen am Kaffee, kauen auf Müsliriegeln herum und sehen zu, wie die Sonne hinter dem Berg Tabor aufgeht und den Frühnebel am Boden der Jesreelebene vertreibt. Bereits jetzt ist es über 20 Grad warm. Wenn wir am frühen Nachmittag wieder aufbrechen, ist es heiß wie in einem Backofen. Der Gedanke, dass wir tatsächlich im apokalyptischen Armageddon arbeiten, liegt nicht allzu fern; dabei haben wir es noch ganz gut, denn es ist erst Juni. Richtig heiß wird es erst im August. Dann ist niemand mehr verrückt genug, hier zu graben. Nicht einmal wir Archäologen.

Zwanzig Jahre lang, von 1994 bis 2014, war Megiddo mein zweites Zuhause. Beinahe so lange, wie ich mit meiner Frau, Diane Harris Cline, verheiratet bin, habe ich auf dem Gelände gegraben, als Mitglied einer Expedition der Universität von Tel Aviv. Diane war es, die damals den Flyer entdeckte, der dafür warb, haupt- oder ehrenamtlich an einer neuen Grabung in Megiddo teilzunehmen. Ich war aus mehreren Gründen daran interessiert. Neben der Tatsache, dass Megiddo seit nunmehr über hundert Jahren den Brennpunkt der Biblischen Archäologie bildet, war es vor allem James Micheners Buch Die Quelle, das ich sechsmal gelesen habe und das meine Berufswahl maßgeblich beeinflusst hat. Der Roman kam 1965 auf den Markt, wurde ein weltweiter Erfolg und stand fast ein Jahr lang auf Platz 1 der Bestsellerliste der New York Times. Darin schildert Michener auf höchst dramatische Weise die Geschichte einer archäologischen Stätte in Israel und die Erlebnisse der Archäologen, die dort gruben. Auch wenn seine Ausgrabungsstätte mit Namen „Makor“ (hebräisch für „Quelle“) fiktiv ist, besuchte Michener im Laufe des Jahres 1963, das er mit Recherchen und Schreiben zubrachte, neben zahlreichen weiteren antiken Stätten auch Megiddo. Für jeden, der sowohl mit Makor als auch mit Megiddo vertraut ist, sind die Parallelen nur allzu offensichtlich.6

Auch Micheners fiktive Archäologen sind realen Vorbildern nachempfunden. So kommt John Cullinane, der Grabungsleiter in Makor, „vom Biblischen Museum in Chicago“ – das kann nur eine Anspielung auf den herausragenden Ägyptologen James Henry Breasted sein, den Gründer und Direktor des Oriental Institute at the University of Chicago, der stets einen Dreiteiler, eine randlose Brille und einen eleganten Schnurrbart trug (Abb. 2). Er war es, der in den Jahren 1925 bis 1939 die Grabungsteams, um die es in diesem Buch geht, nach Megiddo schickte.

Als ich mich von der Ausgrabung zurückzog, waren nur Israel Finkelstein, der Doyen der israelischen Archäologie, der seit 1992, von Beginn an, einer der Leiter des Projekts ist, und David Ussishkin, sein langjähriger Kollege, länger vor Ort als ich. Während zehn Grabungssaisons in 20 Jahren habe ich in den meisten Bereichen, die wir in Megiddo erschlossen, auch selbst gegraben, und dabei habe ich mich bis ganz nach oben gearbeitet, vom ehrenamtlichen Grabungshelfer bis zum zweiten Grabungsleiter neben Finkelstein.

Abb. 2: James Henry Breasted

Unsere Tochter Hannah begleitete uns erstmals, als sie 18 Monate alt war. Sie buddelte in der Erde herum, mit einer Kelle, die in ihren Händchen riesig aussah, und in einem viel zu großen T-Shirt, auf dem stand: „Ich habe Armageddon überlebt.“ Unser Sohn Joshua kam fünf Jahre, nachdem ich zum Grabungsteam gestoßen war, zur Welt, und er war mit in Megiddo, als ich die ersten Kapitel dieses Buches schrieb – als er 18 wurde, hatte er fast so viele Geburtstage auf Ausgrabungen in Israel gefeiert wie zu Hause in den USA.

Wir waren die vierte Gruppe von Ausgräbern, die im Laufe des letzten Jahrhunderts in Megiddo grub. Der erste Ausgräber war Gottlieb Schumacher, ein US-Amerikaner deutscher Abstammung, dessen Grabung von 1903 bis 1905 von der Deutschen Orient-Gesellschaft und dem Deutschen Verein zur Erforschung Palästinas gefördert wurde. 20 Jahre später, im Jahr 1925, kamen die Ausgräber aus Chicago, um die es in diesem Buch größtenteils geht. Sie waren wild entschlossen, Salomos Stadt zu finden, und verbrachten 15 Grabungssaisons in Megiddo, bis der Zweite Weltkrieg ausbrach.

Der namhafte israelische Archäologe Yigael Yadin leitete die dritte Expedition zur Erforschung des antiken Siedlungshügels. Er kam in den 1960er- und 1970er-Jahren mit seinen Doktoranden hierher, um in mehreren Grabungen verschiedene Hypothesen zu prüfen, nicht zuletzt die Frage, ob sich in Megiddo Bautätigkeiten König Salomos identifizieren ließen.7

Und dann begann unsere eigene Tel-Aviv-Expedition, unter der Leitung von Israel Finkelstein und David Ussishkin. Im Jahr 1992 gab es zunächst eine Probegrabung, 1994 ging es dann richtig los.8 Genau wie alle anderen Archäologinnen und Archäologen, die vor uns in Megiddo gegraben hatten, hofften wir, der Vergangenheit neue Geheimnisse zu entreißen. Unter anderem wollten wir die verschiedenen Schichten genauer datieren, um ein akkurateres Bild von den historischen Abläufen zu erhalten. Wir suchten aber auch Antworten auf spezifischere Fragen: Was aßen die Bewohner in einer bestimmten Epoche? Was trugen sie? Wovor fürchteten sie sich, woran glaubten sie? Auch wenn viele unserer Erkenntnisse nach wie vor umstritten sind und es mitunter frustrierend ist, wie wenig Gewissheit wir haben, lassen neue archäologische Untersuchungsmethoden viele Funde inzwischen in einem neuen Licht erscheinen und liefern neue Daten für Megiddo, häufig auf mikroarchäologischer Ebene.9 Zuletzt bezog sich eine ganze Reihe von Fragen auf Finkelsteins umstrittene Hypothese, dass ein Großteil der Funde von verschiedenen Grabungsstätten, unter anderem Megiddo, die man bislang in die Zeit Salomos im 10. Jahrhundert v. Chr. datiert, in Wirklichkeit aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. stammen, der Zeit von Omri und Ahab. Diese sogenannte Low-Chronologie-Hypothese wird unter Archäologen nach wie vor heiß diskutiert.10

Da man in Megiddo inzwischen seit mehr als 100 Jahren gräbt, sind praktisch alle Gebäude, die auf dem Gelände freigelegt worden sind, Gegenstand zahlreicher Artikel und wissenschaftlicher Debatten, was ihre Form, Funktion und insbesondere ihre Datierung betrifft – von den Stadttoren der einzelnen Siedlungsschichten über den Wassertunnel, die Ställe und die Paläste bis hin zu den Wohnhäusern.11

Wie in der Archäologie gang und gäbe, muss man viele Erkenntnisse der früheren Ausgräber über ihre Entdeckungen in Megiddo angesichts neuerer Diskussionen auf den Prüfstand stellen. Sogar die abschließenden Publikationen des Teams aus Chicago, insbesondere die beiden Bände, die man für gewöhnlich schlicht als Megiddo I und Megiddo II bezeichnet, wurden praktisch ab dem Moment, als sie 1939 und 1948 veröffentlicht wurden, kontrovers diskutiert. Einige unserer eigenen Grabungsschnitte haben wir deshalb in Bereichen angelegt, von denen wir hofften, dass sie einige Streitfragen klären und genauere Antworten liefern könnten.

Die Archäologen aus Chicago gruben sich durch den kompletten Hügel, bis zum anstehenden Fels. Grabungsleiter war zuerst Clarence Fisher, dann Philip Langstaffe Ord Guy (meist der Einfachheit halber P.L.O. Guy genannt) und schließlich Gordon Loud; alle drei wurden von Breasted nach Megiddo geschickt. Breasted war vor allem an den Überresten zweier Städte interessiert: der Stadt Salomos, die der König laut Altem Testament im 10. Jahrhundert v. Chr. befestigen ließ, und der Stadt, die fast 500 Jahre zuvor, 1479 v. Chr., der ägyptische Pharao Thutmosis III. erobert hatte.

Doch die Suche nach Salomo und Thutmosis III. gestaltete sich nicht so einfach wie erwartet. Was das Chicagoer Team ausgrub, lieferte nur selten Antworten auf seine Fragen, und wie in der Archäologie so häufig der Fall, machte es zahlreiche unerwartete Entdeckungen. In manchen Jahren fanden sie so gut wie nichts außer Überreste von Gebäuden und Tausende Tonscherben, die höchstens für sie selbst und andere Archäologen von Interesse waren. Aber es gab auch Jahre, in denen ihre Entdeckungen die Titelseiten von Zeitungen auf der ganzen Welt zierten, insbesondere als sie verkündeten, sie hätten die legendären „Ställe Salomos“ gefunden.

Obwohl dieses Team zum größten Teil aus Architekten und Geologen bestand, die lediglich eine Zusatzausbildung in Archäologie und Keramikkunde erhalten hatten, war es eines der besten, die zur damaligen Zeit im Nahen Osten gruben. Den Mitarbeitern gelang es, die gesamte Chronologie von Megiddo zu erfassen, von der Jungsteinzeit bis zur Perserzeit, und auch die späteren römischen Gräber und weitere Überreste. Dabei verwendeten sie damals modernste Techniken: Sie nutzten die Ballonfotografie, erstellten ein Schichtenprofil und definierten die Farben des Erdbodens mit dem Munsell-Farbsystem. Ihre Entdeckungen und Innovationen hallen in der Biblischen Archäologie bis heute nach.

Die wissenschaftlichen Publikationen der Ausgräber aus Chicago beinhalten die Schlüsse, die sie aus den Ergebnissen ihrer Ausgrabungen zogen. Ihre Entdeckungen sind zu Recht berühmt, sie fanden Ställe, Elfenbein und einen beeindruckenden Wassertunnel. Die Bücher und Artikel, die sie veröffentlichten, werden noch heute von Archäologinnen und Archäologen rezipiert und diskutiert. Doch was die Teammitglieder tagtäglich taten und was in Megiddo abseits der Funde vor sich ging, verraten sie uns kaum.

Glücklicherweise hinterließen sie aber darüber hinaus eine regelrechte Schatzkammer weiterer Schriften – Briefe, Telegramme, Tagebücher, Karten und Notizen aus mehr als drei Jahrzehnten. Als ich dieses Archivmaterial sichtete, das im Oriental Institute, im Rockefeller Archive Center, bei der Israelischen Altertumsbehörde und anderswo aufbewahrt wird, wurde mir klar, dass es uns einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen gewährt. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise in Amerika und der wachsenden Probleme und Spannungen im britischen Mandatsgebiet Palästina erhalten wir einen Einblick in die frühen Jahre der biblischen Archäologie zwischen den beiden Weltkriegen. Wir erfahren, wie die Archäologen arbeiteten, welche Werkzeuge und Techniken sie verwendeten; in mancherlei Hinsicht unterscheidet sich dies sehr von dem, was wir heute tun, aber manches hat sich überhaupt nicht verändert.

Und so nahm meine Recherche für dieses Buch mit einem Mal eine ganz unerwartete, spannende Wendung. Ich wollte ursprünglich lediglich über die Archäologie von Megiddo schreiben, wollte die einzelnen Siedlungsschichten und Gebäude beschreiben, vom Beginn der Besiedlung bis zum Ende, und hatte gar nicht vor, mich allzu viel um die Menschen zu kümmern, die die antiken Überreste zutage gefördert haben. Doch die Fülle von Details und Informationen, die die Briefe, Tagebücher, Telegramme und Notizen der Ausgräber aus Chicago mir boten, enthüllten so viel darüber, was abseits der eigentlichen archäologischen Entdeckungen auf der Ausgrabungsstätte vor sich ging, dass ich beschloss, die Ausgräber und ihre Arbeit in den Mittelpunkt meiner Betrachtungen zu stellen (oder ihnen zumindest genauso viel Beachtung zu schenken wie ihren Funden).12

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, wie sehr ich die Arbeit der Archivarinnen und Archivare zu schätzen gelernt habe, die einem naiven Forscher, der ihnen ohne Ende Fragen stellte, auf die es meistens eine ganz naheliegende Antwort gab, stets ausgesprochen freundlich und geduldig begegneten. Zu meiner großen Überraschung und Freude fand ich ganz unerwartete Parallelen zwischen der Recherche in Archiven und einer archäologischen Ausgrabung – ich wühlte mich halt nur durch Papier statt durch Sand und Erde. Genau wie bei einer Ausgrabung, bei der die Existenz (oder das Fehlen) eines einzigen Objekts manchmal einen enormen Unterschied machen kann, tauchen auch bei der Arbeit im Archiv statt einer Antwort plötzliche viele neue Fragen auf. Es ist genauso aufregend, etwas zu entdecken, vor allem, wenn man überhaupt nicht damit rechnet; es ist genauso niederschmetternd, nichts zu finden, obwohl die Suche vielversprechend begonnen hat; und es ist genauso befriedigend, das letzte Puzzleteil zu finden, das eine plausible Hypothese für ein vergangenes Ereignis ermöglicht.

Ich nahm auch Kontakt zu Nachfahren der Mitglieder des Grabungsteams aus Chicago auf – deren Informationen sowie ein paar genealogische Nachforschungen auf der Webseite ancestry. com verschafften mir Zugang zu weiterem Material, von Briefen und Tagebüchern bis hin zu Kriegsberichten und Details zur späteren Karriere der Ausgräber. So erfuhr ich noch mehr über einzelne Teammitglieder wie Edward DeLoach, Daniel Higgins, Laurence Woolman, Gordon Loud und Clarence und Stanley Fisher. Das umfangreiche Material ermöglichte es mir, diese Personen, die bis dahin bloße Namen auf Buchrücken oder in langweiligen Teilnehmerlisten gewesen waren, als Menschen aus Fleisch und Blut kennenzulernen, im Kontext ihrer Zeit und mit ihren Hoffnungen, Ängsten und Träumen, und ich hoffe, dass es mir gelungen ist, sie auf den Seiten dieses Buches zum Leben zu erwecken.

Ihre Geschichte ist voll von Intrigen und Querelen, zwischenmenschlichen Verwicklungen und Beispielen für ein erstaunliches Durchhaltevermögen, und all das spielte eine wichtige Rolle bei den einschneidenden personellen Veränderungen bei Mitarbeitern und Leitern, bevor der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs den Ausgrabungen ein abruptes und unerwartetes Ende bereitete. Vielfach liest sich diese Geschichte wie das Drehbuch für eine Seifenoper, zu deren Ensemble ein Architekt gehört, der sich als einer der besten Ausgräber seiner Zeit entpuppte, aber über keinerlei Führungsqualitäten verfügte, und ein britischer Zionist, der mit der Tochter des Mannes, der Hebräisch als moderne Sprache neu erfand, verheiratet war, der aber weder über einen Universitätsabschluss verfügte noch eine formelle Ausbildung in Archäologie genossen hatte und der gefeuert wurde, nachdem er dem Oriental Institute „einen der skurrilsten Briefe“ geschrieben hatte, „die das Institut jemals erhalten hat“. Außerdem mit dabei: ein Landvermesser, der wegen unrechtmäßiger Kündigung klagte, möglicherweise aber vor Ort als Spion für die Untergrundorganisation Haganah tätig war; ein junger Forscher, der auf der Heimreise festgenommen wurde, weil er Altertümer außer Landes schmuggeln wollte, und dennoch eine erfolgreiche akademische Laufbahn absolvierte sowie ein Schulabbrecher ohne archäologische Ausbildung und ein Geologiestudent ohne Abschluss, die gemeinsam einen Großteil der Ausgrabung publizierten – angeleitet von Breasted im weit entfernten Chicago und finanziert von einem der reichsten Männer der Welt: John D. Rockefeller Jr.

Doch bevor ich damit beginne, die Geschichte der Chicagoer Ausgrabung zu erzählen, sind ein paar erklärende Worte erforderlich. In Teil I und II dieses Buches sind die Kapitel ab dem dritten paarweise geschrieben: Das erste Kapitel jedes Paares (z. B. Kapitel III) befasst sich mit dem Personal in Megiddo und den dort auftretenden Problemen während eines bestimmten Zeitraums, das zweite (z. B. Kapitel IV) behandelt die eigentliche Archäologie während desselben Zeitraums.

Auf diese Weise wollte ich bei den von Fisher und Guy geleiteten Grabungen das Persönliche vom Beruflichen trennen (für die Phase mit Loud als Grabungsleiter ist dies nicht erforderlich). Außerdem ist dieses spezielle Format eine Hommage an James Michener, dessen Buch ebenfalls aus solchen paarweisen Kapiteln besteht. Ich hoffe, dass meine Leserinnen und Leser diesen Bericht über Megiddo und seine Ausgräber aus Chicago wenigstens halb so interessant und unterhaltsam finden werden, wie ich Micheners fiktive Geschichte über Makor und die dortigen Archäologen fand.

PROLOG

„Glauben Ställe Salomos gefunden zu haben“

Anfang Juni 1928 änderte sich alles. James Henry Breasted, der Direktor des Oriental Institute an der University of Chicago, erhielt ein Western-Union-Telegramm von P.L.O. Guy, der das nach Megiddo geschickte Ausgrabungsteam leitete (Abb. 3). Darin stand: „ERSTES BUCH KÖNIGE NEUN FÜNFZEHN BIS NEUNZEHN UND ZEHN SECHSUNDZWANZIG STOPP SCHICHT VIER ENTSPRICHT DEM OFFENBAR STOPP GLAUBEN STÄLLE SALOMOS GEFUNDEN ZU HABEN“.

Angesichts der Tatsache, dass er fast drei Jahre auf ein solches Telegramm gewartet hatte, legte Breasted eine bemerkenswerte Zurückhaltung an den Tag. Er schickte noch am selben Tag ein Telegramm zurück, das lediglich ein einziges Wort enthielt: „GRATULIERE“.1

Der Rest der Welt war bei Weitem nicht so beherrscht. Es kam auch damals nicht jeden Tag vor, dass Archäologen Kapitel und Verse aus der Bibel zitieren, um ihren neuesten Fund zu beschreiben, vor allem, wenn es sich bei diesem Fund um die (vermeintlichen) Ställe Salomos handelte. In Wirklichkeit war Breasted viel aufgeregter, als er vorgab. „Ich habe nun die endgültige Bestätigung, dass man bei unseren Ausgrabungen in Armageddon die Ställe Salomos entdeckt hat“, brachte er John D. Rockefeller Jr. auf den neuesten Stand, bevor eine offizielle Verlautbarung erging.2

Atemlos berichtete die New York Times Anfang August über die Entdeckung, nachdem Breasted der Zeitung detaillierte Informationen hatte zukommen lassen. Später in jenem Monat erschien ein längerer Artikel mit der Überschrift: „‚Glanz und Gloria‘ von König Salomo ausgegraben“.3 Was konnte eine Zeitung – oder eine von Rockefeller gesponserte Ausgrabung – mehr verlangen? Armageddon und König Salomo in ein und derselben Story, das war ein Knüller allererster Güte. Es schien wirklich, als hätten die Ausgräber endlich die ersten Überreste der Stadt Salomos gefunden, nach denen sie so lange gesucht hatten, und niemanden freute das mehr als Breasted und seinen Geldgeber in New York.4

Abb. 3: Telegramm von Guy an Breasted, 4. Juni 1928

Die Geschichte stand auch auf der Titelseite des St. Louis Post-Dispatch, unter der Schlagzeile: „Ausgräber finden Ställe Salomos in Armageddon“. Im Artikel wird Breasted mit den Worten zitiert: „Dies ist eine Entdeckung von allergrößter historischer Tragweite. Nur wenigen ist bewusst, dass Salomo nicht nur ein orientalischer Souverän war, sondern auch ein erfolgreicher Kaufmann, unter anderem war er Pferdehändler.“5

Auch wenn Breasted an Pferdehandel dachte – die beiden Verse, die Guy in seinem Telegramm zitierte und die noch heute häufig in einem Atemzug genannt werden, wenn es darum geht, dass Megiddo eine von Salomos „Wagenstädten“ war, lauten:

Und so verhielt sich’s mit den Fronleuten, die der König Salomo aushob, um zu bauen des HERRN Haus und sein Haus und den Millo und die Mauer Jerusalems und Hazor und Megiddo und Geser (1. Könige 9,15).

Und Salomo brachte Wagen und Gespanne zusammen, sodass er tausendvierhundert Wagen und zwölftausend Gespanne hatte, und er legte sie in die Wagenstädte und zum König nach Jerusalem (1. Könige 10,26).6

Durch die Entdeckung dieses Gebäudes geriet Megiddo ins internationale Rampenlicht und in den Brennpunkt der Biblischen Archäologie, wo es sich bis heute befindet, auch wenn man längst argwöhnt, dass Salomo diese Ställe gar nicht gebaut hat, ja dass es sich vielleicht nicht einmal um Ställe handelte.7 Dies ist die Geschichte der Ausgrabungsstätte Megiddo und der Archäologen aus Chicago, die Breasted aussandte, um Salomos Stadt zu finden.

TEIL EINS

1920–1926

KAPITEL I

„Reiche hiermit meine Kündigung ein“

Die Grabung der University of Chicago in Megiddo war knapp eine Woche, nachdem sie offiziell begonnen hatte, bereits wieder zu Ende. Gerade einmal vier Tage nach Beginn der ersten Grabungssaison, Anfang April 1926, schickte der frisch zum Grabungsleiter ernannte Clarence S. Fisher ein Telegramm nach Chicago. Darin erklärte er unverblümt: „ATTITÜDE VON HIGGINS MACHT WEITEREN UMGANG UNMÖGLICH STOPP MIT ZWEI GRABUNGSLEITERN LASSEN SICH KEINE RESULTATE ERZIELEN STOPP REICHE HIERMIT MEINE KÜNDIGUNG EIN.“1

In gewisser Weise scheint es durchaus passend, dass ein Ort, wo in den vergangenen 4000 Jahren so viele Schlachten geschlagen wurden, nun wieder zum Schauplatz einer handfesten Auseinandersetzung wurde – um die Kontrolle über die Ausgrabungen, die seine Geheimnisse aufdecken sollten.

Breasted telegrafierte umgehend zurück, er weigere sich, Fishers Kündigung zu akzeptieren, und versicherte ihm, es gebe nur einen Grabungsleiter. „BEDAURE UNSTIMMIGKEITEN ZUTIEFST“, schrieb er. „VERSICHERE IHNEN DASS SIE EINZIGER LEITER IN MEGIDDO SIND STOPP ES GIBT KEINE DOPPELTE LEITUNG SENDE HIGGINS TELEGRAMM DASS SIE ALLEIN ARBEITEN BEAUFSICHTIGEN.“2

Die Spannungen hatten bereits begonnen, als Clarence Fisher und Daniel Higgins im September 1925 in Megiddo eintrafen. Doch eigentlich fängt die Geschichte fast 100 Jahre zuvor an, Mitte April 1838, als der amerikanische Geistliche Edward Robinson mit seinem Missionskollegen Eli Smith auf einem Hügel stand, den die Araber Tell el-Mutesellim, „Hügel des Statthalters“, nannten.

Robinson und Smith waren in der Jesreelebene (im heutigen Israel) unterwegs, um im Heiligen Land nach biblischen Stätten zu suchen. Sie hatten auf Basis der Ähnlichkeit der modernen Ortsnamen mit den biblischen Namen bereits Dutzende solcher Stätten identifiziert. Robinson, Professor am Union Theological Seminary in New York, war sich sicher, dass Megiddo irgendwo in der Nähe von Tell el-Mutesellim liegen musste, doch er hatte keine Ahnung, dass er genau in diesem Moment auf den Überresten Megiddos stand. Er stritt diese Möglichkeit sogar explizit ab: „Der Tell wäre wirklich ein großartiger Standort für eine Stadt; es gibt jedoch keinerlei Anzeichen dafür, dass hier jemals eine gestanden hat.“3 Am Ende gelangte er zu der Überzeugung, dass das nahe gelegene Dorf Leddschun der Standort sowohl des antiken Megiddo als auch des römischen Militärlagers Legio gewesen war.

35 Jahre später standen die Lieutenants Claude R. Conder und Horatio H. Kitchener, die im Auftrag des Palestine Exploration Fund (PEF) das westliche Galiläa inspizierten, ebenfalls auf dem Tell el-Mutesellim (Karte 1). Ihnen blieb nicht verborgen, dass unter der Vegetation „eine Stadt [lag], die völlig zerstört war“. Wohin sie auch schauten, überall fanden sie Fundamente von Gebäuden und Keramikscherben.4 Trotzdem identifizierten sie Tell el-Mutesellim nicht mit Megiddo.5 Das lag zum Teil daran, dass Conder drei Jahre zuvor verkündet hatte, Megiddo müsse ein Stück weiter unten im Tal liegen, „nahe der großen Ruine von Mujedda am Fuße des Gilboa, eines Hügels, auf dem ergiebige Quellen entspringen“.6

Die Debatte über die Lage des biblischen Megiddo ging noch 20 Jahre weiter, bis der schottische Theologe George Adam Smith überzeugend bewies, dass Megiddo und Tell el-Mutesellim ein und dasselbe waren. Er hatte sowohl direkte als auch indirekte Beweise dafür; unter anderem verknüpfte er biblische Passagen mit geografischen Orten und Erwähnungen in ägyptischen Inschriften. Das Resultat kann man in seinem 1894 erschienenen Buch The Historical Geography of the Holy Land nachlesen – im wahrsten Sinne des Wortes eine wegweisende Veröffentlichung.7

Eigentlich hatte Breasted im Juni 1920 mit den Ausgrabungen in Megiddo beginnen wollen. Seit Schumachers Grabung 15 Jahre zuvor war die Fundstätte unberührt geblieben. Es war Lord Edmund Allenby, der Held der alliierten Streitkräfte im Nahen Osten im Ersten Weltkrieg und Sieger der Schlacht bei Megiddo im Jahr 1918, der Breasted davon überzeugte, dort eine neue Grabung zu beginnen. „Allenby of Armageddon“, wie man ihn häufig nannte, auch wenn sein offizieller Titel „Viscount Allenby of Megiddo“ lautete, hatte seinen Triumph in der Schlacht von 1918 nicht zuletzt Breasteds 1906 erschienenem mehrbändigem Werk Ancient Records of Egypt zu verdanken. In einem der Bände hatte Breasted den antiken Bericht über die Schlacht bei Megiddo zwischen Pharao Thutmosis III. und dem Fürsten von Kadesch ins Englische übersetzt. Breasteds Übersetzung erlaubte es Allenby, 3400 Jahre später mit Erfolg die gleiche Taktik anzuwenden.8

Karte 1: Detail des Surveys von Westpalästina (Blatt VIII) von/durch Conder und Kitchener

Doch der Juni 1920 war eine unruhige Zeit. Wenige Monate zuvor, im Februar und März, war es in Jerusalem zu Unruhen gekommen, als die Briten verkündet hatten, sie würden die Balfour-Deklaration vom November 1917 umsetzen und in Palästina eine „nationale Heimstätte für das jüdische Volk“ einrichten. Und einen Monat vor Breasteds geplantem Besuch in Megiddo gab es schon wieder Unruhen, als der Ostersonntag und das muslimische Fest Nebi Musa auf einen Tag fielen. Diesmal wurden neun Menschen getötet und fast 250 verletzt.9

Es sah ganz so aus, als würde Breasted sich in jenem Juni damit begnügen müssen, Megiddo aus der Ferne zu bewundern. „Nachdem wir stundenlang die Hügel an der Nordseite der Ebene von Megiddo entlanggefahren waren, bis wir weit oberhalb Richtung Nazareth waren, stellten wir fest, dass sich keiner unserer Fahrer da auskannte“, schrieb Breasted tags darauf. „Mehr als zwei Stunden lang fuhren wir über gepflügte Äcker und Stoppelfelder und starrten hilflos auf die Mauern des fernen Megiddo, das uns vom anderen Ende der Ebene aus geradezu herausfordernd anzublicken schien.“10

Das Tal selbst ist an dieser Stelle gerade einmal 18 Kilometer breit (Karte 2). Insofern passt es, dass sich heute irgendwo zwischen Megiddo und Nazareth der „geheime“ israelische Luftwaffenstützpunkt Ramat David befindet. Es ist auf keiner Karte der Region verzeichnet, hat aber ironischerweise eine eigene Seite bei Wikipedia. Weder für die Bewohner der Ebene noch für die heutigen Ausgräber der antiken Stätte, vor deren Augen die F-16-Kampfjets täglich in einer ohrenbetäubenden Lautstärke starten und landen, ist dieser Stützpunkt sonderlich geheim.

Im Westen, unweit des Mittelmeers, konnte Breasted in der Ferne den Karmel ausmachen. Östlich davon erhebt sich der Berg Tabor. Noch weiter östlich, für Breasted fast außer Sichtweite, liegt der Höhenzug von Gilboa. In der Nähe befindet sich das antike Jesreel. Viel näher, auch im Osten, aber keine 1000 Meter von Megiddo entfernt, erblickte Breasted die Kreuzung, an der der Musmus-Pass – auch bekannt als Wadi Ara oder Nachal ‘Iron – ins Tal führt. Über diesen Pass marschierten im Jahr 1479 v. Chr. die Truppen des ägyptischen Pharaos Thutmosis III. und im Jahr 1918 die Truppen von General Edmund Allenby, um Megiddo zu erobern. Als Thutmosis seinen Sieg an den Wänden eines Tempels in Luxor in Ägypten verewigte, ließ er sich mit den Worten zitieren, Megiddo einzunehmen sei gewesen, „als erobere man tausend Städte“.11

Thutmosis hat nicht übertrieben: Megiddo kontrollierte während der gesamten Antike den Zugang zur Jesreelebene von Westen her. Durch das Tal verlief die später von den Römern Via Maris („Straße des Meeres“) getaufte Straße, die wichtigste Route für Reisende und Armeen, die sich zwischen Ägypten im Süden und Anatolien (in der heutigen Türkei) oder Mesopotamien (im heutigen Irak) im Norden bewegten. Wie schon Thutmosis III. wusste auch Breasted: Wer Megiddo kontrolliert, dem folgt automatisch der Rest der Region. Praktisch jede fremde Macht, die in der Antike in die Region einfiel, kämpfte hier eine Schlacht.

Karte 2: Megiddo und Umgebung, gezeichnet von Edward DeLoach

Genau wie viele heutige Besucher fand Breasted den Blick über die weite Jesreelebene atemberaubend und fühlte sich geradezu überwältigt vom Hauch der Geschichte, der ihn hier anwehte. Mit ein wenig Fantasie konnte er sich ausmalen, wie durch die Ebene vor ihm einst die Armeen Napoleons, der Mongolen, Mamluken, Ägypter, Kanaaniter, Kreuzfahrer, Israeliten und anderer Kriegsherren marschiert waren. Biblische Gestalten wie Debora, Gideon, Saul und Jonathan hatten hier genauso gekämpft wie die Pharaonen Thutmosis III. und Scheschonq oder später die Generäle Kléber, Baibars und Allenby, ganz zu schweigen von Tausenden namenlosen Soldaten, von denen viele hier ihr Leben gelassen hatten.

Zu der Zeit, als Breasted erfolglos versuchte, nach Megiddo zu gelangen, hatte er gerade mithilfe eines großzügigen Stipendiums von John D. Rockefeller Jr. an der University of Chicago das Oriental Institute (OI) gegründet. Jetzt war er auf der Suche nach vielversprechenden Stätten, wo das neue Institut graben könnte, und hatte beschlossen, „eine gewagte Aufklärungsreise durch den Nahen Osten zu unternehmen, um zu erkunden, welche Gelegenheiten sich für Forschungsarbeiten böten, … Gebiete zu durchqueren, in denen praktisch Krieg herrschte“.12

Breasted kontaktierte John Garstang, den Direktor der brandneuen British School of Archaeology in Jerusalem und Leiter der ebenfalls erst kurz zuvor eingerichteten Altertumsbehörde im britischen Mandatsgebiet Palästina. Breasted bat darum, in seinem Namen einen formellen Antrag beim Archaeological Advisory Board zu stellen, um ihm „das Gelände von Megiddo der University of Chicago gemäß den gesetzlichen Bestimmungen für die Dauer eines Jahres zwecks Ausgrabungen zur Verfügung zu stellen“. Ende November wurde ihm eine einjährige Grabungsgenehmigung zugesagt.13

Breasteds Initiativen waren Teil einer umfassenderen Entwicklung unter amerikanischen Archäologen zu jener Zeit. Die Archäologie in der Region steckte damals noch in den Kinderschuhen, und archäologische Expeditionen waren bis dahin eher zufälliger Natur gewesen. Auch die verschiedenen ausländischen archäologischen Institute in Jerusalem waren noch relativ neu, schließlich waren das Deutsche Evangelische Institut für Altertumswissenschaft des Heiligen Landes, die École biblique et archéologique française, die British School of Archaeology und die American School of Oriental Research gerade erst gegründet worden. Und sogar die Archäologie an sich war zu dieser Zeit noch eine recht junge wissenschaftliche Disziplin. Gerade einmal 50 Jahre zuvor, im Jahr 1870, hatte Heinrich Schliemann mit seinen Ausgrabungen in Troja begonnen, wo er Beweise dafür finden wollte, dass der Trojanische Krieg tatsächlich stattgefunden hatte, und bis Howard Carter im Jahr 1922 das Grab des Tutanchamun finden sollte, sollten noch zwei Jahre ins Land gehen.14

Der britische Archäologe Sir William Matthew Flinders Petrie und der Amerikaner Frederick Jones Bliss, die nacheinander in Tell el-Hesi gruben (Petrie 1890, Bliss 1891/92), gehören zu den herausragenden frühen Gestalten der neuen Disziplin.15 Sie waren die Ersten, die erkannten, dass die „Tells“ menschengemacht waren und aus mehreren übereinander gebauten Städten bestanden. Sie waren es, die sich bei der Geologie das Konzept der Stratigrafie ausborgten, wonach die tieferen Schichten in den Tells normalerweise älter waren als diejenigen, die darüber lagen. Und sie waren es, die erkannten, dass man anhand verschiedener Typen von Keramik, wie sie im Laufe der Zeit in Mode kamen und später wieder an Bedeutung verloren, die verschiedenen stratigrafischen Schichten innerhalb eines Hügels datieren und aufzeigen kann, welche Schichten an verschiedenen Fundstätten aus derselben Epoche stammen.16 Spätere Archäologen verfeinerten diese Techniken. Mit einigen wenigen Ausnahmen baute jeder Archäologe auf den Methoden seiner Vorgänger auf und verbesserte sie.

Nachdem Breasted die Zusage für eine Grabungsgenehmigung erhalten hatte, wandte er sich an Harry Judson, den Präsidenten der University of Chicago, um zu besprechen, wie man die geplante Ausgrabung finanzieren könnte. Judson sagte ihm, er solle das alles in einem Brief niederschreiben, mit dem man sich dann an Rockefeller und andere potenzielle Finanziers wenden könne. Das tat Breasted umgehend. Er beendete seinen Brief mit einer kurzen finanziellen Einschätzung: „Um die antike Stadt, die Mauern, die Festung, die Zitadelle, den Palast und die Häuser vollständig freizulegen und die Ergebnisse zu veröffentlichen, wäre vier Jahre lang ein jährliches Budget von sechzigtausend Dollar (60 000 $) erforderlich.“17

Judson wiederum wandte sich sofort an Rockefeller, um sich zu erkundigen, ob jener bereit sei, dieses zusätzliche Projekt zu finanzieren. Er wies darauf hin, von welch hohem Wert das Unterfangen wäre, da die Ergebnisse „möglicherweise … ein ganz neues Licht auf frühere Kulturen werfen“ würden.18

Rockefeller war fasziniert. Außerdem mochte er Breasted. „Ich genoss den Umgang mit ihm“, sagte Rockefeller einmal. „Er war ein charmanter Gentleman und ein angesehener Gelehrter und so bescheiden, wie es nur die wirklich großen Männer sind. Dass ich überhaupt ein Interesse an der Archäologie entwickelte, ist ausschließlich auf ihn zurückzuführen.“19 Dennoch war Rockefeller nicht bereit, die gesamte vierjährige Grabung zu finanzieren. Immerhin bot er an, für das erste Jahr 60 000 Dollar zur Verfügung zu stellen, aber nur unter der Bedingung, dass das Geld für die übrigen drei Jahre anderswoher käme.20 Anfang Juli 1921 berichtete die New York Times kurz und knapp über das Vorhaben. Die Überschrift lautete: „Armageddon wird ausgegraben. John D. Rockefeller Jr. finanziert Grabung mit 60 000 $.“21 Leider war Breasted zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage, die zusätzlichen Mittel aufzutreiben, aber er konnte sich die Option vorbehalten, zu einem späteren Zeitpunkt auf dem Gelände zu graben.

Drei Jahre später, im August 1924, schrieb Breasted, wahrscheinlich angeregt durch einen Brief von Clarence Fisher, der ihn einige Wochen zuvor erreicht hatte, an Rockefeller und fragte ihn, ob das Angebot von damals noch gelte. Er bekräftigte sein Interesse daran, „die bemerkenswerte Festung von Armageddon“ auszugraben, die „zum sprichwörtlichen Symbol für die Auseinandersetzungen zwischen den Menschen geworden [sei], bei denen Asien und Afrika seit Tausenden Jahren um die Vorherrschaft kämpften“. Im November erklärte sich Rockefeller bereit, sein Angebot in Höhe von 60 000 Dollar bis Juli 1925 zu verlängern, unter der Bedingung, dass Breasted den Rest der benötigten Gelder anderswo auftreibe.22

Doch zurück zu dem Brief, den Fisher Mitte Juli 1924 an Breasted sandte. Darin fragte er, ob Breasted denn nun vorhabe, bald in Megiddo zu graben, und falls ja, ob er in irgendeiner Form helfen könne.23 Obwohl er an der University of Pennsylvania im Jahr 1897 seinen Abschluss im Fach Architektur erlangt hatte, bezeichnete sich Fisher auf seinem Antrag für einen Reisepass und anderen offiziellen Dokumenten stets als „Archäologe“. Fisher, ein hagerer Bücherwurm von etwas über 1,70 Meter Körpergröße, der eine Brille mit Drahtgestell bevorzugte und einen Schnurrbart trug (Abb. 4), hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einiges an Erfahrung vorzuweisen: Er hatte im Jahr 1900 in Nippur in Mesopotamien gegraben und 1909/10 mit George Reisner von der Harvard University in Samaria im osmanischen Palästina. Zudem hatte er mehrere Grabungskampagnen in Ägypten geleitet. Als er Breasted schrieb, war er gerade zurück an der University of Pennsylvania und dort beim universitätseigenen Museum als Kurator angestellt, dessen Ausgrabungen in Bet Sche’an (Beisan) im britischen Völkerbundsmandat Palästina er von 1921 bis 1923 geleitet hatte.24

Fisher zählte zu den herausragenden Fachleuten seiner Zeit und hatte Reisners Methoden angepasst und verbessert, vor allem indem er in Bet Sche’an große horizontale Flächen freigelegt hatte, um so viel wie möglich von einer einzelnen Siedlungsschicht untersuchen zu können, bevor er mit der nächsten Schicht fortfuhr. Im Laufe der Jahre gab er sein Wissen an viele Kollegen weiter, unter anderem Anfang der 1920er-Jahre an William Foxwell Albright.

Zu jener Zeit war Albright noch ein Neuling in Sachen Bibelforschung und Archäologie. 1916 war er an der Johns Hopkins University promoviert worden. Später sollte er zu einem der einflussreichsten Experten auf dem Gebiet der Biblischen Archäologie und verwandter Disziplinen werden, unter anderem als Direktor der American School of Oriental Research in Jerusalem, die heute nach ihm benannt ist. In gewisser Weise sollte er auch zu Breasteds größtem Rivalen werden, und obwohl sie einander durchaus respektierten, waren sie sich einfach nicht grün.25

Abb. 4: Clarence Fisher bei der Arbeit

Fisher erwähnte Breasted gegenüber nicht, was ihn zu seiner Anfrage Mitte Juli 1924 veranlasst hatte, aber er war weder mit dem Gehalt zufrieden, das das Museum der Universität ihm zahlte, noch damit, dass George B. Gordon, der Direktor des Museums, ihm nicht gestattete, einen Assistenten einzustellen.26 Wahrscheinlich konnte er bereits absehen, dass seine Zeit an der University of Pennsylvania zu Ende ging – immerhin war er einige Monate zuvor als Leiter der Ausgrabungen in Bet Sche’an abgezogen worden. Nun nahm er die Angelegenheit selbst in die Hand und reichte Anfang Dezember seine Kündigung ein.27

Nachdem Breasted von Rockefeller erfahren hatte, dass dessen Finanzierungszusage weiterhin galt, wandte er sich noch im selben Monat an Fisher.28 Gleichzeitig kontaktierte er noch einmal Garstang und bat um eine Verlängerung der Grabungsgenehmigung für Megiddo bis Ende 1925. So würde er genug Zeit haben, um die notwendigen Mittel aufzutreiben.29

Anfang Januar einigten sich Garstang und der archäologische Beirat darauf, die Genehmigung für Megiddo zu verlängern.30 Der offizielle Brief wurde am selben Tag verschickt, an dem mehrere Zeitungen aus der Region Philadelphia bekanntgaben, dass Fisher und das Museum der Universität sich getrennt hatten.31 Fisher verkündete gegenüber der Presse: „Wenn ich das Universitätsmuseum verlasse, werde ich mich mit Sicherheit der Expedition einer anderen Institution anschließen, um meine Forschungen im Osten fortzusetzen.“ Genau das tat er später in Megiddo.32

Gordon lieferte Alan Rowe, der Fisher als Grabungsleiter in Bet Sche’an abgelöst hatte, weitere Hintergrundinformationen. Laut Gordon war Fisher in Bet Sche’an entlassen worden, weil seine „geistige und körperliche Gesundheit es ihm unmöglich machte, das Museum zu repräsentieren oder die Arbeit unserer Expeditionen im Feld durchzuführen“. Fisher wurde angewiesen, nach Philadelphia zurückzukehren, aber dort „verschärften sich seine Symptome, er … schien sich bei der Arbeit einzubilden, dass man es auf ihn abgesehen habe“.33 Als Fisher dann beim Museum kündigte, waren sowohl Gordon als auch Charles C. Harrison, der Präsident des Verwaltungsrats des Museums, zweifellos ziemlich erleichtert.

Fisher blieb mit Breasted in Kontakt und schrieb ihm im Februar erneut, um sein anhaltendes Interesse zu bekunden.34 Inzwischen war Gordon sicher, dass Breasted keine Ahnung davon hatte, was sich in Bet Sche’an und in Philadelphia ereignet hatte. Er schrieb Rowe: „Da Professor Breasted nun für die Expedition der University of Chicago in Megiddo verantwortlich ist, möchte ich hinzufügen, dass Professor Breasted rein gar nichts über Mr. Fishers Verhalten, während jener mit dem Museum in Verbindung stand, weiß, noch über die Umstände, unter denen sein dortiges Arbeitsverhältnis beendet wurde.“35 Wahrscheinlich war Breasted trotz allem bereits im Bilde, schließlich war er äußerst gut vernetzt und wusste oft über bestimmte Ereignisse Bescheid, bevor andere es taten.36

Als Nächstes schrieb Breasted an Raymond Fosdick, einen Vertrauten von Rockefeller, der damals im Vorstand aller drei philanthropischen Organisationen Rockefellers saß, die sich an der Grabungskampagne in Megiddo beteiligen sollten – der Rockefeller Foundation (RF), dem General Education Board (GEB) und dem International Education Board (IEB); später war er bei den ersten beiden Vorstandsvorsitzender.37

In seinem Brief wiederholte Breasted viel von dem, was er im März 1921 geschrieben hatte, um für das Projekt zu werben, insbesondere über die Bedeutung von Megiddo/ Armageddon. Er teilte Fosdick außerdem mit, dass er aufgrund einer Spendenkampagne, die derzeit von der University of Chicago durchgeführt werde, nicht in der Lage gewesen sei, andere Mittel für Megiddo aufzutreiben als jene, die Mr. Rockefeller – für eine Saison – zugesagt habe. Aus diesem Grund, aber auch, weil die Kosten im Nahen Osten in der Zwischenzeit leicht gesunken seien, schlug Breasted nun ein „völlig neues Megiddo-Projekt“ vor, für das er 15 000 Dollar für Ausrüstung (u. a. Zelte, Möbel und eine Decauville-Bahn samt Gleisen zum Abtransport der ausgehobenen Erde) plus Mittel für fünf Jahre Arbeit in Höhe von 40 000 Dollar pro Jahr benötige, also insgesamt 215 000 Dollar.38

Um Fosdick dazu zu bringen, Rockefeller zu überreden, den gesamten Betrag zu zahlen, schrieb Breasted, bestehe ein weiterer Faktor, der für das überarbeitete Projekt relevant sei, darin, dass man „einen bemerkenswerten Mann in Aussicht“ habe, „der die Leitung der Ausgrabungen in Megiddo übernehmen“ solle. Es läge durchaus nahe anzunehmen, dass Breasted als Nächstes Fisher und seine zahlreichen Tugenden gelobt und ausführlich dessen umfassende Erfahrungen bei Ausgrabungen in Ägypten, in Samaria und in Bet Sche’an gepriesen hätte, aber stattdessen schrieb Breasted: „Dieser Mann, Higgins mit Namen, ist ein studierter Geologe mit weitreichender Erfahrung in vielen Gegenden der Welt. Er hat zum Beispiel die Halbinsel Sinai vermessen und weiß alles über die dortigen Ressourcen in puncto Öl und Mineralien. Er wäre jederzeit in der Lage, verlockende Angebote aus der Wirtschaft anzunehmen, aber sein Herz hängt an der archäologischen Feldarbeit. Ein solcher Mann ist ein weitaus besserer Grabungsleiter als ein akademischer Wissenschaftler es wäre. Ich gebe mir alle Mühe, Higgins für diese Arbeit zu gewinnen.“39

Was war passiert? Es scheint, dass Breasted zunächst beschlossen hatte, nicht Fisher den Posten des Grabungsleiters anzubieten, sondern dem Geologen Daniel F. Higgins Jr. Wie Breasted darauf kam, dass Higgins’ Herz „an der archäologischen Feldarbeit“ hing, wissen wir nicht, denn Higgins hatte keinerlei spezifische Erfahrung in Sachen Archäologie vorzuweisen. Ansonsten aber waren seine Referenzen ausgezeichnet – er hatte an der University of Illinois, der Northwestern University und der University of Wisconsin studiert und unterrichtete damals Geologie an der University of Chicago. Er hatte in Korea und China gearbeitet und war für den US Geological Survey tätig gewesen, hatte im Ersten Weltkrieg der British Expeditionary Force angehört und auf dem Sinai und in Ägypten geologische Untersuchungen und Vermessungen durchgeführt. Außerdem war er seit 15 Jahren verheiratet; als Jungvermählte hatten er und seine Frau Ethel von 1910 bis 1912 zwei Jahre lang als methodistische Missionare in Korea unterrichtet. Sie hatten zwei Töchter: Die in Korea geborene Mary war 14 Jahre alt, die in China geborene Eleanor neun. Selbstverständlich war die gesamte Familie bereit, in den Nahen Osten überzusiedeln.40

Fosdick hätte das neue Vorhaben allerdings beinahe torpediert. Zwar leitete er den Antrag pflichtbewusst an Rockefeller weiter, doch er stellte ihm eine persönliche Bemerkung voran: „Auf den ersten Blick erscheint dieser neue Vorschlag als doch recht nachteiliges Arrangement, da er Ihnen die gesamte Last [der Finanzierung] auferlegt.“ Allerdings wies er zugleich darauf hin, dass „wir mit Dr. Breasted einen Mann mit einzigartigen Kenntnissen haben … Es gibt momentan mit Sicherheit keinen besseren auf der Welt. Die Frage ist also: Sollte man sich nicht der Dienste von Dr. Breasted bedienen, während er noch lebt und in den besten Jahren ist?“41

Rockefellers Antwort lautete: ja. Nach einem weiteren Gespräch mit Fosdick ermächtigte Rockefeller ihn, den gesamten Betrag von 215 000 Dollar bereitzustellen, um den Breasted gebeten hatte; heute entspräche diese Summe fast 3 Millionen Dollar.42

Die willkommene Nachricht erreichte Breasted wenige Stunden, bevor er auf der SSHomeric nach England abreiste, einem prachtvoll-luxuriösen Passagierschiff, das 1913 als deutscher Luxusliner Columbus das Licht der Welt erblickt hatte. Das noch nicht ganz fertiggestellte Schiff war 1919 im Zuge des Versailler Vertrags an Großbritannien gefallen, war 1920 verkauft worden und schließlich von der White Star Line zu Ende gebaut und 1922 in Betrieb genommen worden.43

Als das Schiff abgelegt hatte, sandte Breasted ein Telegramm an Daniel D. Luckenbill, den er in all seinen Mitteilungen stets freundschaftlich „D. D.“ nannte. Mit Luckenbill, einem angesehenen Professor für Assyriologie und einem der engsten Vertrauten von Breasted am Oriental Institute, hatte er, was Megiddo betraf, diverse Optionen diskutiert.44 Breasted schwor ihn darauf ein, das Ganze geheim zu halten, und einige Tage später schrieb er ihm, ebenfalls von Bord des Schiffs aus, einen Brief.

Darin fragte er, ob anstelle von Higgins nicht doch Fisher verfügbar sei. Er bat Luckenbill jedoch zugleich um weitere Vorschläge für den Posten des Grabungsleiters, da er nicht vollständig überzeugt sei, dass Fisher der richtige Mann dafür sei.

Es ist nicht ganz klar, warum Breasted nun doch nicht Higgins bitten wollte, das Projekt zu leiten, wie er es Fosdick im Mai vorgeschlagen hatte. Seine Entscheidung könnte damit zusammenhängen, dass er anfangs gar nicht so angetan von Higgins war, sich jedoch von Luckenbill hatte überreden lassen, der beteuerte, Higgins sei neben seiner Tätigkeit als Geologe und Vermesser auch noch der beste Fotograf, den er je kennengelernt habe.45 Wahrscheinlicher ist indes, dass Breasted erkannt hatte, dass Higgins noch einiges an archäologischem Fachwissen benötigte, bevor er in der Lage wäre, die Verantwortung für solch ein Projekt zu schultern. So beschloss er, die Grabungsleitung Fisher zu übertragen und ihm Higgins zu unterstellen, dem Fisher dann beibringen konnte, wie man eine Ausgrabung leitet.

Obwohl er zu dem Schluss gekommen war, dass niemand sonst so kurzfristig verfügbar war, vertraute Breasted Luckenbill an: „Der arme Fisher ist beinahe neurotisch. Es kann durchaus sein, dass er zu Beginn unserer Expedition einige Monate lang in guter Verfassung ist und dann mit einem Mal den Verstand verliert, wie es ihm nun bereits nacheinander in mehreren Situationen passiert ist.“ Er fährt fort: „Ich will damit nicht sagen, dass ich, wenn ich mich für Fisher entscheide, von vornherein davon ausgehe, dass ich mich wieder von ihm trennen werde. Er ist sehr wertvoll für uns, und wenn seine Gesundheit es ihm gestattet, weiterhin mit uns zu arbeiten, möchte ich ihn auf jeden Fall behalten; aber es besteht nun einmal die Gefahr, dass die Dinge so laufen werden, wie ich es oben angedeutet habe.“46

Breasted ahnte also bereits, was später geschehen sollte. Aber noch lag all das in der Zukunft, und so telegrafierte Breasted – in Ermangelung anderer Kandidaten – Fisher, sobald er London erreicht hatte: „KÖNNEN SIE POSTEN ALS LEITER AUSGRABUNGEN MEGIDDO AKZEPTIEREN?“

Fisher nahm das Angebot quasi umgehend an, aber erst nachdem Luckenbill nach Philadelphia gekommen war, um persönlich mit ihm zu sprechen. „FISHER AKZEPTIERT“, telegrafierte Luckenbill Breasted kurz und knapp. Es folgten ein längeres Telegramm und ein noch längerer Brief, denn Fisher hatte vorgeschlagen, sofort zu beginnen – von September bis März sollte die Vermessung des Hügels erfolgen, anschließend von April bis Oktober die Ausgrabung. Sowohl Breasted als auch Luckenbill stimmten diesem Plan zu.47

Luckenbill und Fisher sprachen auch darüber, dass Fisher Higgins ausbilden solle; Fisher war davon ganz angetan. Luckenbill berichtet, Fisher wolle Higgins „sofort an die Hand nehmen und [ihm] beibringen, was er für die Arbeit wissen muss. Er scheint der Auffassung zu sein, dass dafür nur eine Saison notwendig ist. Ich glaube das auch. Danach stünde uns Fisher weiterhin mit Rat und Tat zur Seite, aber Higgins und seine Assistenten würden die Sache in die Hand nehmen.“48

Breasted war hocherfreut, dass Fisher den Posten angenommen hatte. Er informierte ihn über die finanziellen Details und merkte an, sie hätten genug Geld für eine fünfjährige Kampagne: 55 000 Dollar für die erste Grabungssaison (davon 15 000 Dollar für Ausrüstung und den Bau eines Grabungshauses auf dem Gelände und 40 000 Dollar für die eigentliche Saison) sowie je 40 000 Dollar für die drei anschließenden Grabungssaisons. Da dies in der Summe 215 000 Dollar entspricht – genau jener Summe also, die Breasted seinem modifizierten Plan gemäß hatte haben wollen und die Rockefeller gerade gespendet hatte –, musste Fishers Gehalt in Höhe von 5000 Dollar pro Jahr zuzüglich Reisekosten aus einem anderen Topf von Breasteds Jahresbudget für das Oriental Institute kommen.49

Gleichzeitig setzte sich Breasted erneut mit Garstang in Verbindung; diesmal forderte er ihn auf, endlich die offizielle Grabungsgenehmigung zu erteilen. Es sei ihnen gelungen, die Mittel zu beschaffen, Fisher werde die Ausgrabung leiten.50

Nach Ansicht von Breasted benötigten sie insgesamt vier Mitarbeiter: (1) einen Verwalter, (2) einen Archäologen, (3) einen Epigrafie-Experten/ Philologen (um die Inschriften zu entziffern, die sie zu finden hofften), und (4) einen Vermesser/Zeichner. Des Weiteren schlug er vor, einen Studenten einzustellen, der bei der Arbeit assistieren solle.51 Natürlich hat man heutzutage bei einer Ausgrabung viel mehr Mitarbeiter dabei; allein, dass während der Grabungssaison nur ein einziger Archäologe vor Ort ist, wäre heute unvorstellbar, aber damals war das durchaus üblich.

Was den Studenten betraf, den er für das Projekt anheuern wollte, so entschied sich Breasted für einen jungen Mann namens Edward DeLoach, der Higgins als Assistent dienen sollte. Sowohl Higgins als auch Luckenbill hatten DeLoach empfohlen, der der 24-jährige Sohn eines guten Freundes von Luckenbill war. Er stammte aus Georgia und hatte als Student an der University of Chicago Vermessungskurse bei Higgins besucht. Fisher war einverstanden, immerhin hatte er selbst Luckenbill vorgeschlagen, „ein oder zwei junge Leute mitzunehmen und in ihnen das Interesse für die Archäologie zu wecken“. Zu dieser Zeit arbeitete DeLoach in Post, Texas, als Landvermesser. Er reagierte prompt und nahm die Einladung zur Teilnahme am Megiddo-Projekt, die Higgins ihm im Juli 1925 sandte, umgehend an. Seine einzige Frage war, wie viel man ihm zahlen würde.52

Breasted war mit all dem zufrieden und teilte Fisher mit, er sei zuversichtlich, dass Higgins „ein sehr nützlicher und guter Mann“ sei, denn Higgins verstehe sich nicht nur darauf, Karten und Pläne zu erstellen, sondern sei es auch gewohnt, andere anzuleiten.53 Fisher jedoch fand Higgins weder nützlich noch gut, und die anderen Mitglieder der Grabungsmannschaft sahen das ähnlich. Dies geht aus der Korrespondenz zwischen Breasted und anderen hervor, etwa einem ehemaligen Yale-Studenten namens John Payne Kellogg, der – ohne dass die anderen davon wussten – ab Mitte Mai 1926 als Breasteds Informant fungierte und ihm heimlich über alles berichtete, von der Gefühlslage des Teams bis hin zu seinen Entdeckungen.

Breasted erzählte Garstang später, Higgins sei ihm vom Geologischen Institut der University of Chicago empfohlen worden. Er räumte jedoch ein: „Ich muss wohl kaum betonen, wie enttäuscht wir darüber waren, wie sich alles entwickelte. Die Tatsache, dass unser Einjahresvertrag mit Higgins nicht verlängert wurde, ist wahrscheinlich bezeichnend genug.“54

Anfang Juli 1925, bevor der Ärger mit Higgins begann, und genau ein Jahr, nachdem er zum ersten Mal an Breasted geschrieben hatte, ließ Fisher die ersten Ausrüstungsgegenstände kaufen und nach Megiddo senden. Higgins tat Anfang August dasselbe. Dazu zählten Geräte für Vermessung und Fotografie sowie Bauteile für die Lorenbahn, mit der die ausgehobene Erde abtransportiert werden sollte. Fisher bat um ein Auto, möglichst eine Limousine von Dodge oder Buick, und ersuchte darum, einen jungen Ägypter, mit dem er bereits in Ägypten gearbeitet hatte, als Aufseher für die Helfer einzustellen. Des Weiteren schlug er vor, er und Higgins könnten auf demselben Schiff den Atlantik überqueren, damit „wir einander kennenlernen und über die Pläne sprechen können“, doch daraus wurde nichts.55

In der Zwischenzeit schickte Garstang Breasted die offizielle Erlaubnis, in Megiddo zu graben, und bestätigte, dass die Arbeiten unter der Leitung von Fisher durchgeführt würden. Fisher selbst traf Vorkehrungen, Mitte August loszufahren, damit er Anfang September mit der Arbeit in Megiddo würde beginnen können.56 Auf diese Weise konnte das Team eine vorläufige Vermessung des Hügels durchführen, mit dem Bau des Grabungshauses beginnen und alles für die erste Saison vorbereiten, die im April 1926 beginnen und bis Oktober jenes Jahres dauern sollte.

Fishers Plan sah vor, bis zum Frühjahr ein ausgebildetes Team vor Ort zu haben. Er schlug vor, die kleine Grabungsmannschaft um den Registrar seiner Ausgrabungen in Ägypten zu ergänzen, den er „in der sorgfältigen Vorbereitung von Notizen und Plänen“ geschult habe. Zudem wollte er aus Ägypten „eine Gruppe ausgebildeter Arbeiter mitbringen, die wir durch Einheimische ergänzen können“; jenen sollten dann die Ägypter alles Nötige beibringen.57

Die ausgebildeten Arbeiter aus Ägypten kamen aus dem Dorf Quft, wo Petrie in den 1890er-Jahren tätig gewesen war und eine interessante Tradition begründet hatte: Die Nachfahren der Männer, die Petrie dort ursprünglich ausgebildet hatte, hatten seither eine Art Kastensystem eingerichtet, bei dem bestimmte Familien die Aufseher stellten, andere die Arbeiter, die mit der Hacke arbeiteten, wieder andere Familien jene, die mit der Schaufel arbeiteten, usw. Noch heute erzählt man sich in Megiddo, dass die Quftis, die damals zum Frühstück, zum Mittagessen und in den Pausen ihre ägyptischen Datteln aßen, schuld daran sind, dass dort heute überall auf dem Hügel Dattelpalmen wachsen. Ob das stimmt, darf man getrost bezweifeln. Sicher ist aber, dass sie das Rückgrat der Grabungsmannschaft der Chicagoer Archäologen darstellten und bis zum Ende der Grabungen im Jahr 1939 in jeder Saison für sie arbeiteten.

Als Breasted Anfang August endlich die offizielle Genehmigung für die Ausgrabung in Megiddo erhielt, leitete er sie an Fisher weiter. Zwei Wochen später verließ das Team die Vereinigten Staaten, jedoch auf zwei verschiedenen Schiffen. Auf dem einen reisten Fisher und sein 26-jähriger Neffe (der Sohn seines Bruders) aus St. Louis, der den gleichen Namen trug wie er, den aber alle „Stanley“ nannten. Er sollte als Archivar und Buchhalter/ Finanzbeauftragter dienen und zugleich die praktische Seite der Archäologie kennenlernen. Auf dem anderen Schiff fuhren Higgins, der als Vermesser und Fotograf fungieren sollte, zusammen mit seiner Frau und seinen Töchtern sowie DeLoach, der zum Kartografen der Expedition und zu Higgins’ Assistenten ernannt worden war.58 Fisher war gerade 49 Jahre alt geworden und damit der älteste Teilnehmer der Expedition, Higgins war knapp fünf Jahre jünger.59

Laut Plan sollten diese vier Männer sofort mit der Vermessung der Stätte beginnen. Vier weitere Amerikaner sollten sechs Monate später zu ihnen stoßen, damit die Grabungssaison wie geplant im April 1926 würde beginnen können; in der Zwischenzeit sollten dann die ägyptischen Arbeiter eintreffen. Nur leider kamen die vier zusätzlichen Männer nicht. Nur ein weiteres Teammitglied schloss sich ihnen an, der Yale-Absolvent Kellogg, den wir bereits kennengelernt haben und der zu jenem Zeitpunkt 28 Jahre alt war.60

Zunächst gab es in Megiddo keine Frauen. Fishers Gattin Florie und ihr gemeinsamer 17-jähriger Sohn Clarence Stanley Jr. waren in der Gegend von Philadelphia geblieben. Zwar hatte Higgins seine Frau Ethel und ihre beiden Töchter mitgebracht, doch die drei beschlossen, lieber in der Stadt nahe der American University of Beirut zu wohnen als in Megiddo. Ethel nahm einen Job als Lehrerin an und gab amerikanischen Schulkindern Anfangsunterricht in Latein.61