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Dieses Buch handelt davon, wie ich die Asatru sehe. Es ist meine persönliche Sichtweise und eine Erzählung darüber, wie ich die Dinge mache. Es ist nicht als Lehrbuch über Asatru gedacht. Meiner Meinung nach kann ein solches Lehrbuch überhaupt nicht geschrieben werden. Asatru ist sehr individuell, und man muss sich seine eigenen Meinungen und Haltungen bilden und herausfinden, was sich für einen selbst richtig anfühlt - sonst funktioniert es nicht. Ich glaube nicht, dass man in diesem Glauben einfach die Ansichten anderer übernehmen kann. Aber ich liebe es, anderen Menschen Inspirationen zu geben. Zu erzählen, was ich tue und warum. Damit sie selbst entscheiden können, wie sie es machen wollen. Deshalb habe ich im Jahr 2000 mein erstes Buch geschrieben. Um eine Inspiration zu sein - aber auch, um den Menschen zu erklären, was Asatru ist. Vor zwei Jahren habe ich dieses Buch geschrieben, das mehr Rituale und Erfahrungen enthält als das erste. Viele Menschen wissen nichts über Asatru und haben sehr viele Vorurteile. In diesem Buch versuche ich, Asatru - sozusagen - auf den Boden zu bringen. Es verständlicher zu machen. Und zu erklären, was es für mich bedeutet.
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Seitenzahl: 183
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Widmung
Einführung
Kapitel 1 - Es war immer so
Kapitel 2 – Die Geschichte von Asatru
Kapitel 3 – Asen, Wanen und Riesen
Kapitel 4 – Leben, Tod und die Nornen
Kapitel 5 - Wichte, Fylgjur und die Ahnen
Kapitel 6 - Die Lieder-Edda
Kapitel 7 - Goði sein
Kapitel 8 - Völva sein
Kapitel 9 - Wenn die Götter antworten
Kapitel 10 - Blot
Kapitel 11 - Kleidung und Zubehör
Kapitel 12 - Rituale des Lebens
Anhang I Met á la Gudrun
Anhang II Inspirationen für Rituale
Anhang III Gedichte
Literatur und Links
Mein Vater war mir sehr wichtig – zum Einen für mich, denn er half mir zu werden, wer ich bin, und zum Anderrn für meinen Glauben. Auch wenn es vieles gab, worüber wir unterschiedlicher Meinung waren.
Leider ist er im Oktober 2019 verstorben, kurz bevor dieses Buch in Druck ging. Deshalb ist dieses Buch ihm gewidmet, denn: “Ohne ihn kein ich”.
Du gabst mir Leben - und ich lernte von dir
über gute Bräuche - und Götter aus dem Norden
Über Anstand - sodass ich mutig
in den Spiegel schauen konnte - mit Lachen und Stolz
Du hast mit Worten gespielt - und Gedichte gemacht
Durch sie bleibst du in Erinnerung - so mächtig bist du
Die Götter werden dich finden - du kannst da stehen
als Bragis Lehrling - dich messen in Gedichten.
Ich lernte, dass meine Taten immer Einfluss haben
Ich musste Verantwortung übernehmen - für meine Wahl
über Legenden und Sagen - und Stärke von den Göttern
Ich bin so dankbar, dass du mein Vater warst.
Dieses Buch spiegelt meine Einstellungen wider und ebenso meine Art Dinge zu tun. Daher wirst du sicher anderen Asatru begegnen, die dem, was ich schreibe, nicht zustimmen, denn es gibt verschiedene Einstellungen und Ideen unter denen, die sich kollektiv Asatru nennen.
Dieses Buch ist nicht als Asatru-Lehrbuch gedacht. Meiner Meinung nach kann es solch ein Lehrbuch gar nicht geben. Asatru ist sehr individuell, und du musst dir deine eigene Meinungen bilden und deine eigene Einstellungen erlangen um herauszufinden, was sich für dich richtig anfühlt, sonst wird es nicht funktionieren.
Ich glaube nicht, dass du in diesem Glauben einfach die Ansichten anderer übernehmen kannst. Du kannst mit vielen Gemeinsamkeiten finden und Ideen anderer ablehnen. Die Unstimmigkeiten trennen vernünftige Asatru nicht, sondern machen die Diskussionen interessanter. Wir sagen bei uns: wenn zwei Asatru anwesend sind, gibt es drei Meinungen. Ich werde die Ansichten von anderen erwähnen, aber dies in jedem der Fälle deutlich machen.
Zur Sicherheit möchte ich noch anmerken, dass die genannten Personen und ihre Taten immer mit ihrem Wissen und ihrer Zustimmung erwähnt werden.
Nun, wer bin ich?
Seit ich denken kann, interessiere ich mich für die nordische Mythologie, unterstützt durch das Interesse meines Vaters. Ich fand die Wikingerzeit aufregend, lange bevor sie Mode wurde. Ich bin Wikinger-Reenactor seit 1996 und arbeite seit 2007 im Ribe Vikingecenter (Wikinger-Zentrum in Ribe.)
Ich bin eine Goði. Das ist die Person, die für die Leitung verschiedener Rituale verantwortlich ist, z. B. Hochzeiten und Beerdigungen, also eine Art Priesterin. Ich bin auch eine Völva, eine Schamanin oder Zauberin, die unter anderem guten Rat mithilfe der Runen gibt.
Ich war maßgeblich an der Gründung von Forn Siðr beteiligt, einer anerkannten Religionsgemeinschaft für Asatru in Dänemark. Im Jahr 2016 wurde mir die Ehre zuteil, als die erste Thul - religiöse Inspiratorin - gewählt zu werden, eine Aufgabe, der ich mich sehr gern widme.
Aus verschiedenen Gründen habe ich mich entschieden, Forn Siðr zu verlassen und habe dabei geholfen, eine neue Religionsgemeinschaft zu gründen, nämlich “Nordisk Skik”.
Und was genau ist Asatru? Für mich ist es nicht der buchstäbliche Glaube an die Asen1. Sicher, sie sind da, aber als Abbilder meiner Selbst und der Natur. Ich glaube nicht daran, dass Thor seinen Wagen über den Himmel fährt, wenn es donnert, aber ich ehre ihn, wenn es gewittert, denn dann ist seine Kraft, die Gewalt der Natur, am stärksten.
Wenn ich während einem Blot2 Freya ehre, werde ich mir der Liebe in mir deutlicher bewusst und damit fällt es mir leichter, diese Liebe weiterzugeben.
Oder ich werde mir der Liebe, die mich umgibt, bewusster und kann sie besser anwenden. Und doch glaube ich, dass die Aesir und Wanen in einer anderen Dimension existieren. Ihre Wege kreuzen unsere selten, aber wir gehen nach dem Tod zu ihnen, darüber werde ich später noch mehr erzählen.
Volkskunde3 ist mir sehr wichtig, so viel wertvolles Wissen ist erhalten geblieben. Die alten Arten und Weisen, Dinge zu tun, und die alten Bräuche sind ein großer Teil meiner Welt. Ich bedanke mich beim Holunderbusch, wenn ich seine Blüten und Beeren pflücke, um Saft zu machen, und die Wichte - die Naturgeister - sind Teil meines Universums. Wenn ich ein Blot abhalte, gieße ich immer etwas Met auf die Erde für die Wichte, denn das ist ihre Welt - die Natur - in die ich mich begebe.
Dieses Buch ist keine Vorstellung der nordischen Mythologie - solche Werke kannst du in meiner Literaturliste im Anhang finden; Bücher, die mir von meinen englisch- und deutschsprachigen Freunden empfohlen wurden. Noch mehr Informationen findest du im Internet.
Es gibt in diesem Buch Zitate aus der Edda, eine der wichtigsten Wissensquellen der nordischen Mythologie.
In der dänischen Ausgabe dieses Buches habe ich hauptsächlich meine eigenen Übersetzungen der Verse aus der Edda benutzt.
Natürlich habe ich mir einige der hervorragenden Übersetzungen angeschaut, aber ich setze die Wörter gerne selbst zusammen.
Ich habe mich entschieden, Karl Simrocks Übersetzungen für diese deutsche Ausgabe zu verwenden, da er ein guter Poet ist und das Poetische für mich sehr wichtig ist.
Wenn ich aus der Edda zitiere, habe ich die alten nordischen Namen der jeweiligen Dichtung benutzt. Das liegt einfach daran, dass sich die verschiedenen Übersetzer nicht ganz einig sind, wie sie die Gedichte nennen sollen. Die Strophen sind mit den Nummern versehen, die ihnen von den Übersetzern gegeben wurden. Die Nummern sind von Übersetzung zu Übersetzung leicht unterschiedlich. Die von mir zitierten Gedichte sind der Übersichtlichkeit halber in einem Anhang am Ende des Buches zusammengestellt.
In der dänischen Buchausgabe gibt es eine Reihe moderner Gedichte, die meisten davon wurden von meinem Vater geschrieben und einige von mir. Sie in der richtigen Reimform zu übersetzen ist mir momentan zu schwierig. Du findest sie im Anhang auf Dänisch mit einer unpoetischen Übersetzung. Wenn ihr Vorschläge für Übersetzungen habt, die dem alten Versmaß folgen, kontaktiert mich gerne.
Oftmals taucht die Frage auf: „Wer kann Asatru sein, und wann bist du einer?“ Darauf antworte ich mit einem Gedicht meines Vaters, Ole Gotved:
Asatru
kann jeder genannt werden
der Freude in alten Mythen findet
der die heiligen, hohen Mächte ehrt
oder einfach ein Freund der Wichte ist.
Wenn du dich selbst Asatru nennst, dann bist du einer!
Es gibt einige (zum Glück wenige), die glauben, du kannst nur Asatru sein, wenn es dir im Blut liegt. Das ist aus meiner Sicht fürchterlicher Unsinn.
Ich habe Menschen aus völlig anderen Hintergründen als den nordischen kennen gelernt, die Asatru sind, darunter auch Leute mit anderer Hautfarbe als der, die mit den Skandinaviern assoziiert wird, sie sind genauso Asatru wie ich und andere, die ich kenne.
Und wer kann bestimmen, wann man ein „echter“ Asatru ist? Ich formuliere es so:
Manche hören den Ruf der Götter im Rauschen ihres Blutes. Manche hören den Ruf der Götter im Flüstern des Landes.
Manche hören so gut, dass sie weder Blut noch Land brauchen, um den Ruf der Götter zu empfangen.
Diejenigen, die dem Ruf der Götter mit dem Herzen folgen, sind Asatru, unabhängig davon, wie der Ruf gehört wird.
Im Jahr 2001 schrieb ich das Buch „Asatro - De gamle guder i moderne tid“ (Asatru - alte Götter in modernen Zeiten).
Dieses aktuelle Werk ist keine Zweitauflage des ersten Buches, sondern ein völlig neues, auch wenn es Elemente meines älteren Werks enthält. Wenn ich es jetzt für nötig halte, mein erstes Buch zu überarbeiten und neu zu schreiben, dann deshalb, weil sich die Dinge ändern. Der Glaube ist für mich nicht statisch und durch Gespräche und Erfahrungen habe ich eine andere Einstellung zu manchen Dingen gewonnen. Außerdem habe ich mehrere Rituale durchgeführt, darunter auch Beerdigungen, über die ich ebenfalls meine Gedanken und Erfahrungen mitteilen möchte.
Als ich die erste Ausgabe schrieb, bekam ich große Unterstützung von meinem damaligen Ehemann Robert und meiner damaligen Schwiegermutter, die das Werk Korrektur gelesen hat. Ich danke ihnen dafür. Besonders danke ich Robert, denn trotz der Scheidung haben wir eine enge Freundschaft aufrechterhalten können.
Natürlich möchte ich auch meiner Familie und insbesondere meinem Vater für die Erziehung danken, die ich erfahren habe. Sie hat viel zu meiner Lebenseinstellung beigetragen.
Jim Lyngvild gebührt ein großes Dankeschön für das Kampftraining und dafür, dass er einige der Fotos für dieses Buch gemacht hat. Marie Louise danke ich für das kritische Lesen. Danke an Aziza für deine Text und Foto. Danke an Suzanne für ihre Hilfe und Inspiration bei der Veröffentlichung des Buches. Danke an Kirsten von Lemuel Books, die dänische Ausgabe herausgegeben hat. Danke an Johanna für die Übersetzung und an Leo, der die Übersetzung ermöglicht hat, und danke an Gunnar für das Korrekturlesen.
Ich danke auch allen meinen Mitgläubigen - besonders denen, mit denen ich nicht einer Meinung bin.
Einigkeit ist langweilig, weil es keine Entwicklung gibt, während Meinungsverschiedenheiten - vor allem, wenn sie konstruktiv sind - das Denken öffnen und neues Denken erschaffen. Ich möchte diese Einleitung mit einem Zitat aus dem Glaubensbekenntnis von Forn Siðr beenden, das ebenfalls von meinem Vater verfasst wurde. Ich habe es nicht geschafft, es in ein richtiges Gedicht zu verwandeln, aber ich denke, dass es sehr wichtig für das Verständnis meines Hintergrunds ist, und füge ich diese Version hier an.
Auch die alten
nordischen Götter leben
wie alles, was aus
Ymirs Körper kam.
Seele gaben mir
die Söhne Bors,
und das Leben selbst entsteht
wieder aus dem Ragnarök.
Mein Schicksal weben
die spinnenden Nornen,
doch bestimme ich
selbst mein Geschick.
Standhaft in Notzeit,
gelassen in Frohzeit
wie mein Schicksal ich nehme,
bestimmt meinen Ruhm.
Der Götter Gestalt
kann kein Mensch erschauen,
so schaffen wir Bilder
nach unserem Gesicht.
Wir sehen dasselbe,
aber sehen’s verschieden,
und niemand kann sagen,
die Wahrheit sei sein.
(Diese Übersetzung entspricht nicht dem Versmaß.)
1 Die Asen sind die dominierende Götterfamilie in der nordischen Mythologie. Gemeinsam mit der anderen Götterfamilie, den Wanen, beherrschten sie den Kosmos des nordischen Weltverständnisses.
2 Blót nennen wir das Ritual, in dem wir den Göttern Tribut zollen – dazu später mehr.
3 Der Fachbegriff für Aberglauben, Vorstellungen von übernatürlichen oder unerklärlichen Kräften, Wesen und Zusammenhängen.
Der Glaube an die altnordischen Götter ist nichts, was ich mir ausgesucht habe. Soweit ich mich erinnern kann, schien es etwas völlig Normales und Natürliches zu sein. Obwohl mein Vater Asatru war, hat er mich nicht indoktriniert. Ich wurde als Baby getauft, so wie Kinder damals (1964) eben getauft wurden, und als ich in die Pubertät kam, musste ich mich aktiv gegen die Konfirmation entscheiden, als die Familie der Ansicht war, dass ich selbstverständlich konfirmiert werden sollte. Ich wollte das nicht, was respektiert wurde, aber es gab keine Alternative, also auch keine Feier.
Ich erinnere mich, dass ich einmal - ich muss etwa 8-10 Jahre alt gewesen sein - eine Sonntagsschule besuchte. Das lag vor allem daran, dass eine der Leiterinnen, eine nette und liebenswerte ältere Dame, die man wohl als “Beauftragte der Kirchenvereinigung für die Innere Mission in Dänemark” bezeichnen kann, mich dort sehen wollte. Ich beschloss, ihr eine Freude machen und ging zu den Treffen. Ziemlich bald war mir jedoch klar, dass das nichts für mich war. Meine Mutter erzählte mir, dass ich einmal sagte: "Die Treffen sind ja ganz nett, aber warum ist jedes Mal die verd… Bibel nötig?"
In der Schule hatte ich im Werkunterricht einen Thorshammer gebastelt und war mit den Geschichten aus der nordischen Mythologie recht vertraut. Das war nicht weiter verwunderlich, denn mein Vater hatte sie uns Kindern oft vorgelesen, so wie es seine Großmutter schon getan hatte.
Es gab eine Eiche, zu der ich ging, wenn ich allein sein wollte. Dort kam ich zur Ruhe, ich war im Einklang mit der Natur und den Kräften, die mir etwas bedeuteten, aber ansonsten habe ich die Religion nicht aktiv gelebt.
Ich war wohl etwa 12-14 Jahre alt, als ich mir in der Bibliothek die Lieder-Edda auslieh und sie praktisch in einem Zug durchlas. Als ich etwa 20 war, fand ich meine erste eigene Edda in einem Antiquitätengeschäft.
Der Asatru-Glaube war fast immer da, im Hintergrund. Er war einfach da. Wenn das Gespräch auf Religion kam, zeigte ich meinen Thorshammer-Anhänger (ein Geschenk meiner Eltern) und verkündete, dass ich an Odin und Thor glaube - allerdings ohne erklären zu können, was das genau bedeutete.
Allmählich wurde mir jedoch bewusst, dass ich Lebenswahrheiten wie „du musst dich selbst anerkennen" und „jede Handlung hat eine Konsequenz" am wichtigsten fand. Je mehr ich darüber nachdachte und mit meinem Vater darüber sprach, umso mehr passte alles zusammen.
Am Jahresanfang 1996 geschah etwas Bedeutendes. Ich besuchte eine Gesundheitsmesse und entdeckte eine neue Ausgabe der Edda. Während ich sie mir ansah, kam ein Mann herüber und fragte, ob ich sie kaufen wollte, er hieß Per Olsen. Ich sagte ihm, dass ich eine Edda zuhause hatte, aber es war nicht dieselbe Übersetzung. Wir kamen ins Gespräch, und er erzählte mir, dass er Leute kannte, die den Glauben aktiv ausübten. Das war eine große Überraschung für mich, dachte ich doch damals, dass mein Vater und ich die einzigen Verrückten waren, die an die nordischen Götter glaubten.
Viel später wurde ich, zusammen mit anderen, Mitglied in Pers Band Eddagal. Wir führten Thøger Larsens Übersetzung der Lieder-Edda zu Pers schönen Melodien auf. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.
Per gab mir die Adresse eines aktiven Asatru, der mich ermutigte, einen Wikingermarkt zu besuchen, wo es seiner Meinung nach wohl die besten Kontaktmöglichkeiten gab. Heute denke ich, er tat das, um zu sehen, wie ernst es mir war und ob ich aktiv werden wollte, und ich verstehe ihn sehr gut. Ich serviere den Leuten auch nicht alles auf einem silbernen Tablett… und dieser Glaube oder Spiritualität verlangt ein aktives Bemühen von jedem einzelnen.
Zur Sommersonnwende führte ich mein erstes Blot durch - allein.
Es fühlte sich gut an.
Ein paar Wochen später fuhr ich nach Trelleborg in Schweden, wo ein großer Wikingermarkt stattfand. Dort lernte ich Bent Dahlin und seine Familie kennen, die den ganzen mitgebrachten Räucherlachs schon verkauft hatten - und daher hatten sie viel Zeit. Ich habe mich lange mit ihnen unterhalten. Es ging hauptsächlich um Asatru und teilweise um Wikinger-Reenactment als Hobby. Ich war angekommen.
In jenem Sommer besuchte ich mehrere Wikingermärkte als Wikingerin, und es fühlte sich absolut richtig an.
Ich nahm an einer echten Asatru-Hochzeit teil, weil ich die Einladung in einer Wikinger-Zeitschrift missverstanden hatte. Trotzdem fühlte ich mich willkommen, und mir wurde erst viel später klar, dass ich nicht wirklich eingeladen worden war. Auf der Hochzeit geriet ich in eine Gruppe, die ihr ganz eigenes, spontanes Blot vor Ort abhielt, und es war ein nahezu berauschendes Erlebnis, dabei zu sein. Ich wurde von einigen Teilnehmern zur Wintersonnwendfeier eingeladen, und natürlich bin ich hingefahren.
Leider war das nicht so schön - nicht jeder nahm es ernst und ich entschied, dass es zumindest eine nette Party war, aber dass ich niemals ein Blot so halten würde. Zu Weihnachten in diesem Jahr bekam ich ein besonderes Geschenk meiner Tante - die CD „Futh“ der Gruppe Tjamtjala - ein Auszug aus der Edda. Und sie sangen auf Altnordisch!
Ich war ganz aufgewühlt - das musste ich lernen! Aber wie? Ich hatte nur die Abschlussprüfung nach der 9. Klasse, daher kam ein Studium nicht in Frage. Dann traf ich Per Olsen wieder - war das Zufall? Ich erzählte ihm von meinem Problem und wiederum kam der gute Rat zügig. „Ruf Pelle an!“ sagte er. Es stellte sich heraus, dass Pelle der Goði war, der die Hochzeit geleitet hatte. Ich hatte mit ihm an dem Tag nicht gesprochen, beschloss aber trotzdem, ihn anzurufen.
Pelle nahm meine Anfrage freundlich an und ich besuchte ihn viele Male. Noch nie hatte ich jemanden erlebt, der so viele interessante Bücher besaß! Wir redeten oft bis spät in die Nacht, und ich denke, wir haben dabei beide viel gelernt.
Was das Altnordisch angeht - ich musste mir das selbst beibringen! Pelles Rat folgend, kaufte ich mir Ludwig Wimmers Altnordisches Lesebuch, das ich intensiv studierte. Nun konnte ich ein bisschen Altnordisch - zumindest so viel, dass ich die Schriften in der Originalsprache mit ein bisschen Hilfe lesen konnte.
Mein Interesse an den Wikingermärkten blieb, mein Kreis wusste, dass ich Asatru war, und Pelle kam uns oft besuchen. Im Sommer 1997 fragten mich zwei Mitglieder aus der
Wikingergruppe, ob ich sie im nächsten Sommer verheiraten würde. Es war ein großes Ding für mich, gefragt zu werden, und nach einigem Zögern sagte ich ja. Pelle stärkte mir den Rücken und meinte, ich würde das bestimmt gut hinbekommen. Er schenkte mir einen handgeschmiedeten Hammer, wie er selbst ihn trug - das Zeichen, dass ich nun tatsächlich als Goði handeln durfte.
Später in diesem Jahr fragten mich die Raben, meine Wikingergruppe, deren Mitglieder alle Asatru waren, ob ich ihre Goði für die Wintersonnenwende sein würde. Für einige Zeit blieb ich die Goði der Raben, bis ich nach Jütland zog.
Mittlerweile bin ich Goði, wenn ich mein eigenes Blot abhalte, und wenn mich jemand darum bittet.
Es ist mir sehr wichtig, klarzustellen, dass du nicht zwingend Asatru bist, weil du Wikinger-Reenactment als Hobby hast. Es gibt alle möglichen Religionen innerhalb der Wikinger-Gemeinschaft - das ist ein Hobby, eine Art zu leben, und muss nicht zwingend mit Religion zu tun haben.
Genauso finden es nicht alle Asatru cool oder haben das Bedürfnis, Wikingerkleidung zu tragen und auf Märkte zu fahren. Die meisten sind ganz normale Leute mit ganz normalen Berufen und tragen Anzüge oder Jeans. Man erkennt Asatru nicht unbedingt äußerlich - auch nicht, wenn jemand einen Thorshammer trägt, der auch ein ganz normales Schmuckstück sein kann.
Inzwischen wurde Forn Siðr „geboren“. Das erste Treffen fand im August 1997 in einem Park in Odense statt. Wir waren zu zehnt und ein ziemlich wilder Haufen, aber es war total interessant. Wir vereinbarten ein Gründungs-Thing auf Mols am
15. November 1997. Zwölf Erwachsene und ein Kind kamen zum Treffen. Nach einem langen Tag waren die Statuten erstellt, und in der ersten Nacht, als wir alle zusammensaßen, wurden mehr oder weniger geeignete Namen gefunden. Wir kehrten jedoch immer wieder zu Forn Siðr zurück, was „alter Brauch“ bedeutet.
Am nächsten Morgen vereinbarten wir den Namen der Gruppe: Forn Siðr — Ásatrú and Vanatrú Association in Dänemark. Ein neuer Verbund mit sehr alten Ahnen war geboren worden.
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Wir wissen nicht, wann es begann. Viele weise Leute haben dicke Bücher und Dissertationen darüber geschrieben, was sie glauben und denken. Wenn du eine wissenschaftliche Erklärung möchtest, empfehle ich dir, dich mit diesen zu beschäftigen, da ich das Thema nur sehr kurz behandeln werde.
In diesem Kapitel wird es darum gehen, wie die Geschichte mir begegnet, teilweise gestützt auf die Entdeckungen verschiedener Forschender, und zum anderen Teil begründet in meinem gesunden Menschenverstand und meiner Logik - etwas, das Forschenden leider nicht erlaubt ist, da sie immer alles dokumentieren müssen. Ihre Worte und Ahnungen sind nie genug.
Wie so viele andere nenne ich das, woran ich glaube, Asatru. Es macht Sinn für mich, da es den Glauben an die Asen und andere nordische Götter in den Mittelpunkt stellt. Es ist ein recht modernes Wort, und das gefällt mir.
Mir ist sehr wohl bewusst, dass mein Weg, meinen Glauben auszuüben, meilenweit von dem meiner Ahnen entfernt ist, bevor das Christentum zu uns kam. Aber ich habe damit kein Problem, denn nichts ist fix, alles entwickelt sich.
Um eine Parallele zu ziehen, schauen wir uns das Christentum an. Die Art Christentum, die in dieses Land kam als Ersatz für
„den alten Weg“ war sehr weit entfernt von der aktuellen Praxis des Christentums; es war tatsächlich näher am „alten Weg“ als modernes Christentum. Letztendlich war es Katholizismus mit einer Menge von Heiligen, und es war vermutlich nicht so schwer für unsere Ahnen, der Jungfrau Maria zu opfern anstelle von Freya. Die heiligen Quellen und alles andere bekamen neue Namen, aber… Viele Jahre später kam die Reformation und war sehr anders.
Keine Heiligen, keine Quellen und heiligen Brunnen, nur noch ein Gott und der Kirchgang - noch später wurden die Menschen so „erleuchtet“, dass der letzte Rest Magie verschwand.
Um 960 wurden die Dänen offiziell zu Christen. Viele Jahre gingen ins Land ohne sichtbares Heidentum, bis der alte Glaube wieder aufkam. Freilich hat er nur ganz dicht unter der Oberfläche geschlummert. Jetzt, in unserer Zeit, sind wir erleuchtet. Wir wissen, dass es nicht Thor ist, der das Donnern und die Blitze am Himmel verursacht, aber wir fühlen seine Kraft. Wir wissen sehr genau, dass die Sage mit der Kuh, die aus den Nebeln kommt, ein schönes Bild der Erschaffung der Welt ist, aber es ist nur ein Weg, das Unerklärliche zu erklären. Wir wissen auch um die Rückkehr des Lichts, ob wir ein Blot abhalten oder nicht. Um ganz ehrlich zu sein, ich denke nicht, dass wir das so nachempfinden können wie ein Bauer der alten Zeit, der überzeugt war, dass die Sonne ohne ein Blot nicht wiederkehren würde.
Darum denke ich, dass es ziemlich wichtig ist, den Begriff Asatru für den heutzutage praktizierten Glauben zu benutzen, dann können wir es „den vorchristlichen Glauben“ nennen, wenn wir darüber reden wollen, was vergangen ist. Ich wünschte, wir könnten Lehrern und Wissenschaftlern den Unterschied erklären - es rollt mir die Zehennägel auf, wenn
„smarte Menschen“ im Fernsehen über Asatru in Verbindung mit der Wikingerzeit sprechen.