Assassinenherz: Flucht aus Shalimar - Tanya Carpenter - E-Book

Assassinenherz: Flucht aus Shalimar E-Book

Tanya Carpenter

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Beschreibung

In einer einzigen Nacht wird dem jungen Prinzen Cassian alles genommen. Seine Familie, sein Zuhause, sein Erbe, sein behütetes Leben. Gemeinsam mit seinem Lehrer Rashid muss er aus Shalimar fliehen und sucht Zuflucht bei den Wölfen von Sarkosh.

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Seitenzahl: 144

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Kurzbeschreibung:

In einer einzigen Nacht wird dem jungen Prinzen Cassian alles genommen. Seine Familie, sein Zuhause, sein Erbe, sein behütetes Leben. Gemeinsam mit seinem Lehrer Rashid muss er aus Shalimar fliehen und sucht Zuflucht bei den Wölfen von Sarkosh.

Über die Autorin:

Tanya Carpenter wurde am 17. März 1975 in Mittelhessen geboren, wo sie auch heute noch in ländlichem Idyll lebt und arbeitet. Die Liebe zu Büchern und vor allem zum Schreiben entdeckte sie bereits als Kind und hat diese nie verloren. Hauptberuflich arbeitet Tanya Carpenter als Chef-Assistenz im Vertriebsinnendienst eines globalen Industrie-Unternehmen. Ihre Freizeit verbringt sie neben dem Schreiben gerne mit Hund und Pferd in freier Natur oder geht auf Foto-Tour. Außerdem interessiert sie sich für Mystik, Magie und alte Kulturen, liebt Musik und genießt in den Wintermonaten gerne gemütliche Leseabende vorm Kamin.

Weitere Bücher der Autorin bei Edel Elements

Assassinenherz 2 - Die Blumen der Siray Assassinenherz 3 - Im Auge der Kobra Assassinenherz 4 - Der Schatz von Shalimar

Tanya Carpenter

Assasinenherz 

Flucht aus Shalimar

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2018 by Tanya Carpenter

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur

Lektorat: Philipp Bobrowski

Korrektorat: Cathérine Fischer

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-173-7

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Inhalt

Assassinenherz Teil 1

Glossar

Assassinenherz Teil 1 – Flucht aus Shalimar

Ein leises Beben lief durch die Mauern der Kammer. Es ließ die Fackeln an den Wänden erzittern. Das Geheimnis, das sich ihnen gerade erst offenbart hatte, sollte sich nun wieder vor ihnen verbergen. Staunend betrachtete Cassian ein letztes Mal den Schatz von Shalimar in dem Wissen, dass er für lange Zeit seinen Blicken entzogen bleiben würde. Das, was er davon hatte berühren dürfen, war nicht mehr als ein Sandkorn in einer Wüste. Eine Ahnung, ein vager Traum.

„Mein Sohn“, sagte Scheich Ahmed und legte seine Hand auf Cassians Schulter, während sich die großen goldenen Flügeltüren vor ihnen schlossen.

Die letzten Strahlen Sonnenlicht, die durch die dreißig Mann hoch über ihnen liegende Öffnung hereinfielen, erweckten die Intarsien auf magische Weise zum Leben, sodass sie sich auf den Türblättern zu bewegen schienen. Nur einmal am Tag, kurz vor Sonnenuntergang, schafften es die Sonnenstrahlen bis hier herunter, sodass man dieses wundersame Schauspiel erleben konnte, das zugleich dem Eingeweihten den Weg wies, wie sich die Schatzkammer öffnen ließ. Die übrige Zeit lag die Kammer gänzlich im Dunkeln, mit brennenden Fackeln an den Wänden als einzige Lichtquelle.

Es war ein komplizierter Vorgang, hatte ihm sein Vater erklärt. Man hatte die Schatzkammer Shalimars tief in den Felsen gegraben, ihre Position nur wenigen anvertraut. Die Türen waren nach den genauen Berechnungen eines Magikus von den besten Goldschmieden des Landes gegossen und jede Figur war einzeln herausgearbeitet worden. Zuletzt hatten Architekten unter Einbeziehung astronomischer Berechnungen die Öffnung in die Kuppel der Kaverne eingebracht. Dort, wo der Sonnenuntergang sein rotgoldenes Licht hereinwerfen konnte und für wenige Minuten die Türen der Schatzkammer zum Leben erweckte. Eine Meisterleistung der Baukunst.

Es hieß, alle, die an dem Bau der Kammer beteiligt gewesen waren, hätten ihr Geheimnis mit ins Grab genommen, und dieses läge direkt unter den goldenen Türen. Cassian wollte darüber nicht nachdenken, da es ihm grausam erschien. Er hoffte, es handele sich nur eine Metapher. Doch tatsächlich war dieser Raum eines der am besten gehüteten Geheimnisse ihres Reiches. Bis zu dieser Nacht hatte auch er die Schatzkammer für eine Legende gehalten. Ruhten doch ausreichend Truhen mit Gold und Silber im Palast. Aber das hier war etwas völlig anderes.

„Vergiss niemals, Cassian, dass in jener Kammer der Reichtum ruht, auf dem Shalimar aufgebaut ist“, belehrte ihn sein Vater. „Von ihm hängt Wohl und Wehe unseres Reiches ab. Er wird sich nur dem offenbaren, der sich seiner würdig erweist.“

Cassian schluckte. Die Worte hingen bedeutungsschwer im Raum. Selbst mit seinen gerade einmal zehn Jahren begriff er, welche Ehre ihm sein Vater gerade erwies. Wie groß sein Vertrauen in ihn war, dass er ihn hierin einweihte. Scheich Ahmeds Geschenk zu Cassians Geburtstag.

„Werde ich mich würdig erweisen, Vater?“, wollte er voller Ehrfurcht wissen, war mit seinen Gedanken jedoch längst woanders. Sein Blick glitt über die vergoldeten Ornamente und Symbole, welche die Geschichte Shalimars erzählten. Stetig entdeckte er neue Details, die wie mit flüsternden Stimmen zu ihm sprachen, als wollten sie ihm all die Ereignisse der Jahrhunderte an diesem Abend offenbaren.

„Noch bist du zu jung, um zu ermessen, wie wertvoll all das ist, was hinter diesen Türen liegt. Zu leicht lassen sich deine Augen blenden. Aber du hast den Schatz gesehen, den Shalimar in seinem Herzen trägt. Vergiss es nicht. Erkenne ihn und er wird dir die Antwort geben. Dann, mein Sohn, wirst du dich als würdig erweisen. Eines Tages werden sich die Türen wieder für dich öffnen. Wenn die Zeit reif ist.“

Sanft, aber bestimmt drehte der Scheich Cassian um und schob ihn vor sich her dem Ausgang zu. Er wagte nicht, noch einmal zurückzublicken, während sie durch das Labyrinth von Gängen wieder auf die Anhöhe oberhalb des Palastes gingen. Zu benommen war sein Geist von dem soeben Erblickten. Es hatte ihn der Welt entrückt, einen Teil von ihm in eine höhere Bewusstseinsebene erhoben. Oh ja, er war noch zu jung, um all das zu begreifen. Es überstieg seine Vorstellungskraft. Sein Kopf war voll von Bildern der Geschichte, die das große Tor erzählte. Bilder, die noch zu gewaltig waren für einen kleinen Jungen. Doch es hatte ihn nachhaltig beeindruckt. Er war stolz darauf, dass sein Vater ihn für würdig genug erachtete, ihn einzuweihen. Er schwor sich, ihn nicht zu enttäuschen.

Als Vater und Sohn aus den Tiefen der Gewölbe, die sich unter dem Sand hindurchwanden, wieder nach oben kamen, versank die Sonne gerade hinter den Dünen und tauchte die Wüste in ein rotes Licht, das sich wie lebendige Flammen in den Mauern des Palastes widerspiegelte. Die Zinnen und Türme der Stadt, die sich rund um den prächtigen Herrschersitz trotzig der Wüste Siray entgegenstellten, glühten im Feuer des mächtigen Fixsterns.

Cassian schloss die Augen und hielt das Gesicht dem schwindenden Licht entgegen. Sein Herz quoll über vor Glück, dass das Schicksal ihn mit solch wundervollen Eltern und Geschwistern und einem Heim voller Schönheit und Erhabenheit gesegnet hatte.

Cassians Vater war der Herrscher von Shalimar, wie man den Palast, die sich ihm anschließende Stadt und das umgebende Land nannte. Sein ganzes bisheriges Leben hatte Cassian hier verbracht. Behütet, umsorgt, geliebt. Seine Mutter Rhana hatte ihn und seine beiden älteren Schwestern Niva und Leya in den feinen Künsten unterwiesen, während sein Vater ihm und seinem kleinen Bruder Nasram das Reiten und Bogenschießen beigebracht hatte. In Kürze würde Cassian von Krish, dem Hauptmann der Palastwache, im Schwertkampf unterrichtet werden, während sein Lehrer und Mentor Rashid ihn in allerlei Wissenschaften einweihen sollte. Er war nun alt genug, um diesen nächsten Schritt auf dem Weg zum künftigen Herrscher zu gehen. Sein Bruder würde noch drei Jahre warten müssen, bis er sich ihm anschließen durfte, doch Nasram würde auch nicht Scheich von Shalimar werden. Die Nähe zum Volk war Cassians Vater wichtig, weshalb er dies auch seine Kinder lehrte.

Cassian und Nasram spielten oft mit anderen Kindern in den verwinkelten Gassen. Ihre Mutter kümmerte sich um die Kranken und hatte stets ein offenes Ohr für die Mütter und Töchter des Landes. Ihr Vater setzte sich häufig abends in den Tavernen zu den Männern, wenn die ihr Tagewerk vollbracht hatten, und sprach mit ihnen über ihre alltäglichen Sorgen und Nöte. Es konnte nur der sein Volk verstehen und weise regieren, der um ihre Sorgen, Ängste und Nöte wusste, aber auch Freude, Hoffnung und Glück mit ihnen teilte. Das war Scheich Ahmeds Credo, und diese Haltung sicherte ihm seit vielen Jahren die Zuneigung und das Vertrauen seines Volkes.

Cassian hoffte, dass er dem Namen und dem Ansehen seines Vaters gerecht wurde, wenn er eines Tages in seine Fußstapfen trat.

Als Cassian seine Augen wieder öffnete, lag das schwarze Tuch der Nacht über der Wüste. Nur der Palast von Shalimar leuchtete mit seinen alabasterweißen Türmen wie aus Mondlicht gegossen und verströmte eine erhabene Magie, die ihm jedes Mal den Atem raubte, ganz gleich, wie oft er diesen Anblick auch genoss. Zuweilen stellte er sich vor, die Geister vergangener Helden würden die Palastmauern durchstreifen, weil ihm Shalimar in diesem Dämmerlicht beinah wie ein Ort jenseits von Zeit und Raum erschien. Während seine Geschwister bei diesem Gedanken oft zitterten und sich unter ihren Bettdecken verkrochen, empfand er selbst niemals Angst vor den ruhelosen Seelen. Im Gegenteil, er sehnte sich danach, ihre Geschichten zu ergründen und ein Teil von ihnen zu werden.

Cassian liebte den Frieden und die Stille, die mit der Dunkelheit einhergingen. Manchmal ritt er heimlich mit Ilja, seinem Beduinenpony, hinaus in die Wüste und lauschte den Gesängen ihrer Bewohner, die in der Hitze des Tages Zuflucht suchten und erst mit der angenehmen Kühle nach Sonnenuntergang hervorkamen. Auch dabei hatte Cassian noch nie Angst verspürt. Der Eindruck, der Welt entrückt zu sein, verstärkte sich fernab anderer Menschen und ließ eine tiefe Zufriedenheit in ihm zurück, weil er sich als Teil aller Geheimnisse fühlte. Ebensolcher Geheimnisse wie dem, in das sein Vater ihn gerade eingeweiht hatte.

„Komm, mein Sohn“, sagte Scheich Ahmed und riss ihn so aus seinen Gedanken. „Es wird Zeit.“

Ein leiser Seufzer entwich Cassians Lippen. Allzu gern wäre er später in die Wüste geritten, um das Gesehene zu überdenken und zu verarbeiten, doch heute Nacht war das nicht möglich. Nicht nur, weil sie heute seinen Geburtstag feierten, sondern auch, weil sie die Nacht des Lichtes begingen. Zum ersten Mal in seinem Leben würde Cassian den Göttern das Opfer bringen.

„Bist du nervös?“, erkundigte sich sein Vater, und es beschämte Cassian, dass man ihm das offenbar ansah.

„Es ist eine große Verantwortung“, antwortete er. „Ich darf nicht versagen.“

Scheich Ahmed klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Das wirst du nicht. Selay wacht über dich seit deiner Geburt. Sie wird es auch heute Nacht tun und dein Opfer willkommen heißen.“

Cassian biss sich auf die Lippen. Die Göttin Selay, deren Feuer Leben und Gesundheit symbolisierten, bereitete ihm weit weniger Sorge als ihr dunkler Gefährte Munyo, in dessen Glut die Schwerter des Krieges geschmiedet wurden. Wo Selay sanft und gütig war, galt Munyo als unerbittlicher Streiter. Gemeinsam bewahrten sie das Gleichgewicht des Elementes Feuer, von dem das Überleben in der Wüste abhing. Ohne Feuer gab es kein Leben, doch hielt man es nicht im Zaum, wurde es schnell zerstörerisch. Der Gedanke, dass er die Verantwortung trug, wenn das Glück Shalimar heute Nacht für die kommenden dreizehn Monde verließ, weil er einen Fehler machte, verschaffte Cassian einen Kloß im Hals.

Wochenlang hatte Rashid ihn darauf vorbereitet, doch gerade quoll sein Geist über von dem, was er gesehen hatte. Vielleicht eine weitere Prüfung, der ihn sein Vater unterzog und die es zu bestehen galt.

„Sorge dich nicht, mein Sohn. Shalimar wird fruchtbar bleiben und der Wüste trotzen, wie es das all die Jahre getan hat. Es liegt in unserer Hand, das weißt du.“

Er nickte zögernd, obwohl er es noch immer nicht ganz begriff, aber er vertraute den Worten seines Vaters.

Nach und nach flammten überall in der Stadt Fackeln, Leuchtkreise und Lagerfeuer auf, die ihnen den Weg zurück zum Palast erhellten. In gut einer Stunde begann das Lichterfest mit der Opfergabe im Tempel. Alle Bewohner Shalimars würden dort sein, um Cassian als ihrem Prinzen und zukünftigen Herrscher zu huldigen und ihm ein langes, gesundes Leben zu wünschen, aber auch, um zu sehen, ob sein Gebet an die beiden Hüter der Stadt erhört wurde und ihnen weiterhin Segen versprach.

„Na, hast dich auch gut vorbereitet?“, empfing ihn sein Bruder spöttisch und zog eine Grimasse.

„Ach, sei still“, sagte Cassian harscher als beabsichtigt. Nasram ärgerte ihn seit Wochen. Der junge Prinz war voller Übermut und tat oft so, als würde er mit Munyo kämpfen, der sein schwarz loderndes Zepter im Sturm über der Wüste schwenkte. Cassian respektierte seine Kraft, doch seine Liebe galt Selay, deren Glut sich mit dem lebensspendenden Element Wasser verband und so der Erde Fruchtbarkeit statt Zerstörung schenkte. Sie war für ihn wie ein geistiger Führer, dessen Weisheit es eines Tages zu erreichen galt.

„Heute Nacht wird Munyo sprechen“, prophezeite Nasram theatralisch. „Die Zeit des Friedens neigt sich ihrem Ende zu.“

„Nasram!“, sagte nun auch Ahmed streng. „Hör auf mit dem Unsinn. Munyo stärkt uns im Kampf, doch nur, um den Frieden zu bewahren, nicht, um ihn zu beenden. Du solltest deine Hausaufgaben besser machen.“

Sein Bruder zog beleidigt einen Flunsch, schwieg aber gehorsam.

Rhana, Cassians Mutter, kam mit seinen Schwestern Leya und Niva. Sie trug den Korb mit den Opfergaben, während die beiden Mädchen jeweils einen Krug mit Wasser aus der Quelle brachten. Alle drei überreichten ihre kostbare Fracht einigen Dienerinnen, die sie zum Tempel tragen sollten.

Shalimar nährte seine Bewohner mit der nie versiegenden Quelle einer Oase, um die herum der Palast und schließlich auch die Stadt entstanden war. Das Wasser stieg so tief aus dem Boden hervor, dass es wider Erwarten kühl war und selbst in der größten Hitzeperiode den See und die sich anschließenden Brunnen füllte. In einhundert Jahren hatte es nicht einen Tag gegeben, an dem Shalimar ohne Wasser gewesen wäre, und auch die Fruchtbarkeit der Böden südlich der Stadt hatte darin ihre Ursache.

Anders als in den meisten anderen Wüstenstädten forderte Scheich Ahmed von seinen Untertanen keine Abgaben, wenn sie ihre Krüge und Fässer füllten. In seinen Augen war das Wasser ein Grundrecht jedes Mannes und jeder Frau, die ihr Leben in den Dienst Shalimars stellten. Auch das war ein Grund dafür, warum das Volk ihn so liebte. Die Steuern waren gerecht und ließen jedem genug zum Leben. Die Opfergaben für die Götter mussten nicht die Bürger zusammentragen, sondern die Herrscherfamilie brachte sie im Tempel dar, wann immer es einen Anlass dazu gab.

Hussam, der Berater seines Vaters, würde heute Nacht nicht mit ihnen feiern, da er sich auf eine weitere Reise als Botschafter Shalimars begab, und es zum Wohle seines Pferdes vorzog, nach Einbruch der Dunkelheit zu reisen. Da Scheich Ahmed nur selten fremden Rat benötigte, hatte Hussam es sich zur Aufgabe gemacht, ihrem Land eine Stimme in der Fremde zu verleihen. Mit seinem feinen Benehmen und dem stets akkurat gestutzten Bart und Kopfhaar wirkte er ausgesprochen vertrauenswürdig, was es ihm leicht machte, Kontakte zu knüpfen. Hussam unterhielt Handelsbeziehungen zu anderen Städten und Ländern und vertrat Shalimar an fremden Herrscherhöfen. Neben Rashid genoss Hussam wohl das größte Vertrauen im Palast. Mehr sogar noch als Krish, obwohl der Hauptmann seit Kindertagen mit Scheich Ahmed befreundet war.

Doch auch, wenn er bereits reisefertig war, ließ er es sich nicht nehmen, Cassian zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll und überreichte ihm ein in blaue Seide gewickeltes Paket. Es war schwer und klirrte leise, als Cassian es an sich nahm. Mit großen Augen blickte er Hussam an.

Der nickte auffordernd und lächelte. „Nur zu. Ich weiß zwar, dass Ihr Euer zehntes Lebensjahr erst in einigen Stunden vollenden werdet, doch da ich dann schon nicht mehr hier sein werde, wäre es mir eine Ehre, wenn Ihr meine bescheidene Gabe schon jetzt auspacken würdet.“

Fragend sah Cassian zu seinem Vater, doch auch Ahmed nickte wohlwollend. „Öffne es, mein Sohn.“

Cassian tat, wie ihm geheißen. Als er die seidigen Lagen auseinanderfaltete, kam darunter ein kostbarer Zaum aus rotem Ziegenleder zum Vorschein, der Ilja wie angegossen passen und einen perfekten Kontrast zu ihrem grauen Fell bieten würde. Er war extra für das Wüstenpony angefertigt worden. In die geflochtenen Schnüre waren allerhand Perlen und Edelsteine eingewoben. Die Zügel endeten in goldenen Quasten.

„Er ist wunderschön!“, hauchte Cassian und strich bewundernd über die feinen Riemen.

„Es freut mich, dass er dir gefällt“, sagte Hussam und nahm ihn zum Abschied in den Arm. „Sobald ich zurück bin, reiten wir zusammen aus, ja?“, flüsterte er ihm zu und Cassian nickte mit leuchtenden Augen.

Rashid trat heran und legte Cassian die Hand auf die Schulter. Der Blick, den er Hussam zuwarf, war kühl wie immer, doch das war nichts Ungewöhnliches, denn Rashid begegnete allem und jedem mit gewisser Distanz. Um seine Vergangenheit rankten sich viele Geheimnisse, doch er genoss ein hohes Ansehen bei Scheich Ahmed und hatte sich Shalimar stets als wertvolles Mitglied des Palastregimes erwiesen. Sein kahler Schädel und seine eher hagere Statur ließen ihn zuweilen eher wie einen Mönch wirken, und irgendwie passte das zu dem weisen und stets besonnenen Mann, der Cassian und seine Geschwister in allen Wissensgebieten unterrichtete.

„Es wird Zeit. Wir sollten das Volk nicht warten lassen.“ Rashids Stimme war trotz der kühnen Forderung voller Wärme. Cassian hatte ihn stets als gütigen und weisen Mann kennengelernt, ungeachtet der Vorbehalte, die ihm manch andere entgegenbrachten.

„Rashid hat recht“, stimmte auch sein Vater zu. „Lasst uns aufbrechen. Und dir, Hussam, eine sichere Reise. Kehre bald zurück.“

„Das werde ich, mein Gebieter. Ihr werdet überrascht sein, wie schnell die Zeit vergeht bis zu meiner Wiederkehr.“ Er verneigte sich ein letztes Mal tief und zog sich zu seinem braunen Wallach zurück. Erst, als er bereits im Sattel saß und auf das Haupttor zuritt, machte sich auch Cassians Familie auf den Weg zum Tempel.