Assassinenherz Gesamtausgabe - Tanya Carpenter - E-Book

Assassinenherz Gesamtausgabe E-Book

Tanya Carpenter

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Beschreibung

Die Gesamtausgabe der beliebten Assassinenherz-Reihe! Assassinenherz: Flucht aus Shalimar In einer einzigen Nacht wird dem jungen Prinzen Cassian alles genommen. Seine Familie, sein Zuhause, sein Erbe, sein behütetes Leben. Gemeinsam mit seinem Lehrer Rashid muss er aus Shalimar fliehen und sucht Zuflucht bei den Wölfen von Sarkosh. Assassinenherz: Die Blume der Siray Im Herzen des Sarkosh-Gebirges hat Jalal, der Fürst der Assassinen, Cassian zu einem erbarmungslosen Killer erzogen. Derweil wächst in Shalimar Sureija, die Tochter des neuen Herrschers heran und sieht der Ankunft ihres Bräutigams entgegen. Als Cassian aufbricht, um seinen Rachefeldzug gegen den alten Feind anzutreten, begegnen sich die beiden jungen Leute und das Schicksalsrad beginnt seinen Lauf. Assassinenherz: Im Auge der Kobra Dank einer List schlüpft Cassian in die Identität von Sureijas Bräutigam Kilian von Valjamar und kehrt so inkognito nach Shalimar zurück. Noch immer ist sein Herz von Rachedurst erfüllt, aber mehr und mehr verfällt er Sureijas Liebreiz und erfährt Dinge, die seine bisherigen Pläne infrage stellen. Bis sich der wahre Feind zu erkennen gibt. Assassinenherz: Der Schatz von Shalimar Cassian will den Schwur, den er seinem Vater gab, nicht brechen. Gemeinsam mit den wenigen Gefährten, die ihm geblieben sind, macht er sich auf, um die Mörder seiner Familie zur Strecke zu bringen und sich seines Erbes würdig zu erweisen – koste es, was es wolle."

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Kurzbeschreibung:

Assassinenherz: Flucht aus Shalimar

In einer einzigen Nacht wird dem jungen Prinzen Cassian alles genommen. Seine Familie, sein Zuhause, sein Erbe, sein behütetes Leben. Gemeinsam mit seinem Lehrer Rashid muss er aus Shalimar fliehen und sucht Zuflucht bei den Wölfen von Sarkosh.

Assassinenherz: Die Blume der Siray

Im Herzen des Sarkosh-Gebirges hat Jalal, der Fürst der Assassinen, Cassian zu einem erbarmungslosen Killer erzogen. Derweil wächst in Shalimar Sureija, die Tochter des neuen Herrschers heran und sieht der Ankunft ihres Bräutigams entgegen. Als Cassian aufbricht, um seinen Rachefeldzug gegen den alten Feind anzutreten, begegnen sich die beiden jungen Leute und das Schicksalsrad beginnt seinen Lauf.

Assassinenherz: Im Auge der Kobra

Dank einer List schlüpft Cassian in die Identität von Sureijas Bräutigam Kilian von Valjamar und kehrt so inkognito nach Shalimar zurück. Noch immer ist sein Herz von Rachedurst erfüllt, aber mehr und mehr verfällt er Sureijas Liebreiz und erfährt Dinge, die seine bisherigen Pläne infrage stellen. Bis sich der wahre Feind zu erkennen gibt.

Assassinenherz: Der Schatz von Shalimar

Cassian will den Schwur, den er seinem Vater gab, nicht brechen. Gemeinsam mit den wenigen Gefährten, die ihm geblieben sind, macht er sich auf, um die Mörder seiner Familie zur Strecke zu bringen und sich seines Erbes würdig zu erweisen – koste es, was es wolle.

Tanya Carpenter

Assassinenherz Gesamtausgabe

Roman

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2020 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2020 by Tanya Carpenter

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-359-5

www.instagram.com

www.facebook.com

www.edelelements.de

Inhalt

Flucht aus Shalimar

Kurzbeschreibung

Titelseite

Impressum

Assassinenherz Teil 1

Glossar

Die Blume der Siray

Kurzbeschreibung

Titelseite

Impressum

Assassinenherz Teil 2

Glossar

Im Auge der Kobra

Kurzbeschreibung

Titelseite

Impressum

Assassinenherz Teil 3

Glossar

Der Schatz von Shalimar

Kurzbeschreibung

Titelseite

Impressum

Assassinenherz Teil 4

Epilog

Danksagung

Glossar

Kurzbeschreibung:

In einer einzigen Nacht wird dem jungen Prinzen Cassian alles genommen. Seine Familie, sein Zuhause, sein Erbe, sein behütetes Leben. Gemeinsam mit seinem Lehrer Rashid muss er aus Shalimar fliehen und sucht Zuflucht bei den Wölfen von Sarkosh.

Über die Autorin:

Tanya Carpenter wurde am 17. März 1975 in Mittelhessen geboren, wo sie auch heute noch in ländlichem Idyll lebt und arbeitet. Die Liebe zu Büchern und vor allem zum Schreiben entdeckte sie bereits als Kind und hat diese nie verloren. Hauptberuflich arbeitet Tanya Carpenter als Chef-Assistenz im Vertriebsinnendienst eines globalen Industrie-Unternehmen. Ihre Freizeit verbringt sie neben dem Schreiben gerne mit Hund und Pferd in freier Natur oder geht auf Foto-Tour. Außerdem interessiert sie sich für Mystik, Magie und alte Kulturen, liebt Musik und genießt in den Wintermonaten gerne gemütliche Leseabende vorm Kamin.

Weitere Bücher der Autorin bei Edel Elements

Assassinenherz 2 - Die Blumen der Siray Assassinenherz 3 - Im Auge der Kobra Assassinenherz 4 - Der Schatz von Shalimar

Tanya Carpenter

Assasinenherz 

Flucht aus Shalimar

Edel Elements

Edel Elements

Ein Verlag der Edel Germany GmbH

© 2018 Edel Germany GmbHNeumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edel.com

Copyright © 2018 by Tanya Carpenter

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Ashera Agentur

Lektorat: Philipp Bobrowski

Korrektorat: Cathérine Fischer

Covergestaltung: Anke Koopmann, Designomicon, München

Konvertierung: Datagrafix

Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers wiedergegeben werden.

ISBN: 978-3-96215-173-7

www.facebook.com/EdelElements/

www.edelelements.de/

Assassinenherz Teil 1 – Flucht aus Shalimar

Ein leises Beben lief durch die Mauern der Kammer. Es ließ die Fackeln an den Wänden erzittern. Das Geheimnis, das sich ihnen gerade erst offenbart hatte, sollte sich nun wieder vor ihnen verbergen. Staunend betrachtete Cassian ein letztes Mal den Schatz von Shalimar in dem Wissen, dass er für lange Zeit seinen Blicken entzogen bleiben würde. Das, was er davon hatte berühren dürfen, war nicht mehr als ein Sandkorn in einer Wüste. Eine Ahnung, ein vager Traum.

„Mein Sohn“, sagte Scheich Ahmed und legte seine Hand auf Cassians Schulter, während sich die großen goldenen Flügeltüren vor ihnen schlossen.

Die letzten Strahlen Sonnenlicht, die durch die dreißig Mann hoch über ihnen liegende Öffnung hereinfielen, erweckten die Intarsien auf magische Weise zum Leben, sodass sie sich auf den Türblättern zu bewegen schienen. Nur einmal am Tag, kurz vor Sonnenuntergang, schafften es die Sonnenstrahlen bis hier herunter, sodass man dieses wundersame Schauspiel erleben konnte, das zugleich dem Eingeweihten den Weg wies, wie sich die Schatzkammer öffnen ließ. Die übrige Zeit lag die Kammer gänzlich im Dunkeln, mit brennenden Fackeln an den Wänden als einzige Lichtquelle.

Es war ein komplizierter Vorgang, hatte ihm sein Vater erklärt. Man hatte die Schatzkammer Shalimars tief in den Felsen gegraben, ihre Position nur wenigen anvertraut. Die Türen waren nach den genauen Berechnungen eines Magikus von den besten Goldschmieden des Landes gegossen und jede Figur war einzeln herausgearbeitet worden. Zuletzt hatten Architekten unter Einbeziehung astronomischer Berechnungen die Öffnung in die Kuppel der Kaverne eingebracht. Dort, wo der Sonnenuntergang sein rotgoldenes Licht hereinwerfen konnte und für wenige Minuten die Türen der Schatzkammer zum Leben erweckte. Eine Meisterleistung der Baukunst.

Es hieß, alle, die an dem Bau der Kammer beteiligt gewesen waren, hätten ihr Geheimnis mit ins Grab genommen, und dieses läge direkt unter den goldenen Türen. Cassian wollte darüber nicht nachdenken, da es ihm grausam erschien. Er hoffte, es handele sich nur eine Metapher. Doch tatsächlich war dieser Raum eines der am besten gehüteten Geheimnisse ihres Reiches. Bis zu dieser Nacht hatte auch er die Schatzkammer für eine Legende gehalten. Ruhten doch ausreichend Truhen mit Gold und Silber im Palast. Aber das hier war etwas völlig anderes.

„Vergiss niemals, Cassian, dass in jener Kammer der Reichtum ruht, auf dem Shalimar aufgebaut ist“, belehrte ihn sein Vater. „Von ihm hängt Wohl und Wehe unseres Reiches ab. Er wird sich nur dem offenbaren, der sich seiner würdig erweist.“

Cassian schluckte. Die Worte hingen bedeutungsschwer im Raum. Selbst mit seinen gerade einmal zehn Jahren begriff er, welche Ehre ihm sein Vater gerade erwies. Wie groß sein Vertrauen in ihn war, dass er ihn hierin einweihte. Scheich Ahmeds Geschenk zu Cassians Geburtstag.

„Werde ich mich würdig erweisen, Vater?“, wollte er voller Ehrfurcht wissen, war mit seinen Gedanken jedoch längst woanders. Sein Blick glitt über die vergoldeten Ornamente und Symbole, welche die Geschichte Shalimars erzählten. Stetig entdeckte er neue Details, die wie mit flüsternden Stimmen zu ihm sprachen, als wollten sie ihm all die Ereignisse der Jahrhunderte an diesem Abend offenbaren.

„Noch bist du zu jung, um zu ermessen, wie wertvoll all das ist, was hinter diesen Türen liegt. Zu leicht lassen sich deine Augen blenden. Aber du hast den Schatz gesehen, den Shalimar in seinem Herzen trägt. Vergiss es nicht. Erkenne ihn und er wird dir die Antwort geben. Dann, mein Sohn, wirst du dich als würdig erweisen. Eines Tages werden sich die Türen wieder für dich öffnen. Wenn die Zeit reif ist.“

Sanft, aber bestimmt drehte der Scheich Cassian um und schob ihn vor sich her dem Ausgang zu. Er wagte nicht, noch einmal zurückzublicken, während sie durch das Labyrinth von Gängen wieder auf die Anhöhe oberhalb des Palastes gingen. Zu benommen war sein Geist von dem soeben Erblickten. Es hatte ihn der Welt entrückt, einen Teil von ihm in eine höhere Bewusstseinsebene erhoben. Oh ja, er war noch zu jung, um all das zu begreifen. Es überstieg seine Vorstellungskraft. Sein Kopf war voll von Bildern der Geschichte, die das große Tor erzählte. Bilder, die noch zu gewaltig waren für einen kleinen Jungen. Doch es hatte ihn nachhaltig beeindruckt. Er war stolz darauf, dass sein Vater ihn für würdig genug erachtete, ihn einzuweihen. Er schwor sich, ihn nicht zu enttäuschen.

Als Vater und Sohn aus den Tiefen der Gewölbe, die sich unter dem Sand hindurchwanden, wieder nach oben kamen, versank die Sonne gerade hinter den Dünen und tauchte die Wüste in ein rotes Licht, das sich wie lebendige Flammen in den Mauern des Palastes widerspiegelte. Die Zinnen und Türme der Stadt, die sich rund um den prächtigen Herrschersitz trotzig der Wüste Siray entgegenstellten, glühten im Feuer des mächtigen Fixsterns.

Cassian schloss die Augen und hielt das Gesicht dem schwindenden Licht entgegen. Sein Herz quoll über vor Glück, dass das Schicksal ihn mit solch wundervollen Eltern und Geschwistern und einem Heim voller Schönheit und Erhabenheit gesegnet hatte.

Cassians Vater war der Herrscher von Shalimar, wie man den Palast, die sich ihm anschließende Stadt und das umgebende Land nannte. Sein ganzes bisheriges Leben hatte Cassian hier verbracht. Behütet, umsorgt, geliebt. Seine Mutter Rhana hatte ihn und seine beiden älteren Schwestern Niva und Leya in den feinen Künsten unterwiesen, während sein Vater ihm und seinem kleinen Bruder Nasram das Reiten und Bogenschießen beigebracht hatte. In Kürze würde Cassian von Krish, dem Hauptmann der Palastwache, im Schwertkampf unterrichtet werden, während sein Lehrer und Mentor Rashid ihn in allerlei Wissenschaften einweihen sollte. Er war nun alt genug, um diesen nächsten Schritt auf dem Weg zum künftigen Herrscher zu gehen. Sein Bruder würde noch drei Jahre warten müssen, bis er sich ihm anschließen durfte, doch Nasram würde auch nicht Scheich von Shalimar werden. Die Nähe zum Volk war Cassians Vater wichtig, weshalb er dies auch seine Kinder lehrte.

Cassian und Nasram spielten oft mit anderen Kindern in den verwinkelten Gassen. Ihre Mutter kümmerte sich um die Kranken und hatte stets ein offenes Ohr für die Mütter und Töchter des Landes. Ihr Vater setzte sich häufig abends in den Tavernen zu den Männern, wenn die ihr Tagewerk vollbracht hatten, und sprach mit ihnen über ihre alltäglichen Sorgen und Nöte. Es konnte nur der sein Volk verstehen und weise regieren, der um ihre Sorgen, Ängste und Nöte wusste, aber auch Freude, Hoffnung und Glück mit ihnen teilte. Das war Scheich Ahmeds Credo, und diese Haltung sicherte ihm seit vielen Jahren die Zuneigung und das Vertrauen seines Volkes.

Cassian hoffte, dass er dem Namen und dem Ansehen seines Vaters gerecht wurde, wenn er eines Tages in seine Fußstapfen trat.

Als Cassian seine Augen wieder öffnete, lag das schwarze Tuch der Nacht über der Wüste. Nur der Palast von Shalimar leuchtete mit seinen alabasterweißen Türmen wie aus Mondlicht gegossen und verströmte eine erhabene Magie, die ihm jedes Mal den Atem raubte, ganz gleich, wie oft er diesen Anblick auch genoss. Zuweilen stellte er sich vor, die Geister vergangener Helden würden die Palastmauern durchstreifen, weil ihm Shalimar in diesem Dämmerlicht beinah wie ein Ort jenseits von Zeit und Raum erschien. Während seine Geschwister bei diesem Gedanken oft zitterten und sich unter ihren Bettdecken verkrochen, empfand er selbst niemals Angst vor den ruhelosen Seelen. Im Gegenteil, er sehnte sich danach, ihre Geschichten zu ergründen und ein Teil von ihnen zu werden.

Cassian liebte den Frieden und die Stille, die mit der Dunkelheit einhergingen. Manchmal ritt er heimlich mit Ilja, seinem Beduinenpony, hinaus in die Wüste und lauschte den Gesängen ihrer Bewohner, die in der Hitze des Tages Zuflucht suchten und erst mit der angenehmen Kühle nach Sonnenuntergang hervorkamen. Auch dabei hatte Cassian noch nie Angst verspürt. Der Eindruck, der Welt entrückt zu sein, verstärkte sich fernab anderer Menschen und ließ eine tiefe Zufriedenheit in ihm zurück, weil er sich als Teil aller Geheimnisse fühlte. Ebensolcher Geheimnisse wie dem, in das sein Vater ihn gerade eingeweiht hatte.

„Komm, mein Sohn“, sagte Scheich Ahmed und riss ihn so aus seinen Gedanken. „Es wird Zeit.“

Ein leiser Seufzer entwich Cassians Lippen. Allzu gern wäre er später in die Wüste geritten, um das Gesehene zu überdenken und zu verarbeiten, doch heute Nacht war das nicht möglich. Nicht nur, weil sie heute seinen Geburtstag feierten, sondern auch, weil sie die Nacht des Lichtes begingen. Zum ersten Mal in seinem Leben würde Cassian den Göttern das Opfer bringen.

„Bist du nervös?“, erkundigte sich sein Vater, und es beschämte Cassian, dass man ihm das offenbar ansah.

„Es ist eine große Verantwortung“, antwortete er. „Ich darf nicht versagen.“

Scheich Ahmed klopfte ihm beruhigend auf die Schulter. „Das wirst du nicht. Selay wacht über dich seit deiner Geburt. Sie wird es auch heute Nacht tun und dein Opfer willkommen heißen.“

Cassian biss sich auf die Lippen. Die Göttin Selay, deren Feuer Leben und Gesundheit symbolisierten, bereitete ihm weit weniger Sorge als ihr dunkler Gefährte Munyo, in dessen Glut die Schwerter des Krieges geschmiedet wurden. Wo Selay sanft und gütig war, galt Munyo als unerbittlicher Streiter. Gemeinsam bewahrten sie das Gleichgewicht des Elementes Feuer, von dem das Überleben in der Wüste abhing. Ohne Feuer gab es kein Leben, doch hielt man es nicht im Zaum, wurde es schnell zerstörerisch. Der Gedanke, dass er die Verantwortung trug, wenn das Glück Shalimar heute Nacht für die kommenden dreizehn Monde verließ, weil er einen Fehler machte, verschaffte Cassian einen Kloß im Hals.

Wochenlang hatte Rashid ihn darauf vorbereitet, doch gerade quoll sein Geist über von dem, was er gesehen hatte. Vielleicht eine weitere Prüfung, der ihn sein Vater unterzog und die es zu bestehen galt.

„Sorge dich nicht, mein Sohn. Shalimar wird fruchtbar bleiben und der Wüste trotzen, wie es das all die Jahre getan hat. Es liegt in unserer Hand, das weißt du.“

Er nickte zögernd, obwohl er es noch immer nicht ganz begriff, aber er vertraute den Worten seines Vaters.

Nach und nach flammten überall in der Stadt Fackeln, Leuchtkreise und Lagerfeuer auf, die ihnen den Weg zurück zum Palast erhellten. In gut einer Stunde begann das Lichterfest mit der Opfergabe im Tempel. Alle Bewohner Shalimars würden dort sein, um Cassian als ihrem Prinzen und zukünftigen Herrscher zu huldigen und ihm ein langes, gesundes Leben zu wünschen, aber auch, um zu sehen, ob sein Gebet an die beiden Hüter der Stadt erhört wurde und ihnen weiterhin Segen versprach.

„Na, hast dich auch gut vorbereitet?“, empfing ihn sein Bruder spöttisch und zog eine Grimasse.

„Ach, sei still“, sagte Cassian harscher als beabsichtigt. Nasram ärgerte ihn seit Wochen. Der junge Prinz war voller Übermut und tat oft so, als würde er mit Munyo kämpfen, der sein schwarz loderndes Zepter im Sturm über der Wüste schwenkte. Cassian respektierte seine Kraft, doch seine Liebe galt Selay, deren Glut sich mit dem lebensspendenden Element Wasser verband und so der Erde Fruchtbarkeit statt Zerstörung schenkte. Sie war für ihn wie ein geistiger Führer, dessen Weisheit es eines Tages zu erreichen galt.

„Heute Nacht wird Munyo sprechen“, prophezeite Nasram theatralisch. „Die Zeit des Friedens neigt sich ihrem Ende zu.“

„Nasram!“, sagte nun auch Ahmed streng. „Hör auf mit dem Unsinn. Munyo stärkt uns im Kampf, doch nur, um den Frieden zu bewahren, nicht, um ihn zu beenden. Du solltest deine Hausaufgaben besser machen.“

Sein Bruder zog beleidigt einen Flunsch, schwieg aber gehorsam.

Rhana, Cassians Mutter, kam mit seinen Schwestern Leya und Niva. Sie trug den Korb mit den Opfergaben, während die beiden Mädchen jeweils einen Krug mit Wasser aus der Quelle brachten. Alle drei überreichten ihre kostbare Fracht einigen Dienerinnen, die sie zum Tempel tragen sollten.

Shalimar nährte seine Bewohner mit der nie versiegenden Quelle einer Oase, um die herum der Palast und schließlich auch die Stadt entstanden war. Das Wasser stieg so tief aus dem Boden hervor, dass es wider Erwarten kühl war und selbst in der größten Hitzeperiode den See und die sich anschließenden Brunnen füllte. In einhundert Jahren hatte es nicht einen Tag gegeben, an dem Shalimar ohne Wasser gewesen wäre, und auch die Fruchtbarkeit der Böden südlich der Stadt hatte darin ihre Ursache.

Anders als in den meisten anderen Wüstenstädten forderte Scheich Ahmed von seinen Untertanen keine Abgaben, wenn sie ihre Krüge und Fässer füllten. In seinen Augen war das Wasser ein Grundrecht jedes Mannes und jeder Frau, die ihr Leben in den Dienst Shalimars stellten. Auch das war ein Grund dafür, warum das Volk ihn so liebte. Die Steuern waren gerecht und ließen jedem genug zum Leben. Die Opfergaben für die Götter mussten nicht die Bürger zusammentragen, sondern die Herrscherfamilie brachte sie im Tempel dar, wann immer es einen Anlass dazu gab.

Hussam, der Berater seines Vaters, würde heute Nacht nicht mit ihnen feiern, da er sich auf eine weitere Reise als Botschafter Shalimars begab, und es zum Wohle seines Pferdes vorzog, nach Einbruch der Dunkelheit zu reisen. Da Scheich Ahmed nur selten fremden Rat benötigte, hatte Hussam es sich zur Aufgabe gemacht, ihrem Land eine Stimme in der Fremde zu verleihen. Mit seinem feinen Benehmen und dem stets akkurat gestutzten Bart und Kopfhaar wirkte er ausgesprochen vertrauenswürdig, was es ihm leicht machte, Kontakte zu knüpfen. Hussam unterhielt Handelsbeziehungen zu anderen Städten und Ländern und vertrat Shalimar an fremden Herrscherhöfen. Neben Rashid genoss Hussam wohl das größte Vertrauen im Palast. Mehr sogar noch als Krish, obwohl der Hauptmann seit Kindertagen mit Scheich Ahmed befreundet war.

Doch auch, wenn er bereits reisefertig war, ließ er es sich nicht nehmen, Cassian zu seinem Geburtstag zu gratulieren. Er verneigte sich ehrfurchtsvoll und überreichte ihm ein in blaue Seide gewickeltes Paket. Es war schwer und klirrte leise, als Cassian es an sich nahm. Mit großen Augen blickte er Hussam an.

Der nickte auffordernd und lächelte. „Nur zu. Ich weiß zwar, dass Ihr Euer zehntes Lebensjahr erst in einigen Stunden vollenden werdet, doch da ich dann schon nicht mehr hier sein werde, wäre es mir eine Ehre, wenn Ihr meine bescheidene Gabe schon jetzt auspacken würdet.“

Fragend sah Cassian zu seinem Vater, doch auch Ahmed nickte wohlwollend. „Öffne es, mein Sohn.“

Cassian tat, wie ihm geheißen. Als er die seidigen Lagen auseinanderfaltete, kam darunter ein kostbarer Zaum aus rotem Ziegenleder zum Vorschein, der Ilja wie angegossen passen und einen perfekten Kontrast zu ihrem grauen Fell bieten würde. Er war extra für das Wüstenpony angefertigt worden. In die geflochtenen Schnüre waren allerhand Perlen und Edelsteine eingewoben. Die Zügel endeten in goldenen Quasten.

„Er ist wunderschön!“, hauchte Cassian und strich bewundernd über die feinen Riemen.

„Es freut mich, dass er dir gefällt“, sagte Hussam und nahm ihn zum Abschied in den Arm. „Sobald ich zurück bin, reiten wir zusammen aus, ja?“, flüsterte er ihm zu und Cassian nickte mit leuchtenden Augen.

Rashid trat heran und legte Cassian die Hand auf die Schulter. Der Blick, den er Hussam zuwarf, war kühl wie immer, doch das war nichts Ungewöhnliches, denn Rashid begegnete allem und jedem mit gewisser Distanz. Um seine Vergangenheit rankten sich viele Geheimnisse, doch er genoss ein hohes Ansehen bei Scheich Ahmed und hatte sich Shalimar stets als wertvolles Mitglied des Palastregimes erwiesen. Sein kahler Schädel und seine eher hagere Statur ließen ihn zuweilen eher wie einen Mönch wirken, und irgendwie passte das zu dem weisen und stets besonnenen Mann, der Cassian und seine Geschwister in allen Wissensgebieten unterrichtete.

„Es wird Zeit. Wir sollten das Volk nicht warten lassen.“ Rashids Stimme war trotz der kühnen Forderung voller Wärme. Cassian hatte ihn stets als gütigen und weisen Mann kennengelernt, ungeachtet der Vorbehalte, die ihm manch andere entgegenbrachten.

„Rashid hat recht“, stimmte auch sein Vater zu. „Lasst uns aufbrechen. Und dir, Hussam, eine sichere Reise. Kehre bald zurück.“

„Das werde ich, mein Gebieter. Ihr werdet überrascht sein, wie schnell die Zeit vergeht bis zu meiner Wiederkehr.“ Er verneigte sich ein letztes Mal tief und zog sich zu seinem braunen Wallach zurück. Erst, als er bereits im Sattel saß und auf das Haupttor zuritt, machte sich auch Cassians Familie auf den Weg zum Tempel.

Seine Mutter Rhana nahm zusammen mit seinen Schwestern in einer Sänfte Platz, die von vier Schimmeln getragen wurde. Sein Bruder Nasram ritt wie er selbst ein Wüstenpony. Seine Stute Khuja war etwas kleiner als Ilja und ihr Fell golden wie der Wüstensand. Die beiden Pferde hatten denselben Vater, aber unterschiedliche Mütter. Scheich Ahmed schwang sich auf seinen Rappen Deishon. Er führte die Prozession an, der sich auch mehrere Palastwachen anschlossen. Ganz zum Schluss schritten die Dienerinnen einher, die den Opferkorb und die Krüge übernommen hatten.

Zum ersten Mal in seinem Leben durfte Cassian neben seinem Vater reiten, statt hinter ihm. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals, und seine Wangen glühten wie im Fieber vor Aufregung.

In gemächlichem Trab ritten sie durch die Gassen Shalimars. Auch wenn die Wache sie begleitete, so war doch niemand in Alarmbereitschaft. Es gab keinen Grund, das Volk zu fürchten. Noch nie hatte jemand versucht, der Herrscherfamilie ein Leid zuzufügen.

Ilja tänzelte nervös, weil sie die Aufregung ihres Reiters spürte. Cassian musste sich konzentrieren, damit das temperamentvolle Tier nicht mit ihm durchging. Das hier war etwas anderes als seine Ausritte in die Wüste. Es war auch anders als der Ehrenritt in den letzten Jahren. Die heutige Nacht war etwas Besonderes, denn er wurde vom Status des Knaben in den eines jungen Mannes erhoben. Darum hatte seine Mutter die Opfergaben besonders sorgsam ausgewählt.

Auch das Volk wusste um die Bedeutung dieser Nacht. Cassian sah in strahlende Gesichter, von denen er viele kannte, und hörte die Segensrufe, die man ihm mit auf den Weg gab. All das war so übermächtig, dass er es wie in Trance wahrnahm. Zu viel strömte an diesem Tag auf ihn ein, was sein junger Verstand kaum verarbeiten konnte.

Vor dem Tempel zügelte Ahmed seinen Hengst. Ilja stieg, weil Cassian sie zu spät zum Anhalten zwang. Seine Beine zitterten, als er sich aus dem Sattel gleiten ließ. Unsicher blickte er sich um. Die Menge verstummte, Ehrfurcht legte sich auf die Szenerie. Neben ihnen halfen zwei Diener den Prinzessinnen aus der Sänfte heraus. Scheich Ahmed reichte seiner Gemahlin die Hand. Ihr Lächeln, das sie Cassian schenkte, zeigte Stolz. Aufmunternd nickte sie ihm zu, was ihn ein klein wenig beruhigte. Weitere Diener kamen heran, um die Pferde zu halten. Die Mädchen trugen den Korb mit den Gaben für die Götter heran. Als Cassian ihn entgegennahm, erschien ihm das Gewicht schwerer als erwartet. Was, wenn er auf den Stufen ins Stolpern geriet? Sobald sich die geflochtenen Zweige mit dem Öl vollgesogen hätten, würde er noch schwerer werden. Reichte seine Kraft, um ihn ins Opferfeuer zu stellen?

Seine Knie waren weich wie Pudding, während er die Treppe zum Tempel hinaufstieg. Seine Eltern begleiteten ihn bis zum Eingang, seine Geschwister blieben bereits am Fuß des Aufgangs zurück. Er wagte nicht, sich umzudrehen, um in ihre Gesichter zu sehen, weil er dann auch die Erwartung der anderen sehen würde und fürchtete, dem Druck nicht gewachsen zu sein. Er kam sich nicht vor wie ein Junge, der an der Schwelle zum Heranwachsenden stand, sondern wieder wie ein kleines Kind, das mit der Bürde seines Erbes noch nichts anzufangen wusste.

Im Tempelgang war er allein. Seine Schritte hallten auf dem steinigen Boden. Draußen herrschte nun vollkommene Stille. Shalimar hielt den Atem an.

Etwas rasselte … keuchte. Cassian brauchte einen Augenblick, um zu erkennen, dass er es selbst war. Seine Brust wirkte wie eingeschnürt. Schweiß stand ihm auf Stirn und Oberlippe, floss in kleinen Rinnsalen seinen Rücken hinab. Er spürte, wie sein Herz mit jedem Schlag gegen sein Brustbein klopfte, als wolle es flüchten. Er hätte es jedenfalls am liebsten getan.

Konzentriert heftete er den Blick nach vorn zu den beiden Göttern und der brennenden Fackel zwischen ihnen. Waren die beiden Statuen schon immer so groß gewesen? Sie wirken auf ihn wie Riesen, die ihn mit einem einzigen Schlag ihrer steinernen Fäuste zerschmettern könnten, wenn ihnen sein Opfer unwürdig erschien. Natürlich war das Unsinn. Sie waren nichts anderes als geschliffener Fels aus dem Bathun-Gebirge. Weiß und schwarz, mit silbernen Adern durchzogen, was ihnen einen fremdartigen Schimmer verlieh. Im Spiel der Flammen erweckten diese Einschlüsse das Gefühl, sie seien lebendig und ständig in Bewegung. Das weiße Gestein, aus dem Selay gefertigt war, stammte aus den höher gelegenen Regionen, während der schwarze Fels für Munyos Abbild am Fuß des Gebirges dominierte.

Die beiden waren wie Tag und Nacht und doch waren sie eins. Die Göttin besaß den Oberkörper einer wunderschönen Frau, ihr Unterleib hingegen wand sich wie eine Schlange. Munyos muskulöser Torso ruhte auf den vier Hufen eines edlen Wüstenpferdes. Es hieß, er sei genauso schnell wie die edlen Rösser, und wenn die beiden durch die Wüste jagten, dann hielt sich Selay an Munyo fest, indem sie ihren Leib um den seinen schlang.

Cassian begann erst langsam zu begreifen, wie viel hinter dem Sinnbild der beiden Gottheiten verborgen lag, doch schon jetzt erfüllten sie ihn mit großer Ehrfurcht und Demut vor dem Leben.

Das Mienenspiel Selays erschien ihm spöttisch. Ihr langer, schlanker Hals streckte sich nach oben, während ihre Augen unter halb geschlossenen Lidern auf ihn herabblickten. Munyo indes hatte die Brauen gerunzelt und reckte seine Fackel trotzig gen Himmel, wie um seine Übermacht zu bekräftigen.

Cassian schluckte, empfand den Blick des Gottes drohend. Seine Schultern schmerzten allmählich von der schweren Last, und gleich würde sie noch schwerer werden. Das Becken mit dem heiligen Öl, das die Priesterinnen am frühen Morgen gesegnet hatten, befand sich fünfzehn Schritte seitwärts. Fast hätte Cassian es direkt angesteuert und dabei vergessen, den Opferkorb zunächst vor dem Götterpaar abzustellen und mit den rituellen Worten seinen Inhalt aufzuzählen und anzubieten. Früchte, Eier, Blüten, Salz, Brot und Korn sowie geflochtene Bänder, Halbedelsteine und kleine, geschnitzte Holzfiguren. Seine Stimme zitterte, war viel zu leise, doch der Kloß in seiner Kehle verhinderte, dass er lauter sprechen konnte.

Als er den Korb wieder anhob, war dieser fast zu schwer. Nur mit Mühe gelang es Cassian, ihn zum Becken zu bringen. Langsam ließ er ihn dort hineingleiten, zählte still bis zehn, um ihn nicht zu schnell wieder herauszuziehen. Wenn sich nicht genug Öl im Flechtwerk sammelte, würde er nicht brennen, und das Opfer galt als abgewiesen.

Die dünnen Äste waren glitschig, als er den Korb zum Feuer brachte. Immer wieder entglitt er seinen Fingern, was nicht allein am Öl lag, sondern auch daran, dass Cassians Hände klamm und schwitzig waren. Ein weiteres Mal stellte er ihn vor der Heiligen Fackel ab und sprach das Bittgebet an die Götter und den Dank für das vergangene reiche Jahr. Dann platzierte er sein Opfer auf der Feuerschale, drehte die Sanduhr, die Selay auf ihrem linken Fuß balancierte, und trat die vorgeschriebenen sieben Schritte zurück. Er atmete erleichtert auf, als er nach unten blickte und korrekt im Symbol von Sonne und Mond stand. Jetzt war es fast geschafft. Nervös starrte er auf den Korb, an dem bisher nur schwache Flämmchen züngelten. Die Zeit zog sich endlos. Immer mehr Wüstensand rann von der oberen Hälfte des Stundenglases in die untere hinein. Der Korb musste brennen, bevor der Sand komplett hindurchgelaufen war. Nur dann konnte die Flamme bis zur Tempelspitze hinaufzüngeln. Brauchte der Vorgang zu lange, schlossen sich die Ventile und das Feuer erstarb.

Cassian rauschte es in den Ohren, ihm war schwindlig vor Anspannung. Immer wieder ging er in Gedanken durch, ob er alles richtig gemacht hatte. Er konnte keinen Fehler finden, trotzdem wollte der Korb nicht richtig brennen und der Sand war bereits zur Hälfte durchgelaufen. Hatte er zu leise gesprochen? Das Opfer nicht lange genug im Becken versenkt?

„Brenne! Bitte brenne!“, flüsterte er.

Korn um Korn verrann der Sand im Glas, in Cassians Magen bildete sich ein Knoten, als flösse er direkt dort hinein.

Und dann endlich schnappte das Feuer zu. Als ob sich ein großes Maul aus Flammen auftäte, umschloss es mit einem Mal den Opferkorb, züngelte von dort durch die schmalen Kanäle in Richtung des Tempeldachs und stieß hinaus in die Nacht. Im selben Moment hörte Cassian die Jubelrufe des Volkes nach drinnen schallen. Noch ehe er sich umdrehen konnte, waren seine Eltern bei ihm.

Seine Mutter schloss ihn in die Arme und drückte ihn fest an sich. „Ich wusste, du würdest es schaffen“, flüsterte sie. Tränen klangen in ihrer Stimme mit.

Scheich Ahmed klopfte ihm auf die Schulter und nickte ihm zu. „Die Götter haben gesprochen.“

Cassian hatte den Eindruck, dass sein Vater diese Worte nicht allein auf das Opfer bezog. Wärme legte sich um sein Herz. Die Zweifel schwanden. Eines Tages, schwor er sich, würde er beweisen, dass die Götter sich nicht geirrt hatten.

***

Die Sonne stand hoch am Himmel und legte eine flirrende Hitze auf die Mauern von Kushtar. Dennoch gingen die Bewohner der Handelsstadt unbeirrt ihrem Tagewerk nach. Händler boten ihre Waren feil, übertrafen sich mit Worten ebenso wie in der Lautstärke. Schmiede heizten das Feuer an und schlugen mit großen Hämmern auf das glühende Eisen ein. Die Wirte in den Tavernen machten gute Geschäfte mit kühlem Bier und Wein. Am Brunnen in der Stadtmitte spielten die Kinder, während einige Frauen Wasser für ihre Familien holten und dabei über die viel zu hohen Preise lamentierten, die der Stadtrat im Auftrag von Scheich Mustak für das lebensspendende Elixier erhob. In Kushtar war nichts umsonst – nicht einmal der Tod, und das Leben schon gar nicht.

Ribanna lehnte an der Mauer einer Bäckerei und beobachtete vier bewaffnete Soldaten, die ihren Herren – einen wohlhabenden Kaufmann – vor dem aufdringlichen Gesindel aus Bettlern und Kindern beschützten.

Der kleine Affe auf ihrer Schulter mit dem schwarzen Gesicht, das an einen Totenkopf erinnerte, interessierte sich hingegen viel mehr für die verlockenden Düfte, die dem Schornstein des Backofens entstiegen. Er gab einen kläglichen Laut von sich und streckte seine kleinen Ärmchen aus.

„Still, Sou!“, befahl Ribanna und zupfte an der ledernen Leine, die ihren Begleiter daran hinderte, allzu oft eigene Wege zu gehen. „Du wirst noch dein Essen bekommen, du gefräßiger Floh.“ Sie lächelte und kraulte dem Tier das Köpfchen, das zwar eine Schnute zog, sich aber entschloss, seiner Herrin Folge zu leisten. Makos galten als ebenso frech wie verfressen, doch Sou war trotz seiner gerade mal fünf Jahre gut erzogen und gehorchte Ribanna aufs Wort. Meistens zumindest. Sie hatte ihn vor vier Jahren als lebloses Bündel von Haut und Fell in der Wüste gefunden. Wie auch immer der kleine Kerl dorthin geraten war. Vielleicht hatte irgendein Händler ihn zurückgelassen, oder er war einem solchen entwischt. Ohne ihre Hilfe wäre er gestorben, und in den ersten Tagen hatte sie selbst gezweifelt, ob das völlig dehydrierte Tier durchkommen würde. Doch Sou war zäh und sein Lebenswillen stark. Seitdem begleitete er sie überallhin und erledigte die eine oder andere Aufgabe für sie.

Ribannas Augen wurden schmal, als einer der Soldaten einem halbwüchsigen Jungen den Knauf seines Schwertes ins Gesicht rammte und der Junge blutend zusammenbrach. Die Kinder wollten nichts weiter als ein paar Dhaki, um eben jenem Bäcker, dessen Waren Sous Aufmerksamkeit erregten, altes Brot abzukaufen, damit sie nicht hungern mussten. Dem Kaufmann hätte das nicht geschadet, die Kinder jedoch vorm Stehlen bewahrt. Bettelei wurde nicht bestraft, wer jedoch als Dieb erwischt wurde, dem hackte man die Hand ab, ganz gleich wie alt er war. Doch wenn man lange genug hungern musste, nahm man das Risiko früher oder später auf sich.

Ribanna zog das Ende ihres Turbans wie ein Tuch über Mund und Nase, damit auch ihre feinen Gesichtszüge sie nicht enttarnten. Der weite Kaftan verbarg ihre weiblichen Kurven, sodass man sie für einen Beduinen halten mochte. Oder einen Sarazenen, denn als solcher war sie in vielen Landstrichen bekannt. Ihre dunklen Augen schlugen so manch neugierigen Betrachter rasch in die Flucht und verhinderten eine eingehende Musterung, weil sie stets ein zorniges Funkeln zeigten. Ihr war das nur recht. Niemand sollte ihr zu nahe kommen und sie als das enttarnen, was sie war. Alleinstehende Frauen waren in Kushtar Freiwild und landeten schnell in einem der vielen Lusttempel. Das war in anderen Städten ähnlich. Darauf konnte sie gut und gerne verzichten.

Sie war froh, wenn sie diese Stadt wieder hinter sich lassen konnte. Es gab wenige Herrscher, die sich um das Wohl ihres Volkes sorgten, doch nach allem, was Ribanna über Scheich Mustak gehört hatte, war er nicht nur grausam, sondern vor allem auch nur auf den eigenen Vorteil bedacht. Fraglich, ob das Volk mit seinem Bruder Rumal das bessere Los gezogen hätte. Die beiden waren Zwillinge und glichen sich äußerlich wie ein Ei dem anderen. Ob das auch für ihre Herzen galt, ließ sich schwer sagen, denn Rumal hatte sich zu Lebzeiten des alten Scheichs stets im Hintergrund gehalten und auch nach seinem Tod nur einen einzigen Vorstoß unternommen, seinen Anspruch auf den Thron geltend zu machen. Sein Bruder Mustak galt als entschlossen und rücksichtslos. Es gab Gerüchte, dass er einen Giftanschlag auf Rumal verübt hatte, der zwar fehlgeschlagen war, doch zum Bruch zwischen den beiden Brüdern geführt hatte. Niemand bezweifelte, dass es früher oder später weitere Mordversuche geben würde, bis einer der beiden starb. Kushtar bot nicht genug Platz für beide, und Rumal hatte die Herrschaft Mustaks nicht anerkannt, bloß weil er klug genug war, sich zunächst mit der Rolle des Designierten zufriedenzugeben.

Ribanna kümmerte es letztlich wenig. Mit diesen Leuten hatte sie nichts zu schaffen, und auch wenn die Ungerechtigkeit, unter der das Volk zu leiden hatte, ihren Zorn weckte, so war dies doch nicht ihr Problem. Bald schon würde sie Kushtar den Rücken kehren und sich wieder auf die Reise machen. Jemand wie sie blieb nie lange an einem Ort. Das war zu gefährlich und warf auf Dauer zu viele Fragen auf. Wenn bekannt wurde, wer tatsächlich hinter dem schwarzen Sarazenen steckte, kostete sie das womöglich mehr als nur ihren Verdienst.

Sie stieß sich von der Mauer ab und setzte sich in Bewegung. Sou kletterte an ihrem Arm hinunter und ließ sich in die Tasche des Kaftans gleiten. Wie ein Schatten folgte sie dem Kaufmann und seinen Wachen, warf den Kindern im Vorbeigehen eine Handvoll Dhaki hin und ignorierte ihre Segenswünsche. Die halfen ihr auch nicht mehr. Sie hatte ihre Seele bereits an dem Tag verloren, an dem sie sich ihrem Gewerbe verschrieb. Mit jedem Tod starb auch ein Teil von ihr, doch der Tod war nun mal immer noch eines der einträglichsten Geschäfte, denen man nachgehen konnte. Auch als Frau, solange man diesen Umstand zu verbergen wusste. Und auf das Töten verstand sich Ribanna gut.

Aus diesem Grund war sie auch in Kushtar. Sie sollte diesen Kaufmann aus dem Weg räumen. Die Gründe dafür kannte sie nicht, sie fragte nie danach. In der Regel machte sie sich selbst ein Bild davon, ob jemand den Tod verdiente oder nicht. Bisher war es selten vorgekommen, dass sie einen Auftrag nicht zu Ende geführt hatte. Beinah jeder hatte Leichen im Keller oder irgendwelche Verbrechen begangen. Die einen brachte die Not dazu, die anderen die Gier.

Der Kaufmann verschwand in einer Schenke und ließ seine Soldaten vor der Tür Posten beziehen. Nur eine persönliche Leibwache begleitete ihn nach drinnen. Ribanna erntete misstrauische Blicke, als sie an den Bewaffneten vorbei nach drinnen ging, doch sie dachte nicht daran, ihr Gesicht zu zeigen. Man ließ sie passieren, auch diese Männer befolgten nur Befehle.

Um diese frühe Stunde war die Schenke kaum besucht. Nur ein paar einzelne Tagelöhner hockten an den schmutzigen Tischen und versoffen ihr letztes Geld. Der Kaufmann hatte sich an einen Tisch an der Seitenwand gesetzt. Die Leibwache stand hinter ihm. Ribanna nahm in einer Ecke Platz. Nahe genug, um zumindest Gesprächsfetzen aufzufangen und ihn genau im Blick zu behalten.

Der Wirt, ein beleibter Kerl mit fettigem, dünnem Haar und Bart, brachte einen Krug mit Bier an den Tisch des Kaufmanns. Er ließ das Getränk von seinem Leibwächter vorkosten, was Ribanna ein abfälliges Schnauben entlockte. Es gab eine Menge Gifte, die langsam wirkten. Manchmal erst Tage später. Die Vorsichtsmaßnahme war daher mehr als albern.

„Was wollt Ihr trinken?“, sprach der Wirt sie an. Ribanna deutete wortlos in Richtung des Kaufmanns. Sollte man ruhig glauben, sie sei stumm. Der Wirt nickte und verschwand wieder hinter seinem Tresen. Gleich darauf kam er zurück und stellte auch vor ihr einen Krug mit Bier ab. Sie warf ihm einen Dhaki zu und starrte den Mann so lange an, bis er sich nervös zurückzog.

Sie musste nicht lange warten, bis die Tür der Schenke sich erneut öffnete und ein hagerer Kerl eintrat. Der Kaftan, den er trug, war staubig und hatte sicher schon bessere Tage gesehen. Sein Blick durchstreifte hastig den Raum, dann setzte der Mann sich an den Tisch des Kaufmanns.

„Ich bin den halben Tag durch die Wüste geritten. So was macht durstig“, erklärte er und erwartete ganz offensichtlich, dass sein Geschäftspartner ihn einlud.

Ribanna schmunzelte still in sich hinein, als der Kaufmann sichtlich unerfreut dem Wirt ein weiteres Zeichen gab, noch einen Krug zu bringen. Ganz sicher würde dieses Bier nicht vorgekostet werden.

Der Mann wartete, bis sein Gast sein Getränk beinah zur Hälfte gelehrt hatte. Dabei trank der Kerl so gierig, dass ihm das Bier links und rechts an den Wangen hinunterlief.

„Nun? Was habt Ihr mir diesmal mitgebracht?“, wollte er schließlich wissen.

Offenbar war der Hagere eine Art Angestellter, der Waren für den Kaufmann einkaufte. Die nächste halbe Stunde sprachen sie über Gewürze und Stoffe, sodass Ribanna vorerst das Interesse verlor. Sie musste ihr Ziel im Auge behalten und einen günstigen Moment abpassen, um ihren Auftrag aufzuführen. Seine Geschäfte interessierten sie dabei nur bedingt.

Da man in ihrem Gewerbe in Wirtshäusern häufig Anhaltspunkte für neue Aufträge fand, gab Ribanna vor, in ihrer Ecke zu dösen, hielt die Ohren aber gleichzeitig offen und lauschte den Gesprächen.

Anfangs drehten sich diese um die hohe Steuerlast, um schlechte Arbeitsbedingungen und um ein paar neue Huren, die seit Kurzem in Kushtar waren. Doch dann schnappte Ribanna etwas auf, das ihr Interesse weckte. Ein kahlköpfiger Schmied unterhielt sich mit einem Kürschner, dessen blondes Haar beinah genauso fürchterlich stank wie frisch gegerbte Felle.

„Hast du gehört? Fürst Rumal wird Kushtar verlassen. Der Händler ist wieder da und soll ihm ein eigenes Reich in Aussicht gestellt haben. Eines, um das er nicht länger mit seinem Bruder ringen muss. Da konnte er wohl nicht widerstehen.“

Mit einem hässlichen Lachen machte der Schmied deutlich, was er davon hielt.

Auch der Blonde kicherte höhnisch. „Gar nicht dumm. So zieht er den Hals aus der Schlinge. Früher oder später hätte Mustak ihm sowieso die Kehle durchgeschnitten. Der würde nie zulassen, dass Rumal seinen Teil von Kushtar einfordert.“

„Jedenfalls“, fuhr der Schmied fort, „habe ich den Auftrag, bis Ende des Monats zweihundert Schwerter zu schmieden. So viele Soldaten haben sich Rumal angeschlossen. Ich bezweifle ja, dass die reichen werden, um ein fremdes Land zu erobern, aber jeder, wie er meint.“

Die Männer stießen miteinander an. „Einer weniger. Mögen die Götter geben, dass uns allen dies zum Vorteil gereicht. Vielleicht senkt Mustak dann die Steuern um ein paar Zinare.“

„Er nimmt nicht nur seine Soldaten mit“, schaltete sich der Wirt ein und erntete verblüffte Gesichter. „Die Vorhut soll eine Armee aus Söldnern bilden.“

„Söldner?“, kam es gleichzeitig von Schmied und Kürschner.

Der Schmied nickte. „Ja. Der Händler hat einen Aufruf an den Marktplatz nageln lassen. An die hundert fähige Streiter sollen es sein. Bogar wird sie auswählen. Die Bezahlung lässt sich sehen, und wenn die Aufgabe erfüllt ist, sind sie frei. Denen, die sich ihm für dieses Todeskommando anschließen, winkt die Vergebung all ihrer Verbrechen. Eine gute Chance für Mörder, nach Charakter und Loyalität wird da nicht gefragt. Was zählt, ist nur das Geschick mit der Klinge. Je weniger Skrupel einer hat, desto größer seine Chancen, angenommen zu werden.“ Er spuckte auf den Boden. „Wenn ihr mich fragt, sagt das viel über dieses Vorhaben aus. Kein Mann, der bei Verstand ist und ein redliches Ansinnen hat, würde solche Kämpfer in seinen Dienst nehmen.“

Zustimmendes Gemurmel erklang in der Runde, dem betretenes Schweigen folgte.

Ribanna geriet ins Grübeln. Sie hatte schon von dem Mann gehört, den alle nur den Händler nannten. Es hieß, er verstand sein Geschäft, auch wenn seine Waren häufig eher ungewöhnlich waren.

Bogar war der Hauptmann von Rumals Wache, und angeblich hatte er sogar einmal Mustak beinah getötet, als der seinen Bruder angriff. Seine Loyalität stand demnach außer Frage. Dennoch war eine Armee aus Söldnern natürlich ein zweischneidiges Schwert. Das klang nach einer großen Sache, und wenn es weiter nichts brauchte, als den Beweis, wie gut man eine Klinge führte …

Sie beschloss, es bei den angekündigten Probekämpfen zu versuchen. Sobald ihr Auftrag hier erfüllt war, stand sie wieder frei, und dies hier schien eine gute Gelegenheit, um genügend Geld für einige Monate zu verdienen. Es wäre töricht, solch eine Chance ungenutzt verstreichen zu lassen.

Doch zuerst musste sie diesen Auftrag erfüllen. Der Kaufmann bezahlte gerade die Zeche und brach zusammen mit seinem Angestellten und den Wachen auf, um seine neuesten Errungenschaften in Augenschein zu nehmen. Der passende Moment. Wenn er sich in seinem eigenen Warenhaus sicher genug fühlte, um die Wachen draußen zu lassen, würde es ein Leichtes sein, ihn mit einem Pfeil oder Dolch auszuschalten und ungesehen zu verschwinden. Je weiter weg, desto besser. Mit der Söldnerarmee besaß sie sogar eine Rechtfertigung dafür, Kushtar zu verlassen. Hatte der Wirt nicht gesagt, dass einem alle bisherigen Verbrechen ungesehen vergeben wurden, wenn man für Fürst Rumal in diesen Krieg zog? Manchmal sandten die Götter deutliche Zeichen.

***

„Sehr gut, mein Prinz!“, lobte Krish und parierte Cassians Schwerthieb. Die Vibration des Metalls setzte sich durch Cassians Arm hindurch fort und schmerzte in seinen Schultern, aber er war entschlossen, nicht nachzugeben. Während ihm dieser Trainingskampf alles abverlangte, wirkte es bei Krish fast wie ein Spiel. Der Hauptmann der Wache strich sich beiläufig die dunklen Locken zurück, die ihm immer wieder in die Stirn fielen, und trug ein Lächeln auf seinen schmalen Lippen. Cassian wusste, Krish kämpfte nur mit halber Kraft, da sie das Training gerade erst begonnen hatten. Das ärgerte ihn, auch wenn er sich nicht anmaßen wollte, einem Gegner wie ihm bereits gewachsen zu sein, wenn dieser mit voller Wucht agierte.

Nachdem er ihn einige Schläge hatte ausführen lassen, die er ihm zuvor gezeigt hatte, drehte Krish den Spieß um und führte seinerseits Attacken aus, die Cassian kontern musste. Das war noch viel schwerer als der Angriff, da er nie wusste, welcher Schlag als nächster folgte. Er musste den Hauptmann genau beobachten und Kraft und Richtung seiner Hiebe vorhersehen. Cassians Hände schwitzten in den Handschuhen, doch er verstand jetzt, warum sie nötig waren. Ohne sie wäre der Knauf längst seinen Fingern entglitten. Schweißtropfen liefen ihm von der Stirn und brannten in seinen Augen. Er musste blinzeln und übersah beinah den nächsten Streich. Zwar konnte er gerade noch rechtzeitig die schwere Waffe nach oben reißen, doch das Aufeinanderprallen der Klingen brachte ihn aus dem Gleichgewicht und ließ ihn zur Seite stolpern.

Nach einer weiteren Schlagabfolge zog Krish seine Waffe schließlich zurück und verneigte sich knapp vor ihm. „Für heute ist es genug. Eure Muskeln sind noch schwach und müssen sich erst an das Gewicht der Waffe gewöhnen.“

Dankbar ließ auch Cassian sein Schwert sinken und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Seine Wangen glühten, obwohl der Tag nur von milder Wärme war, doch die Anstrengung nötigte seinem jungen Körper alles ab. Er wusste es zu schätzen, dass Krish ein Auge dafür hatte und das Training nicht über die Maßen in die Länge zog.

Auch der Hauptmann schwitzte ein wenig, ansonsten sah man ihm die Anstrengung jedoch nicht an. Er reichte Cassian ein kühles Tuch und schöpfte mit einem Becher Wasser aus dem Brunnen am Rande des Trainingsplatzes. Die Frische tat Cassian wohl und ließ seine Lebensgeister zurückkehren. Er blickte sich nach den anderen Soldaten um und sah einige von ihnen anerkennend nicken. Offenbar stellte er sich für die erste Übungsstunde also nicht schlecht an.

„Lasst Euch von Eurem Diener eine Einreibung geben, dann werdet Ihr morgen Früh weniger Schmerzen haben“, empfahl der Hauptmann, und Cassian versprach, den Rat zu beherzigen.

Die Kunst des Schwertkampfes war faszinierend. In den ersten Unterrichtsstunden hatte Krish ihm die unterschiedlichen Waffen erklärt. Leichte Schwerter, die man mit einer Hand zu führen vermochte. Manch einer kämpfte sogar gleich mit zwei dieser Klingen, was allerdings eines besonderen Trainings bedurfte, da man jede Hand unabhängig bewegen musste. Die schwereren Waffen hielt man mit beiden Händen. Ihre Schlagkraft war größer, ihre Klingen jedoch meist nicht so scharf. Hingegen gab es elegante, schmale Schneiden, die so fein gearbeitet waren, dass sie biegsam wie Schilf waren und dabei dickes Leder durchschnitten, als sei es Papier.

Wuchtig waren auch die gebogenen Säbel, obwohl es von diesen breitere und schmalere gab. Sie konnten einem Mann mit einem einzigen gut geführten Schlag den Kopf vom Körper trennen.

Heute war Cassian der interessanten, aber auch ermüdenden Theorie überdrüssig gewesen und hatte Krish um eine erste Lektion gebeten. Dank dem Wohlwollen seines Vaters hatte der Hauptmann seiner Bitte entsprochen, und nun musste Cassian sich eingestehen, dass er womöglich doch lieber zunächst die Trockenübungen durchgeführt hätte, die ihm empfohlen worden waren. Selbst Rashid war der Meinung, dass man die korrekte Handhabung eines Schwertes am besten zunächst mit einer leichten Holzattrappe und ohne Gegner lernte. Doch was wusste der schon? Cassian achtete seinen Mentor sehr, nur nahm er ungern in Sachen Waffen einen Rat von einem Menschen an, der selbst nicht einmal einen Dolch führte.

Als er nun nach oben zu dem Balkon des Lehrzimmers blickte, stand Rashid dort und nickte ihm anerkennend zu. Es erfüllte Cassians Herz mit Stolz, dass er ihn beeindruckt hatte, auch wenn Rashid nichts vom Kämpfen verstand. Aber seine Meinung war ihm nichtsdestotrotz wichtig.

„Wenn du dich gewaschen und umgezogen hast, komm zu mir“, forderte Rashid ihn auf. „Nicht nur der Körper will trainiert werden, auch der Geist ist hungrig danach.“

Cassian hätte die Bücher lieber ruhen lassen, wusste aber, dass sein Vater damit nicht einverstanden gewesen wäre. Mutig tat er es Krish gleich, der sich zum Abschluss ihres Übungskampfes einen ganzen Eimer voll kühlem Nass über den Kopf schüttete, um sich zu erfrischen. Die Idee erwies sich als nicht so gut wie gedacht. Die Kälte war ein Schock für Cassians erhitzte Haut und ließ ihn prusten und nach Luft japsen, während der Hauptmann lachte und ihm einen Klaps auf die Schulter gab.

„Auch daran gewöhnt sich der Krieger. Nun geht rasch und zieht Euch trockene Sachen an, ehe Ihr Euch erkältet und Euer Vater mir die Ohren langzieht“, mahnte er. „Wir setzen das Training morgen gegen Abend fort.“

Beflügelt von Vorfreude eilte Cassian in seine Gemächer, wo sein Diener ihm bereits frische Kleidung zurechtgelegt hatte. Mit einem Tuch aus Leinen rubbelte er sich trocken und schlüpfte dann in Hosen und Tunika.

Im Lehrzimmer wartete Rashid mit frischem Tee und Früchten sowie einem Stapel Bücher auf ihn. Er ließ Cassian sich stärken und setzte dann seinen Unterricht dort fort, wo sie am Vortag geendet hatten. Algebra stand auf dem Lehrplan, und Cassian rauchte eine Stunde später der Kopf nicht minder wie vom Schwertkampf zuvor.

„Wozu brauche ich so was überhaupt?“, beschwerte er sich.

Rashid bedachte ihn mit einem tadelnden Blick. „Wissen ist sehr machtvoll.“

Schmollend schob er die Unterlippe vor. „Einen Gegner kann ich damit wohl kaum in die Flucht schlagen. So machtvoll scheint es also nicht zu sein.“

Rashid schüttelte den Kopf. „Es gibt unterschiedliche Wege, Macht auszuüben. Am edelsten ist die, die weder schadet noch unterdrückt, sondern beschützt und bewahrt.“ Als Rashid sah, dass er ihn damit nicht überzeugen konnte, versuchte er es mit einem anderen Beispiel. „Du warst sehr stolz darauf, dass die Götter dein Opfer angenommen haben, nicht wahr?“

Verwirrt hob Cassian den Blick und nickte zögernd.

„Sie taten es, weil du weise gehandelt hast. Du hast die rituellen Abläufe eingehalten, die richtigen Worte gesprochen. Damit hast du Shalimar Segen gebracht. Auch das ist Macht, und sie ging ohne Gewalt einher. Denkst du nicht, dass du Shalimar damit mehr gedient hast, als wenn du einen einzelnen Feind mit dem Schwert niederstreckst?“

Darüber musste er erst einmal nachdenken. Natürlich war der Segen der Götter wichtig für Shalimar, aber als Herrscher musste man sein Volk doch beschützen können, oder nicht?

„Du kannst dein Volk vor einem Angriff mit dem Schwert schützen, doch den Hunger und die Armut wirst du mit keiner Waffe dieser Welt zurückdrängen können. Nur mit Weisheit.“ Rashid wies auf die Bücher. „Algebra ist eine wichtige Lehre. Sie hilft dir, die Steuern für dein Volk gerecht zu halten. Sie sagt dir, wie hoch die Abgaben sein dürfen, ohne dass die Menschen Hunger leiden müssen. Sie sagt dir aber auch, wie viel du benötigst, damit du dich um dein Volk kümmern kannst. Es ist wichtig, die Waagschale zwischen beidem im Gleichgewicht zu halten.“

Herrschen, stellte Cassian gerade fest, war sehr kompliziert. Er bewunderte seinen Vater umso mehr, dass er so selten die Unterstützung anderer brauchte, um diese wichtige Aufgabe zu erfüllen. Dabei erinnerte er sich an Hussam und sein Geburtstagsgeschenk. „Rashid, würdest du morgen mit mir ausreiten? Krish sagt, wir trainieren erst am Abend, und ich würde Iljas neues Zaumzeug doch so gerne ausprobieren.“

Sein Lehrer schmunzelte. „Hussam wird sicher bald zurück sein. Übe dich in Geduld, Cassian. Auch Geduld ist eine der Säulen, auf denen ein Gerechter seine Herrschaft aufbaut.“

Cassian seufzte. „Hussam wollte längst zurück sein. Er war noch nie so lange fort. Denkst du, ihm ist vielleicht etwas zugestoßen?“

Rashid klappte das Buch zu und strich Cassian liebevoll über den Kopf. „Hussam kann auf sich aufpassen. Mach dir keine Sorgen.“ Er nickte aufmunternd. „Aber nun genug für heute. Ich weiß, die Wüste ruft nach dir. Dein Geist findet Freiheit in ihr, und nur ein freier Geist kann all das lernen, was die Welt für uns bereithält. Wir machen morgen weiter.“

Freudig sprang Cassian auf die Füße, hielt aber sogleich wieder inne und blickte Rashid zögernd an.

„Ja?“, ermutigte ihn Rashid.

„Würdest du mich begleiten, wenn ich das neue Zaumzeug nicht ausprobiere? Ich meine … wir waren so lange nicht mehr gemeinsam ausreiten, und wenn es dir nur darum geht, dass ich mit dem Ausprobieren warte, bis Hussam zurück ist …“

Rashids Züge wurden weich. „Nein, das ist nicht der Grund.“ Sein Lehrer seufzte. „Ich weiß, du hoffst, dass ich dich noch einmal auf Shamal reiten lasse.“

Ertappt senkte Cassian den Blick, doch er hörte Rashid leise lachen und grinste verschmitzt. Er konnte ihm selten einen Wunsch abschlagen.

„Alles im Leben will verdient sein“, mahnte sein Mentor trotzdem. „Daher mache ich dir einen Vorschlag. Für die heutige Lektion gibt es eine Prüfung. Wenn du sie bestehst, sage ich dem Stallmeister, dass er unsere Pferde satteln soll. Also gib dir Mühe, dann werde ich sogar bei einem Wettrennen das Pferd mit dir tauschen.“

Diese Aussicht beflügelte Cassian augenblicklich.

Mit Eifer stürzte er sich auf die Aufgabe. Er bestand sie fehlerfrei.

***

Neugierig schritt Ribanna die Reihen der Söldner entlang, die sich am Stadttor von Kushtar eingefunden hatten, um in Fürst Rumals Armee aufgenommen zu werden. Von dem Fürsten selbst war weit und breit nichts zu sehen. Nur Hauptmann Bogar hatte sich einen Platz im Schatten gesucht und ließ sich die Fähigkeiten der einzelnen Bewerber vorführen. Dabei fiel auf, dass sein Blick ein ums andere Mal zu einem bestimmten Punkt der Stadtmauer glitt. Als Ribanna dorthin sah, erkannte sie aber nichts außer dem Turm einer alten Mühle.

Sie interessierte sich nicht nur dafür, in das Heer aufgenommen zu werden, sondern auch für die Hintergründe der bevorstehenden Eroberung. Feldzüge wie diese brachten stets auch Konsequenzen für die einfache Bevölkerung. Wurde diese unterdrückt, war sie womöglich dankbar für einen neuen Herrscher. Sofern dieser nicht mit ebenso grausamer Hand regierte. Nahm man ihnen hingegen einen Regenten, der beliebt war, konnte sich das Blatt für den Eroberer schnell wenden. Und wenn es Rumal tatsächlich darum ging, eine gute Tat zu begehen, dann hätte er dies auch hier in Kushtar tun können. Die Treue des Volkes wäre ihm dafür sicher gewesen. Von den beiden Brüdern war er der Beliebtere, wenngleich ihm nicht jeder mit Wohlwollen begegnete.

„Hey, du da! Sarazene!“

Der Ruf überraschte Ribanna, auch wenn ihr augenblicklich klar war, dass man sie meinte.

Sie näherte sich dem Sprecher und neigte fragend den Kopf zur Seite. Der Mann schien der Schriftführer dieser Rekrutierungsaktion zu sein, denn er hielt einen Federkiel in der Hand und seine Fingerkuppen waren bereits mit schwarzer Tinte besudelt. Dennoch sah der Papyrus vor ihm sauber und ordentlich aus. Eine ganze Reihe von Namen stand darauf.

„Willst du dich ebenfalls anschließen? Dann musst du zeigen, dass du kämpfen kannst.“

Ribanna schmunzelte, auch wenn der Mann das aufgrund des Tuches vor ihrem Mund nicht sehen konnte. Sie gab ihm keine Antwort, sondern sah sich nur auf dem Kampfplatz um, den man mit ein paar Stöcken entlang der Stadtmauer abgesteckt hatte.

Vier Kampfpaare maßen dort gerade ihre Kräfte. Das sollte genügen, um ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.

Ribanna ließ Sou von der Leine, der sich augenblicklich in einem der Feigenbäume verkroch und sich an den reifen Früchten bediente. Sie selbst zog ihre Schwerter aus den Rückenscheiden und schritt langsam auf die Kämpfenden zu. Als die Ersten ihrer gewahr wurden, stellten sie ihre Kampfhandlungen ein und blickten ihr argwöhnisch entgegen. Fragend sahen sie zu Hauptmann Bogar hinüber, der die Gegner offenbar einander zugewiesen hatte. Ribanna gab ihnen nicht die Gelegenheit, darauf zu warten, ob er einen von ihnen ihr zuteilte. Sie griff das ihr am nächsten stehende Paar an, wodurch sie die beiden Kontrahenten praktisch zwang, sich zusammenzuschließen. Aufgeregtes Murmeln breitete sich unter den Zuschauern und Wartenden aus.

Ihre unfreiwilligen Gegner hatten Mühe, auf ihre Schwerthiebe zu reagieren, da Ribanna diese flink und ohne Zögern setzte und ihre Position dabei so schnell veränderte, dass sie jedem Konter bereits auswich, ehe er überhaupt gesetzt wurde. Ihre Angriffe waren durchaus darauf ausgerichtet, die anderen zu verletzen und die Tatsache, dass sie ihre beiden Schwerter völlig unabhängig voneinander führen konnte, war ein eindeutiger Vorteil.

Verunsichert sahen die anderen Kämpfer zu Hauptmann Bogar. Aus den Augenwinkeln bemerkte Ribanna, wie er ihnen zunickte. Nichts, was ihr Sorge bereitete. Im Gegenteil, jetzt fing der Spaß erst richtig an. Sie vollführte eine halbe Drehung, mit der sie einen der Angreifer ins Leere laufen ließ, kam einem zweiten, der ihr mit seinem Zweihänder offensichtlich den Schädel spalten wollte, mit drei langen Schritten entgegen und tauchte einfach unter ihm hinweg. Dabei nutzte sie den Schwung ihres kleinen Sprints, ließ sich mit einem angewinkelten und einem durchgestreckten Knie nach unten sinken und rutschte auf dem lockeren Sand in halber Hocke zwischen seinen gegrätschten Beinen hindurch. Hinter ihm sprang Ribanna wieder auf die Füße und zog ihm eine Klinge über den Rücken. Er stöhnte auf und drückte im ersten Moment ausweichend den Rücken durch, obwohl sie den Schlag nur mit halber Kraft geführt hatte. Der Mann versuchte, sie mit einem seitlichen Schlag noch zu erwischen, aber Ribanna wandte sich bereits dem nächsten Kämpfer zu.

Binnen kürzester Zeit focht sie mit allen acht Kriegern gleichzeitig, parierte Angriffe und setzte ihrerseits taktische Schläge ebenso wie Finten. Ihre Klingen schnitten sirrend durch die Luft und verfehlten nicht ein einziges Mal ihr Ziel. Sie waren dünner als die meisten Schwerter hier, doch um das Zehnfache schärfer und aus extrem harten Eisen geschmiedet. Einem recht groben Hünen zertrümmerte sie gar einen breiten Säbel damit. Bei drei anderen platzierte sie leichte Treffer, die sie zwar nicht weiter beeinträchtigen würden, sie jedoch zunächst den Rückzug antreten ließen. Hier und dort färbte sich der Sand rot vom Blut ihrer Gegner, obwohl die Wunden eher oberflächlich waren.

Ribanna wirbelte wie ein Derwish zwischen den Kämpfern. Die Leichtigkeit ihrer Schwerter gereichte ihr dabei zum Vorteil, weil ihre Arme nicht so rasch ermüdeten wie die der anderen. Außerdem war sie flink und wendig, und ihre kraftvollen Tritte beförderten die gestandenen Männer ein ums andere Mal in den Staub.

Unbewusst bewegten sich Ribanna und ihre Gegner während den Gefechten immer näher an die Feigenbäume heran. Als sie deren Schatten fast erreicht hatten, erhielt Ribanna unerwartete Hilfe. Von einer Sekunde zur anderen bombardierte Sou die vermeintlichen Feinde mit reifen Früchten, sodass sie alle Mühe hatten, sich mit ihren Armen vor der süßen Munition zu schützen.

Ribanna hatte Mitleid und hielt leise lachend inne. Es wäre unfair gewesen, ein solches Handicap auszunutzen.

Eine Mischung aus wütenden und erstaunten Blicken begleitete sie, als sie zum Schriftführer zurückging. Dabei verharrte sie auf halbem Weg und neigte vor Bogar ihr Haupt.

„Wacker gekämpft“, lobte er. „Einen wie Euch kann ich brauchen.“ Er applaudierte ihr und wies den Schreiber mit einer Geste an, sie auf die Liste zu setzen.

Sofort hob Ribanna die Hand, was ihr die Aufmerksamkeit ihres potenziellen Brotgebers einbrachte. Entschlossen schüttelte sie den Kopf.

„Was? Willst du nicht für Fürst Rumal kämpfen? Ich dachte, deshalb bist du hier?“

Sie nickte, deutete aber mit der nach oben gewandten Handfläche an, dass sie mit dem Sold, der diesem erkauften Heer gezahlt wurde, nicht einverstanden war. Ihr Preis war höher.

Bogar kniff die Augen zusammen. „Sei nicht unverschämt. Es ist der gleiche Sold wie für alle anderen.“

Erneut schüttelte Ribanna den Kopf und wies auf ihre lädierten Gegner. Sie hatte bewiesen, dass sie mindestens so viel wert war wie sechs andere. Als Bogar sie nur mit finsterer Miene anstarrte, jedoch keine Anstalten machte, auf ihre Forderung einzugehen, zuckte sie die Achseln und wandte sich demonstrativ zum Gehen. Sie wusste, ihre Vorstellung hatte ihn beeindruckt, er würde nicht ohne Weiteres auf sie verzichten.

„Warte!“, rief Bogar wie vermutet hinter ihr her, und als sie stehen blieb, fragte er: „Wie viel?“ Er gab sich nicht einmal die Mühe, zu verbergen, dass ihre Forderung ihn ungehalten machte, auch wenn er geneigt war, ihr nachzugeben.

Sie drehte sich langsam wieder zu ihm um, streckte ihren Arm aus und wartete, dass Sou herangeeilt kam und sich geschickt mit Schwanz und Hinterbeinen daran emporhangelte. Seine Ärmchen konnte er gerade nicht benutzen, da sie voller Feigen waren. Sie nickte ihrem kleinen Freund zu, der daraufhin eine Frucht nach der anderen vor dem Hauptmann in den Staub warf. Am Ende lagen dort acht reife, aufgeplatzte Früchte. Herausfordernd hob sie die Augenbrauen. Ein stolzer Preis. Er konnte ihn zahlen oder es lassen.

„Achthundert Zinare?“ Die Augen des Schriftführers wurden groß. „Das ist das Doppelte von dem, was jeder andere erhält.“

Ribanna warf erneut einen Blick auf die mehr oder weniger lädierten Krieger, die keuchend und wie geprügelte Hunde beieinanderstanden. Hätten sie gewusst, dass sie gerade von einer Frau besiegt worden waren, wäre ihre Schmach sicherlich noch um einiges größer gewesen. Wortlos legte sie die Hand auf ihre Brust und verneigte sich spöttisch.

„Ich verstehe“, knurrte Rumals Hauptmann. „Ihr denkt, Ihr seid diesen Preis wert.“

Sie verbeugte sich abermals.

„Was ist los? Könnt Ihr nicht sprechen? Ich mag es nicht, wenn man mir die Antwort schuldig bleibt.“

Ribanna machte eine entschuldigende Geste. Sie würde um jeden Preis verhindern, dass man die Frau in ihr erkannte. Wenn er sie in seine Söldnertruppe aufnahm, würde sie viele Tage oder gar Wochen unter lauter Männern verbringen. Da verspürte sie nicht die geringste Lust, ihre Identität preiszugeben und Ziel von deren Trieben zu werden. Besser, sie blieb anonym und hielt sich abseits. Man konnte ihre Kampfkraft kaufen und ihre Fähigkeit, schnell und lautlos zu töten. Vom Rest ihres Körpers war nicht die Rede.

Der Hauptmann knirschte hörbar mit den Zähnen und rang sichtlich mit sich. Abwartend schwebte die Feder des Schreibers über dem Papyrus.

„Wartet hier“, wies Bogar sie an und marschierte mit langen, wütenden Schritten Richtung Stadttor. Ribanna verharrte irritiert. Wo wollte er hin? Sich von Fürst Rumal die Bestätigung holen, dass er diese Summe zahlen durfte? Der Palast lag ein Stück oberhalb der Stadt. Da würde er lange unterwegs sein.

Wider Erwarten kehrte Bogar bereits nach zehn Minuten zurück, ohne zu verraten, wo er gewesen war und mit wem er Rücksprache gehalten hatte. Er nickte wortlos dem Schreiber zu, der sie mit einiger Verwunderung eintrug.

„Dein Name?“

Ribanna deutete an sich herab. Das musste genügen.

„Der Kerl ist stumm wie ein Fisch. Schreib Sarazene in die Liste. Ein Viertel des Lohns erhaltet Ihr, wenn wir losreiten. Den Rest sobald die Aufgabe erledigt ist. Wir reiten in zehn Tagen los.“

Zufrieden kehrte Ribanna den Männern den Rücken und machte sich auf den Weg zurück in die Stadt. Auf ihrer Schulter verspeiste Sou eine letzte Feige.

„Das war nicht sehr fair“, wies sie ihn in gespieltem Unmut zurecht, nachdem sie außer Hörweite waren. „Und außerdem hätte ich deine Hilfe gar nicht gebraucht. Ich bin auch gut ohne dich zurechtgekommen.“

Der kleine Mako widersprach mit einem langgezogenen schrillen Ton, der Ribanna schmunzeln ließ. „Ist ja schon gut, Sou. Natürlich bin ich dir trotzdem dankbar.“ Ihr kam ein Gedanke, der sie lachen ließ. „Am besten kaufe ich einen großen Sack Feigen für die Reise. Dann wirst du mir die anderen sicher vom Hals halten, falls sie mir ans Leder wollen.“ Das meinte sie zwar nicht ernst, aber eine amüsante Vorstellung war es dennoch und würde ihre Reise womöglich unterhaltsam machen.

***