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"Ich will nicht mehr!" Kennen Sie das Gefühl, dass Ihnen alles über den Kopf wächst? Arbeit, Beziehungsprobleme, Familie. Aber was tun? Aussteigen oder Davonlaufen sind im Regelfall keine Alternative. Daher strampeln wir weiter in unserem Hamsterrad und suchen nach Lösungen. Der Schlüssel liegt in uns. Der Schlüssel zu einem besseren und leichteren Leben. Einem Leben frei von Ängsten, Depression, fehlgeleiteten Emotionen und Sorgen. Entdecken Sie zusammen mit der Autorin die Momente, die Veränderungen ermöglichen. Erkunden Sie sich selbst und beginnen Sie, Ihre Fesseln zu lockern, Perspektiven zu verändern und sich aus Ihrem Kokon zu schälen. Denn wahre Freiheit beginnt in uns selbst.
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Seitenzahl: 213
Veröffentlichungsjahr: 2021
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1
Von Knoblauch und der Frage: Was ist wirklich wichtig
Meditation
Sipadan und Jolo
Mutter sein
Der Tod ist gewiss
Wasser und Information, die sich meinem Auge entzieht
Die goldene Eselkarre
2
Ich bin kein Opfer
Wer bin ich?
Höllengefährten
Blickwinkel verändern den Schattenwurf
Respekt
Wunder gibt es
Wie gewonnen, so zerronnen
3
Du bist blöd
Umsatz generieren
Das Spiel erkennen
Die farblose Frau
Der Körper reagiert
Jeder Tag ist ein Geschenk
Der begrabene Hund
4
Der Wunsch nach Stille
Der Ruf
Schwierige Zeitgenossen
Gedankenhygiene
Die Fahnenstange
Was willst du?
Schmerzende Wunden
5
Vom Hören, Sehen und Wahrnehmen
Aber ich
Die Natur
Die neue Katze
High Performance
Sorgen sind Energieverschwendung
Das Schweigen von trotzigen Lämmern
6
Kompetenz
Der Moment
Die Macht der Gedanken
Der Ort der Stille
OM NAMAH SHIVAYA
Die Schwere
Die Freude
7
Was ich noch sagen möchte …
Stille
Ehrlichkeit
Gedanken
Opfer sein
Sorgen
Urteile, Bewertungen und Wertschätzung
Wunde Punkte
Handwerkszeug
Ruhe-Inseln schaffen
...
der Türöffner
Ich habe dich doch lieb
...
wenn es zwischenmenschlich schwierig wird
Der Moment
...
von der Kunst innezuhalten
Ich auf dem Stuhl
...
wenn du wissen möchtest, was mit dir los ist
Schreiben
...
ohne nachzudenken
Ein Stück Seelenschokolade
...
die kleine Extrabelohnung, die immer greifbar ist
Der Kreis
...
bewusst eine andere Position einnehmen
Die Beobachtung
...
von der Kunst, der Selbsterkenntnis
Den Spieß umdrehen
… wie du aus einer negativen Emotion Stärke gewinnen kannst
Du und dein Körper
...
ein unzertrennliches Team
Visualisierung
...
Stärkung, Auflösung
Mantren und Gebete
...
die nicht zu unterschätzende Hilfe
Zu guter Letzt
Nachwort und Danksagung
„Was willst du damit eigentlich?“
Es fällt mir schwer die Frage zu beantworten. Natürlich weiß ich, was ich damit will: Menschen zum Nachdenken bewegen. Ein wenig Aha bewirken. Meine Erfahrungen und Beobachtungen einbringen.
„Es ist nicht in Ordnung, wie wir miteinander umgehen, wie wir leben“, versuche ich, mein Vorhaben zu erklären.
„Und dann packst du das in einen Roman?“
„Nun, nicht so direkt.“
„Weißt du eigentlich, wie schwer es aktuell auf dem Buchmarkt ist? Niemand kennt deinen Namen. Die Buchhändler wollen wissen, in welches Regal sie dein Buch stellen können: Ist es ein Roman oder ein Ratgeber? So, wie es jetzt ist, passt es nirgends hin. Es ist nicht Fleisch und nicht Fisch. Du solltest dich für eines entscheiden.“
Fünf Jahre. Waren die Jahre des Schreibens für die Katz?
„Schreib es um. Mach einen wirklich guten Roman daraus. Oder setz dich hin und schreib einen Ratgeber. Du willst etwas sagen, traust dich aber nicht. Merkst du denn nicht, wie unstimmig das alles ist? Du hoffst, dass du entdeckt wirst, und hast gleichzeitig Angst davor, dass Menschen in deinem privaten Umfeld darüber reden.“
Ertappt.
„Hast du was zu sagen?“
„Ja!“
„Gut. Das finde ich auch. Es gibt viele Menschen, denen es so geht wie dir.“
Über fünfundzwanzig Jahre davor, Anfang der neunziger Jahre
Tauchen. Ja, warum denn nicht, denke ich mir. Damals, als ich noch nicht mit meinem Mann verheiratet bin. Damals, als unsere Beziehung noch jung ist. Damals, als ich zwischen Österreich und Deutschland pendele. Er ist vom Tauchen begeistert. Er bezahle mir den Tauchkurs, sagt er, und ich nicke.
Einige Wochen später ziehe ich zu ihm nach Deutschland. Um einen Arbeitsplatz brauche ich mich nicht zu bemühen. In seiner kleinen Firma ist Platz für mich. Eine Stelle, wie für mich geschaffen. Ich habe in Österreich seine Softwareentwicklung betreut. Angebote geschrieben, Computer eingerichtet, Menschen geschult und meine Nase in die Programmierung gesteckt. Ich bin ein Glücksgriff. Ja, der bin ich. Ich bin eine Frau, die lernfähig und neugierig ist. Die sich Wissen aneignet und es umsetzt. Und der nichts zu blöd ist.
Der Tauchkurs findet in Deutschland statt. Ich lerne Handzeichen, mit Tauchtabellen umzugehen und übe mich in der Handhabung des Equipments. Flossenschläge, Tauchcomputer, Maske ausblasen, Auf- und Abtauchen, Dekompressionstopps, Pressluft, Nitrox, Trimix, Verhaltensregeln beim Wracktauchen. All das ist mir bald geläufig. Schließlich lege ich die Tauchprüfung ab und darf mich mit einem Zertifikat schmücken. Mein heutiger Mann ist stolz auf mich und endlich können wir gemeinsam losziehen. Es folgen Monate, in denen wir in unserer Freizeit das Tauchequipment durch die Gegend schleppen. Zu abgelegenen Waldseen, zu Flusstälern, an die Ostseeküste und zu Schotterteichen. Es folgen Urlaube an der Mittelmeerküste und in Ägypten. Schließlich zieht es uns nach Asien und diese Reisen werden zu besonderen Urlaubserlebnissen.
Wir sind ein prima Team: mein Mann und ich. Nicht nur privat, sondern auch beruflich. Wir arbeiten zusammen und vertreiben die selbst entwickelte Software. Ich frische meine Buchhaltungskenntnisse auf und kümmere mich um das Kaufmännische. Rechnungen schreiben und bezahlen, Ware einkaufen, Gehaltsabrechnungen. Eben die ganze Bandbreite der Büroorganisation. Aber nicht nur das, ich besuche auch unsere Kunden vor Ort, denn unsere Softwareentwicklung wird erfolgreich in Firmen eingesetzt. Wir reisen quer durch Deutschland und seine Nachbarländer. Von der Ostsee bis zum Wörthersee. Von Luxemburg bis nach Prag. Ich stehe meinen Mann. Ich kenne mich mit Computern aus, tausche Ersatzteile und schule unsere Kunden. Zudem programmiere ich und analysiere Sachverhalte, entwickle Konzepte und setze sie um. Nur verkaufen mag ich nicht. Es liegt mir nicht.
Es ist nicht leicht. Wir müssen Gewehr bei Fuß stehen, wenn Not am Mann ist. Schritt halten mit der immer rasanteren Weiterentwicklung am IT-Markt. Schließlich sind da noch die Kunden, die mit Herausforderungen und mit ihrer Persönlichkeitsstruktur das eine und das andere von uns abverlangen. Wir laufen nicht auf hundert, sondern auf hundertfünfzig oder mehr Prozent. Ich zähle nicht die Stunden. Nicht selten sitze ich abends um acht Uhr noch im Büro. Auch Samstage, Sonntage und Feiertage werden nicht verschont. Die Firma muss laufen, die Kunden warten, Verpflichtungen müssen eingehalten werden und der Rubel muss rollen. Nur rollt er nicht immer direkt in unser Portemonnaie.
Doch ich klage nicht. Ich bin kinderlos und die Arbeit liegt mir. Außerdem, was sollte ich sonst machen?
„Was machst du für dich? Was ist dein Ding?“, werde ich gefragt.
Die Frage geht mir nach, ich stehe im Vorraum unserer Büros und blicke den Schrank an. Ich bin doch nicht unglücklich. Ich fahre zum Tauchen, setze mich mit auf den Motorradsitz, wenn mein Mann und ich einen Ausflug machen. Unsere Beziehung ist top! Wir können miteinander Pferde stehlen und vierundzwanzig Stunden am Tag zusammen sein, und das wochenlang. Seit fünf Jahren leben und arbeiten wir zusammen. Jetzt endlich haben wir auch ein schönes Zuhause gefunden. Ein ganzes Haus für uns. Allerdings zur Miete. Zu zweit renovieren wir die Terrasse. Der eine schleift, der andere streicht. Wo einer von uns ist, ist der andere nicht weit. Ich bin davon überzeugt, wenn wir uns alles sagen, egal was, wissen wir, was den anderen bewegt. Dann sind doch Missverständnisse ausgeschlossen. Und ich kann nur das von dem anderen erwarten, was ich selbst bereit bin zu geben.
Was soll ich denn wollen? Ich schüttle den Kopf. Es ist gut so, wie es ist. Mein Ding? Zählen denn die kleinen Dinge nicht? Im Sommer meine Bohnen, die sich um das Terrassengeländer ranken. Die Blumenzwiebeln, die ich im Vorgarten verbuddelt habe. Bücher, die ich gerne lese. Zwischen Romanen stehen auch Ratgeber und Sachbücher. Nur in letzter Zeit habe ich mir kaum Zeit dafür genommen. Höchstens für Unterhaltsames. Es gibt viele Dinge, die mich interessieren. Fragen, die mich beschäftigen. Sind die Lipidsenker, die meinem Mann verschrieben wurden, in seinem Fall wirklich sinnvoll? Ich will wissen, was gesunde Ernährung ist. Obst und Gemüse alleine können es nicht sein. Ich will wissen, was Schüßler-Salze sind, von denen so viele Menschen gerade sprechen. Ich will wissen, was Menschen berichten, die bereits klinisch tot waren. Ich will wissen, woher die Bohne weiß, dass es Zeit ist zu keimen, wenn die Bodentemperatur dafür geeignet ist. Ich will wissen, ob der Vogel, der zum Futterhaus kommt, mit seinem Vogelweibchen eine lebenslange Partnerschaft führt. Ich will wissen, was Buddha gelehrt hat. Ich will wissen, was das für Menschen sind, die Amok laufen und dabei Menschen erschießen. Kurzum, ich möchte Himmel und Erde verstehen.
Ich sehe den Schrank an und ich weiß, dass ich meinen Mann nicht für alles begeistern kann. Aber ich könnte das eine oder andere Thema aufgreifen. Mir ein wenig Zeit für mich nehmen. Es gibt viele Angebote, Vorträge, Ausstellungen, Kurse und Informationsveranstaltungen. Und ich könnte Menschen kennenlernen. Abseits von unserem gemeinsamen Bekanntenkreis.
Ich wohne in einem Ort, in dem ich nicht aufgewachsen bin. Wenn ich durch die Stadt gehe, treffe ich niemanden aus meiner Kindheit oder Schulzeit. Niemanden, den ich nicht durch meinen Mann kennengelernt habe. Meine Kontakte in meine Heimat sind spärlich und beschränken sich auf wenige Telefonate. Es ist ein wunder Punkt, dass ich Österreich verlassen und meinen Eltern den Rücken gekehrt habe. Ich wollte mein eigenes selbstbestimmtes Leben und das habe ich jetzt.
Was soll ich denn Großes wollen? Eine Weltreise? Das einzig Große, von dem ich träume, ist ein eigenes Haus. Ein Stück Sicherheit, ein Stück Mein. Aber das ist nicht so einfach. Das richtige Objekt, eine schöne Lage, eine durchdachte Finanzierung. Ich seufze. Die nächsten Runden im Hamsterrad wären damit gebucht. Aber was soll es? So ist das Leben. Es gibt nichts umsonst.
Es ist der 24. Dezember und ich stehe sechshundert Kilometer von zu Hause entfernt an einer Supermarktkasse. Auf dem Kassenband liegen Lebensmittel. Für das Essen heute Abend. Mein Mann und ich lächeln uns an. Verlegen. Es ist Weihnachten und wir stecken noch mitten in der Arbeit. Die Installation bei unseren Kunden hat uns gefordert, uns aus unserem Plan gebracht. Können wir heute mit gutem Gewissen nach Hause fahren? Klappt die Steuerung und kommen die Anwender mit der neuen Technik zurecht? Wir werden nach dem Einkaufen wieder in den Betrieb zurückfahren, mit dem Betriebsleiter etwaige Vorkommnisse besprechen. Und dann geht es heim. Es wird spät werden, bis wir zu Hause sind.
Wir sind auf der Autobahn und bemerken, wie der Verkehr langsam weniger wird. Wie es stiller wird. Wahrscheinlich beginnt bereits das Weihnachtsfest in manchen Häusern. Und wir?
Wir nehmen es mit Humor, schreiben der Situation etwas Verrücktes zu. Es gibt keinen Weihnachtsbaum und keine Geschenke. Dazu war zu wenig Zeit. Was sollen wir uns auch gegenseitig schenken? Aus Verlegenheit etwas kaufen, nur damit wir nicht mit leeren Händen dastehen? Wir werden es uns gemütlich machen. Etwas Schönes kochen und eine Flasche Wein aufmachen.
Zu Hause kümmert sich mein Mann um das Essen, während mein Blick durch das Wohnzimmer schweift. Weihnachten. Es ist nichts davon zu sehen. Ich suche nach Kerzen und verteile diese im Wohnraum. Was soll’s, denke ich. Es ist, wie es ist. Außerdem sollte man Weihnachten nicht überbewerten. Schließlich war es wichtig, das Projekt bei unserem Kunden vorerst abzuschließen. Dennoch überkommt mich Wehmut. Eigentlich ist es scheiße, was wir hier abziehen. Ich verpasse der Yuccapalme eine silberne Dekokette. Frohe Weihnachten!
Ich habe im Fernsehen einen Dokumentarfilm gesehen. Hunde wissen, wann Frauchen oder Herrchen nach Hause kommen. Sie zeigen ein auffälliges Verhalten ab dem Zeitpunkt, an dem der geliebte Mensch sich entschließt, den Heimweg anzutreten. Die Hunde zeigen es auch dann, wenn das Heimkehren außerhalb der gewohnten Tagesordnung ist. In der Dokumentation werden Versuche gezeigt. Waldi wedelt mit dem Schwanz und läuft zum Fenster. Er weiß es einfach, Herrchen kommt. Rupert Sheldrake nennt es morphogenetisches Feld, aus dem das Tier seine Information bezieht. Es gibt diese morphogenetischen Felder seines Erachtens auch im Pflanzenreich. Es gibt sie überall. Ich kaufe mir ein Buch von ihm.
Als Sheldrake geraume Zeit später in der hessischen Landeshauptstadt Frankfurt einen Vortrag gibt, fahre ich hin. Ich gönne mir selbst sonst nichts, verteidige ich meinen Entschluss. Ich genieße den Abend, die kleine Auszeit. Hunderte von Menschen sind im Saal. Ich sitze mittendrin und höre gespannt zu. Rupert Sheldrake ist kein lauter oder wortgewaltiger Mann. Er weiß, dass seine Forschung umstritten ist. Er spricht über das, was ich schon in seinem Buch gelesen habe. Er nennt signifikante Trefferquoten, die über dem normalen Zufall liegen. Seine Zeit widmet er aktuell dem uns allen bekannten Gefühl des Beobachtetwerdens. Am Ende des Vortrags reihe ich mich in die Menschenschlange ein, um mein mitgebrachtes Buch signieren zu lassen. Er unterschreibt und ich puzzle mir die englischen Wörter zusammen, um ihm zu sagen, dass er eine schöne Handschrift hat. Er blickt mich an und lächelt. Danach klappt er den Buchdeckel zu und wundert sich über den ihm unbekannten deutschen Bucheinband. Ich wechsle mit ihm einige Worte und bin stolz auf das kurze Gespräch, das ich mit ihm führen konnte.
Menschen, die Bücher schreiben oder im Fernsehen zu sehen sind, sind erreichbar. Ich kann in ihr Gesicht schauen. Mir selbst ein Bild über sie machen. Ja, vielleicht sollte ich mir in Zukunft die Menschen genauer ansehen, bevor ich deren Meinung zu meiner mache oder sie gar beklatsche.
Seitdem wir ein Haus gemietet haben, nimmt unsere Lebensqualität enorm zu. Platz, Licht, Sonne und Grün. Da sind keine anderen Mitbewohner mehr im Haus, auf die wir Rücksicht nehmen müssen. Ich kann Krach machen, wann immer ich will. Wir können dort schalten und walten, wie wir wollen. Wir renovieren die Terrasse, sie wird zu unserem Outdoor-Refugium. Endlich im Freien sitzen können, ohne irgendwo hinfahren zu müssen. Ich habe ein neues Lebensgefühl und freue mich über eine große Terrasse, Blumenrabatten, viel Platz und endlich eine Katze.
Wir arbeiten mitunter auch am Samstag und Sonntag. Doch an diesen Tagen ist es anders als werktags. Wie wenn ein Schalter in meinem Hirn umgelegt ist. Es fehlt mir wesentlich schwerer, mich aufzuraffen. Das zu erledigen, was ich mir an diesen Tagen vorgenommen habe. Ich frage mich, was an Samstagen anders ist. Es ist das Wissen, dass es eben ein Samstag ist. Alleine dieser Umstand entscheidet über meinen beruflichen Arbeitseifer.
Immer öfter siegt der Schweinehund, der mich einen großen Bogen um das Büro machen lässt – egal, wie sehr ich mir dieses oder jenes vorgenommen habe. Doch mein schlechtes Gewissen versaut mir ein unbeschwertes Wochenende. Es verfolgt mich auf Schritt und Tritt. Es läuft im Abstand von einem halben Meter hinter mir her. Es dauert einige Zeit, bis ich beschließe, mir nichts mehr fürs Wochenende vorzunehmen. Ich will endlich ein paar entspannte Tage haben.
Ich frage mich, was den Unterschied ausmacht. Würde ich am Freitag in der Annahme aufwachen, dass es Samstag wäre, wäre mein Arbeitseifer genauso ausgebremst? Ja, denke ich. Es liegt nicht am Tag. Es ist in meinem Kopf.
Wir sind bei einem Kunden. Wie immer bei solchen Außenterminen, vor allem wenn neue Programme oder Betriebsabläufe integriert werden, stehen wir unter Spannung. Ein gewisser Druck lastet auf uns. Klappt alles? Kommen wir gut voran? Haben wir etwas übersehen?
In solchen Situationen kann ich durcharbeiten. Oft wird es spät, bis ich Feierabend mache. Ich stehe gewissermaßen unter Strom. Ich wundere mich darüber, woher ich die Energie nehme.
Ich lese ein Buch über Zeitmanagement. Demzufolge liegt es an der Motivation, die uns in Hochform hält. Es liegt an unserer Einstellung und Begeisterung. Gewissermaßen an der Schwingung, die uns eine Aufgabe verleidet oder sie fördert.
Ich kann das nur bestätigen. Wenn ich mich gedanklich in etwas einarbeite und dabei langsam, aber sicher eine Begeisterung dafür entwickle, dann kann ich über mich hinauswachsen. Ein weiterer Aspekt ist die Art der Zusammenarbeit mit den mitwirkenden Menschen. Je besser diese ist, umso mehr setze ich mich ein. Dabei geht es nicht vorrangig um das Geld, sondern um die persönliche Befindlichkeit und um Gruppendynamik. Je höher oder positiver die Schwingung ist, desto mehr bringe ich mich ein. Ich habe Spaß daran, entwickle neue Ideen und schaue dabei nicht auf die Uhr.
Es spielt sich alles im Kopf ab, erkenne ich. Meine Gedanken sind der Antriebsmotor und die Bremse gleichzeitig. Doch ein kritischer Blick in die Werbeindustrie, auf Worte, Rhetorik und Bilder lassen mich erahnen, dass ich oft nicht selbst das Ruder in der Hand habe. Es sind die Medien oder Menschen beziehungsweise Menschengruppen, die den Wetterhimmel in meinem Kopf dirigieren. Ein Wort, ein Bild genügen, um düstere Wolken abregnen zu lassen. Worte, wie Insolvenz zum Beispiel verursachen eine Beklemmung. Bei Todesstrafe schnürt sich meine Kehle zu. Strafverfahren, Krebs, Demenz, Umweltkatastrophe vermiesen mir augenblicklich meine gute Laune und bringen mich zum Sinnieren, genauso wie Bilder aus dem Krieg und von verendeten Tieren.
Von der habe ich doch schon einmal etwas gehört, denke ich, als ich in einem Veranstaltungsmagazin blättere. Richtig, das ist die Frau aus dem Fernsehen, die in einer Talkshow über sich erzählte.
Ich erinnere mich daran. Sie ist eine Heilerin oder so etwas Ähnliches. Was mich aber noch mehr fasziniert, ist die Tatsache, dass man in der Schweiz ein Forschungsprojekt für geistig-energetische Behandlung ins Leben gerufen hat. Das finde ich toll. Es gibt offenbar Mediziner und Wissenschaftler, deren Neugierde und Forschergeist größer ist als die landläufige Meinung über Humbug. Auch ich möchte mehr davon sehen, fühlen und erfahren, was es noch zwischen Himmel und Erde zu entdecken gibt. Ich melde mich zu dem angebotenen Nachmittagsseminar an.
Die Frau ist bescheiden. Sie wirkt auf mich beinahe großmütterlich. Ich blicke durch die Reihen der Teilnehmer: Menschen, die sich für ihre Krankheiten und Probleme Hilfe erhoffen. Menschen aus Heilberufen. Menschen, die sich auf „den Weg gemacht“ haben. Und Neugierige, wie ich.
Ich sitze zwischen den Reihen und hänge der Frau an den Lippen. Heimlich hoffe ich, dass etwas passiert, was mich aus den Socken haut. Aber stattdessen sagt sie, dass wir auf unser Herz hören sollen. Sie spricht von den Schubsern, die das Leben für uns bereit hält und die sich manches Mal wie Tritte anfühlen. Von den Wundern und Zufällen, die sie selbst erlebt hat. Hilfe braucht man nicht in der Ferne suchen. Oft wächst das helfende Kraut direkt vor unserer Haustüre. Die Hilfe ist da, wir müssen sie nur erkennen.
Später leitet sie uns zu Übungen zur Wahrnehmung und Energieübertragung an. Als ich mit meiner Sitznachbarin eine Übung mache, bei der wir uns gegenseitig an den Unterarmen anfassen, berührt mich die Heilerin wie beiläufig. Ich nehme ein Zucken wahr, das durch meinen Arm schießt. Oh! Was war das gewesen?
Die Heilerin schreitet durch die Reihen der Teilnehmer und umkreist eine sitzende Frau. Sie fächert mit einem großen Baumblatt, welches sie vorher aus der Grünanlage vor dem Gebäude gepflückt hat, in der Luft. Die Frau auf dem Stuhl krümmt sich und vor meinen Augen geschieht etwas, das ich nicht einordnen kann. Die Frau solle ihren Schmerz loslassen, sich trauen auch zu schreien. Ihre Zeit sei jetzt reif dafür, sagt die Heilerin und umkreist weiterhin die Frau. Was geht denn hier ab, denke ich und verfolge die Gebärden der Sitzenden.
Schließlich ist die Prozedur beendet, denn die Frau auf dem Stuhl lächelt und die Heilerin sagt, dass es sein könne, dass sie die nächsten Tage ein großes Schlafbedürfnis habe.
Als ich nach Hause fahre, habe ich einiges zu verarbeiten. Mit der Frau war etwas geschehen, das hatte ich in ihrem Gesicht gesehen. Ich frage mich, ob sie tatsächlich ihren Schmerz loslassen konnte und jetzt ein besseres Leben führen kann.
Es ist Samstag und vor mir auf dem Küchentisch liegt Knoblauch. Es sind schöne und große Knollen. Ich pule die Schalen von den Zehen und blicke zwischendurch auf das Rezept für eingelegten Knoblauch. Während ich den Knoblauch mit den Gewürzen in Gläser schlichte, frage ich mich, was ich da tue. Auf meinem Schreibtisch liegt genug Arbeit. Und wenn ich mich der einen oder anderen beruflichen Sache annehme, könnte ich Geld verdienen. Mehr als fünf Gläser eingelegter Knoblauch kosten. Ich hadere mit mir. Es ist vertane Zeit. Es gibt keinen einzigen vernünftigen Grund, diese Arbeit zu machen. Ich blicke auf den Knoblauch. Ein Teil ist noch ungeschält. Bis ich fertig bin, sitze ich hier noch längere Zeit. Ich bin kurz davor, mein Unterfangen, Knoblauch einzulegen, abzubrechen. Ich muss das nicht machen. Niemand erwartet es von mir.
Nein. Ich habe es mir vorgenommen. Ich wollte das ausprobieren, als ich das Rezept entdeckte. Und wenn ich einen Entschluss gefasst habe, ziehe ich ihn durch. Gleichzeitig seufze ich. Knoblauch einzulegen, das erwartet wirklich niemand von mir. Die Erwartungshaltungen an mich sind andere. Es sind unsere Kunden, die erwarten, dass ich liefere. Es ist mein Mann, der mich als Teil der Firma sieht. Es sind Behörden, Banken, Lieferanten und Konsorten, die erwarten, dass ich meinen Verpflichtungen nachkomme. Und es sind meine Eltern, die erwarteten, dass etwas Ordentliches aus mir wird. Ich seufze nochmals.
Immer öfter taucht das Wort Meditation auf. Natürlich weiß ich, was Meditation ist. Still sitzen und nicht denken.
Ich habe das noch nie bewusst gemacht und bin mir nicht sicher, ob das Nichtdenken nicht doch gelernt sein will. Daher buche ich bei der örtlichen VHS einen Meditationsnachmittag für Anfänger.
Wir sitzen am Boden im Kreis, schlagen Holzstäbchen aneinander und fokussieren uns auf unseren Atem, lassen die Gedanken ziehen, ohne daran festzuhalten. Sie sind jetzt nicht wichtig. Atmen. Ein und aus. Es fällt mir schwer, nicht zu denken. Meinen Gedanken nicht zu folgen. Ruhig sitzen zu bleiben.
Zu Hause nehme ich mir vor, dass ich das üben will. Zu schnell bin ich wieder in Überlegungen und im rationalen Denken gefangen. Geht das überhaupt, das Nichtdenken? Oder ist das Nichtdenken doch wieder ein Denken, um nicht zu denken. Ich erinnere mich an einen Satz der Heilerin: „Meine Großmutter hat schon meditiert. Wenn sie das Geschirr mit der Hand spülte. Das ist Meditation im Alltag.“
Ja, das kenne ich. Abseits von Fernseher, Radio und Medien etwas zu tun. Darin versunken zu sein. Die Zeit zu vergessen, während ich für diese Zeitspanne im Frieden mit mir bin.
Im Jahr 2000 erfüllen sich mein Mann und ich einen Urlaubstraum. Wir reisen zum Tauchen auf Sipadan. Es ist eine kleine Insel, die man zu Fuß in weniger als einer Stunde umrunden kann. Sie gehört zu Malaysia und liegt im offenen Meer. Es ist ein Paradies für Taucher. Schildkröten, Haie, Barrakudas sind zu entdecken. Alles, wonach sich das Taucherherz sehnt.
Wir hatten damit gehadert: Diese Reise strapaziert unsere Urlaubskasse über Gebühr. Die zweitägige Anreise ist anstrengend. Dreimal müssen wir die Fluglinie wechseln. Dann mit dem Bus durch die Pampa und schließlich noch eine Stunde mit dem Speedboot hinaus aufs Meer fahren, bis wir die Insel erreichen. Als Selbstständige bezahlt uns niemand die Urlaubstage. Im Gegenteil, wir werden einen einnahmearmen Monat haben. Dennoch buchen wir: eine Auszeit, weißer Strand und blaues Meer. Südostasien, unser Urlaubstraum. Wir verbringen einen Urlaub an einem Ort wie aus dem Bilderbuch.
Wieder zu Hause macht mir der Jetlag noch zu schaffen, die Urlaubstage sind gerade vorbei. Ich hatte ursprünglich darauf gepocht, diese Reise über Ostern zu buchen. Wegen der vielen Feiertage. Damit wir nicht so viele Arbeitstage verlieren. Doch das Thema Geld ließ mich einlenken. Vierzehn Tage vor Ostern war die Reise um einiges günstiger. Das hatte mich überzeugt.
Jetzt starre ich in den Fernseher und bin froh, dass ich mich überreden ließ. Die ganze Welt blickt auf Sipadan. Auf diese kleine Insel, die kein Normalsterblicher kannte. Sipadan ist an Ostern Schauplatz einer Entführung geworden. Islamistische Rebellen haben das Tauchresort überfallen und die Touristen und das Personal auf die südphilippinische Insel Jolo verschleppt.
Wir wären dabei gewesen. Das wird uns klar, als wir Bilder von den Verschleppten zu Gesicht bekommen. Wir erkennen unter ihnen unseren Tauchguide und die malaysischen Frauen, die in dem kleinen Resort tätig waren.
„Uns hätten sie nicht entführt“, sagt mein Mann. „Ich hätte ihnen eine auf die Nase gehaut.“
„Niemanden haust du“, sage ich, „wenn du in einen Gewehrkolben starrst.“
Die Entführung dauert mehrere Monate. Ich verfolge sie gebannt. Damit hatte keiner rechnen können. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, im Urlaub entführt zu werden? Eins zu einer Million? Eins zu einer Milliarde? Wir wären dabei gewesen, wie die deutsche Familie Wallert, für die sich jetzt Diplomaten einsetzen. Journalisten reisen in den Dschungel, wo die Verschleppten festsitzen. Hätte ich auch einen nervlichen Zusammenbruch erlitten, wie Frau Wallert? Nein, ich bin zäh, sage ich mir. Ich hätte versucht, an Papier und Bleistift zu kommen. Aufschreiben, was ich denke, fühle, sehe und erlebe.
Die Entführung dauert bis in den September. Der damalige libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi beziehungsweise die Gaddafi International Foundation of Charitable Associations zahlt Lösegeld. Alle kommen peu à peu frei. Zu den Letzten, die freikommen, gehört Marc Wallert, der Sohn der Wallerts.
Ich erwache und steige frühmorgens aus dem Bett. Ich werde heute einen Termin bei der Frauenärztin vereinbaren, denke ich. Der Gedanke kommt aus dem Nichts. Er ist einfach da. Präsent und massiv, ohne ursächliche Veranlassung.
Der Termin erweist sich später als angebracht. Die Frauenärztin überweist mich in die Uniklinik. Ich habe Zysten, die entfernt werden sollten. Ich kenne diese Prozedur der Endoskopie. Mit vierundzwanzig hatte ich schon einmal eine solche OP, damals in Österreich.
„Haben Sie einen Kinderwunsch?“, fragt mich die Ärztin in der Klinik. Ich zögere.
„Das müssen wir wissen, vor einem solchen Eingriff“, sagt sie.
Kinder gehören doch irgendwie zu uns Frauen. Ich kann mir vorstellen, dass ich eine gute Mutter sein kann, auch wenn ich beruflich bis über beide Ohren eingespannt bin.
„Ja“, antworte ich.