Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ferdinand Emmerich gehört zu den bekanntesten deutschen Reise- und Abenteuerautoren des beginnenden 20. Jahrhunderts. In diesem Buch erlebt er seine Abenteuer auf den Inseln der Antillen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 260
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Auf den Antillen
Ferdinand Emmerich
Inhalt:
Ferdinand Emmerich – Biografie und Bibliografie
Auf den Antillen
Auf den Antillen, F. Emmerich
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849652951
www.jazzybee-verlag.de
Geboren am 8. Juli 1858 in Viersen-Hamm. Deutscher Forscher, Abenteuerer und Reiseschriftsteller. Nach Abschluß seines Medizinstudium 1886 war er fast 30 Jahren auf Reisen durch die ganze Welt und kam erst wegen des Weltkrieges 1915 nach Deutschland zurück. Seine Romane sind fesselnde Expeditions- und Abenteuerberichte für Jung und Alt. Er starb am 2. August 1930 in München-Pasing.
Wichtige Werke:
· Leitfaden für Auswanderer
· Auf Schleichwegen nach Tibet
· Auf den Antillen
· Das Rätsel des Orinoko
· Der Einsiedler von Guayana
· Der Walfischfänger Erlebnisse eines deutschen Seemanns
· Durch die Pampas von Argentinien
· Hüter der Wildnis
· Im Gran Chaco von Paraguay
· Im Herzen Brasiliens
· Im Reiche des Sonnengottes
· In mexikanischen Urwäldern
· Jenseits des Äquators
· Kopfjäger auf Borneo Reisebericht
· Kulis Tiger Krokodile
· Neuseeland Weltreisen und Forscherabenteuer
· Quer durch Hawai
· Streifzüge durch Celebes
Die inselreiche Mündung des Amazonenstromes lag hinter mir. Der kleine Küstendampfer »Carianna« gab sich alle Mühe, gegen den starken Südsturm anzukämpfen, um seine zahlreichen Fahrgäste rechtzeitig in Belem zu landen. Die meisten wollten dort den Anschluß an den fälligen Postdampfer nach Europa erreichen, auf dem sie bereits Plätze belegt hatten. Der erste Offizier des Dampfers, ein junger Österreicher, mit dem ich mich wegen meines umfangreichen Gepäcks gut stellen mußte, fragte mich im Rauchzimmer, wo er eben den vierten Whisky-Soda auf meine Rechnung trank, so ganz nebenbei:
»Auf welchem Dampfer haben Sie Ihren Platz belegt?«
»Auf keinem. Ich nehme den ersten, der in Belem anläuft.«
»Na, dann können Sie sich ein paar Monate in dem Fiebernest aufhalten,« sagte der Offizier mit überlegener Miene.
»Warum denn, laufen die Dampfer dort nicht mehr an?«
»Selbstredend. Und noch dazu in verstärkter Anzahl. Aber sie sind alle bis auf den letzten Platz besetzt, wegen der Ausstellung.«
»Was für eine Ausstellung?«
Jetzt sah mich der junge Mann mit einem unwilligen Blick an. Er glaubte, ich wollte ihn zum Narren halten. Ich beeilte mich daher, meiner Frage entschuldigend hinzuzufügen:
»Sie wissen vielleicht nicht, daß ich sechs Monate lang immer im unerforschten Innern Brasiliens war und erst seit achtundvierzig Stunden wieder unter Kulturmenschen bin?«
»Dann allerdings,« rief er besänftigt. »In diesem Jahr ist wieder eine Weltausstellung in Paris und alle Dampfer nach dem europäischen Kontinent sind seit Monaten ausverkauft.«
»Ach du lieber Herrgott,« rief ich entsetzt aus. »Das fehlte mir gerade noch. Jetzt bin ich fast zweieinhalb Jahre unterwegs und nun muß mir auch das noch dazwischenkommen. – Na, vielleicht verkauft mir jemand seinen Platz.«
»Wenn Sie das Aufgeld nicht scheuen, könnten Sie den Versuch ja mal machen.«
Als der vierte Dampfer von Belem ausgelaufen war, sah ich mich nach einer andern Möglichkeit, nach Europa zu gelangen, um. Der Österreicher hatte recht. Jeder Europadampfer war bis ins Mannschaftslogis hinein besetzt. Auch auf meine Kabeltelegramme nach den großen Küstenhäfen erhielt ich, wenn überhaupt, ablehnende Antworten. – Ich sah mich nach Segelschiffen um. Die Reise konnte allerdings unter Umständen viermal so lange dauern. Immerhin konnte ich doch noch vor Beginn des Winters in Europa sein. Aber auch hier hatte ich Pech. Es lag zwar eine mit Gummi beladene französische Brigg im Hafen, aber die Matrosen, die über die Reling schauten, als ich mit dem Boot an ihr vorbeifuhr, hatten derartige Galgengesichter, daß sogar mein Bootsmann sich mit seinem Fahrzeug in achtungsvoller Entfernung hielt. Zum Überfluß wurde ich Zeuge, wie der vertierte Kapitän auf einen Negermatrosen einschlug und ihn mit einer Flut von 5chimpfworten überschwemmte, wie sie in solcher Gemeinheit des Ausdruckes auch nur von einem Franzosen möglich sind. Der Neger sprang nach der Mißhandlung über Bord und rettete sich auf ein in der Nähe liegendes Segelschiff, dessen Besatzung ebenfalls Zeuge der Mißhandlung gewesen war. Dort hatte er wohl mit seiner Erzählung die Entrüstung der Mannschaft erregt, denn es erhob sich ein solch drohends Geschrei gegen den französischen Lumpenkerl, daß dieser es vorzog, die Anker zu lichten.
Schon trug ich mich mit dem Plan einer Reise nach der brasilianischen Guayana, als eines Nachmittags der amerikanische Dampferagent die Frage an mich richtete:
»Wäre Ihnen mit einer Fahrkarte nach Trinidad gedient?«
Ich überlegte. Es war immerhin ein gut Stück weiter nach Norden, und wer weiß...
»Unser New Yorker Dampfer hat noch Kabinen frei,« fuhr er fort, »Sie sind aber von Port of Spain ab verkauft. Dort müßten Sie das Schiff verlassen, vielleicht verspätet sich ein Passagier, und in dem Falle könnten Sie an Bord bleiben.«
»Aber in New York finde ich erst recht keinen Dampferplatz nach Europa.«
»Der Dampfer geht von Trinidad aus nach Southampton und dann erst nach Hause.«
»Bravo!« rief ich beglückt. »Dann ist die Sache in Ordnung. Bin ich einmal an Bord, dann gehe ich erst in England wieder an Land.«
Der Agent war zwar anderer Ansicht, aber ich rechnete auf die amerikanischen Seeoffiziere. Sie würden einen alten Kameraden – ich war ja selbst Seemann gewesen – nicht im Stiche lassen.
Als aber der Dampfer, der von Rio kam, auf der Reede erschien, sank meine Zuversicht um ein beträchtliches. So viele Menschen hatte ich selbst in chinesischen Gewässern nicht auf einem Dampfer gesehen. Kopf an Kopf standen sie auf Deck. Als sie mich mit meinem Gepäck herankommen sahen, erhob sich ein unwilliges Gemurmel, in das sogar die Offiziere einstimmten. Der Agent beeilte sich, zu versichern, daß ich ja nur bis Trinidad mitführe, aber auch das dämpfte den Unwillen nicht. Ich erfuhr bald den Grund.
Alles, was von der Besatzung über eine Koje verfügte, hatte sie auf eigene Faust vermietet und schlief auf Deck. Auch die Offiziere; diese machten es sich inzwischen in den erst von Trinidad aus vergebenen Kabinen bequem, und waren natürlich unangenehm überrascht, als ich nun einem von ihnen das Bett nahm. Da der Kapitän nicht duldete, daß ein Offizier mit einem Fahrgast die Kabine teilte, so mußten auch die andern ausziehen. Auf diese Weise bekam ich zwar eine Kabine für mich allein, aber auch zwei Feinde. Zum Unglück gerade die, auf deren Beistand ich gerechnet hatte.
Der Dampfer, ein alter Kasten, den die Reederei wohl nur aus Anlaß des lockenden Verdienstes wieder in die Fahrt eingestellt hatte, brauchte sechs Tage bis Port of Spain. Da gerade ein starker Südwest wehte, wagte er sich nicht in die Nähe des gewöhnlichen Liegeplatzes der Dampfer, sondern hielt sich weit außerhalb der Korallenbänke, es den Passagieren überlassend, wie sie in der hohen See von oder an Land gelangen konnten. Ich versuchte durch eine Weigerung, mich in dem starken Seegang einem Boot anzuvertrauen, an Bord zu bleiben, und hätte es auch vielleicht durchgesetzt, wenn nicht gerade der Mieter meiner Kabine ein hoher englischer Beamter gewesen wäre. Der wurde natürlich mit einem Dampfer herausgebracht, auf dem sich auch die übrigen Passagiere befanden. Man lud kurzerhand mein Gepäck auf diesen Tender über und deutete mir durch eine nicht mißzuverstehende Handbewegung an, daß ich mich zu »drücken« hätte.
Daß man beim Überladen meiner Habe eine Kiste absichtlich ins Meer fallen ließ, war wohl nicht anders zu erwarten.
So kam ich nach der Insel Trinidad. Sie wurde zum Ausgangspunkt einer Reise durch die Antillen, von der ich hier eine gedrängte Schilderung folgen lasse.
Über die Stadt selbst ist nicht viel zu sagen. Sie ist eine der typischen englischen Hafenstädte mit den Warenhäusern und den Kontoren. Daran schließt sich ein ausgedehnter Park, der in seinen lauschigen Baumgruppen die Landhäuser der Kolonisten birgt. Am Strande baut sich das Negerviertel auf, in dem es zu jeder Tag- und Nachtzeit recht lebhaft zugeht.
Einen Vorzug vor andern westindischen Hafenplätzen hat Port of Spain. Asphaltierte Alleen und einen erstklassigen botanischen Garten, in dem, ebenso wie in dem berühmten Garten von Buitenzorg auf Java, begünstigt durch das Klima, fast alle auf der Erde gedeihende Pflanzen zu finden sind.
Meine erste Sorge nach Betreten des festen Landes war natürlich die Beschaffung einer Dampfergelegenheit nach Europa. Auf allen Schiffsagenturen empfing mich dasselbe mitleidige Lächeln. Alles bis in den September hinein vergeben.
»Wenn Sie mit einem Asphaltdampfer fahren wollen?«
»Nein, danke. Ich habe in Nordamerika nichts zu tun.«
Immerhin hatte die Frage mir etwas ins Gedächtnis gerufen, was mir bisher entgangen war. Auf der Insel Trinidad gibt es ja die berühmten Asphaltseen, deren Besuch wohl einen längeren Aufenthalt wert war.
»Wie komme ich am besten dorthin?« fragte ich abends auf der Terrasse des Hotels den mir gegenübersitzenden Herrn Hart, den Direktor des Botanischen Gartens.
»Fahren sie mit dem Küstendampfer nach La Brea. Dort fragen Sie nach Herrn Ridley, an den ich Ihnen eine Karte mitgeben werde. Sie sehen und erfahren dann alles, was Sie nur wünschen.«
»Kann ich zu Lande nicht dorthin kommen?« fragte ich. »Ich habe so viel Zeit übrig, und möchte nun auch das Innere der Insel kennenlernen.«
Herr Hart schüttelte den Kopf.
»Der Landweg bietet Ihnen nichts Bemerkenswertes. Höchstens treffen Sie unsern Heulaffen an, und das ist nicht einmal sicher, da er sich in die Wälder zurückgezogen hat. Außerdem sind die Wege über die Bergrücken sehr primitiv und vielleicht auch nicht ungefährlich. Es läuft hier allerlei verdächtiges Gesindel auf der Insel herum, mit dem sich herumzuschlagen keinen Ruhm einbringt.«
»Wenn mir diese Auskunft aus anderm Munde würde,« erwiderte ich höflich, »so würde ich ihr keine Beachtung schenken. Da ich in Ihnen aber einen Kollegen sehe, so werde ich natürlich den Wasserweg wählen. Vielleicht bietet sich nach meiner Rückkehr Gelegenheit, in Ihrer Gesellschaft einen ›Urwaldbummel‹ zu machen.«
»Wenn sich bis dahin keine Reisegelegenheit für sie findet, stehe ich gern zur Verfügung,« entgegnete Herr Hart.
Am nächsten Morgen, mit Sonnenaufgang, verließ ein kleiner Dampfer den Hafen und nahm Kurs nach Süden.
Im Golf von Paria, der die Insel Trinidad vom venezuelischen Festland trennt, herrschte ziemlich wilde See, die unser kleines Fahrzeug wie ein Spielzeug hin und her warf, als es in die Strömungen geriet, die zwischen den beiden Meerengen der Bocca del Drago (Drachenmund) im Norden und der Bocca del Sierpa (Schlangenmund) im Süden herrschen. Wir wurden durcheinandergeschüttelt wie ein Sack voll Nüsse und waren herzlich froh, als wir nach fünfstündiger Fahrt mit heilen Gliedern, wenn auch voller Beulen, vor dem Hafen von La Brea ankamen. Dort beförderten uns kleine, unendlich verwahrloste Boote ans Land.
Und was für ein Land. So weit das Auge reicht, verbrannter, öder Boden, auf dem kein Baum, kein größerer Strauch dem Wanderer Schatten spendet. Hier und da erhebt wohl ein kümmerliches Pflänzchen seine Krone, um nach einem nach Stunden zählenden Dasein unter der Glut der mörderischen Sonne sein junges Leben wieder auszuhauchen: Auch die Tierwelt meidet diesen Ort, über dem ein atembeklemmender Teergeruch lagert. Die wenigen Menschen, fast durchwegs Neger, die an der Bootslandung neugierig auf den Weißen blicken, der in diese Einöde einzudringen wagt, ohne daß ihn der Zwang der Arbeit dazu nötigt, verbreiten eine Atmosphäre von Fieberdünsten um sich, der man sofort wieder entrinnen möchte, wenn nicht durch die Abfahrt des Dampfers die Möglichkeit einer Rückkehr für die nächsten vierundzwanzig Stunden abgeschnitten wäre.
Ich suchte zunächst den Herrn Ridley auf, an den ich empfohlen war. Auf seinem Bureau erfuhr ich, daß er sich gerade auf einem der draußen am Ladepier liegenden Asphaltdampfer befand. Während man ihn mittels Flaggensignal benachrichtigte, hatte ich Muße, mir die Arbeiten zur Verschiffung des Asphalts anzusehen. Über einige auf hohen Gestellen ruhende Drahtseile glitten unaufhörlich Förderkörbe, die aus einer entlegenen Gegend schwarze blasige Blöcke – den rohen Asphalt, holten und in die weit draußen liegenden Schiffe mit dumpfem Gepolter entleerten.
Die mit der Förderung und Verschiffung des Asphalts beschäftigten Arbeiter sind ausschließlich Neger. Ein Europäer würde in dem fieberglühenden ungesunden Klima in kurzer Zeit zugrunde gehen. Aber auch diese Neger versehen ihre Arbeit nur während eines verhältnismäßig kurzen Zeitpunktes, und trotz der außerordentlich hohen Löhne bei beschränkter Arbeitszeit herrscht in La Brea immer Mangel an Arbeitskräften.
In Herrn Ridley lernte ich einen Engländer kennen, der seine Ausdauer im Asphaltgebiet nur seiner Abstammung von einem weißen Vater und einer Indianerin verdankte. Er war der einzige Europäer, der schon einige Jahre in La Brea wohnte und diesem gottverlassenen Erdenwinkel auch einige gute Seiten abgewinnen konnte. Auf meine erstaunte Frage, ob er denn keine Sehnsucht nach reiner frischer Luft, nach Wäldern und Bäumen habe, erwiderte er:
»Allerdings habe ich das. Es hindert mich auch niemand, mir diese Genüsse zu verschaffen. In ein paar Stunden kann ich mich inmitten der prachtvollsten Vegetation befinden und unsere saftigsten Tropenfrüchte von den Bäumen pflücken.«
Als er meine ungläubige Miene bemerkte, fügte er lächelnd hinzu:
»Wenn Sie unsere Asphaltseen besichtigt haben, werde ich Sie zu einem Ausflug einladen, der Ihnen die Erklärung dafür gibt, wie ein naturliebender Mensch, wenn es sein muß, auch in der anscheinend trostlosesten Umgebung mit frohen Sinnen an seine Arbeit gehen kann.«
Auf müden kleinen Pferden ritten wir durch die erstickend schwüle Nachmittagsglut über eine unsagbar trostlose Ebene den höher gelegenen Fundorten des Asphalts zu. Nach halbstündigem Ritt stieg das Land zu mäßigen Hügeln an und plötzlich befanden wir uns vor einem etwa einen Kilometer im Durchmesser haltenden vulkanischen Krater, auf dessen Oberfläche einige hundert Neger, nackt bis zum Gürtel, mit Pickel und Spaten arbeiteten.
»Das ist unser Asphaltsee,« sagte Herr Ridley erklärend. »Das heißt, die Bezeichnung ›See‹ ist nur eine willkürlich gewählte Ausdrucksweise für einen alten Krater, aus dessen Innern seit Jahrhunderten neben einer übelriechenden Flüssigkeit das Erdpech – Asphalt genannt – zutage tritt. Das merkwürdige ist, daß sich die Asphaltmengen hier niemals erschöpfen. Nachweislich werden schon seit dem siebzehnten Jahrhundert mehr oder weniger große Mengen des Erdpechs nach allen Teilen der Welt ausgeführt, und doch bleibt der Krater stets bis zum Rande gefüllt. Heute verladen wir wöchentlich fast zweitausend Tonnen und das schon seit Jahren. Und doch wird, wie Sie sich leicht überzeugen können, der Inhalt des Beckens nicht weniger. Was wir am Tage dem Krater an Asphalt entnehmen, ist unfehlbar am nächsten Morgen wieder nachgewachsen. Die ausgebeuteten tiefen Löcher sind wieder gefüllt und der Spiegel des mit einer leichten Wasserfläche überzogenen Beckens sieht aus, als ob niemals auch nur eine Unze Gewicht aus seinen Wänden entnommen wäre. Merkwürdig ist ferner, daß sich die geheimnisvolle Tätigkeit im Erdinnern nur während der Nachtstunden vollzieht. Solange die Sonne am Himmel steht, bleiben die ausgehobenen Gruben unverändert. Erst mit dem Eintritt der Dunkelheit beginnt ein leises Brodeln und Arbeiten und man kann beobachten, wie die Wunden, die der Asphaltdecke geschlagen wurden, von unten auf wieder geheilt werden. Welche Kräfte diese unbegreiflichen Vorgänge herbeiführen, hat man bis auf den heutigen Tag noch nicht erforschen können. Zweifellos sind sie wohl vulkanischer Natur. Wir haben ja einige kleine Schlammvulkane in der Nähe, die jedoch nur schweflige Dämpfe ausstoßen und mit unserm >See< in keinem Zusammenhang stehen.«
Während dieser Erklärung begaben wir uns über die Asphaltmasss an eine der Arbeitsstellen. Der Boden zeigte sich leicht elastisch, und ich hatte das Gefühl, als ob ich über einen Moorboden schritt, der jeden Augenblick unter meinen Füßen nachgeben konnte. Vier Neger stachen die zähen schwarzen Blöcke wie in einem Torfstich aus der Grube ab. Vier andere warfen sie auf die Wagen einer Feldeisenbahn. Sobald ein Wagen gefüllt war, wurde er von dem Auflader zu einer Sammelstelle gefahren und mit großen Haken an das Drahtseil gehängt, auf dem sie dem Dampfer zugeführt wurden. Unaufhörlich kamen und gingen die kleinen Wagen, deren Anzahl der Arbeitsleistung der Neger angepaßt war, so daß nur immer so viel Wagen an der Grube standen, als bequem beladen werden konnten. Dadurch vermied man, daß die Neger einen Eindruck der Hetzarbeit gewannen, während in Wirklichkeit genau so viel gearbeitet wurde, als überhaupt aus den Negern herauszuholen war.
Wir verbrachten die Nacht in einer Aufseherhütte, die alle Bequemlichkeiten aufwies, die man in solcher Gegend billigerweise erhalten konnte. Mit dem ersten Sonnenstrahl waren wir wieder im Sattel, und schon nach einer halben Stunde fanden wir uns in der herrlichsten Tropenvegetation. Herr Ridley führte mich in ein Tal, das von zwei oder drei Bergzügen, welche die Insel durchziehen, gebildet wird.
Unvermittelt sahen wir uns in den jungfräulichen Urwald versetzt. Die leuchtende Sonne verschwand und machte einer fahlen Dämmerung Platz, die durch die dichten Laubkronen der Riesenbäume hervorgebracht wurde. Eine erfrischende Kühlung umfing uns, und unwillkürlich ließ ich den Zügel auf den Hals meines Pferdes fallen.
»Wir müssen die Pferde ohnehin zurücklassen,« sagte mein Begleiter, der meine Bewegung falsch deutete. »Von hier aus führt nur ein Pfad durch die Wildnis. Ich habe ihn selbst mit vier Negern vor vierzehn Tagen geschlagen und hoffe, daß er noch gangbar sein wird.«
Mit diesen Worten warf er den Negern die Zügel zu.
»Nehmen Sie nun Ihre Büchse und das Jagdmesser und dann wollen wir einen Tag reinsten Urwaldlebens verbringen,« fuhr er fort. »Ich glaube, ich kann Ihnen hier in Trinidad ebensoviel wilde Welt zeigen, wie Sie drüben auf dem Kontinent gefunden haben, wenn auch ohne Jaguare und Riesenschlangen.«
»Dafür besitzen Sie andere Seltenheiten auf der Insel,« entgegnete ich höflich. »Man hat mir von ein paar Affenarten erzählt, die hier in besonders großen Exemplaren hausen sollen.«
»Das mag richtig sein,« erwiderte Herr Ridley. »Ich kenne die Tierwelt außerhalb der Insel zu wenig, um darüber ein Urteil abgeben zu können. Das aber ist sicher, daß unsere Affen, wenn sie einmal gereizt sind, zu recht gefährlichen Gegnern werden können. Einer meiner Diener kann Ihnen eine Geschichte davon erzählen. Seien Sie auf Ihrer Hut, wenn Sie zufällig einem der Roten begegnen sollten.«
Der Weg nahm unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Dort, wo mein Führer vor zwei Wochen Bahn gehauen hatte, war wieder eine dichte Decke von Pflanzen aller Art emporgeschossen. Sogar Palmschößlinge erreichten Mannshöhe und besonders eine harmlos aussehende, prächtig blühende Schlingpflanze, die ihre langen, fingerförmigen Ausläufer über den Boden breitete, nahm das Auge gefangen, und gerade vor dieser mußten wir uns hüten. Neben jeder Blüte saß ein mit Widerhaken versehener Dorn, der sich tief in die Haut bohrte und bei dem geringsten Versuch, sich davon zu befreien, abbrach. Mit dem Dorn drang ein winziges Tröpfchen einer Flüssigkeit in die Wunde, das ein unerträgliches Jucken verursachte. Da mir das Gewächs nicht bekannt war, so wurde ich natürlich ein Opfer desselben, und zwar in eben dem Augenblick, wo mich mein Begleiter vor ihm warnen wollte. Ich verbiß den Schmerz und drängte zum Weitermarsch, denn ich wollte möglichst viel von der Insel kennenlernen. Ein tropischer Urwald als solcher war mir nichts Neues, und so kleine Unannehmlichkeiten, wie es Dornenrisse zu sein pflegen, war ich gewohnt, zu gelegenerer Zeit, etwa abends am Lagerfeuer, einer eingehenden Untersuchung zu unterziehen.
Gar bald nahm die Jagd unser ganzes Interesse in Anspruch. Ein Pecari, ein kleines Wildschwein, war vor uns in dem Pfad aufgetaucht und hatte sofort das Dickicht angenommen. Bald bemerkten wir, daß es eine Anzahl junger Tiere führte.
»Wenn wir die lebendig fangen könnten,« rief Ridley aus. »Schon lange suche ich sie vergebens, und gerade heute habe ich die Neger zurückgeschickt.«
»Was sollen die Neger dabei tun?« fragte ich zurück.
»Die könnten wir in den Busch schicken, um uns ein paar Junge zu fangen.«
»Das können wir selbst doch auch,« erwiderte ich. »Die Alte verschwand dort neben dem Feigenbaum. Versuchen wir es, ihr zu folgen.«
»Ah, das würde uns sicher ein paar Kleidungsstücke und Hautfetzen kosten,« antwortete Ridley. »Der Wald ist so voller Dornen, daß wir schon nach den ersten zehn Schritten die Spuren des Pecari verloren hätten.«
»Nun, wie Sie wollen,« entgegnete ich. »Wenn ich es mir in den Kopf gesetzt hätte, ein paar junge Pecaris mit nach Hause zu bringen, dann würde ich auch ohne sie nicht zurückkehren, und wenn ich ein paar Tage im Walde liegen müßte. Was liegt an den Kleidern? Und meine Haut hat schon so manches Hundert dornige Risse glücklich überstanden, daß sie durch einige Dutzend weitere auch nicht an Solidität verliert.«
»Wenn Sie die Sache so gleichgültig aufnehmen, dann ist es etwas anderes,« gab mein Begleiter zurück. »Lediglich die Rücksicht auf Sie hält mich ab, der Fährte zu folgen. Es ist sehr leicht möglich, daß wir auseinander kommen, und ich möchte Sie nicht in die Lage versetzen, allein in diesem Walde herumzuirren.«
»Wenn Sie weiter nichts fürchten, lieber Herr,« rief ich aus, »dann lassen Sie uns nur die Verfolgung aufnehmen. Ich habe so manche Nacht ganz allein im Urwald geschlafen, daß es mir auf eine mehr auch nicht ankommt. Wir wollen nur kurz ein Verständigungssignal verabreden, und dann los. Das Pecari wird nicht sehr weit sein. Wenn Sie seine Nähe wittern, dann brauchen Sie nur das Locken der Alten nachzuahmen, und die Jungen kommen Ihnen von selbst entgegengelaufen. Hüten Sie sich aber vor der Alten. Die Tiere sind bekanntlich sehr bissig und wenn sie Junge haben, auch angriffslustig.«
»Das weiß ich,« rief Herr Ridley, den die Jagdlust ganz gefangennahm. »Also drei kurze Pfiffe und bei Gefahr zwei Schüsse.« Die Worte rief er mir zu, als ihn das Dickicht bereits verschlungen hatte. Ich selbst ging vorsichtiger zu Werke. Indem ich mich an den phantastisch geformten Brettwurzeln des riesigen Feigenbaumes entlang schob, gewann ich eine lichte Stelle, die es mir ermöglichte, einen Überblick über die nächste Umgebung zu gewinnen. Nachdem ich mich überzeugt hatte, daß die Wildschweinfamilie nicht mehr in der Nähe weilte, hieb ich das Unterholz zusammen und untersuchte den Boden nach einer Fährte. Ich hatte Glück. Deutlich prägten sich die zierlichen Klauen in dem feuchten Erdreich aus. Sie führten in ein Gewirr von Schlingpflanzen, das ich leicht durchbrechen konnte, indem ich mich mit dem Gewicht meines Körpers dagegen warf. Allerdings heimste ich bei der Gelegenheit manchen Stich der aus ihrer Beschaulichkeit gerissenen Wespen ein. Aber mich hatte die Kaltblütigkeit verlassen, und je mehr Hindernisse sich mir in den Weg stellten, desto eifriger verfolgte ich die Spur.
Der Boden wurde naß. Die holzigen 5träucher traten zurück und großblättrige Wasserpflanzen tauchten auf. Eigentlich hätte mich das vorsichtig machen sollen. Da ich jedoch irgendwo in den Büschen die lockenden Rufe des Pecari zu hören glaubte, faßte ich meine Büchse fester und warf mich ungestüm vorwärts. Durch das Geräusch erschreckt, flüchteten mit lautem Gekreisch ein paar Wasservögel. Ein Reiher überflog mich.
»Herrgott, da ist Wasser,« entfuhr es mir. In demselben Augenblick verlor ich auch den Boden unter den Füßen, und ich sank bis unter die Arme in ein übelriechendes Wasserloch. Unwillkürlich stieß ich dabei einen Schrei aus, der ein paar Tiere aufscheuchte, die irgendwo in meiner Nähe ihr Lager haben mußten. An dem Zittern der Büsche nahm ich wahr, daß das Wild auf mich zukam. Wo ich gerade stand, suchte ich festen Halt mit den Füßen und nahm die Büchse, die ich bei dem plötzlichen Versinken zum Glück über den Kopf gehoben hatte, in Anschlag.
Ich brauchte nicht lange zu warten. In der nächsten Minute schnaubte es vor mir, die Büsche teilten sich, und ich sah das Pecari umringt von seinem jungen Nachwuchs. Bei meinem Anblick setzten sich die Kleinen, wie auf Kommando, auf ihr Hinterteil und blickten erschreckt und leise wimmernd das bebrillte Ungeheuer an, das vor ihnen aus dem Sumpfe wuchs. Aber auch ich war überrascht von dem unerwarteten Bilde, das sich da vor meinen Augen aufbaute. Die kleinen Schweinchen, deren braunrotgestreifter Haarflaum golden in der Sonne schimmerte, schauten mich mit ihren erstaunten Äuglein so treuherzig an, daß ich es nicht über mich gewinnen konnte, sie durch einen Schuß ihrer Mutter zu berauben, um sie in die Hand meines Begleiters zu liefern. Und doch hätte ich ihm gern zu einer so heiß begehrten Beute verholfen. Aber wie? Ich streckte die Hand aus, um das mir zunächst sitzende Tierchen zu greifen. Es sprang jedoch zur Seite und stieß einen quietschenden Ruf aus, der die Alte zu einem fauchenden Angriff auf mich veranlaßte. Nun kam mir ein rettender Gedanke. Vorsichtig nahm ich meinen Tropenhut ab. Ich faßte ihn oben am Kopfe, wartete auf eine Gelegenheit, wo das Tierchen den Kopf wendete, und stülpte ihm mit einem Schlage den Helm über den Körper. Der Wurf gelang. Gleichzeitig schnellte ich mich nach vorn, um den Helm mit aller Kraft auf den zappelnden Gefangenen zu pressen, und versuchte mit der linken Hand, in der ich noch das Gewehr hielt, mein Signalpfeifchen zu erfassen. Das war nun schwerer als ich dachte. Noch hatte das Muttertier die Situation nicht erfaßt. Lange konnte es aber nicht mehr dauern, bis die dumpfen Töne, die aus dem Tropenhut hervorquollen, sie über das Geschehene aufklärten. Und dann hatte ich einen wütenden Angriff abzuwehren.
Nach vieler Mühe brachte ich die Pfeife zum Munde. Die schrillen Rufe gellten durch den Wald und wurden zu meiner Freude sofort beantwortet. Jetzt wurde aber auch das Pecari ungemütlich. Fauchend schob es die Jungen beiseite und schickte sich an, den Hut anzugreifen. Ich fühlte, daß ich mit der einen Hand die Beute nicht lange würde halten können, deshalb warf ich mir die Büchse über den Kopf und beugte mich vor, um mit beiden Händen den kostbaren Fang zu schützen. Dabei ging ich wohl etwas ungestüm zu Werke. Ich begann zu wanken, verlor das Gleichgewicht und fiel, da ich nirgends einen Halt fand, vornüber, wobei mir die grüngelbe Brühe über den Kopf spritzte. Trotzdem ließ ich nicht locker. Jetzt lag ich mit beiden Armen auf dem moorigen Rande des Tümpels und umklammerte krampfhaft den Hut, dessen Besitz mir das Muttertier mit Rüssel, Pfoten und Zähnen streitig zu machen suchte. Mit Mühe konnte ich es meinem Gesicht fernhalten. Fast hätte das Wildschwein den Sieg davongetragen, denn ich verlor immer mehr Boden unter den Füßen und dachte schon daran, Hut und Ferkel fahren zu lassen, als plötzlich Ridley am jenseitigen Rande des Sumpfes auftauchte und dadurch die Sau in die Flucht jagte. »Gott sei Dank, daß Sie da sind,« schrie ich ihm aufgeregt entgegen, wobei mir ein Strom der stinkenden Brühe in den Hals lief. »Nehmen Sie rasch das Junge, rasch, Mann!«
»Sie haben gut reden,« erwiderte er, über meine jammervolle Lage lachend. »Ich sehe keine Möglichkeit, zu Ihnen zu gelangen, denn hier ist ein Wasserloch neben dem andern.«
»Habe ich mich etwa besonnen, als es galt, Ihnen das Ferkel zu fangen?« fragte ich erregt. »Ich muß hier ertrinken, wenn Sie mir nicht sofort Hilfe bringen. Hauen Sie ein paar dicke Äste ab und werfen Sie mir sie zu, damit ich mich wenigstens über Wasser halten kann.«
»Werfen Sie mir das Ferkel herüber. Es hindert Sie ja nur bei Ihren Rettungsarbeiten,« rief Ridley zurück, ohne meine Worte zu beachten. Er konnte den Engländer nicht verleugnen, dem der Eigennutz mehr gilt als ein Menschenleben.
»Das Ferkel ersäufe ich, wenn Sie mir nicht sofort Hilfe bringen, Herr Ridley,« rief ich ihm wütend zu. »Ich begreife nicht, daß Sie nicht alles aufbieten, mich aus diesem übelriechenden Tümpel herauszuziehen. Steht Ihnen denn ein Wildschwein höher als der Gastfreund?«
»Nein, entschuldigen Sie,« erwiderte er jetzt beschämt. »Ich glaubte wirklich an einen Scherz Ihrerseits. Können Sie denn nicht auf dem Wege, auf dem Sie gekommen sind, wieder zurück?«
»Dann wäre ich schon längst draußen. Der Boden ist ringsum wie ein Schwamm. Wenn ich darauf drücke, saugt er sich voll. Werfen Sie mir einen kräftigen Ast herüber.«
»Ja, aber das Ferkel, das Ferkel,« jammerte Ridley, »werfen Sie es mir doch herüber.«
»Halten Sie sich nur nicht auf. Wenn Sie mich herausziehen, bringe ich Ihnen das Ferkel mit.« Ich fürchtete wohl nicht mit Unrecht, daß mich der Engländer in dem Tümpel sitzenlassen würde, wenn er das heißersehnte Tier erst in Händen hielt. Dem mußte ich vorbauen. Gleichzeitig reifte in mir die Idee, den Mann für seine hinterlistigen Pläne zu bestrafen. Es sollte ihm nicht besser gehen als mir. Und wenn ich naß und voller Schlamm war, so brauchte er auch nicht in trockenen Kleidern spazierenzugehen. Übrigens war auch keine Zeit mehr zu verlieren, denn ich sank langsam, aber stetig tiefer in den Morast, und wer weiß, was mir bevorstand, wenn ich nicht energisch auf Rettung drängte.
Ridley hatte mittlerweile einen jungen Palmbaum abgehauen, und warf mir das obere Ende, an dem noch ein paar Wedel hingen, zu. Das dickere Ende umschlang er mit einem Strick und wickelte sich diesen um das Handgelenk, um festeren Halt zu haben. Der kräftige Stamm bot mir eine Stütze. Ich konnte mich von dem hinderlichen Gewehr befreien, das ich quer über die Wedel legte und mit dem Riemen an dem Stamme festschnallte. Hierauf holte ich aus meiner Tasche eine dünne Schnur und fesselte damit die vier Beinchen des kleinen Ferkels, das alles ruhig mit sich geschehen ließ. Dann legte ich das kleine Paketchen behutsam in das Innere meines Helmes und band auch diesen an die Wedel. Dann rief ich Ridley an:
»Jetzt halten Sie fest, Herr Ridley, stemmen Sie die Füße gut ein, und wenn ich rufe, ziehen Sie langsam, ohne den Stamm loszulassen.«
Nach einer Weile war er mit den Vorarbeiten fertig.
»Hallo, jetzt ziehe ich,« rief er mir zu. »Halten Sie fest.«
Ich griff fest in die biegsame Krone des Baumes, stemmte mich, so gut es gehen wollte, in den weichen Boden und lag bald mit halbem Leib auf dem Rande des Wasserloches. Plötzlich ließ Ridley los, und ich rutschte ein Stückchen zurück.
»Lassen Sie um Gottes willen nicht los,« schrie ich hinüber, »sonst ist alle Mühe vergebens.«
»Ich kann nicht mehr, ich muß mich ein bißchen ausruhen,« klang es zurück.
»Dann befestigen Sie wenigstens den Baum, damit ich mich heraufziehen kann.«
Nach einer Weile bekam ich die Antwort:
»So, jetzt ist der Stamm fest.«
Ich faßte die Palme und zog mich mit meiner ganzen Kraft empor. Dann setzte ich den Fuß auf den schwammigen Rand und wollte gerade das andere Bein nachziehen, als ich bemerkte, daß der Stamm nachgab. Sofort rief ich Ridley die Warnung zu: er solle nur jetzt nicht loslassen. Dann gab ich mir einen kräftigen Schwung und stürzte der Länge nach außerhalb des Loches auf festen Boden. In demselben Augenblick durchschnitt ein Jammerruf die Luft.
»Hilfe, zu Hilfe, ich ertrinke!« schrie Ridley. «Ein wildes Plätschern verriet mir, daß mein Begleiter im Wasser saß.
Ungeachtet des trügerischen Moorbodens, eilte ich der von Büschen verdeckten Stelle zu, wo ich meinen Lebensretter vermutete. Ich bog die Zweige auseinander und mußte nun meinerseits auflachen. Ridley saß genau wie ich vorher bis zum Hals in einem moorigen Tümpel, wo er wild um sich schlug, um ein ganzes Heer von großen Wasserwanzen von sich abzuwehren.
»Wie haben Sie denn das fertiggebracht?« rief ich erstaunt aus.
»Das ist Ihre Schuld, wenn Sie nicht so kräftig gezogen hätten, dann wäre mir der Stamm nicht aus den Händen geglitten. Helfen Sie mir jetzt nur rasch wieder aus der stinkenden Brühe heraus.«
Damit ließ ich mir nun Zeit. Der gute Engländer sollte nur auch einmal die Freude durchkosten. Sein Leben war ja nicht in Gefahr. Unter dem Vorwand, erst den Palmbaum holen zu müssen, empfahl