Auf der Spur der wilden Bienen - Thomas D. Seeley - E-Book

Auf der Spur der wilden Bienen E-Book

Thomas D. Seeley

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Beschreibung

In seinem neuen Buch ›Auf der Spur der wilden Bienen‹ beschreibt der renommierte Bienen-Experte Thomas D. Seeley, wie sich der Mensch über Jahrtausende auf die Spuren wilder Bienen machte, um ihren Honig zu erbeuten. Erst die Erfindung der Bienenstöcke machte diese Jagd überflüssig. Doch zunehmend mehr Menschen schätzen diese traditionsreiche Beschäftigung, die großes Geschick erfordert und Einblick in das Leben der Bienen ermöglicht, ohne ihnen Schaden zuzufügen. In seinem neuen, reich bebilderten Buch erzählt Seeley von der aufregenden Jagd nach Honig, gibt Tipps und erklärt liebevoll die Hintergründe dieser alten Kulturtechnik. Entstanden ist sowohl eine anekdotenreiche Kulturgeschichte der Biene als auch ein Leitfaden der Zeidlerei – geschrieben mit großem Charme von einem, der seine Bienen wahrhaftig kennt und liebt. »Originell, authentisch, anregend: Dieses Buch ist Wissenschaft, Geschichte, Abenteuer und Schatzsuche zugleich.« Edward O. Wilson

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Seitenzahl: 246

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Thomas D. Seeley

Auf der Spur der wilden Bienen

Aus dem Englischen von Sebastian Vogel

FISCHER E-Books

Inhalt

WidmungVorwortKapitel 1 Einleitung»Zum Fair Haven Pond – Bienenjagd«Wie man Bienenjäger wirdMeine erste BienenjagdKapitel 2 Die Bienenbox und andere HilfsmittelEin lichtundurchlässiges TuchZwei leere WabenquadrateEin Glas mit ZuckersirupEine Flasche mit Anisextrakt, ein Metalldeckel und ein kleines Stück 8-Mesh-GitternetzEin Satz FarbmarkerEine UhrEin MagnetkompassEin Notizbuch und Kugelschreiber oder BleistifteEin Rucksack oder eine WerkzeugkisteOptionale HilfsmittelEinen Ständer für die BienenboxEin KlappstuhlEine Rolle Vinyl-FlatterbandEine topographische Karte der GegendKapitel 3 Jagdsaison für BienenWann beginnt die Bienen-Jagdsaison, und wann endet sie?Die beste Zeit für die Bienenjagd: Anfang und Ende der TrachtKapitel 4 Der Anfang der FlugrouteWie man Bienen auf Blüten mit der Bienenbox einfängtDie Auswahl der FreilassungsstelleBeobachtung der wegfliegenden BienenGute SichtverhältnisseKapitel 5 Zeitmessung: Wie weit ist die Bienenbehausung entfernt?Messung der AbwesenheitszeitenUmrechnung der Abwesenheitszeiten in EntfernungsschätzungenAnfängerglück: drei kurze JagdenMein Stolz als BienenjägerKapitel 6 Umzüge entlang der FlugrouteUmzüge bis zum Bienenbaum oder darüber hinausWenn die Flugroute sich umkehrtEin paar Worte über die TriangulationKapitel 7 Den Bienenbaum findenRegeln für das Endstadium der SucheWie lange dauert die letzte Phase der Suche?Fehlschläge bei der BienenjagdTabelle 7.1: Eigenschaften von Nistplätzen und Vorlieben der Honigbienen, abgeleitet aus der Besetzung von Nistkästen durch SchwärmeKapitel 8 Warum man Bienenbäume nicht »einnehmen« sollteDie Einnahme eines Bienenbaumes: ein grausamer AktWilde Honigbienenvölker sind eine wertvolle genetische RessourceLiteraturAbbildungsnachweise

Gewidmet den Honigbienen, die im Arnot Forest leben

Vorwort

Honigbienen haben im Laufe der letzten zehn Jahre stark an Beliebtheit gewonnen. Deshalb ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt für ein Buch darüber, wie man neben der Imkerei noch auf eine zweite Art Spaß mit diesen großartigen kleinen Lebewesen haben kann. Unser Thema ist die Freiluftsportart der Bienenjagd. Während der Imker seine Honigbienenvölker in Bienenstöcken hält, die er selbst zur Verfügung gestellt hat, sucht der Bienenjäger oder Zeidler nach Bienenvölkern, die in hohlen Baumstämmen und anderen selbst gewählten Behausungen leben. Wenn der Bienenjäger ein wildes Bienenvolk sucht, fängt er zunächst Bienen, die auf Blüten sitzen, und bietet ihnen als Köder einen kleinen Vorrat an Zuckersirup, dem er mit Anis einen betörenden Duft verliehen hat. Anschließend findet er durch Beobachtung der nach Hause fliegenden Bienen heraus, in welcher Richtung ihr geheimer Unterschlupf liegt. Nun wandert er mit seinem Zuckersirup-Futterspender und zusammen mit den Bienen in ihre Flugrichtung. Am Ende hat er ihren geheimnisvollen Wohnort ausfindig gemacht: einen hohlen Baum, ein altes Gebäude oder einen aufgegebenen Bienenstock.

Das alles hört sich ziemlich kompliziert an, und manch einer fragt sich jetzt vielleicht: Kann ich auch auf Bienenjagd gehen? Die Antwort lautet: ja. Um in der Bienenjagd Erfolg zu haben, braucht man wie in allen anderen wirklich faszinierenden Sportarten keine komplizierte Ausrüstung, sondern nur ein paar besondere Fähigkeiten. Dieses Buch ist ein Leitfaden: Es soll helfen, die einfachen Hilfsmittel zu beschaffen und die phantasievollen Methoden zu erlernen, die das Handwerk des Bienenjägers ausmachen. Die Bienenjagd ist zwar kein banal-einfacher Sport, aber sie eignet sich für jeden, der sich gern in der freien Natur aufhält, Geduld und Entschlossenheit mitbringt und sich für die Beherrschung einer Schatzsuche und den Spaß daran begeistern kann.

Die Bienenjagd oder Zeidlerei wurde früher überall in Europa, Nordamerika, dem Nahen Osten und Afrika praktiziert.[1] Vermutlich ist sie so alt wie die Menschheit selbst: Die Frühmenschen, die als Jäger und Sammler in Gruppen lebten, suchten nach Stöcken von Honigbienen und plünderten sowohl die Brut als auch den Honig. Das Gleiche tun manche Völker von Jägern und Sammlern noch heute. Die vermutlich älteste Beschreibung der Methoden, mit denen man das Nest eines wilden Honigbienenvolkes finden kann, stammt von Columella, einem römischen Gutsbesitzer, der im ersten Jahrhundert n. Chr. über Landwirtschaft schrieb.[2] In seinem Buch über Bienenzucht gibt er herrlich detaillierte Anweisungen: Man soll die Bienen im Frühjahr fangen, mit Honig füttern und dann einzeln wieder freilassen, um sie anschließend »bis zu dem Ort zu verfolgen, an dem sich der Schwarm versteckt«.

In Europa war die Bienenjagd vor allem in stark bewaldeten Regionen verbreitet, so im Westen Russlands und in Ungarn. Dort gehörte sie als entscheidender Bestandteil zum Handwerk der Bienenzucht mit hohlen Bäumen.[3] Die Zeidler bedienten sich unterschiedlicher Bienenfallen – manche bestanden zum Beispiel aus einem Kuhhorn mit einem beweglichen Eingang in einem Schlitz und einer kleinen Öffnung, die man mit einem Stopfen verschließen konnte. Man fing eine Biene oder auch mehrere, wartete, bis sie sich mit dem im Inneren des Horns aufgetragenen Honig beladen hatten[4], ließ dann eine Biene nach der anderen frei und folgte ihnen bis zu ihrem Nest, das sich meist in einem hohlen Baum befand.[5] Nun schnitt der Entdecker seine Eigentumsmarkierung in die Baumrinde, brachte im Stamm eine Tür an, um sich Zugang zu der Nisthöhle zu verschaffen, und kletterte in regelmäßigen Abständen auf den Baum, um immer wieder ein paar Waben zu entnehmen. In Nordamerika gewann die Zeidlerei an Beliebtheit, nachdem man Anfang des 17. Jahrhunderts die ersten Honigbienen aus Europa eingeführt hatte. Die nordamerikanischen Bienenjäger bedienten sich bei der Suche nach wilden Bienenvölkern der gleichen Methoden, die in Europa schon seit Jahrhunderten in Gebrauch waren, ernteten aber nur in seltenen Fällen mehrmals den Honig aus dem gleichen Nest. Meist fällten sie stattdessen die Bienenbäume und plünderten sämtliche Waben, wobei das Bienenvolk häufig vernichtet wurde.

Vom 16. bis zum 20. Jahrhundert verlor die Zeidlerei sowohl in Nordamerika als auch in Europa immer mehr an Bedeutung, während sich die Imkerei mit Bienenvölkern, die gruppenweise in Bienenhäusern untergebracht waren, durchsetzte. Bei den Bienenstöcken handelte es sich anfangs einfach um die hohlen, von Bienen bewohnten Stammabschnitte der Bäume; man brachte sie zum Wohnort des Imkers, wo sie als hölzerne Bienenstöcke dienten. Die Schwärme aus solchen Stöcken brachte man in Bienenkörben aus geflochtenem Stroh oder einfachen Kisten unter. Ende des 19. Jahrhunderts verwendeten die Imker zunehmend speziell konstruierte Bienenstöcke mit beweglichen hölzernen Rahmen, die fein säuberlich die Waben aufnahmen und dem Imker eine gezielte Bewirtschaftung seiner Völker ermöglichten.[6]

Die Erfindung der Bienenstöcke mit beweglichen Rahmen trug zusammen mit Selbstraucher, Honigschleuder und anderen modernen Imkereigerätschaften dazu bei, dass Menschen nun den Honig viel einfacher erzeugen konnten: Statt Wildbienenvölkern in den über die Landschaft verstreuten Bäumen nachzujagen, hielt man bewirtschaftete Bienenvölker in Stöcken, die zu Bienenhäusern zusammengefasst wurden. Heutzutage braucht der erfolgreiche Bienenjäger also den Bienenbaum nicht mehr zu fällen, um dann mit Hammer und Keil den Stamm zu öffnen, das Bienennest freizulegen und die honiggefüllten Waben herauszuschneiden. Statt Eimern voller gelblichweißer Waben kann er heute eine ganz andere Beute nach Hause bringen: köstliche Erinnerungen an den Aufenthalt auf sonnendurchfluteten Feldern mit Honigbienen, die von seiner Futterstation heimwärts fliegen, an die Verfolgung der Bienen auf ihrem Weg durch die Luft und an die Entdeckung ihres geheimnisvollen Wohnorts.

Auch wer als Bienenjäger die Bienen unbehelligt lässt, erlebt einen äußerst angenehmen Ausflug. Schließlich ist die Jagd eine der ältesten Tätigkeiten der Menschen, und die Leidenschaft, wilden Tieren nachzustellen, muss bis vor sehr kurzer Zeit ein ungeheuer wertvoller Teil der menschlichen Natur gewesen sein. Wenn ich selbst auf Bienenjagd gehe, spüre ich immer die Begeisterung, meiner Beute auf der Spur zu bleiben. Wenn ich auf der Flugbahn der Bienen weit vorangekommen bin, im Wald ein Volk wilder Bienen ausgemacht habe und schließlich die glitzernden Flügel der Bienen sehe, die in ihrem Zuhause im hohlen Baum verschwinden, macht sich in mir jedes Mal ein Gefühl des Erfolgs und sogar des Triumphes breit. Wenn ich mich dann schließlich auf den Weg zu meinem Zuhause mache, bin ich nicht reicher an Honig als am Morgen, denn ich hinterlasse einen unbeschädigten Bienenbaum und ein ungestörtes Bienenvolk. Der schwindelerregende Jubel des »Ich hab’s geschafft« ist vorüber, aber neben dem köstlichen, bleibenden Gefühl des Erfolgs stellt sich eine stillere, aber ebenso angenehme Empfindung ein: die Befriedigung, den Bienen keinen Schaden zugefügt zu haben.

Neben dem Jubel über die Entdeckung eines wilden Bienenvolkes und seiner versteckten Behausung kann sich der Bienenjäger noch über andere Belohnungen freuen. Eine davon ist das Vergnügen, die Überlebenskunst in der Natur mit der Handhabung von Karte und Kompass zu verbinden und mit körperlicher Anstrengung einen Bienenbaum ausfindig zu machen – eine Leistung, die heute nur die wenigsten Menschen vollbringen. Ein weiterer Lohn ist das ruhige, friedliche Gefühl beim Beobachten von Lebewesen, die aufgrund ihrer Evolution dem Gemeinwohl dienen und deshalb harmonisch zusammenarbeiten. Dieses Gefühl erfreut jeden Imker, der seinen wimmelnden Bienenstock öffnet und die vielen tausend Bewohner sieht: eine Königin, ihre Töchter (die Arbeiterinnen) und Söhne (die Drohnen), die alle friedlich zusammenleben. Ebenso spürt der Bienenjäger die harmonische Zusammengehörigkeit der Bienen, und so empfindet er ebenfalls eine stille Zufriedenheit, wenn er zusieht, wie die wilden Bienen unbeweglich nebeneinander an seinem Futterspender stehen, wobei jede ungestört den Zuckersirup trinkt, den er bereitgestellt hat. Es gibt keine Schubserei und keinen Streit um die reichhaltige Nahrung. Dann wieder wird der Bienenjäger Zeuge, wie die Bienen auf erstaunliche Weise gemeinsam funktionieren, wenn sie ihre Nestgenossen an die Futterstelle locken. Er selbst bringt nur eine Handvoll Kundschafterinnen mit seiner üppigen Zuckersirupquelle in Kontakt, aber aus den wenigen werden in ungefähr einer Stunde Dutzende oder Hunderte: Die ersten Bienen rekrutieren eine Einsatztruppe aus Nestgenossinnen, und alle helfen mit, den vom Bienenjäger dargebotenen Schatz zu heben. Wie können diese winzigen Insekten, deren Gehirn kleiner ist als ein Grassamen, so effizient kommunizieren? Und wie kommt es, dass sie sich nicht verirren, wenn sie – häufig über mehr als einen Kilometer – zwischen ihrem Heim und der Futterstelle des Jägers über Berg und Tal fliegen?

Wer die Bienenjagd einmal ausprobiert, wird sehr schnell aus erster Hand und nächster Nähe feststellen, dass Honigbienen viele Rätsel bergen, insbesondere was ihr erstaunliches Talent für Kommunikation und Orientierung betrifft. Für so manchen Bienenjäger ist es der größte Lohn, wenn sich eine Biene auf seine Mütze setzt – dann kann man stehen bleiben, beobachten und über die erstaunlichen sechsbeinigen Schönheiten nachgrübeln, die dazu beitragen, dass unser Planet blüht und fruchtbar bleibt. Für andere ist die Jagd auf ein wildes Honigbienenvolk vor allem deshalb ein Vergnügen, weil man dabei sowohl physisch als auch geistig Abstand gewinnen kann. Wenn man an einem Wochenende morgens draußen ist, auf einer sonnigen Wiese voller Wildblumen steht und mit den Blicken die Bienen verfolgt, die vom Futterspender wegfliegen, und wenn das Gehirn sich dann die Frage stellt, welche Insekten wohl in nächster Zeit zurückkehren werden, kann man den Gedanken über den Beruf und andere persönliche Themen aus dem Weg gehen – Gedanken über Gutes und Schlechtes, über Wichtiges und Triviales. Die Bienenjagd ist ein großartiges Mittel, um dem eigenen Kopf zu entfliehen, denn die Bienen, die zu den erstaunlichsten Tieren der Erde gehören, können unsere Aufmerksamkeit voll und ganz fesseln.

Einen Gedanken über Honigbienen hat offenbar jeder im Kopf: Auch wenn diese faszinierenden Insekten klein und niedlich sind, haben sie es ganz schön in sich. Manch einer fragt sich vielleicht, wie groß die Gefahr ist, bei der Bienenjagd gestochen zu werden. Eines stimmt sicher: Die Bienen werden um den Bienenjäger herumsummen, wenn er seinen Zuckersirup-Futterspender versorgt und Beobachtungen anstellt. Das mag Neulinge von dieser Sportart abschrecken, aber ich kann hier nur nachdrücklich betonen, dass keine Gefahr besteht, bei der Bienenjagd gestochen zu werden. Die Bienen verhalten sich gegenüber dem Menschen, der ihnen eine kostenlose Mahlzeit bietet, vollkommen friedlich. Sie werden eine Wespe abwehren, die den Futterspender findet. Aber die Bienen haben keinen Anlass, den Bienenjäger zu stechen; ich selbst bin in den 40 Jahren, seit ich auf Bienenjagd gehe, nie gestochen worden. Zum Stich kann es nur durch einen achtlosen Unfall kommen, beispielsweise wenn man den nackten Arm auf eine Biene legt, die sich gerade auf der Armlehne des Klappstuhls ausruht, oder wenn man gedankenlos nach einer Biene schlägt, die vor dem Gesicht herumsummt. Es mag dem Neuling unglaublich vorkommen, aber von solchen Unfällen abgesehen besteht praktisch keine Gefahr, während der Bienenjagd gestochen zu werden.

Noch einen weiteren allgemeinen Punkt im Zusammenhang mit der Bienenjagd möchte ich von vornherein klarstellen: Sie ist als Sportart für Männer und Frauen gleichermaßen erfreulich und geeignet. Der Bienenjäger kommt in diesem Buch stets in der männlichen Form vor, aber das soll nur das Lesen vereinfachen. Jedes »er«, »ihm« oder »sein« in diesem Buch umfasst also auch das »sie« oder »ihr«, und jeder Bienenjäger kann auch eine Bienenjägerin sein.

 

Das vorliegende Buch ist aber nicht nur ein Leitfaden für den Sport der Bienenjagd, sondern auch ein Ausdruck meiner Dankbarkeit gegenüber einem Mann, dem ich nie persönlich begegnet bin. Dennoch habe ich von ihm gelernt, wie man wilde Honigbienenvölker findet, und diese Fähigkeit hat mir bei meinen wissenschaftlichen Untersuchungen zum Leben von Honigbienen in der Natur erheblich geholfen. Ich meine George H. Edgell (1887–1954). Er war Professor an der Harvard University, Direktor des Museum of Fine Arts in Boston und der Autor dreier bahnbrechender Bücher über die Geschichte der Architektur. Das alles sind atemberaubende Leistungen. Meine Dankbarkeit ihm gegenüber betrifft aber eine seiner eher bescheidenen Tätigkeiten: Er schrieb ein Buch mit dem Titel The Bee Hunter; das kleine Werk erschien 1949, also gegen Ende seines Lebens. Zu jener Zeit hatte er bereits rund 50 Jahre lang jeden Sommer Erfahrungen als Bienenjäger gesammelt. Er starb 1954, nur zwei Jahre nachdem ich geboren wurde. Deshalb waren er und ich zwangsläufig getrennt voneinander tätig, aber ich male mir gern aus, was geschehen wäre, wenn unsere Lebenszeiten sich stärker überschnitten hätten: Dann hätten wir vielleicht von Herzen gern zusammengearbeitet.

Jeder von uns beiden hat in den bewaldeten Bergen von Neuengland und New York Dutzende von Bienenbäumen gesucht und gefunden. Ebenso hat jeder von uns ein kleines Buch über das Thema geschrieben und darin mitgeteilt, was wir über das Handwerk der Bienenjagd gelernt haben. Darüber hinaus gibt es eine weitere eigenartige Tatsache: Wir haben beide über dem maschinengeschriebenen Manuskript seines Buches The Bee Hunter gebrütet – er, um mit seinem Füllfederhalter letzte Korrekturen anzubringen, ich, um sein Handwerk zu studieren. Das Manuskript befindet sich übrigens heute im Tresor der Sondersammlungen an der Mann Library der Cornell University. Und schließlich waren wir beide im Besitz eines ganz besonderen Exemplars von The Bee Hunter. Es ist das Buch, das Dr. Edgell um 1950 Karl von Frisch schenkte, kurz nachdem dieser den berühmten Schwänzeltanz der Bienen entschlüsselt hatte.[7] Der Tanz – ein rituell nachgestellter Flug zu einer reichhaltigen Futterquelle – ist das Kommunikationsverhalten, das eine Kundschafterin im Bienenstock an den Tag legt, um den anderen Angehörigen ihres Volkes mitzuteilen, wo Blüten voller zuckersüßem Nektar oder mit frischem Pollen zu finden sind. Auf die Titelseite dieses Exemplars hatte Dr. Edgell folgende Widmung geschrieben: »Für Dr. Karl von Frisch mit der Verehrung des Amateurs für einen großen Wissenschaftler. G.H. Edgell.« Im Jahr 1982, kurz vor seinem Tod, gab Professor von Frisch das Buch an Professor Martin Lindauer weiter, seinen bekanntesten Schüler, und der wiederum schenkte es mir im Jahr 2002. Ich werde es voraussichtlich 2022 der Bibliothek der Cornell University übergeben, damit es in die Sondersammlung an der Mann Library eingeht. So wird der kleine Weltenbummler dann in größter Sicherheit zur Ruhe kommen und neben seinem liebenswürdigen »Larvenstadium« stehen, dem mit Anmerkungen versehenen Manuskript von Edgell.

Neben The Bee Hunter von Edgell und dem vorliegenden Werk gibt es noch verschiedene andere Bücher, in denen die Bienenjagd beschrieben wird. Manche davon sind belletristische Werke wie The Oak Openings von James Fenimoore Cooper (1848) [dt. Der Bienenjäger] und The Bee Hunter von Christopher Brant (1966). In solchen erzählenden Werken wird die Bienenjagd stark vereinfacht beschrieben, wahrscheinlich weil es sich dabei um Berichte aus zweiter oder dritter Hand handelt. Auch Sachbücher zu dem Thema wie Following the Bee Line von Josephine Morse (1931) und The Appalachian Chronicles von Andrew J. Smith (2010) haben den Nachteil, dass ihre Autoren nie selbst auf Bienenjagd gegangen sind. Mit den Methoden, die sie beschreiben, könnte niemand einen Bienenbaum finden.

Damit bleibt buchstäblich eine Handvoll Bücher über die Bienenjagd, deren Autoren selbst Bienen gejagt und Bienenbäume gefunden haben. Dazu gehören Birds and Bees von John S. Burroughs (1875), Bee Hunting von John R. Lockard (1908), The Bee Hunter von George H. Edgell (1949) und Hunting Wild Bees von Robert E. Donovan (1980). Das vorliegende Buch beansprucht die Mitgliedschaft in diesem exklusiven Kreis, denn es stützt sich auf fast vierzigjährige Erfahrung mit der Bienenjagd an verschiedenen Orten im US-Bundesstaat New York und in Neuengland sowie in weiter entfernten Regionen wie den Bergurwäldern von Thailand. Im Laufe der Jahre habe ich den Weg zu mehr als 50 Völkern wilder Honigbienen gefunden. In der winzigen Gruppe der Bücher von altgedienten Bienenjägern soll dieses eine besondere Stellung einnehmen, weil es den Anspruch erhebt, nicht nur ein zuverlässiger Ratgeber zu sein, sondern auch Erklärungen zu bieten. Mit anderen Worten: Ich werde nicht nur die Methoden der Bienenjagd beschreiben, sondern am Ende der Kapitel in »Biologie-Kästen« darlegen, was die Biologen über die bemerkenswerten Verhaltensweisen der Honigbienen herausgefunden haben – Verhaltensweisen, die der Bienenjäger beobachtet, wenn er sich von ihnen zu ihrem Zuhause führen lässt. Kurz gesagt, werde ich nicht nur das Wie, sondern auch das Warum der Bienenjagd erläutern.

 

Ich habe vielen Menschen zu danken. Mein größter Dank gilt meiner Freundin und Bienenjägerkollegin Megan E. Denver, die mich auf die Idee brachte, dieses Buch zu schreiben, und mich drängte, das Projekt voranzutreiben. Großzügig und beharrlich hat sie mich inspiriert und ermutigt, mir beim Durchsehen der Literatur geholfen, Fotos gemacht und bearbeitet und die Gestaltung des Buches geplant. Megans Partner Jorik Phillips unterstützte mich freundlicherweise mit Freilandaufnahmen aus dem Arnot Forest; deshalb danke ich auch ihm für seine Freundschaft und seine Beiträge. Mein tiefempfundener Dank gilt auch Margaret C. Nelson, die alle Strichzeichnungen in diesem Buch anfertigte. Der Geschicklichkeit, mit der sie meine Handskizzen in prägnante Computergraphiken verwandelte, verdankt das vorliegende Buch einen großen Teil seines optischen Reizes.

Sehr dankbar bin ich auch einigen Freilandbiologen und Kollegen, deren Arbeit und Freundschaft für mich in den 40 Jahren, seit ich wilde Honigbienenvölker studiere, eine stetige Quelle der Inspiration waren. Mein besonderer Dank gilt Kirk Visscher, meinem ersten Partner bei der Bienenjagd, der zu diesem Zweck eine einfache, aber sehr leistungsfähige Box konstruierte (siehe Kapitel 2). Er war mein »Studienkumpel«, als ich 1978 erstmals das Handwerk der Bienenjagd erlernte. Mein ganz herzlicher Dank geht auch an mehrere Studierende, die mir geholfen haben, mir einen Überblick über die wilden Honigbienenvölker im Arnot Forest zu verschaffen: Koos Biesmeijer, Barrett Klein, David Tarpy und Micheal Smith, insbesondere aber Sean Griffin, der in der Bienenjagd ein wahrer Könner ist. Große Dankbarkeit empfinde ich auch gegenüber einigen Kollegen an der Cornell University, darunter Paul Sherman, mein Kollege am Institut für Neurobiologie und Verhaltensforschung, der meine Liebe zur biologischen Freilandforschung teilt; und meinen Freunden im Department of Natural Resources: Peter Smallidge (Direktor des Arnot Forest) und Donald Schaufler (Manager des Arnot Forest) – beide gestatteten mir, im Arnot Forest zu arbeiten, wann, wo und im Wesentlichen auch wie ich wollte. Ich hoffe, das vorliegende kleine Buch wird eine überzeugende Darstellung über den Wert dieses großartigen Waldgebietes sein, wenn eine solche Darstellung denn überhaupt nötig ist.

Meine Wertschätzung gilt auch der Agricultural Experiment Station der Cornell University, die meine Erforschung der wilden Honigbienenvölker im Arnot Forest über Jahre finanziell unterstützt hat.

Zutiefst dankbar bin ich auch einer Reihe von Personen, die mich mit äußerst wertvollen Anmerkungen zu früheren Entwürfen des Manuskripts versorgten. Insbesondere waren das Ann Chilcott, Bernd Heinrich, Maira Seeley, Robin Seeley und Mark Winston. Drei ausgezeichnete Insektenfotografen – Helga Heilmann, Kenneth Lorenzen und Alexander Wild – lieferten die Nahaufnahmen der Bienen und trugen damit viel dazu bei, meine Geschichten lebendiger zu machen. Diesen drei Personen sowie der Pierport Morgan Library in New York, die das Bild von Henry David Thoreaus Tagebucheintrag über die Bienenjagd beisteuerte, danke ich besonders für ihre tatkräftige Unterstützung.

Gegenüber den Mitarbeitenden bei Princeton University Press stehe ich in stetig zunehmender Schuld. Alison Kalett, Lektorin für Biologie und Geowissenschaften, danke ich für ihre Geduld, Unterstützung und Anleitung beim Schreiben für eine breite Leserschaft. Ebenso danke ich Betsy Blumenthal, Nathan Carr und Carmina Alvarez, die Einzelteile meines Manuskripts organisierten und einen Weg fanden, um daraus ein hübsches Buch zu machen. Von ganzem Herzen dankbar bin ich schließlich Patricia Fogerty, die hartnäckig und geschickt das Manuskript korrigierte.

Meinen herzlichen Dank sende ich an alle, die zu diesem Projekt beigetragen haben.

 

Tom Seeley

Ithaca, New York

Kapitel 1Einleitung

Dieses Buch handelt von der Bienenjagd, einem faszinierenden Freiluftsport: Man sucht eine blumenbestandene Fläche, auf der die Honigbienen summen, fängt vielleicht ein Dutzend von ihnen ein, füttert sie reichlich und lässt sie wieder frei; anschließend verfolgt man die Bienen mit einfacher Ausrüstung und raffinierter Strategie – man folgt ihnen Schritt für Schritt und in jede beliebige Richtung bis zu ihrer Behausung. Die Bienenjagd ist ein ungeheuer vielseitiger Sport. Vielleicht beginnt man mit der Jagd in einer Region, in der viele Bienenvölker in den Bienenstöcken von Imkern leben, beispielsweise in einer Wohnsiedlung am Stadtrand oder in einem ländlichen Gebiet mit vielen Bauernhöfen. In diesem Fall steuert man unter Umständen geradewegs auf das Bienenhaus eines solchen Züchters zu. Befindet man sich dagegen in einem unberührteren Gebiet, beispielsweise an einer einsamen Straße zwischen bewaldeten Bergen, folgt man den Bienen vielleicht tief in den Wald bis zu dem einen unter den vielen tausend Bäumen, den sich ein wildes Honigbienenvolk als Wohnort ausgesucht hat (Abbildung 1.1). Ganz gleich, wo das Freiluftspiel stattfindet, immer verbinden sich darin nahezu alle wünschenswerten Aspekte des Sports: Man braucht für die Bienenjagd keine teure Ausrüstung, man kann sie allein oder zu mehreren betreiben, sie fordert Muskeln und Gehirn, sie verlangt Geschicklichkeit und Ausdauer, sie baut Spannung auf, und am Ende steht entweder eine harmlose Enttäuschung oder ein beglückender Triumph.

Abb. 1.1: Ein Bienenbaum. Links von der Astgabel erkennt man das Astloch, das als Nesteingang dient.

Für die meisten Bienenjäger ist es am spannendsten, ein wildes Bienenvolk aufzuspüren, das in einem stattlichen Baum tief im Wald lebt; dort kann er den lebhaften Verkehr der Nahrungssammlerinnen beobachten, die durch das malerische Astloch ein und aus gehen, und so die Lebenskraft der Kolonie spüren. Wenn ich ein solches Erlebnis habe, fallen mir jedes Mal die ersten Worte des Sand County Almanc [dt. Am Anfang war die Erde] von Aldo Leopold ein, jenes klassischen Lobliedes auf die Natur: »Es gibt Menschen, die ohne die freie Natur und ihre Wesen leben können, und andere, die das nicht können.«[8] Wie die meisten Imker, so liebe auch ich die Honigbienenvölker, die ich in meinen Bienenstöcken halte, denn sie lassen sich leicht beobachten und studieren. Verliebt bin ich aber in die Honigbienenvölker, die im Wald zu Hause sind. Sie haben sich ihr Zuhause in den hohlen Bäumen selbst ausgesucht, bauen je nach Bedarf ihre Bienenwachswaben (Abbildung 1.2), sammeln ihre gesamte Nahrung auf den Blumen in der umgebenden Landschaft und bekämpfen ohne Unterstützung jeden natürlichen Feind und jede Krankheit, die ihnen in ihrem Leben begegnen. Kurz gesagt, bedienen sich diese wilden Bienenvölker der großartigen Kombination aus anatomischen, physiologischen und verhaltensmäßigen Anpassungen, die die biologischen Eigenschaften von Honigbienen ausmachen.

Abb. 1.2: Das Bienennest in dem Baum aus Abb. 1.1. Der Baumstamm, in dem sich das Nest befindet, wurde gespalten. Man erkennt die Bienenwachswaben mit Honig (oben) und Brut (unten). Die Eingangsöffnung liegt auf der linken Seite des Hohlraumes auf ungefähr zwei Dritteln der Höhe. Insgesamt hat das Nest eine Höhe von rund 1,50 Meter.

Überall, wo es Honigbienen gibt, existieren sowohl bewirtschaftete Völker in den Bienenstöcken der Imker als auch wilde Völker, die in hohlen Bäumen, Felsspalten und den Mauern von Gebäuden zu Hause sind. Zwar stimmt es, dass bewirtschaftete und wilde Völker ein ganz unterschiedliches Leben führen – die einen werden so behandelt, dass sie Honig produzieren und Nutzpflanzen bestäuben, die anderen lässt man in Ruhe, und sie tun alles, was ihrem Überleben und ihrer Fortpflanzung dient –, aber die Bienen sind in Völkern beider Typen praktisch die gleichen. Die Angehörigen beider Gruppen ähneln sich in Aussehen, Funktion und Verhalten so stark, weil sie genetisch mehr oder weniger gleich ausgestattet sind. Diese genetische Ähnlichkeit ist eine Folge des häufigen Genaustausches zwischen bewirtschafteten und wilden Kolonien der gleichen geographischen Region. Zu dem Genaustausch kommt es unter anderem deshalb, weil sich von den Völkern in den Bienenstöcken der Imker immer wieder Schwärme abspalten, die dann entkommen und sich in der Wildnis ansiedeln, während gleichzeitig auch Schwärme, die von Wildvölkern stammen, von Imkern eingefangen und in den Bienenstöcken angesiedelt werden.

Der Genaustausch zwischen bewirtschafteten und wilden Bienenvölkern erfolgt aber auch noch auf einem zweiten, spannenderen Weg: durch das eigenartige Sexualverhalten der Honigbienen. Jede Bienenkönigin paart sich im Flug mit 15 bis 20 Männchen, die aus Nachbarvölkern in einem Umkreis von rund sechs Kilometern stammen.[9] Diese schamlose Promiskuität der Honigbienenköniginnen hat sich in der Evolution entwickelt, weil eine große genetische Vielfalt unter den weiblichen Nachkommen der Königin – das heißt unter den Arbeiterinnen ihrer Kolonie – für die Gesundheit eines Bienenvolkes unentbehrlich ist. Heutzutage hat sie außerdem zur Folge, dass sich die Gene der bewirtschafteten und wilden Bienenvölker, die in der gleichen Region leben, vermischen. Nebenbei bemerkt ist der umfangreiche Genaustausch zwischen bewirtschafteten und wilden Bienenvölkern auch der Grund, warum Menschen nicht durch selektive Züchtung verschiedene Honigbienenrassen erzeugen konnten, die den im Zuge der Domestikation entstandenen Rassen von Hunden, Pferden und Schafen entsprechen würden.[10]

Bemerkenswert ist, dass Menschen, beginnend im Nahen Osten, bereits seit mindestens 9000 Jahren Honigbienen halten und dass diese Insekten dennoch bis heute im Wesentlichen Wildtiere geblieben sind. Die Honigbienen, die in den Bienenstöcken eines Imkers leben, sehen genauso aus und verhalten sich genauso wie ihre wilden Verwandten. Alle fühlen sich in einem hohlen Baum ebenso zu Hause wie in einem künstlich hergestellten Bienenstock, und alle sind in der Lage, ganz und gar allein zu überleben.[11]

»Zum Fair Haven Pond – Bienenjagd«

Die vorliegende kleine Abhandlung wurde in bewusster Bewunderung für Henry David Thoreau verfasst – und das, obwohl Thoreau nur selten die Bienenjagd betrieb. Er verfasste aber über die Tätigkeit eine bemerkenswert detaillierte, zuverlässige Beschreibung. Das Gleiche möchte ich auch versuchen, wobei ich die Dinge aktualisiere. Thoreaus Leitfaden für die Bienenjagd versteckt sich in den zwei Millionen Wörtern seiner Tagebücher – der täglichen Berichte über Dinge, die er dachte, sah und fühlte. Er führte sie von 1838, kurz nachdem er das Harvard College verlassen hatte, bis 1861, ein Jahr vor seinem Tod. Den Eintrag, der für Bienenjäger von besonderem Interesse ist, nahm er am 30. September 1852 vor; er beginnt mit den Worten: »10 Uhr zum Fair Haven Pond – Bienenjagd. Pratt, Rice, Hastings und ich in einem Wagen.« (Abbildung 1.3).[12] Die Passage erstreckt sich über acht Seiten und ist damit einer von Thoreaus längsten Einträgen in dem fraglichen Jahr. Zu einem vertrauenswürdigen Leitfaden für den Sport der Bienenjagd wird er dadurch, dass Thoreau darin nichts beschreibt, was er nur vom Hörensagen kennt und nicht selbst gesehen hat. Stattdessen hält er sich streng an den Grundsatz, nur das zu berichten, was er an jenem »schönen, klaren Tag« sah und tat, als er und der Schuster Hastings zusammen mit den beiden erfahrenen Bienenjägern Minot Pratt und Reuben Rice einen Wagen bestieg und zu einem Feld beim Fair Haven Pond fuhr, der rund drei Kilometer südlich des Dorfzentrums von Concord in Massachusetts lag.

Abb. 1.3: Der Anfang des Tagebucheintrages von Thoreau für den 30. September 1852. Er lautet: »10 Uhr zum Fair Haven Pond – Bienenjagd. Pratt, Rice, Hastings und ich in einem Wagen. Ein schöner, klarer Tag nach der bisher kühlsten Nacht und dem strengsten Frost. Der Apparat war anfangs eine einfache runde Blechdose mit ungefähr 13 Zentimetern Durchmesser und einer Höhe von knapp vier Zentimetern. Sie enthielt ein Stück leere Honigwabe von der gleichen Größe und Form, die sich bis ca. 8 Millimeter unter dem oberen Rand ausfüllte.«

Zunächst beschreibt Thoreau den wichtigsten Ausrüstungsgegenstand des Bienenjägers: die Bienenbox. Diese kleine, meist aus Holz gefertigte, in zwei Kammern unterteilte Kiste ist für das entscheidende erste Stadium der Jagd ungeheuer nützlich. Der Bienenjäger muss zu diesem Zeitpunkt rund ein Dutzend Nahrung sammelnde Bienen dazu veranlassen, ihre Besuche bei den Blüten einzustellen und stattdessen eine verlockende kostenlose Mahlzeit einzunehmen. Bei dem Mittagstisch handelt es sich in der Regel um eine alte Wabe aus Bienenwachs, die entweder mit verdünntem Honig oder mit Zuckersirup, der leicht mit Anisextrakt aromatisiert wurde, gefüllt ist. Thoreaus Begleiter verwendeten zu diesem Zweck eine »runde Blechdose von ungefähr viereinhalb Zoll Durchmesser und eineinhalb Zoll Tiefe, welche ein Stück Honigwabe mit ihrer eigenen Größe und Form enthielt« sowie eine Holzkiste, die oben auf den Blechbehälter gestellt wurde. Thoreau berichtet, wie die Bienenjäger mehrere Bienen in der Holzkiste fingen, diese auf die Blechkiste setzten und am Boden der Holzkiste vorsichtig eine Fluchttür öffneten, so dass die gefangenen Bienen hinausklettern und darunter den unwiderstehlichen Köder finden konnten. Wenige Minuten später wurde die Holzkiste sanft von der Blechkiste abgehoben, und die Bienen konnten ungehindert nach Hause fliegen, nachdem jede von ihnen ihre Ladung eingepackt hatte.

Mit der Bienenbox in der Hand ist man bereit für die Jagd. Thoreau schildert, wie er und seine Begleiter auf den Blumen am Fair Haven Pond nach Honigbienen suchen, aber keine finden. Die Blüten der Goldrauten (Solidago