Auf vier Pfoten zur Erleuchtung - Gary Heads - E-Book

Auf vier Pfoten zur Erleuchtung E-Book

Gary Heads

0,0
12,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

»Alles begann damit, dass Herrchen jeden Tag in seinem Zimmer verschwand und mit geschlossenen Augen auf einem Kissen saß. Meine Neugier war geweckt!« Eigentlich will der kleine Spaniel nur ergründen, warum sich sein Herrchen plötzlich so seltsam verhält – doch dann stolpert er unversehens mitten hinein in die rätselhafte Welt des Buddhismus. Die gilt es weiter zu beschnüffeln! Und so nimmt uns der Vierbeiner mit auf seine Suche nach den Geheimnissen von Glück, Gelassenheit und Erleuchtung. Mithilfe seiner naseweisen Halbschwester findet er heraus, was Karotten mit Achtsamkeit zu tun haben, dass Meditation auch einen unruhigen Hundegeist Ruhe finden lässt und wie liebevolles Mitgefühl (sogar Katzen gegenüber!) alles verändern kann ...
Ein bezauberndes Lesevergnügen, das auf wunderbar leichte und charmante Art die Essenz buddhistischer Weisheit vermittelt und auch uns Zweibeinern den Weg zu Glück und Zufriedenheit weist.

  • Der Bestseller aus Großbritannien – für alle Hundeliebhaber und Fans östlicher Spiritualität
  • Ein neugieriger Vierbeiner auf den Spuren Buddhas und der Suche nach dem Glück
  • Führt die Lebensweisheit des Buddhismus auf vergnügliche und inspirierende Weise vor Augen

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 282

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Eine neugierige Springer-Spaniel-Dame und ihre Halbschwester machen sich auf den Weg, um herauszufinden, warum ihr Besitzer meditiert und sich so sehr für die Lehren des Buddhas interessiert. Da meditieren ein bisschen aussieht wie schlafen, kann das nicht so schwer sein, denn darin sind sie wahre Zen-Meister – also begeben sie sich auf die Suche nach den Geheimnissen der Meditation und entdecken den Weg zur Weisheit des Buddhismus.

GARY

HEADS

AUF VIER PFOTEN ZUR ERLEUCHTUNG

Ein Hund, der Buddha und der Sinn des Lebens

Aus dem Englischen von Karin Weingart

L o t o s

Die Originalausgabe erschien 2019 unter dem Titel The Enlightened Spaniel. A Dog’s Quest to be a Buddhist bei Right Nuisance Publishing.

Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag können für eventuelle Nachteile oder Schäden, die aus den im Buch gemachten praktischen Hinweisen resultieren, eine Haftung übernehmen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Dataminings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2019 Gary Heads

Illustrationen von Toby Ward

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2023 by Lotos Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte sind vorbehalten. Redaktion: Beate Schlachter

Covergestaltung: Guter Punkt, München, unter Verwendung von Motiven von © zumikobayashi/iStock/Getty Images Plus; © natrot/iStock/Getty Images Plus; © Sarah Borchart/Guter Punkt

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-30492-8V001

www.Integral-Lotos-Ansata.de

Im Buddhismus werden Tiere seit jeher als fühlende Wesen betrachtet. Außerdem besitzen sie (jedenfalls in der Mahayana-Tradition) die Buddha-Natur und verfügen deshalb über das Potenzial, erleuchtet zu werden. Mehr noch: Der Reinkarnationstheorie zufolge können nicht nur Menschen als Tiere wiedergeboren werden, sondern auch Tiere als Menschen.

Ein Tier könnte die Reinkarnation eines oder einer verstorbenen Verwandten sein. Und könnte man nur lang genug auf die Reihe vergangener Leben zurückblicken, käme man bestimmt zu der Überzeugung, mit jedem Tier entfernt verwandt zu sein.

Wie der Buddha erklärt, waren die fühlenden Lebewesen, die heute die Erde bewohnen, in früheren Leben unsere Mütter, Brüder, Schwestern, Väter, Kinder, Freunde und Freundinnen. Deshalb sollten sich auch die moralischen Regeln für den Umgang mit Tieren nicht allzu sehr von denjenigen unterscheiden, die unter Menschen gelten. Denn letztlich gehören wir alle – Tiere wie Menschen – ein und derselben Familie an. Und sind untrennbar miteinander verbunden.

Wie die Mutter, die ihr Kind,

ihr einziges Kind, mit ihrem Leben beschützt,

sollten wir aus grenzenloser Herzensgüte heraus

alle lebenden Wesen lieben:

liebende Güte in die gesamte Welt ausstrahlen

Für Edna May

INHALT

1Der Anfang

2Das Hier und Jetzt

3Was der Buddha sagt

4Ganz neu sitzen lernen – Meditation

5Schweige-Retreat

6Reinkarnation – wir sind schon mal hier gewesen, da bin ich mir ganz sicher …

7Karma – wir waren auch ganz brav, großes Spaniel-Ehrenwort!

8Liebende Güte – Freundschaft mit dem Kater von nebenan

9Auf dem Spielfeld des Bewusstseins

10Dharma, Dogma und die Ultimative Wahrheit

11Das Kloster

12Die transformative Kraft des Mitgefühls

13Die Welt, wie Halbschwester sie sieht

Darstellerinnen und Darsteller

Literaturhinweise vom Kollegen Bücherschrank

1  DER ANFANG

Achtsamkeit ist eine lebenslange Reise auf einem Pfad, der letztlich nirgendwo hinführt – außer zu dir selbst.

Jon Kabat-Zinn

Statt uns den Schneid abkaufen zu lassen von der Tatsache, dass in den Informationen, die Kollege Bücherschrank zusammengetragen hat, jeder Hinweis auf Spaniels fehlt, sind wir jetzt umso motivierter, zu unserer Reise aufzubrechen.

Am Anfang stand die natürliche Neugier, jener allen Spaniels von Geburt an eigene Wissensdurst. Denn dieser verhalf einer Angehörigen unserer Rasse – nämlich mir – zu einer einfachen Beobachtung. Genauso gut könnte es aber auch an ihrem instinktiven Bedürfnis gelegen haben, sich nichts entgehen zu lassen. Mit anderen Worten: an ihrer Neugier. Solche von Erkenntnisdrang getriebene Sondierungen haben schon die verblüffendsten Resultate gezeitigt, zum Beispiel die Entdeckung von Essbarem, die langersehnte Heimkehr eines schon ewig vermisst gemeldeten Tennisballs oder aber schlimmstenfalls auch eine Fahrt zur Tierärztin.

Wobei zunächst einmal gesagt werden muss, dass die infrage stehende Beobachtung an sich keineswegs ungewöhnlich war. In Wahrheit ist es in diesem Haus nämlich regelmäßig so, dass Dad sich nach oben schleicht, um dort mit geschlossenen Augen bewegungslos rumzuhocken wie eine Bildsäule.

Bei solchen Gelegenheiten haben wir ihn schon oft sagen hören, er gehe hoch, um zu meditieren. Ehrlich gesagt hat er das unserer Erinnerung nach schon immer getan. Außerdem könnte man geradezu die Uhr danach stellen. (Also natürlich nur für den Fall, dass wir eine hätten.)

Bewaffnet mit seinem Meditationsbänkchen und einer Wolldecke verschwand er immer exakt dreißig Minuten lang – nur um nach dreimaligem Schlagen einer Glocke wieder aufzutauchen, die das Ende der Meditation verkündete. Nie, nie, nie hat ihn in dieser Zeit je irgendwer gestört. Weder Mom noch meine ältere Halbschwester – und ich schon gar nicht. Allerdings dürfte er das eine oder andere Mal eine schwarze Schnauze bemerkt haben, die außen am unteren Türrand schnüffelte.

Dass sich der heutige Tag von allen vorhergehenden unterscheidet, an denen wir dieses rituelle Geschehnis beobachteten, liegt einfach daran, dass uns heute die Neugier überwältigt und wir beschlossen haben, endlich herauszufinden, was genau Dad da oben in seinem Büro eigentlich anstellt. Denn wir wissen zwar, dass er »meditiert«, haben aber nicht die geringste Ahnung, was das überhaupt sein könnte.

Deshalb steht jetzt eine konzertierte Aktion zum Zwecke der Erkundung alles Meditativen an. Außerdem wollen wir herausfinden, warum er das, was er da tut, überhaupt tut. (Nur damit uns auch ja nichts Entscheidendes entgeht.)

Bevor ich weiterspreche, sollte ich vielleicht noch das eine oder andere erklären: Wie dir vielleicht aufgefallen ist, habe ich von »wir« gesprochen und jemanden namens Halbschwester erwähnt. Dazu musst du wissen, dass wir beide English Springer Spaniels sind und ein und dieselbe Mutter haben. Was unsere Väter angeht – nun, je weniger von ihnen die Rede ist, desto besser.

Auseinanderhalten kann man uns farblich: Mein Fell ist schwarz-weiß, das von Halbschwester braun-weiß. Und nur mal so nebenbei bemerkt: Obwohl es sich bei uns um Jagdhündinnen, also eigentlich Nutz- und Arbeitstiere handelt, haben wir beide bislang noch keinen einzigen Cent für unsere Bemühungen erhalten.

Ein weiterer Punkt, der uns unterscheidet, ist der Körperbau. Wir sind zwar Halbgeschwister, niemand aber käme je auf die Idee, wir könnten Zwillinge sein. Würden wir an den Olympischen Spielen teilnehmen (was uns bei genauer Überlegung mit größerer Wahrscheinlichkeit möglich wäre als eine Teilnahme an der Crufts, der weltgrößten Hundeshow), würde ich wohl am ehesten im Hundert-Meter-Lauf antreten. Halbschwester dagegen bei den Gewichtshebern. Und diesen Wettbewerb würde sie vermutlich sogar gewinnen.

Eins muss ich zugeben: Die Suche nach den Geheimnissen der Meditation geht volle Kanne auf meine Wenigkeit zurück. Halbschwester scheint daran zwar auch interessiert und will mich unbedingt begleiten, aber aus anderen Gründen. Ihr geht es, glaube ich, mehr um das eine oder andere Schläfchen und zusätzliches Futter. Denn statt an der Erweiterung ihres geistigen Horizonts scheint ihr wohl eher an der ihres Bauchumfangs gelegen zu sein.

Experten sind wir, wie du siehst, auf dem Gebiet der Meditation also nicht gerade. Aber das Ganze sieht für uns doch ziemlich nach Schlafen aus – und in dieser Disziplin dürfen wir uns guten Gewissens als wahre Zen-Meister betrachten.

Wie alle guten Spaniels werden wir uns im Folgenden ganz auf unsere Nase verlassen, um dem uns noch rätselhaften Phänomen auf die Spur zu kommen. Schließlich könnte sich daraus eine höhere Bewusstseinsebene für uns ergeben. Und wenn nicht? Dann war das doch allemal ein für einen Spaniel mordsbeeindruckender Satz.

Nun, wie bereits erwähnt, übt sich Dad schon seit wir uns erinnern können im Meditieren. Und mehr noch: Er bringt es sogar anderen bei. Die lernen das, um besser mit Stress und innerer Unruhe klarzukommen und um sich insgesamt besser zu fühlen. So hat er es jedenfalls Mom gegenüber mal ausgedrückt. Wenn man nur genügend übt, lernt man offenbar, auf stressige Situationen achtsamer und weiser zu reagieren. (Was wohl die Alternative zu kopflosen Überreaktionen und sinnentleertem Ausrasten ist.)

In jenen überaus seltenen Momenten, in denen der Pfad des Lebens auf leicht abschüssiges Gelände zu führen droht, kann das, wie wir finden, ganz nützlich sein. Also zum Beispiel in den kurzen Momenten, in denen dein Schwanz partout nicht wedeln will, weil der Typ vom Lieferdienst das Hundefutter nicht rechtzeitig angeschleppt hat; wenn alle Tennisbälle unterm Sofa gelandet sind, keiner den Blick vom Fernseher abwenden kann und Halbschwester die Fernbedienung klaut, um Aufmerksamkeit zu erpressen.

Das Thema Meditation fesselt uns momentan total, absorbiert unsere gesamte Neugier und Fantasie. Wir sind ganz Nase – wie zwei aufgeregte Spaniels auf einer Fasanenfarm. Und solange die Leute noch rumsitzen und meditieren, könnten wir eigentlich die Zeit nutzen, um die Fernbedienung loszulassen und herauszufinden, worum es da eigentlich geht. Na ja, einen Moment lang jedenfalls.

Nach Anhaltspunkten, was Zweck und Ursprung des Meditierens angeht, brauchen wir nicht lange zu suchen. Bei uns zu Hause fliegen überall Bücher zu dem Thema herum. Insbesondere welche von einem Typen namens Buddha, der auch oft »Der Erleuchtete« genannt wird. So, wie es aussieht, stammt die Empfehlung zu meditieren von ihm. Und beileibe nicht nur die. Es gibt hier sogar ein Buch über das Nicht-Tun. Das ist original was für Halbschwester. Die tut nämlich den ganzen Tag lang nix und macht am nächsten gleich damit weiter, weil sie am Vorabend nicht fertig geworden ist.

Viele der Bücher haben hochinteressante Titel und beinhalten Wörter, die allem Anschein nach dem Lexikon des Meditierens entstammen. Sehr oft kommen zum Beispiel Ausdrücke wie »Weg«, »Pfad« und »Jenseits« vor. Und es sieht ganz so aus, als müsste man gleich damit loslegen, weil in dem Zusammenhang auch oft von »hier«, »jetzt« und dem »gegenwärtigen Augenblick« die Rede ist.

Bei unserer Suche nach allem, was mit Meditation zu tun hat, und bei der wir nach Kräften vom Kollegen Bücherschrank unterstützt werden, unserem guten Freund, stoßen wir auch auf ziemlich verstaubte Schriften über die Erziehung von English Springer Spaniels. Na, viel Glück!, kann ich da nur sagen. Mom und Dad hielten so ein Training wohl für eine gute Idee … bis ihnen schließlich die Wahrheit dämmerte. Aber egal, zurück zu Pfad, Weg, jenseits … was auch immer.

Nach eingehender Betrachtung kommen wir zu dem Ergebnis, dass man einem Pfad folgen muss und unterwegs nicht trödeln oder rumschnüffeln darf, weil das Ganze irgendwie dringend zu sein scheint. Und sollte man sich mal verlaufen, wendet man sich am besten an diesen Buddha.

Weitere Recherchen ergeben jedoch, dass es sich bei dem Pfad nicht um einen Gartenweg handelt oder so, sondern eher um eine Art Trainingspfad. Was eine vertrackte Sache ist und mir jedenfalls ordentliche Anstrengungen abverlangen könnte. Bei meinem letzten Versuch an so einem Training habe ich ganze drei Monate gebraucht, mich daran zu gewöhnen, und dabei ging es nur darum, pinkeln im Freien zu lernen.

Bei Halbschwester verlief das mit dem Stubenreinwerden dem Vernehmen nach vollkommen reibungslos. Das spielerische Beißen ließ sie sich dagegen nur schwer abgewöhnen; mit Selbstbeherrschung hatte sie es als Welpe wohl eher nicht so. Scheint ein ziemlich wilder kleiner Hund gewesen zu sein. Doch als ich dann dazukam und anfing ihr auf die Nerven zu gehen, war sie wohl schon etwas abgeklärter.

In dem ganzen Meditationsgedingse scheint der Atem eine entscheidende Rolle zu spielen. Heute haben wir jedenfalls in Dads Computer einen Mann reden hören, der sagte, dass wir alle längst tot wären, müssten wir uns ständig daran erinnern, das Atmen nicht zu vergessen. Außerdem hat er gesagt, dass wir beim Meditieren irgendwie aufpassen und uns auf jeden einzelnen Atemzug konzentrieren sollen. Und falls der Geist mal abschweift und irgendwo andershin wandert, sollten wir ihn sanft zurückbringen und von vorn anfangen.

Der Typ war ganz okay und das, was er gesagt hat, ziemlich informativ. Bis er dieses »Den-Geist-Zurückbringen« beschrieben hat. Das hörte sich dann irgendwie so an, als wollte er einem Welpen das Kommando zum Hinsetzen beibringen. Vielleicht könnte er sich ja jedes Mal ein Leckerli zuwerfen, wenn ihm auffällt, dass sein Geist auf Wanderschaft geht.

Und wer weiß: Wenn wir erst mal den Dreh raushaben, werden wir vielleicht auch erleuchtet. Genau wie der Buddha. Na ja, mir ist schon klar, dass das eine ziemlich außergewöhnliche Leistung wäre. Aber allein der Gedanke, womöglich zur Spaniel-Legende aufsteigen zu können, ist Motivation genug, zu dieser Reise aufzubrechen.

Ein bedeutender Mitstreiter bei dem Abenteuer wird unser Freund Kollege Bücherschrank sein. Der hängt im Esszimmer rum und fungiert in diesem Haushalt als Quelle der Weisheit. Was der nicht weiß, ist auch nicht wissenswert. Wir können von Glück sagen, dass Dad von seinen Besuchen im buddhistischen Kloster immer so viele Bücher mitbringt. Denn so mangelt es uns nicht an den Lehren des Erleuchteten.

Kollege Bücherschrank ist so nett, uns eine Literaturliste zusammenzustellen, und hat auch ein paar sehr, sehr merkwürdige Wörter aufgeschrieben wie zum Beispiel Achtsamkeit, Gewahrsein, Dharma, Karma, Reinkarnation und liebende Güte, um nur einige wenige zu nennen. Außerdem zitiert er gern den folgenden Satz eines gewissen Jon Kabat-Zinn: »Achtsamkeit ist eine lebenslange Reise auf einem Pfad, der letztlich nirgendwo hinführt – außer zu dir selbst.«

Wir halten diese Behauptung für die unnützeste, die wir je gehört haben. Würden wir einen Weg gehen, der ins Nirgendwo führt, würden wir uns letztlich irgendwo verlaufen und wüssten nicht mehr, wo wir wären – ganz egal, wer wir sind. Wie sich herausgestellt hat, stammt dieser Satz ausgerechnet von der Person, die auch schon das »Den-Geist-Zurückbringen« beschrieben hat wie das Kommando zum Hinsetzen. Mehr sag ich dazu nicht.

Wir wüssten gern, ob wir auf diesem Meditationspfad für Spaniels Pioniere sind oder ob andere tapfere, zu allem entschlossene Vierbeiner ihn bereits vor uns gegangen sind. Kollege Bücherschrank, der für ein bisschen Recherche immer gern zu haben ist, hat angeboten, sich mit der Frage zu beschäftigen. Unter Berücksichtigung der ihm bekannten Bücher, in denen sowohl das Meditieren als auch Hunde erwähnt werden, hat er die folgenden Fakten zutage gefördert.

Ob der Lhasa Apso wirklich meditiert hat oder überhaupt den Lehren des Buddhas gefolgt ist, wie es heißt, weiß heute niemand mehr genau. Sicher ist aber, dass Hunde dieser Rasse echt viel mit den richtigen Leuten zusammen waren und deshalb die besten Chancen hatten. Kollege Bücherschrank zufolge wurden die Tiere ursprünglich als so etwas wie Wachhunde gezüchtet. Und zwar in tibetischen Klöstern. Dort bestand ihre Aufgabe darin, die Mönche vor Eindringlingen zu warnen.

Schon beeindruckend: dass ein derart kleiner Hund so einen verantwortungsvollen Job haben konnte. Denn schließlich ging es dabei ja um nichts Geringeres als den Spagat, etwaige Übeltäter ordentlich anzubellen, aber keinen Mucks von sich zu geben, wenn die Mönche meditierten. Halbschwester meint allerdings, das wäre auch nicht beeindruckender als die Fähigkeit, Fasane zu apportieren, statt sie totzubeißen. Womit sie ja irgendwie recht hat.

Über den Shih Tzu hat Kollege Bücherschrank ebenfalls eine faszinierende Geschichte ausgegraben. Demnach kam dieses kleine Hündchen ursprünglich aus Tibet, verbreitete sich dann aber bis nach China. Einen gewissen Abenteuersinn muss er selbst heute noch haben, denn das Exemplar, das wir kennen, wohnt bei uns die Straße runter. Der Legende zufolge markiert die weiße Strähne, die er auf der Stirn hat, die Stelle, an der ihm der Buddha den Finger aufgelegt hat, um ihn zu segnen. Und wie es heißt, verweisen auch andere Körperteile des Shih Tzus auf den Buddhismus. Was wohl irgendwie mit der Symbolik zu tun hat, mit der diese Rasse in Verbindung gebracht wird.

Ob das alles so stimmt, können wir natürlich nicht überprüfen. Für uns Hunde wäre es allerdings ein großer Pluspunkt, wenn sich die alte Idee, dass der Shih Tzu tatsächlich vom Buddha höchstpersönlich gesegnet wurde, als wahr herausstellen würde.

Nach stundenlanger Recherche teilte uns Kollege Bücherschrank widerstrebend mit, er sei in keiner einzigen Schrift auf eine gemeinsame Erwähnung der Wörter Spaniels mit Meditation oder Buddha gestoßen.

Als die sanfte Seele, die er ist, sprach er dann weiter und präsentierte uns all die faszinierenden Fakten und Mythen über Spaniels, die er in Erfahrung gebracht hatte. Demnach besaß William Wallace einen English Springer Spaniel namens Merlin, der sogar mit ihm in die Schlacht zog. Und an welcher Stelle, bitteschön, wird das in Braveheart erwähnt? Außerdem gab es da noch die English-Springer-Dame Millie, die mit US-Präsident Bush senior im Weißen Haus gewohnt hat. Und nicht zu vergessen Buster, der für seine Tapferkeit im Irak-Krieg mit der Dickin Medal ausgezeichnet wurde (dem Tieren verliehenen Äquivalent des Victoria-Kreuzes).

Da ausgesprochen viel über diese Thematik geschrieben wurde und Kollege Bücherschrank seine Arbeit immer sehr ernst nimmt, haben wir uns schließlich damit abgefunden, dass im Schrifttum weder ein erleuchteter noch ein meditierender Spaniel je erwähnt wurden. Nicht einmal als Schutzhund eines Klosters oder Tempels.

Halbschwester weist vollkommen zu Recht darauf hin, dass auch wir einen weißen Fleck auf der Stirn haben und der Buddha uns womöglich nur nicht hat segnen können, weil wir typischerweise dauernd mit dem Hintern wackeln und wild im Kreis herumtänzeln. Weil er einfach nicht an uns rankam.

Zu erwägen gäbe es allerdings auch eine weitere Option (wiewohl diese eine Spur abenteuerlich wäre). Dabei ginge es darum, uns irgendwie nach Indien oder Nepal zu schaffen und am Tihar teilzunehmen, einem fünftägigen hinduistischen Fest. Hunden wird bei dieser Gelegenheit dadurch die Ehre erwiesen, dass sie die Tika bekommen, den heiligen roten Segenspunkt auf der Stirn, und mit Blumengirlanden geschmückt werden.

Die Menschen dort, die sich der hinduistischen Lebensweise verpflichtet fühlen, glauben, dass die Himmelspforte von Hunden bewacht wird, sodass man nett zu uns sein sollte, will man das Risiko, der Tür verwiesen zu werden, nicht eingehen. Das sollten viel mehr Leute erfahren, finden wir.

Halbschwester, die sich viele Gedanken über dieses hinduistische Tihar-Fest gemacht hat, hält die Blumengirlanden zwar für eine nette Geste, meint jedoch, dass vor allem ausreichend Futter bereitgestellt werden sollte. Das mit dem roten Punkt auf der Stirn gehe auch in Ordnung, findet sie, solange er nach einer Weile verblasse und bald wieder verschwinde. Hört sich alles ganz so an, als wüssten die da in Nepal und so genau, wie Hunde korrekt zu behandeln sind. Allerdings haben wir keine Pässe und würden die gefürchteten Impfungen benötigen. Die Destinationen Indien und Nepal stellen also definitiv nur die allerletzte Option für uns dar.

Statt uns den Schneid abkaufen zu lassen von der Tatsache, dass in den Informationen, die Kollege Bücherschrank zusammengetragen hat, jeder Hinweis auf Spaniels fehlt, sind wir jetzt umso motivierter, zu unserer spirituellen Reise aufzubrechen. Halbschwester meint, wir sollten nach den Sternen greifen und alles tun, um die Spaniel-Tradition aufrechtzuerhalten. Deshalb haben wir uns nun nach reiflicher Überlegung entschlossen, Dads Beispiel zu folgen und meditieren zu lernen.

Nachdem unser Ärger darüber abgeflaut ist, dass der Buddha den Kloster-Job dem Lhasa Apso zugeschanzt hat, ohne uns auch nur zum Bewerbungsgespräch zu laden (und ganz abgesehen davon, dass wir auch beim Segnen übergangen wurden), haben wir ihm schließlich verziehen.

Denn wenn unser Dad so viele Bücher über die Lehren des Buddhas zusammengetragen hat, muss er ihn wohl für einen weisen Mann halten und denken, dass seine Lehren es wert sind, in die Praxis umgesetzt zu werden. Außer mit dem Meditieren anzufangen, werden wir also auch herausfinden, was der Buddha gesagt hat, und schauen, ob wir wenigstens einen Teil seiner Weisheit in unseren Alltag integrieren können.

Heute beginnt sie, unsere meditative Reise, vielleicht sogar zur Erleuchtung. Halbschwester schlägt vor, dass wir uns täglich etwas Zeit nehmen, um an ihrem Lieblingsplatz – im Bambuswäldchen hinter dem Haus – die eine oder andere Betrachtung anzustellen. Finde ich eine gute Idee. Und wer weiß? Vielleicht gehen ja auch in der Zukunft wieder einmal English Springer Spaniels dem Thema nach und stoßen dabei auf uns: in ein und demselben Satz mit Meditation und Buddha. Wünsch uns Glück – wir können es brauchen. Vielleicht aber stecken ja in uns auch schon die Legenden von morgen …

2  DAS HIER UND JETZT

Wenn man mal darüber nachdenkt, ist das Hier und Jetzt die einzige Zeit, die es überhaupt gibt. Egal wann, eigentlich ist immer jetzt.

Marianne Williamson

Google zufolge stellt das Hier und Jetzt – der Punkt zwischen Vergangenheit und Zukunft – das Einzige dar, was ganz ohne Zeit auskommt.

Nun soll sie also beginnen, unsere Reise zur Erleuchtung. Doch bevor wir uns anschicken, das Meditieren zu erlernen, welches ja ein wesentlicher Teil davon ist, dachten wir, es könnte nicht schaden, vorab erst noch ein paar Dinge abzuchecken.

Erstens: Was eigentlich ist dieses ominöse Hier und Jetzt? Da es gleich am Anfang so ziemlich jedes Buches übers Meditieren erwähnt wird, das Kollege Bücherschrank besitzt, scheint es uns doch von einiger Bedeutung zu sein. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: In manchen dieser Werke wird es sogar als das Einzige bezeichnet, womit wir es aufnehmen müssen.

Da allem Anschein nach das richtige Verständnis des Hier und Jetzt von zentraler Bedeutung für unseren Erkenntnisgewinn ist, haben wir beschlossen, uns technologischer Hilfe zu bedienen, um eine zweite Meinung einzuholen – was allerdings keinerlei Kritik an den Fähigkeiten des Kollegen Bücherschrank beinhaltet.

Google zufolge stellt das Hier und Jetzt – der Punkt zwischen Vergangenheit und Zukunft – das Einzige dar, was gänzlich ohne Zeit auskommt. Oder anders ausgedrückt: die Wirklichkeit. Bei Google heißt es übrigens auch, English Springer Spaniels seien ausgeglichene, handzahme, freundliche und gesellige Hunde, die sich gut für Familien mit Kindern eignen. Darüber hinaus gelten sie dieser Quelle zufolge als intelligent, geschickt, willig, gehorsam und sehr gelehrig. Denk bitte an die halbfett gesetzten Wörter – vor allem an intelligent und gelehrig –, solltest du einmal das Gefühl bekommen, ein durchschnittlicher Vertreter unserer Rasse bleibe hinter den Erwartungen zurück.

Zu unserer großen Überraschung haben wir entdeckt, dass Menschen dazu neigen, das Hier und Jetzt regelmäßig auszublenden. Allem Anschein nach verlieren sie sich oft in der Vergangenheit oder grübeln über die Zukunft. Wann immer sie mit diesem Abschweifen beziehungsweise Gedanklich-Umherwandern beschäftigt sind, lassen sie sich leicht ablenken und verlieren den gegenwärtigen Moment aus den Augen. Was zur Folge hat, dass sie sich nicht mehr voll auf das konzentrieren können, was sie gerade tun.

Interessant. Das ist so, wie wenn ich im Garten am Bällchen-Fangen bin und plötzlich ans Abendessen denken muss: In dem Moment bin ich abgelenkt und der Ball trifft mich voll am Kopf. Da bin ich ganz offenbar dem Hier und Jetzt in Richtung Zukunft entwischt. Und die ganze Konzentration ist futsch gewesen.

Siehst du: Ich hab dir doch gesagt, wie gelehrig wir Spaniels sind. Allerdings muss ich hinzufügen, dass mir die Konzentration gar nicht so oft flöten geht. Das Bällchen-Fangen flutscht bei mir gewöhnlich wie von allein. Ganz anders die Menschen: Deren Geist scheint ständig auf Wanderschaft zu sein. Das wissen wir genau. Denn immer wenn wir sie auf dem Wege der Spaniel-Telepathie ansprechen, glotzen sie nur ausdruckslos und mit leerem Blick vor sich hin.

Nachdem wir kurz die Köpfe zusammengesteckt haben, sind Halbschwester und ich zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns dieses neue Wissen zunutze machen und vielleicht davon profitieren können, insbesondere in Sachen Futter. Sollte Moms Geist nämlich, wie es die Theorie nahelegt, auch beim Essenmachen umherschweifen, dürfte die Wahrscheinlichkeit, dass ihr der eine oder andere Leckerbissen aus der Hand fällt, sehr hoch sein – und wir bräuchten nur ein gerüttelt Maß an Geduld und Konzentration.

Nun wäre Halbschwester die Erste, die zugeben würde, dass sie nicht alle Punkte auf Googles Checkliste für den idealen Spaniel erfüllt. Geht es allerdings um die Konzentration auf Fressbares, ist sie einfach Weltklasse. Dass der Käse gleich aus dem Kühlschrank kommt, weiß sie zum Beispiel sogar schon, bevor Mom überhaupt bewusst wird, dass sie welchen braucht. Dank dieser Expertise hat sie – also Halbschwester – mir, was Fressalien betrifft, im Laufe der Jahre bereits eine Vielzahl wertvoller Tipps geben können. Etwa, dass man nach der Mahlzeit einen ordentlichen Schluck Wasser trinken sollte, um der Futterschüssel auch noch die allerletzten schmackhaften Kalorien zu entlocken. Oder dass man sich immer in der Küche aufhalten muss, wenn der Ofen piepst.

Das ganze Reden übers Fressen hat uns jetzt aber so hungrig gemacht, dass es eine gute Idee sein könnte, ins Hier und Jetzt und zur Problematik der geistigen Wanderschaft zurückzukehren.

Was alles nur noch schlimmer macht, ist der Umstand, dass sich die Menschen dieses Wanderschafts-Dingens offenbar gar nicht bewusst sind. Das läuft bei denen ganz automatisch! Was wohl auch der Grund dafür ist, dass man in diesem Zusammenhang oft von einem Autopiloten spricht. In unserem Ansehen sind sie deshalb um einiges gesunken – ich meine, hallo: Die Hälfte der Zeit ist bei denen niemand im Cockpit …

Ich weiß noch, dass ich einmal versehentlich das für Halbschwester vorgesehene Fressen bekommen habe. Weil sie dazu neigt, schnell Fett anzusetzen, kriegt sie anderes Futter als ich. An diesem speziellen Nachmittag aber wurde mir, wie gesagt, ihres vorgesetzt. Dabei hab ich mir damals nichts gedacht: war halt einfach ein Fehler. Nun aber, da ich so einiges über das Funktionieren des menschlichen Geistes erfahren habe, weiß ich genau, wie es dazu hat kommen können: eben aufgrund jenes Autopiloten.

Der bescheidenen Meinung von uns einfachen Spaniels nach leben die Menschen in drei Paralleluniversen. Manchmal wandern sie in der Vergangenheit umher und kramen in alten Erinnerungen. Bei anderen Gelegenheiten schweben sie in der Zukunft, träumen, planen oder machen sich Sorgen. Mitunter (allerdings besser gesagt: nur ganz selten einmal) statten sie auch dem Hier und Jetzt einen Besuch ab – also genau dem Moment, in dem sich das alles abspielt. Oder auch nicht (wie im Falle besagten falsch servierten Fressens).

Hätte Mom nur besser aufgepasst, wäre alles gut gewesen. Sowohl Halbschwester als auch ich hätten das jeweils richtige Futter bekommen und beide wären wir glücklich und zufrieden gewesen. Obwohl: Halbschwester war mit dem ihr versehentlich vorgesetzten – kalorienreicheren – Fressen durchaus glücklich und zufrieden.

Nebenbei bemerkt stellt sich nach einigen Recherchen heraus, dass es sich bei dem aus dem Computer sprechenden Mann um keinen anderen als den bereits erwähnten Jon Kabat-Zinn handelt. Was die Geschichte mit dem Autopiloten angeht, scheint der so eine Art Experte zu sein. Und er benennt auch dessen Gegenteil: die Achtsamkeit. Mit netten Worten erklärt er, Achtsamkeit sei »eine bestimmte Art des Aufpassens: zielgerichtet, auf den gegenwärtigen Augenblick bezogen, wertfrei«. Wir nehmen das so hin, würden aber die Spaniel-Version bevorzugen, die da lautet: »Pass auf, was du tust, und zwar sofort. Jetzt – in diesem Moment! – und besonders, wenn’s um Futter geht. Für heute aber lassen wir es noch mal so durchgehen.«

Da er ein Experte auf diesem Gebiet ist und bei uns zu Hause viele seiner Bücher stehen, haben wir uns dazu entschlossen, Kabat-Zinns Rat zu folgen.

Zum Zeichen dafür, dass wir nicht nachtragend sind, werden wir uns auch nie mehr darüber beschweren, dass uns eine seiner Anweisungen doch sehr an die Erziehung von Welpen erinnert hat. Und vielleicht wagen wir uns eines Tages ja sogar auf den Weg, der nirgendwo hinführt.

DIE (FR)ESSMEDITATION

Wie wir heute herausgefunden haben, fangen Menschen, die sich in Achtsamkeit üben möchten, gleich in der ersten Woche mit einer Essmeditation an. Einer Übung, die nicht nur die Problematik des Autopiloten aufgreift, sondern auch das Beobachten von Dingen fördert. Was einen wichtigen Aspekt davon darstellt, im Hier und Jetzt zu bleiben.

Bei dieser speziellen Übung wird bevorzugt mit Rosinen, Weintrauben oder Schokolade gearbeitet. (Hallo?! All das ist für Hunde reinstes Gift. Wir könnten tot sein, bevor wir auch nur Gelegenheit hätten, die allerkleinste Kleinigkeit zu beobachten. Und im günstigsten Fall müssten wir unsere Beobachtungsgabe vom Wartezimmer einer Tierarztpraxis aus schulen.)

Nach eingehender Unterredung mit Halbschwester, die inzwischen übrigens einen Narren an der Achtsamkeitspraxis gefressen hat, haben wir beschlossen, an einer Karottenmeditation teilzunehmen. Und da wir diese gelben Rüben täglich essen, ist nicht auszuschließen, dass sich mit der Zeit eine Spur von Autopilot einschleichen mag.

Vom Kollegen Bücherschrank haben wir uns ein Buch über Achtsamkeit ausgeborgt. Und selbstverständlich gehört die Essmeditation zu den ersten Meditationsübungen, die darin empfohlen werden. Und was das Beste ist: Die Übung wird sogar im Einzelnen erklärt, Schritt für Schritt.

Zunächst kommt es wohl darauf an, die Karotte mit etwas zu betrachten, was offenbar Anfängergeist heißt und bedeutet, sich das Lebensmittel anzuschauen, als hätte man ein solches nie zuvor gesehen. An diesem Anfängergeist müssen wir definitiv arbeiten, denn der Kühlschrank ist momentan übervoll mit Möhrchen – und an die Unmengen, die es davon im Supermarkt gibt, möchten wir gar nicht erst denken. Da steht uns jetzt eine ganz schöne Aufgabe bevor.

Der Anleitung zufolge müssen wir als Erstes die Form zur Kenntnis nehmen. Klare Sache: Diese Karotte ist karottenförmig. Anschließend wenden wir uns der Farbe zu: orange mit ein paar Dreckflecken. Systematisch, Stück für Stück registrieren wir alles ganz genau: wie diese Karotte aussieht, wie sie sich anfühlt, riecht und wie sie in der Pfote liegt.

Zugegebenermaßen finde ich diese Übung ausgesprochen interessant. Ich hätte nie gedacht, was sich an so einer Karotte alles wahrnehmen und beobachten lässt. Wenn ich sonst eine zu mir nehme, muss ich mich immer voll darauf konzentrieren, sie so schnell wie möglich zu futtern, damit Halbschwester keine Gelegenheit hat, sie mir zu klauen und wegzufressen. Apropos: Bei ihr scheint sich die Karottenmeditation nicht ganz so gut zu entwickeln. Allem Anschein nach hat sie die Anleitung aus dem Buch völlig vergessen. Jedenfalls wiederholt sie ein ums andere Mal: »Es ist eine Karotte … es ist eine Karotte … es ist eine Karotte.« Trotz all ihres Zähneklapperns und Im-Kreis-Umhertänzelns lasse ich mich nicht davon abbringen, das Gemüse weiter zu untersuchen.

Jetzt ist es an der Zeit, das Ohr an die Möhre zu halten und herauszufinden, ob sie irgendein Geräusch von sich gibt. Ich vernehme nichts als totale Stille. Halbschwester weist jedoch darauf hin, dass durchaus etwas zu hören wäre, würden wir nur endlich unsere Zähne in die Karotten schlagen. Ich ignoriere ihren Beitrag und wende mich dem nächsten Schritt der Anleitung zu.

Nun weiß ja jeder, wie empfindlich die Nasen von uns English Springer Spaniels sind. Sollten demnach die Möhren nach irgendetwas duften oder stinken, bekommen wir das auf jeden Fall mit. Also schnuppern wir an ihnen und kommen nach gründlicher olfaktorischer Untersuchung zu dem etwas enttäuschenden Ergebnis, dass sie einfach irgendwie orange riechen.

Der nächste Teil der Übung ist etwas heikel. Um ja nichts falsch zu machen, haben wir beschlossen, die Anweisung ein zweites Mal zu lesen: »Schieben Sie sich das Objekt« – also die Karotte – »in den Mund und lassen es einen Moment einfach dort liegen. Achten Sie auf alle körperlichen Empfindungen, die sich dabei eventuell einstellen.« An diesem Punkt schüttelt meine Gefährtin bloß den Kopf. Mittlerweile ist sie schon bei ihrer vierten Möhre. Am vernünftigsten ist es jetzt wohl, sie sich selbst zu überlassen und meine Erkundungsreise allein fortzusetzen.

Während die Versuchskarotte stabil auf meiner Zunge ruht, beginne ich mich auf alle Empfindungen einzuschwingen, die sich eventuell bei mir einstellen. Aber … na ja, also … die alles überlagernde Empfindung, die sich gerade in mir bemerkbar macht, ist das dringende Bedürfnis, Wasser zu lassen. Was daran liegt, dass mich die volle Konzentration auf dieses Achtsamkeitsdings in den letzten Minuten davon abgehalten hat, es früher zu bemerken. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nicht der Theorie entspricht, aber … na, das Pinkeln muss jedenfalls noch einen Moment warten. Also zurück zur Möhrchenmeditation.

Sobald ich mich wieder im Analysemodus eingefunden habe, fällt mir auf, wie schwer die Karotte in meinem Maul ist. Unmittelbar darauf überfällt mich ein überwältigender Drang, sie zu verzehren. Auch bemerke ich, dass mir das Wasser im Maul zusammenläuft und meine Zähne sich auf die Attacke vorbereiten. Während mein Magen rumort wie Moms Waschmaschine im Schleudergang, beschließe ich, dass ich jetzt lange genug achtsam war und es nun an der Zeit ist, zu dem Teil mit dem (Fr)Essen zu kommen.

Ein weiterer Blick in die Anleitung eröffnet mir den Vorschlag, zunächst nur einen Bissen zu nehmen und zu registrieren, was daraufhin geschieht. Also gebe ich mir größte Mühe, genau das zu tun. Halbschwester scheine ich damit durchaus zu beeindrucken. Allerdings hat sie jetzt den Überblick verloren, wie viele Karotten sie verputzt hat, und schimmert um die Schnauze herum auch schon etwas orange.

Das Knirschen, das beim Biss in die Möhre entsteht, ist unglaublich. Es erfüllt meinen ganzen Kopf und lässt mich an jeder einzelnen Körperstelle erschauern, bis hin zur Schwanzspitze. Schließlich darf ich die Möhre sehr gemächlich futtern und sie – sobald ich dazu bereit bin – Bissen für Bissen runterschlucken.

Eines muss ich zugeben: Das eben beschriebene Exemplar war die wahrscheinlich köstlichste Karotte, die ich je gefressen habe. Denn ich sag dir was: Diese Geschichte mit dem Ganz-genau-Achtgeben ist echt cool! Auf diese Weise habe ich so viele Empfindungen gehabt, derer ich mir unter normalen Umständen nie bewusst geworden wäre, dass ein Gespräch mit Halbschwester, unserem offiziellen Food-Guru, angesagt ist. Doch bevor ich dazu komme, die Übung abschließend mit ihr durchzukauen, macht sich mit einem Mal wieder ein gewisser überwältigender Drang bemerkbar. Sorry, jetzt muss ich aber wirklich mal …

Wir betrachten die Welt, als wäre sie eine riesige Möhre

Wir haben gedacht … ja, richtiggehend nachgegrübelt haben wir (Spaniels grübeln nämlich gern). Und das Ergebnis unseres Sinnierens lässt sich wie folgt zusammenfassen: Wenn wir uns schon in Sachen Möhren so viel haben entgehen lassen, wäre es doch nur logisch anzunehmen, dass wir in unserem täglichen Allerlei noch eine Menge anderer Dinge verpassen. Um dieser Theorie nachzugehen, begeben wir uns in den Garten und lassen ihn auf uns wirken, als wäre es das erste Mal.

Meine Familie lebt schon seit vierzehn Jahren in diesem Haus. Und da ich erst vier bin, kann ich mich an kein anderes Heim erinnern. Die Erinnerungen von Halbschwester gehen noch zwei weitere Jahre zurück, denn sie ist jetzt schon sechs. Nach all der Zeit würde man ja denken, wir wüssten genau, wie es im Garten aussieht. Nach unserer Erfahrung mit der (Fr)Essmeditation kommen uns jetzt allerdings doch beträchtliche Zweifel.

Bevor wir mit der Gartenmeditation anfangen, nehmen wir uns etwas Zeit, um unseren alten Freund Kollegen Bücherschrank zu konsultieren. Denn vielleicht gibt es ja noch etwas, was wir zur stillen Versenkung brauchen können – außer unserem Anfängergeist