Aufbruch ins globale Zeitalter - Mark Häberlein - E-Book

Aufbruch ins globale Zeitalter E-Book

Mark Häberlein

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Beschreibung

Fugger und Welser gehörten zu den bedeutendsten Handelshäusern des 16. Jahrhunderts – einer Zeit, in der sich für den europäischen Fernhandel durch die Expansion der Portugiesen nach Asien und die spanischen Eroberungen in Amerika neue Perspektiven eröffneten. Bereits 1505 beteiligten sich beide Handelshäuser an einer portugiesischen Indienfahrt. Wichtiger noch war die Rolle der Augsburger Handelshäuser als Anbieter und Vermittler globaler Güter: Sie stellten für den europäischen Asienhandel Kupfer und Silber bereit, vermarkteten asiatische Gewürze in Europa, beteiligten sich am Aufbau der Zuckerplantagenwirtschaft im atlantischen Raum, handelten mit amerikanischen Perlen und indischen Diamanten und lieferten Quecksilber an mexikanische Silberbergwerke. Auf der Grundlage neu entdeckter Quellen stellt Mark Häberlein die Rolle der Fugger und Welser als ›global player‹ erstmals systematisch dar und öffnet damit ein neues Kapitel in der Geschichte der Globalisierung am Beginn der Neuzeit.

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Mark Häberlein

Aufbruch insglobale Zeitalter

Die Handelswelt derFugger und Welser

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

Abbildungen im Buch: S. 24, 29, 50, 95, 105, 112, 114, 172/173,187: public domain; S. 26, 41, 66, 133, 162, 169: akg-images;S. 33: Michael Schönitzer, Die großen Deutschen im Bilde (1936);S. 38: Stadtbibliothek Nürnberg; S. 60/61, 118/119, 143: Peter Palm,Berlin; S. 81: Leonhard Fuchs, New Kreüterbuch (1543); S. 84/85:akg-images/Album/Prisma; S. 90/91, 138/139, 166/167: akg-images/historic-maps; 180/181: akg-images/BRITISH LIBRARY/SCIENCEPHOTO LIBRARY

 

 

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographischeDaten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in und Verarbeitungdurch elektronische Systeme.

Der Konrad Theiss Verlag ist ein Imprint der WBG.

© 2016 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), DarmstadtDie Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitgliederder WBG ermöglicht.Lektorat: Claudia Weingartner, IckingGestaltung und Satz: DOPPELPUNKT, StuttgartUmschlaggestaltung: Stefan Schmid Design, StuttgartUmschlagmotiv: Weltkarte des Diogo Ribeiro(sog. Welserkarte), 1530 (Ausschnitt), Studienbibliothek Dillingen

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-8062-3342-1

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-8062-3423-7eBook (epub): 978-3-8062-3424-4

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Innentitel

Inhaltsverzeichnis

Informationen zum Buch

Informationen zum Autor

Impressum

Inhalt

Einleitung

Der Schatz der „Bom Jesus“

Zu diesem Buch

Globalisierung im 16. Jahrhundert?

Eine kurze Geschichte zweier Handelshäuser

1 Am Anfang war die Baumwolle

Der Barchentboom des späten Mittelalters

Der Textilhandel der Welser-Gesellschaft

Kleidung in der ständischen Gesellschaft

Weißenhorner Barchent und überseeische Märkte

2 Silber- und Kupferhandel in Europa und in Übersee

Jakob Fugger der Reiche

Die Fugger und der portugiesische Asienhandel

Der Silber- und Kupferhandel der Welser

Nach dem Boom: Konsolidierung und Regionalisierung

3 Die Welser und der interkontinentale Gewürzhandel

Kostbare Gewürze

Zentren des Gewürzhandels: Lissabon und Antwerpen

Die Suche nach dem westlichen Seeweg zu den Molukken

Gewürze und Gemeinwohl: Die Debatten der 1520er-Jahre

Die Welser, Antwerpen und das Comeback Venedigs

Die Pfefferkontrakte der portugiesischen Krone von 1585 bis 1592

4 Das Geschäft mit Zucker, Sklaven und dem Gold der Neuen Welt

Die Anfänge der atlantischen Zuckerökonomie

Venezuela: Die Ziele der Welser und die Realität vor Ort

Sklavenhandel und Sklaverei

Konquista: Die Zurückhaltung der Fugger

5 Staatskredite, Quecksilber und der Bergbauboom in Amerika

Die Fugger als Bankiers der spanischen Krone

Die Rolle der spanischen Silberflotten

Die Strukturen der Maestrazgopacht

Das Bergwerk von Almadén und der Silberbergbau in Neu-Spanien

6 Globale Güter in den Netzwerken Augsburger Handelshäuser

Die materielle Kultur der Renaissance

Perlen und Edelsteine

Medizinische Exotica

Exotische Pflanzen, Tiere und Menschen

Kunstkammerobjekte

7 Nachrichten aus fernen Welten

Die „Welserkarte“ des Diogo Ribeiro

Die überseeische Welt in Kaufmannshandbüchern um 1500

Konrad Peutinger und die geographischen Entdeckungen

Silberflotten und Seeräuber: Die überseeische Welt in den „Fuggerzeitungen“

8 Globale Akteure im Umfeld der Fugger und Welser

Der Vermittler: Valentim Fernandes aus Mähren

Der Organisator: Ulrich Ehinger

Indienfahrer und Amerikahändler: Lazarus Nürnberger

Ein Augsburger in Goa: Ferdinand Cron

Epilog

Erfolg und Scheitern am Beginn des globalen Zeitalters

Anhang

Anmerkungen

Quellen- und Literaturverzeichnis

Personen- und Ortsregister

Einleitung

Der Schatz der „Bom Jesus“

Als Geologen und Archäologen im Frühjahr 2008 an der Küste Namibias das Wrack eines portugiesischen Schiffes aus dem 16. Jahrhundert entdeckten, war dies in mehrfacher Hinsicht eine Sensation. Zum einen hatten sie das älteste bislang bekannte Schiffswrack südlich der Sahara gefunden. Das Schiff, die „Bom Jesus“, befand sich auf dem Weg von Portugal nach Indien, als es in einen Sturm geriet und beim Versuch, in einer geschützten Bucht zu ankern, auf einen Felsen auflief. Zum anderen hatte die „Bom Jesus“ neben zahlreichen Gold- und Silbermünzen tonnenweise Waren aus mitteleuropäischer Produktion an Bord: Halbkugeln aus Kupfer, auf denen noch ein Dreizack, die Handelsmarke des Augsburger Handelshauses Fugger, erkennbar ist, Kupfer- und Eisenwaren sowie Blei und Quecksilber. Der Wrackfund im Südwesten Afrikas wirft somit ein Schlaglicht auf die Bedeutung Augsburger und Nürnberger Handelsgesellschaften als Lieferanten von Metallen und Metallwaren, die das wichtigste Gut im portugiesischen Indienhandel darstellten. Der Archäologe Dieter Noli sowie der Ethnologe und Soziologe Wolfgang Knabe publizierten 2012 ein Buch, das die letzte Fahrt der „Bom Jesus“ und ihre Ladung beschreibt und den Fund in die Geschichte des Überseehandels einordnet.1

Diese Einordnung ist allerdings ausgesprochen problematisch. Knabe sind im historischen Teil des Buches nicht nur zahlreiche inhaltliche Fehler unterlaufen, er übertreibt auch die weltwirtschaftliche Bedeutung der süddeutschen Handelshäuser – allen voran die der Fugger und Welser – gewaltig.2 So schreibt er ausführlich über die „Welserflotten“, die angeblich in den 20er- und 30er-Jahren des 16. Jahrhunderts zwischen Spanien und Amerika verkehrt seien, und behauptet: „Zeitweise tragen ein Drittel aller Schiffe, die in die Neue Welt unterwegs sind, die Flagge der Welser-Reederei. Durch diesen Transatlantik-Warenverkehr streicht die Welser’sche Reederei in Spanien bis 1535 einen Gewinn von vier Millionen Gulden ein.“3 Abgesehen davon, dass es sich bei dieser Zahl um reine Phantasie handelt, hat der spanische Historiker Enrique Otte bereits vor Jahrzehnten nachgewiesen, dass eine solche Flotte nie existiert hat: Für den Verkehr zwischen der andalusischen Handelsstadt Sevilla, ihrer Niederlassung auf Santo Domingo und ihrer Kolonie Venezuela charterten die Welser Passagier- und Frachtraum auf spanischen Schiffen.4 Bei näherem Hinsehen erweist sich die „Welserflotte“ als Erfindung deutscher Historiker der Wilhelminischen Ära, die die Flottenbegeisterung ihrer eigenen Epoche in das 16. Jahrhundert zurückprojizierten und die Welser zu Pionieren des deutschen Kolonialismus hochstilisierten.5

Ähnlich übertrieben sind Knabes Vorstellungen eines Kupfer-, Silber- und Quecksilbermonopols der Fugger, das dem Augsburger Handelshaus vermeintlich „im interkontinentalen Seehandel die absolut marktbeherrschende Stellung“ beschert habe.6 Die Fugger spielten zweifellos eine herausragende Rolle im Handel mit diesen Metallen, doch besaßen sie zu keinem Zeitpunkt ein echtes Monopol für eines dieser Güter. Schließlich führt auch die Auffassung, dass die Fugger eine Reihe von Niederlassungen – sogenannte Faktoreien – in Übersee gegründet hätten, in die Irre. Eine Faktorei am Rio de la Plata beispielsweise wäre im 16. Jahrhundert schon aufgrund der riesigen Entfernungen und der sporadischen Kontakte europäischer Seefahrer mit der Küste des heutigen Argentinien gar nicht zu unterhalten gewesen.7 Sieht man sich die Generalrechnungen der Fugger zwischen 1527 und 1563 an, die einen Überblick über ihr Niederlassungsnetz geben, so findet man in ihnen keine einzige Faktorei in Übersee! Damit ist zugleich das erste Problem benannt, mit dem sich dieses Buch auseinanderzusetzen hat: Die Fugger und Welser spielten tatsächlich eine bedeutende Rolle im interkontinentalen Handel – doch überzogene Behauptungen über angebliche Monopole, Flotten und weltweite Netzwerke von Stützpunkten ergeben ein Zerrbild, das der Realität der frühen Neuzeit in keiner Weise entspricht. Ein Anliegen dieses Buches ist es daher, die weltwirtschaftliche Rolle der Augsburger Handelshäuser angemessen darzustellen und zu kontextualisieren.

Eine ganz andere Art von Schätzen als diejenigen von der Küste Namibias tauchte in verschiedenen süddeutschen Bibliotheken und Archiven, insbesondere in der Studienbibliothek Dillingen auf. Bei Restaurierungsarbeiten an Bucheinbänden wurden Fragmente von Handelsbüchern der Augsburger Welser-Gesellschaft entdeckt, die nach deren Bankrott im Jahre 1614 an Buchbinder verkauft, von diesen makuliert und zur Verstärkung von Bucheinbänden recycelt worden waren. In jahrelanger Kleinarbeit konnten diese Bruchstücke fast 40 verschiedenen Rechnungsbüchern der Welser-Gesellschaft aus dem Zeitraum von 1498 bis 1550 zugeordnet und ediert werden.8

Neben vielen alltäglichen Geschäften dokumentieren diese Fragmente auch Beziehungen nach Übersee: So erhielt das Augsburger Handelshaus wenige Jahre nach der portugiesischen Eroberung Malakkas (1511) Güter von einem Schiff, das aus dem südostasiatischen Handelsemporium zurückkehrte. In den 1530er-Jahren nahmen Vertreter der Welser in Sevilla und Antwerpen Zuckerladungen aus der Karibik in Empfang. Doch auch hier ist Vorsicht geboten: Wie relevant und wie nachhaltig waren diese überseeischen Kontakte?

Jenseits solcher spektakulärer Quellenbelege liegt der Wert der Welser’schen Rechnungsbuchfragmente darin, dass sie die Materialbasis für die Rekonstruktion der Geschichte dieses Handelshauses wesentlich verbessern. Denn obwohl die Namen Fugger und Welser häufig in einem Atemzug als führende oberdeutsche Kaufmannsfamilien des 16. Jahrhunderts genannt werden, war die Geschichte der Fugger bislang ungleich besser dokumentiert. Einer Fülle an Studien zur Fuggergeschichte steht eine überschaubare Zahl an Arbeiten zur Historie der Welser gegenüber. Das vorliegende Buch bemüht sich vor diesem Hintergrund um ein ausgewogenes Bild und möchte die spezifische Rolle beider Handelshäuser im Fern- und Überseehandel der beginnenden Neuzeit herausarbeiten. Diesem Versuch sind vor allem in quantitativer Hinsicht Grenzen gesetzt: Wirtschaftshistoriker arbeiten bevorzugt mit „harten“ Daten, die sich in Tabellen und Grafiken aufbereiten lassen. Anders als für die Fugger sind für die Welser jedoch keine Generalrechnungen überliefert, die einen Überblick über das Vermögen und die Verbindlichkeiten der Firma zu einem bestimmten Zeitpunkt ermöglichen. Die Annäherung an die Handelswelt der Welser muss daher vorwiegend in qualitativer Form, d.h. über die Dokumentation einzelner Geschäfte und Geschäftsfelder, erfolgen.

Zu diesem Buch

Die Funde im Wrack der „Bom Jesus“ und die Einträge in den Rechnungsbuchfragmenten der Welser machen deutlich, dass die großen Augsburger Handelshäuser im 16. Jahrhundert Kontakte nach Amerika und Asien hatten. Doch wenn man sich eingehender mit der Literatur zum Thema befasst, stellt man schnell fest, dass ihre direkten Beziehungen nach Übersee eher sporadischer Natur waren. Beide Handelshäuser beteiligten sich 1505 an einer portugiesischen Indienfahrt – doch bereits im folgenden Jahr erklärte der portugiesische König den asiatischen Gewürzhandel zum Kronmonopol und schloss damit die süddeutschen Kaufleute von weiteren derartigen Unternehmen aus. Die Welser schlossen 1528 mit der spanischen Krone einen Vertrag über die Kolonisierung Venezuelas – doch dieses Projekt degenerierte binnen weniger Jahre zu einem reinen Feldzugs- und Eroberungsunternehmen, das aufgrund der von den Welser-Vertretern begangenen Grausamkeiten und des Handels mit indigenen und afrikanischen Sklaven alles andere als ruhmreich war. Jahrzehnte später partizipierten Fugger und Welser erneut am Gewürzeinkauf in Asien – doch auch dieses Unternehmen währte nur wenige Jahre. Der Umfang der überseeischen Aktivitäten der Augsburger Handelshäuser sollte also nicht überschätzt werden: Abgesehen von einer Faktorei im indischen Goa in den Jahren 1586 bis 1592 unterhielten die Fugger zu keinem Zeitpunkt eine feste Niederlassung in Übersee, und die langlebigste überseeische Faktorei der Welser – Santo Domingo auf der Karibikinsel Hispaniola – bestand keine 20 Jahre. Dieser Befund gilt auch für andere Augsburger und Nürnberger Handelshäuser, die zwar zahlreiche Projekte in Übersee lancierten, von denen allerdings kaum eines dauerhaft erfolgreich war.9

Trotz ihrer insgesamt geringen und bestenfalls temporären Präsenz in Übersee vertritt dieses Buch die These, dass die Fugger und Welser die Anfänge des neuzeitlichen Globalisierungsprozesses auf wichtigen Geschäftsfeldern aktiv mitgestalteten. Ihre Bedeutung für den Welthandel des 16. Jahrhunderts resultierte aus ihrer zentralen Stellung im Handel mit Gütern, die für das Anknüpfen und die Verstetigung interkontinentaler Wirtschaftsbeziehungen essenziell waren.

Der Aufschwung des Augsburger Handels im Spätmittelalter basierte auf der Vermarktung von Textilien, die das Rückgrat der schwäbischen Wirtschaft bildeten. Die Barchenttuche, die Augsburger Weber herstellten, kombinierten Textilfasern unterschiedlicher Herkunft, nämlich Baumwolle aus dem östlichen Mittelmeerraum und Flachsgarn aus Mitteleuropa. Durch Baumwollimporte aus Venedig und die großräumige Vermarktung von schwäbischem Barchent verknüpften die reichsstädtischen Handelsgesellschaften die lokale Produktion mit europäischen Beschaffungs- und Absatzmärkten. Als die Fugger um die Mitte des 16. Jahrhunderts begannen, schwäbischen Barchent an Amerikahändler in Sevilla zu verkaufen, machten sie dieses Produkt zumindest für kurze Zeit zu einem globalen Handelsgut (Kapitel 1).

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert sicherten sich süddeutsche Handelshäuser, allen voran die Fugger, eine zentrale Stellung in der Vermarktung der Kupfer- und Silberproduktion der wichtigsten europäischen Montanreviere. Nahezu gleichzeitig erschlossen die Portugiesen den Seeweg nach Indien und waren dadurch erstmals in der Lage, die begehrten asiatischen Gewürze direkt vor Ort einzukaufen. Da die Portugiesen für den Asienhandel jedoch dringend auf Kupfer und Silber angewiesen waren, wurden die Oberdeutschen ihre wichtigsten Handelspartner. Vier Jahrzehnte lang, von ca. 1500 bis etwa 1540, spielte die strategische Kooperation der Agenten der portugiesischen Krone mit Vertretern der Augsburger Handelshäuser in Antwerpen und Lissabon eine entscheidende Rolle bei der Beschaffung der für den Überseehandel Portugals notwendigen Bunt- und Edelmetalle. Ohne Fugger’sches Kupfer und Silber wäre die portugiesische Expansion im Indischen Ozean in dieser Form nicht möglich gewesen (Kapitel 2).

Die Welser hingegen waren zentrale Akteure bei der Distribution asiatischer Gewürze auf den europäischen Märkten. Nachdem die Entdeckung der Seeroute um das Kap der Guten Hoffnung durch Vasco da Gama in Mitteleuropa bekannt geworden war, beeilten sich die großen Augsburger und Nürnberger Handelshäuser, Faktoreien in Lissabon zu errichten. Bezogen die Welser die begehrten asiatischen Spezereien – indischen Pfeffer, Zimt aus Ceylon sowie Gewürznelken, Muskatnuss und Muskatblüte von den Molukken – um 1500 noch über Venedig, so konzentrierten sich ihre Einkäufe in den folgenden Jahrzehnten auf Antwerpen und Lissabon. Auch wenn die direkte Beteiligung der Welser an portugiesischen Indienfahrten ein vorübergehendes Phänomen war, handelten sie über Jahrzehnte hinweg in großem Umfang mit asiatischen Gewürzen, die sie auf den wichtigsten westeuropäischen Märkten einkauften. Ihre Rolle als Gewürzhändler war so bedeutend, dass sie der Gesellschaft im sogenannten Monopolstreit der 1520er-Jahre erhebliche rechtliche und politische Schwierigkeiten eintrug (Kapitel 3).

Zucker, den europäische Kaufleute im Spätmittelalter vorwiegend aus dem Mittelmeerraum bezogen, war um 1500 noch längst kein so wichtiges Handelsgut wie Pfeffer oder Gewürznelken. Im Zuge der Expansion Spaniens und Portugals im atlantischen Raum wurden jedoch neue Anbaugebiete auf Madeira, den Kanaren, in der Karibik und schließlich in Brasilien erschlossen. Die eng mit der Ausweitung des Sklavenhandels verbundene Expansion der Zuckerplantagenwirtschaft leistete einen entscheidenden Beitrag zur Entstehung eines atlantischen Wirtschaftsraums. Obwohl die Welser in diesem Prozess nur ein Akteur unter vielen waren, nahmen sie daran durch die Gründung von Niederlassungen und den Kauf von Plantagen auf Madeira, der Kanareninsel La Palma und Santo Domingo (Hispaniola) regen Anteil. Indem sie sich 1528 die Statthalterschaft über Venezuela sicherten, stiegen die Augsburger Welser sogar zur Kolonialmacht auf. Der Aufbau einer wirtschaftlich lukrativen Kolonie scheiterte jedoch auf ganzer Linie, und die Eroberungs- und Beutezüge der Repräsentanten des Handelshauses vor Ort kosteten Tausenden von Ureinwohnern Venezuelas sowie Hunderten von Europäern das Leben (Kapitel 4).

Neben erfolgreichem Fernhandel basierte der Aufstieg der Fugger und Welser ganz wesentlich auf der Gewährung von Krediten an das Haus Habsburg. Kaiser Karl V. verdankte seine Wahl im Jahre 1519 maßgeblich der finanziellen Unterstützung der beiden Handelshäuser, die auch in den folgenden Jahrzehnten seine wichtigsten Bankiers blieben. Für ihre Darlehen erwarteten sie jedoch Gegenleistungen: Neben anderen königlichen Einkünften in Spanien übertrug der Herrscher den Fuggern und Welsern die Pacht der Ländereien der spanischen Ritterorden, zu denen auch das Quecksilberbergwerk von Almadén gehörte. Als in Mexiko um die Mitte des 16. Jahrhunderts ein neues Verfahren zur Silbergewinnung unter Verwendung von Quecksilber, das sogenannte Amalgamierungsverfahren, entwickelt wurde, stieg der Bedarf an Quecksilber in der Neuen Welt sprunghaft an. Die Fugger wurden die wichtigsten Lieferanten dieses essenziellen Rohstoffs für die mexikanische Silberproduktion. Ohne Fugger’sches Quecksilber hätte es den mittelamerikanischen Silberboom des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts und die Manila-Galeonen, die Amerika und Asien erstmals über den Pazifik hinweg verknüpften, nicht gegeben (Kapitel 5).

Andere außereuropäische Güter waren wirtschaftlich weit weniger bedeutsam, spielten aber in der Medizin- und Kulturgeschichte des Renaissancezeitalters eine wichtige Rolle. Manchen amerikanischen und asiatischen Arzneimitteln wurde eine besondere Heilwirkung zugeschrieben – insbesondere dem Guajakholz, das gegen die Geschlechtskrankheit Syphilis helfen sollte. Indische Diamanten, südamerikanische Smaragde und karibische Perlen waren begehrte Luxusgüter, für die an europäischen Fürstenhöfen hohe Preise bezahlt wurden. Überdies dokumentierten Fürsten und Adelige ihre weitreichenden Beziehungen und ihr Interesse an exotischen Welten durch den Erwerb exotischer Tiere und die Ausstellung außereuropäischer Objekte in Kunst- und Wunderkammern. All diese Güter gingen auch durch die Hände der Fugger und Welser und ihrer Vertreter (Kapitel 6).

Der Handel mit globalen Gütern war – wie der vormoderne Fernhandel überhaupt – ein riskantes Unterfangen: Um Marktgegebenheiten und geschäftliche Chancen richtig einschätzen zu können, benötigten die Handelsgesellschaften Informationen über die Handelswelt außerhalb Europas sowie über die iberischen Asien- und Amerikaflotten. Handschriftliche und gedruckte Berichte von den spanischen und portugiesischen Entdeckungen, Geschäftskorrespondenzen und das Medium der „Neuen Zeitungen“ stellten die notwendigen Informationen zur Verfügung und trugen dazu bei, dass sich Ansätze eines globalen Bewusstseins entwickelten (Kapitel 7).

Während Mitglieder der Familien Fugger und Welser die Geschicke ihrer Handelshäuser von Augsburg aus lenkten, saßen einige ihrer Angestellten und Geschäftspartner an den Schaltstellen des spanischen und portugiesischen Überseehandels – in Lissabon, am spanischen Hof und in Sevilla – und beteiligten sich von dort aus an Geschäften mit Asien und Amerika. Einige wenige reisten sogar selbst nach Indien oder in die Neue Welt. Vier dieser globalen Akteure aus dem Umfeld der beiden Augsburger Handelshäuser werden in Kapitel 8 vorgestellt. Am Ende dieses Buchs wird der Frage nachgegangen, warum die Fugger offenbar wesentlich erfolgreicher waren als die 1614 in Konkurs gegangenen Welser.

Globalisierung im 16. Jahrhundert?

Globalisierung ist ein junger Begriff: Er fand erst in den 1990er-Jahren Eingang in die Wissenschafts- und Alltagssprache, machte aber seither eine rasante Karriere. Einer aktuellen Lexikondefinition zufolge beschreibt dieser Terminus

„die zunehmende Internationalisierung des Handels, der Kapitalsowie der Produkt- und Dienstleistungsmärkte und die internationale Verflechtung der Volkswirtschaften. Der Globalisierungsprozess der Märkte wird v.a. durch neue Technologien im Kommunikations-, Informations- und Transportwesen sowie neue Organisationsformen der betrieblichen Produktionsprozesse vorangetrieben. […] Hauptakteure der Globalisierung sind multinationale Unternehmen, die mit ihren Investitions-, Produktions- und Produktstrategien zunehmend Charakter und Formen des internationalen Handels und der Investitionen bestimmen.“10

Über die Frage, wann dieser Prozess begann, gibt es höchst unterschiedliche Ansichten. Während viele Wissenschaftler davon ausgehen, dass das Zeitalter der Globalisierung erst mit den ökonomischen und technologischen Umwälzungen des späten 20. Jahrhunderts – insbesondere der Vervielfachung und Beschleunigung globaler Finanzströme sowie dem Siegeszug des Internet – begann, verweisen andere darauf, dass es bereits in der Antike großräumigen Warenaustausch und interkontinentale Verflechtungen gab. Für eine reflektierte Verwendung des Begriffs bedarf es daher einiger Vorüberlegungen.

Insbesondere angelsächsische Wirtschaftshistoriker haben methodische Verfahren entwickelt, mittels derer sich Beginn und Verlauf des Globalisierungsprozesses genauer bestimmen lassen. Für J. G. Williamson und Kevin H. O’Rourke stellen die Marktpreise für global gehandelte Güter den zentralen Maßstab dar: Von Globalisierung kann nach ihrer Ansicht erst dann gesprochen werden, wenn das Volumen des interkontinentalen Handelsverkehrs auch zu einer Preiskonvergenz, das heißt einer spürbaren Angleichung der Preise zwischen Europa und Asien führt. Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert konstatieren Williamson und O’Rourke zwar ein langfristiges Wachstum des interkontinentalen Handels, aber weder eine substanzielle Reduzierung der Transportkosten noch eine Konvergenz der Preise.11 Lediglich für den Gewürzhandel haben die beiden Wirtschaftshistoriker diesen Befund modifiziert: Hier habe die Konkurrenz zwischen Venedig und den Portugiesen, die Gewürze über Lissabon und Antwerpen auf die europäischen Märkte brachten, im Verlauf des 16. Jahrhunderts tatsächlich zu einem realen Sinken der Preise geführt.12 Der Ansatz von Williamson und O’Rourke ist allerdings als zu schematisch kritisiert worden, und andere Historiker sehen durchaus wirtschaftliche Konvergenzprozesse in der Frühen Neuzeit. Dies gilt demnach insbesondere für die globalen Edelmetallströme, die bereits um die Mitte des 17. Jahrhunderts zu einer tendenziellen Angleichung des Verhältnisses von Gold- und Silberpreisen in Europa und Ostasien geführt hätten.13

Jan de Vries betont wie Williamson und O’Rourke die engen Grenzen, in denen sich der Globalisierungsprozess in der Frühen Neuzeit vollzog. Zwischen 1500 und 1800 habe sich das Volumen des europäischen Asienhandels zwar vervielfacht, doch die jährlichen Wachstumsraten seien mit durchschnittlich etwas mehr als einem Prozent sehr moderat gewesen. Das Volumen aller asiatischen Güter, die um 1800 auf europäische Märkte gelangten, hätte bequem auf ein einziges modernes Containerschiff gepasst, und jeder Europäer habe – statistisch gesehen – weniger als ein Pfund asiatischer Waren im Jahr konsumiert. Anhaltend hohe Transaktionskosten hätten zudem die Profite der europäischen Akteure im Asienhandel begrenzt. Daher könne man zwar von zunehmender globaler Verflechtung, aber nur ansatzweise von Globalisierung sprechen.14

Die Politik- und Sozialwissenschaftler David Held, Anthony McGrew, David Goldblatt und Jonathan Perraton analysieren gegenwärtige Globalisierungsprozesse anhand von vier Kategorien: geographische Reichweite, Intensität der Austauschbeziehungen, Geschwindigkeit des Güter- und Informationsaustauschs sowie Auswirkungen auf die betroffenen Gesellschaften. Anhand dieser Kategorien lasse sich die Geschichte der Globalisierung in vier Phasen einteilen, die sich hinsichtlich der Reichweite, Intensität, Geschwindigkeit und Auswirkungen der ökonomischen Austauschbeziehungen unterschieden. Das Mittelalter erscheint aus dieser Perspektive als eine Zeit der „dünnen Globalisierung“, in der es zwar bereits weiträumigen Warenaustausch – etwa zwischen Europa und Asien über die Seidenstraße – gab, dieser sich aber in langsamem Tempo und mit überschaubaren Gütermengen vollzog. Die Epoche der Frühen Neuzeit lässt sich diesem Modell zufolge als Phase einer „expansiven Globalisierung“ beschreiben, die durch eine große geographische Reichweite und eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung der Austauschbeziehungen, aber eine geringe Intensität und eine niedrige Geschwindigkeit des Umschlags von Gütern und Informationen geprägt war. Im 19. und 20. Jahrhundert (Phasen 3 und 4) nahmen sowohl die Intensität als auch die Geschwindigkeit globaler Austauschprozesse zu, sodass die Weltwirtschaft schließlich in eine Phase der „dichten Globalisierung“ eintrat.15

Der Übergang von einer „dünnen“ zu einer „expansiven“ Globalisierung im 16. Jahrhundert – andere Wirtschaftshistoriker sprechen von einer „Proto-Globalisierung“16 – lässt sich insbesondere an fünf Faktoren festmachen:

1. Wichtige Impulse gingen von der überseeischen Expansion der iberischen Mächte aus, die von der neueren Forschung in enger Wechselwirkung mit der Expansion des Osmanischen Reichs in Südosteuropa und im Mittelmeerraum gesehen wird. Das Ausgreifen der Portugiesen in den Indischen Ozean führte einerseits zur Verkürzung der Handelsketten zwischen Asien und Europa, zur Errichtung eines Stützpunktsystems an den Küsten Asiens und zur Etablierung einer neuen Seehandelsroute um das Kap der Guten Hoffnung. Andererseits eroberten die Spanier in Amerika große indigene Reiche, errichteten ein weitläufiges Kolonialreich und verbanden Europa über den Atlantik hinweg mit der Neuen Welt.17

2. Durch die Verknüpfung des portugiesischen Asienhandels mit dem spanischen Amerikahandel entstanden erstmals in der Geschichte globale, die vier Kontinente Amerika, Europa, Afrika und Asien umspannende Warenströme. Amerikanisches Silber, das über Europa bzw. seit den 70er-Jahren des 16. Jahrhunderts auch über den Pazifik nach Asien strömte, avancierte zum ersten globalen Handelsgut.18

3. Innovationen im Verkehrs- und Kommunikationsbereich – die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, das von der Familie Taxis etablierte europäische Postsystem und das Medium der „Neuen Zeitungen“ – führten zu einer Verbesserung, Verstetigung und Beschleunigung des Informationsaustauschs über große Distanzen hinweg.19 Dadurch verbreiteten sich auch Nachrichten über Entdeckungen, Handels- und Kolonisationsunternehmungen in Übersee wesentlich schneller und wurden für ein größeres Publikum verfügbar.

4. So wie die heutige Weltwirtschaft auf einige große Handels- und Finanzzentren – New York, London, Shanghai, Tokio – fokussiert ist, so kannte bereits die frühe Neuzeit ökonomische Zentren, in denen sich Geld- und Warenströme bündelten. Antwerpen, das um 1500 schon ein wichtiges Verteilerzentrum für nordwesteuropäische Waren, insbesondere englisches Tuch, war, stieg infolge der iberischen Expansion zum Welthandelszentrum und wichtigsten europäischen Kapitalmarkt auf. Hier trafen Warenströme aus Nordwesteuropa, Süddeutschland und der Iberischen Halbinsel zusammen, und eine internationale Kaufmannschaft machte die Stadt an der Schelde, deren Bevölkerung in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von 40.000 auf 100.000 anwuchs, auch zu einem Knotenpunkt des Wechselverkehrs und der Zirkulation von Informationen. Die Gründung der Antwerpener Börse im Jahre 1531 ist augenfälligster Ausdruck der Dynamik und Innovationsbereitschaft, die diesen Aufschwung trugen.20 Das andere große Wirtschaftszentrum Europas, Venedig, hatte zu Beginn des 16. Jahrhunderts zwar mit erheblichen Anpassungsproblemen zu kämpfen, aber seine Tage waren noch keineswegs gezählt; vielmehr verlieh gerade der Wettbewerb zwischen Antwerpen und Venedig wichtigen Sektoren des europäischen Fernhandels eine besondere Dynamik.21

5. Infolge der Zunahme und Verstetigung interkontinentaler Kontakte bildete sich in großen Handelsmetropolen wie Antwerpen und Venedig, aber auch in Nürnberg und Augsburg so etwas wie ein globales Bewusstsein aus: Amerika, Asien und in geringerem Maße auch Afrika wurden Teil des Bildungs- und Wissenshorizonts zumindest der gebildeten und wohlhabenden Bewohner dieser Städte; Beschreibungen dieser Weltregionen und Nachrichten über politische, militärische und kommerzielle Unternehmungen in Übersee fanden ein interessiertes Publikum.22

6. Wichtige Träger der kommerziellen Expansion waren Fernhandelsgesellschaften mit festen Niederlassungen in den wichtigsten europäischen Zentren, die im Vertrieb globaler Güter bereits über Erfahrungen verfügten und nun die Chance sahen, ihre etablierten kommerziellen Verbindungen und Praktiken auch auf die neu erschlossenen Weltregionen auszudehnen.23 Anders als die Ostindienkompanien des 17. und 18. Jahrhunderts, die den Übergang zur Kapitalgesellschaft vollzogen, basierten die großen Handelsgesellschaften des 16. Jahrhunderts, die vor allem in Süddeutschland und Oberitalien beheimatet waren, primär auf familiären und verwandtschaftlichen Verflechtungen. Aufgrund ihrer großen personellen und finanziellen Ressourcen waren sie gleichwohl in der Lage, sich in interkontinentale Austauschprozesse einzuschalten und diese aktiv mitzugestalten.24

Mit den Fuggern und Welsern nimmt dieses Buch die beiden wichtigsten unter den oberdeutschen Akteuren in diesem Prozess der „expansiven Globalisierung“ bzw. „Proto-Globalisierung“ in den Blick.

Eine kurze Geschichte zweier Handelshäuser

Auch auf dem Höhepunkt ihres Reichtums und Ansehens machten die Fugger kein Hehl daraus, dass sie von einem Weber abstammten, der 1367 aus dem Dorf Graben nach Augsburg gekommen war. Dieser Hans Fugger war allerdings kein armer Mann: Seine erste Zahlung, die das Augsburger Steuerbuch verzeichnet, lässt auf ein gewisses Startkapital schließen, und durch zwei vorteilhafte Ehen konnte er dieses Kapital vermehren. Hans Fugger und seine zweite Frau Elisabeth, die Tochter eines Weberzunftmeisters, erwarben 1397 ein eigenes Haus, und 1408 besaß Fugger etwa 2000 Gulden Vermögen. Bis 1434 konnte seine Witwe dieses auf fast 5000 Gulden steigern.

Nach 1440 treten Hans Fuggers Söhne Andreas und Jakob in Erscheinung. Im Jahre 1448 verfügten sie bereits über das fünftgrößte Vermögen der Reichsstadt. Nach anfänglicher Zusammenarbeit trennten sich ihre Wege: Im Augsburger Steuerbuch von 1453 sind sie erstmals getrennt veranlagt. Andreas Fugger, auf den die Linie der „Fugger vom Reh“ zurückgeht, starb bereits 1457. Die von seinem Sohn Lukas geführte Gesellschaft trieb in den 70er- und 80er-Jahren des 15. Jahrhunderts erfolgreich Fernhandel zwischen Italien, Oberdeutschland und den Niederlanden; Lukas konnte sein Vermögen beträchtlich vermehren und bekleidete verschiedene städtische Ämter. Nach 1480 engagierte sich die Handelsgesellschaft der „Fugger vom Reh“ auch in Finanzgeschäften: Sie überwies Gelder an die Kurie in Rom und erhielt für einen Kredit an Erzherzog Sigismund Anweisungen auf Tiroler Silber. Ende der 1480er-Jahre übernahm Lukas Fuggers Gesellschaft Geldtransfers, die König Maximilian zur Bezahlung von Truppen in den Niederlanden benötigte. Für ein Darlehen in Höhe von 9600 Goldgulden übernahm die Stadt Löwen die Garantie. Als Löwen sich weigerte, diesen Kredit zurückzuzahlen, ging die Firma der „Fugger vom Reh“ bankrott, weil sie selbst viel Fremdkapital aufgenommen hatte und die Gläubiger nun ihre Einlagen zurückforderten.25

Wie sein Bruder Andreas begründete Jakob Fugger eine eigene Handelsgesellschaft, die nach seinem Tod im Jahre 1469 von seiner Witwe Barbara, der Tochter des ehemaligen Münzmeisters Franz Bäsinger, erfolgreich weitergeführt wurde. Nach und nach stiegen auch die Söhne des Paares ins Geschäft ein: zunächst Ulrich (1441–1510), der in der Augsburger Geschäftszentrale tätig war, dann Georg (1453–1506), der sich von Nürnberg aus um die Beziehungen nach Mittel- und Ostdeutschland kümmerte. Nachdem mehrere weitere Brüder jung verstorben waren, trat der Jüngste, Jakob (II.) Fugger (1459–1525) in die Gesellschaft ein. Die Brüder wurden Mitglieder der Augsburger Kaufleutezunft, führten seit den 1470er-Jahren ihr eigenes Wappen mit der Lilie und erlangten durch Heiraten mit angesehenen Bürgerfamilien Zutritt zur Herrentrinkstube, dem exklusiven gesellschaftlichen Treffpunkt der Augsburger Oberschicht.26

Seit Mitte der 1480er-Jahre streckten Ulrich, Georg und Jakob Fugger den Herrschern Tirols große Summen vor, die durch Silber- und Kupferlieferungen aus den reichen Tiroler Bergwerken getilgt wurden. Binnen weniger Jahre stiegen sie zu den wichtigsten Finanziers König Maximilians auf und brachten einen großen Teil der alpenländischen Montanproduktion auf den Markt. Seit 1494 bauten die Fugger zudem mit Hans Thurzo aus Krakau den „Gemeinen Ungarischen Handel“ auf, der die Ausbeutung der Bergwerke von Neusohl (Banská Bystrica) in der heutigen Slowakei sowie Verhüttung und Vertrieb des Neusohler Kupfers organisierte. Dafür errichteten die Fugger spezielle Schmelzwerke (sog. Saigerhütten) in Thüringen und Kärnten und gründeten Niederlassungen in Ofen (Budapest), Leipzig, Breslau, Krakau und Danzig.27

Jakob Fugger der Reiche, aus Fuggerorum et Fuggerarum Imagines … (1618)

Kupferhandel und Kredite an das Haus Habsburg bildeten fortan die beiden zentralen Säulen des Unternehmens. Außerdem waren die Fugger zeitweilig stark in Finanzgeschäften mit der römischen Kurie engagiert: Seit 1495 übermittelten sie Servitien – Abgaben, die bei der päpstlichen Bestätigung eines neu gewählten Bischofs oder Abts anfielen – und Annaten – regelmäßige Abgaben von kirchlichen Ämtern und Pfründen – sowie Kreuzzugssteuern und Ablassgelder aus mittel- und nordeuropäischen Bistümern nach Rom. Nach 1500 gewährten die Fugger den Päpsten auch Kredite, finanzierten Gesandtschaften und unterstützten die Anwerbung Schweizer Söldner (hier liegen die Ursprünge der heutigen Schweizergarde im Vatikan). Sie pachteten zeitweilig die päpstliche Münze und übernahmen den Transfer von Ablassgeldern, der vor allem während des Pontifikats Leos X. (1513–1521) große Ausmaße erreichte. Hinzu kamen Lieferungen von kostbaren Stoffen, Edelsteinen und Luxuswaren an ihre fürstlichen Kunden. Wichtige Faktoren für den Erfolg der Fugger waren, neben den überragenden unternehmerischen Fähigkeiten und dem strategischen Weitblick Jakob Fuggers, ein kompetenter und loyaler Stab von Mitarbeitern in den Faktoreien der Handelsgesellschaft, deren Netz sich über große Teile Europas erstreckte, und der Zugang zu Kapital, das von Mitgliedern der Augsburger Oberschicht und geistlichen Würdenträgern wie dem Brixener Fürstbischof Melchior von Meckau kam.28

Als Maximilian I. 1518 starb, war er der Fuggerfirma rund 350.000 Gulden schuldig. Vor diesem Hintergrund stand außer Frage, dass Jakob Fugger bei der anstehenden Wahl eines Nachfolgers Maximilians Enkel Karl, der bereits Herzog von Burgund und König von Spanien war, unterstützen würde. Karls einstimmige Wahl durch die Kurfürsten im Juni 1519 wurde durch Wahlgelder in Höhe von mehr als 850.000 Gulden ermöglicht, von denen Jakob Fugger mit 543.585 Gulden rund zwei Drittel aufbrachte. Anschließende Vereinbarungen mit Karl V. und seinem Bruder Ferdinand sicherten den Fuggern weiterhin den Zugriff auf Tiroler Silber und Kupfer und ermöglichten ihnen überdies den Einstieg ins Spaniengeschäft. Auch intern stellte Jakob Fugger entscheidende Weichen für die weitere Entwicklung des Unternehmens: Gesellschaftsverträge, die 1502 und 1512 geschlossen wurden, schlossen Frauen und Geistliche aus dem Handel aus, und der kinderlose Firmenleiter machte seine Neffen zu Teilhabern, ohne ihnen allerdings ein Mitspracherecht einzuräumen.29

Anton Fugger, Porträt von Hans Maler von Schwaz (um 1525)

Nach Jakob Fuggers Tod im Jahre 1525 wurde sein Neffe Anton (1493–1560) sein Nachfolger. Eine zwei Jahre später erstellte Firmenbilanz wies Aktiva in Höhe von rund drei Millionen Gulden aus, denen 870.000 Gulden Passiva gegenüberstanden. Nach dem Ableben seines Bruders Raymund (1535) und der Auslösung seines Vetters Hieronymus nahm Anton Fugger 1538 vier Söhne Raymunds als Teilhaber auf, behielt sich aber nach dem Vorbild seines Onkels die alleinige Entscheidungskompetenz vor. Während die Faktorei in Rom nach dem Sacco di Roma – der Plünderung der Ewigen Stadt durch kaiserliche Truppen 1527 – aufgegeben wurde, wurden die Beziehungen zum spanischen König und deutschen Kaiser Karl V. durch zahlreiche weitere Kreditvereinbarungen systematisch gepflegt. Dafür sicherten sich die Fugger Ansprüche auf Einkünfte des Herrschers in Kastilien. Auch Erzherzog Ferdinand, dessen Wahl zum römischen König 1530 das Augsburger Handelshaus ebenfalls finanzierte, gehörte mit Verbindlichkeiten von rund einer Million Gulden im Jahre 1533 zu den größten Schuldnern der Fugger. Diese Schulden wurden weiterhin durch Lieferungen Tiroler Silbers und Kupfers, daneben durch Einkünfte Ferdinands aus dem Königreich Neapel bedient. Anton Fugger war aber nicht ausschließlich Finanzier der Habsburger, sondern vergab auch Darlehen an die Könige von Portugal, Dänemark und England sowie an den Großherzog der Toskana. Eine wichtige Zäsur stellte seine 1546 getroffene Entscheidung dar, den ungarischen Handel angesichts rückläufiger Erträge und steigender Risiken aufzugeben. Um diese Zeit überlegte Anton Fugger sogar, die Handelsgesellschaft, die damals mit Aktiva von über sieben Millionen Gulden und Passiva von rund zwei Millionen Gulden ihren Zenit erreicht hatte, komplett zu liquidieren. Aufgrund des starken Engagements in Tirol, Spanien und den Niederlanden ließen sich diese Pläne jedoch nicht realisieren.30

Nach Anton Fuggers Tod 1560 trat dessen Neffe Hans Jakob (1516–1575) ein schwieriges Erbe an: Riskante Finanzgeschäfte in Antwerpen hatten das Handelshaus 1557 in eine Krise gestürzt. Die Schulden der spanischen Krone beliefen sich 1563 auf drei Millionen Dukaten. Das Handelshaus war mittlerweile stark auf Fremdkapital angewiesen, und das Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital stellte sich ungünstig dar. Zudem konnte Hans Jakob Fugger seine hohen privaten Schulden nicht mehr bezahlen; er verließ Augsburg, begab sich nach München, wo er zu einem der engsten Berater Herzog Albrechts V. aufstieg, und schied 1564 aus der Handelsgesellschaft aus. In der Folgezeit wurde die Eigenkapitalbasis durch weitere Auszahlungen geschmälert. Christoph Fugger kehrte der Firma 1572 den Rücken, und 1578 verließen auch die Erben Georg Fuggers, der bis zu seinem Tod 1569 neben Marx Fugger die Geschäfte geführt hatte, die Gesellschaft, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Am „Gemeinen Handel“ der Fugger waren danach nur noch Anton Fuggers Söhne Marx, Hans und Jakob beteiligt, wobei Marx als „Regierer“ fungierte und sein Bruder Hans ihn bei der Führung der Geschäfte unterstützte.31

Trotz dieses Aderlasses gelang es Marx Fugger, der bis Mitte der 1590er-Jahre die Geschicke des Unternehmens lenkte, durch Restrukturierung, Kostensenkung und Konsolidierung das Stammkapital zu erhöhen und die Abhängigkeit von Fremdmitteln zu verringern. Zahlreiche Niederlassungen – darunter einst wichtige Faktoreien wie Venedig – wurden aufgegeben. Stattdessen ließen die Fugger ihre Interessen an diesen Plätzen von Kommissionären wahrnehmen, die auf Provisionsbasis arbeiteten. Eigene Niederlassungen hatte das Handelshaus um 1575 lediglich noch in Madrid, Almagro, Antwerpen, Nürnberg und am Kaiserhof in Wien bzw. Prag; infolge des Krieges in den Niederlanden wurde 1576 die Antwerpener Faktorei nach Köln verlagert. Wichtigstes Standbein der Gesellschaft unter der Leitung Marx Fuggers wurde die Maestrazgopacht (s. Kapitel 5) mit dem Quecksilberbergwerk von Almadén. Die dort erwirtschafteten Gewinne versetzten die Fugger in die Lage, den spanischen und österreichischen Habsburgern weiterhin große Darlehen zu gewähren.32

Marx Fugger, Kupferstich von Dominicus Custos, aus: Iconem Deces (1592)

Obwohl die Fugger in der europäischen Geschäftswelt noch immer einen guten Namen hatten, wurde die Lage ihres Handelshauses seit der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zunehmend problematischer. Nach Marx Fuggers Tod 1597 machten seine Söhne seinem Bruder und Nachfolger Hans die Firmenleitung streitig. Im Laufe der Zeit schieden mehr und mehr Teilhaber aus und zogen ihr Kapital ab. Nach 1600 hatte keiner der Teilhaber mehr eine kaufmännische Ausbildung genossen, und wichtige Aufgaben wurden Angestellten übertragen. Die Geschäfte in Spanien gestalteten sich angesichts rückläufiger Edelmetallimporte aus Amerika, einer tiefen Wirtschaftskrise und der desolaten Finanzlage des Staates immer schwieriger. 1645 gaben die Fugger den spanischen Handel endgültig auf. Der Niedergang der Tiroler und Kärntner Montanunternehmungen, der sich bereits im späten 16. Jahrhundert abzeichnete, wurde durch den Dreißigjährigen Krieg weiter beschleunigt, und bis 1657 wurden auch diese Unternehmensteile aufgegeben.33

Von anderer Herkunft waren die 1246 erstmals in Augsburg belegten Welser. Sie gehörten zu den „alten Geschlechtern“, das heißt sie waren eine der ältesten Augsburger Patrizierfamilien. Als Fernhändler treten sie allerdings erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts in Erscheinung: Bartholomäus (III.) Welser (gest. 1446) arbeitete zunächst für die Handelsgesellschaft seines Stiefbruders Lorenz Egen, machte sich aber um 1414 gemeinsam mit seinem Schwager Hans Prun als Kaufmann selbstständig. Die Welser-Prun-Gesellschaft, die Bartholomäus Welser nach dem Tod seines Schwagers 1424/25 allein weiterführte, importierte Baumwolle aus Venedig und vertrieb Augsburger Barchenttuche auf den Frankfurter Messen. In den 1460er-Jahren führten die Brüder Bartholomäus (IV.), Ulrich, Jakob und Lukas Welser eine Familienhandelsgesellschaft, in der Bartholomäus die Geschäfte von Augsburg aus lenkte, Jakob die Beziehungen nach Köln und in die Niederlande pflegte und Lukas für Italien zuständig war. In den 1470er-Jahren investierte die Welser-Gesellschaft auch in den sächsischen Bergbau und intensivierte ihre Kontakte nach Ostmitteleuropa. Die Heirat von Lukas Welsers Sohn Anton (I., 1451–1518) mit einer Tochter des Memminger Großkaufmanns Hans Vöhlin im Jahre 1479 bildete die Grundlage einer engen Zusammenarbeit beider Firmen: Anton Welser siedelte nach Memmingen über und übernahm die Rolle eines „Juniorchefs“ in der Handelsgesellschaft seines Schwiegervaters. Die enge Kooperation zwischen den Augsburger Welser und den Memminger Vöhlin, die durch die Heirat zwischen Hans Vöhlins Sohn Konrad und Anton Welsers Schwester Barbara 1487 sowie durch die Rekrutierung von Teilhabern und Angestellten aus dem Kreis der Welser und ihrer Verwandten gefestigt wurde, mündete nach Hans Vöhlins Tod im Herbst 1496 in die Gründung der Handelsgesellschaft „Anton Welser, Konrad und Mitverwandte“, die damit als Nachfolgerin der Memminger Vöhlin-Gesellschaft anzusehen ist.34

Noch im Gründungsjahr dieser Gesellschaft zog Anton Welser wieder in seine Geburtsstadt Augsburg und schloss 1498 einen Steuervertrag mit dem Rat der Stadt, während er sein Memminger Bürgerrecht behielt.35 Damit verlagerte sich auch der Schwerpunkt der Firma nach Augsburg, das um diese Zeit die anderen schwäbischen Reichsstädte als Handels- und Gewerbezentrum zunehmend überflügelte.36 Die „alte“ Augsburger Welser-Gesellschaft dürfte bereits nach dem Tod von Anton Welsers Vater Lukas liquidiert worden sein.37

Nach Aufzeichnungen aus dem Jahre 1508 war die Welser-Vöhlin-Gesellschaft ein Zusammenschluss einer größeren Zahl von Familien, die untereinander verwandt bzw. verschwägert waren. Die damals 18 stimmberechtigten Teilhaber kamen aus den Familien Welser, Vöhlin, Lauginger, Pfister, Haintzel, Reihing, Imhoff, Honold, Seitz und Rem.38 Anton Welser und Konrad Vöhlin waren nicht nur die namensgebenden Gesellschafter, sondern leiteten auch die Geschäftszentralen in Augsburg und Memmingen. Spätestens nach dem Tod Konrad Vöhlins 1511 verlor Memmingen allerdings seine Funktion als zweite Zentrale und sank auf den Status einer Faktorei herab, die der Augsburger Zentrale untergeordnet war. Faktoreien – deren Leiter (Faktoren) eine feste Besoldung erhielten und gegenüber der Firmenzentrale rechenschaftspflichtig waren – als dauerhafte Niederlassungen an einem Ort waren die wichtigsten Organisationseinheiten süddeutscher Handelsgesellschaften im 16. Jahrhundert. An Orten, an denen sie keine Faktoreien unterhielten, nahmen die Handelshäuser die Dienste von Kommissionären in Anspruch, die häufig selbstständige Kaufleute waren und Geschäfte für verschiedene Auftraggeber erledigten.39

Um 1500 sind für die Welser-Gesellschaft 17 Faktoreistandorte nachweisbar, von denen zehn im süddeutsch-schweizerischen Raum lagen. Diese räumliche Konzentration weist auf das starke Engagement der Firma im Handel mit Textilien hin: So bestanden Faktoreien in schwäbischen Textilzentren wie Ulm, Kempten, Biberach und Ravensburg. Ulm war zugleich ein wichtiger Umschlagplatz im Handel zwischen Oberdeutschland und Italien; über Lindau und St. Gallen führten die Handelswege in die Wirtschaftszentren Mailand und Lyon. Darüber hinaus hatte die Gesellschaft eigene Vertretungen in Venedig, Köln, Antwerpen und Wien.40

In den folgenden eineinhalb Jahrzehnten vollzog sich eine Expansion des Handelsnetzes der Welser-Gesellschaft: Neue Faktoreien entstanden in Leipzig, Brünn, Como, Genua, Rom, Saragossa, Lissabon und auf Madeira. Langfristig bedeutsam war vor allem die Etablierung auf der Iberischen Halbinsel: Nach der Gründung einer Niederlassung in Lissabon 1503 schalteten sich die Welser-Vöhlin in den Asienhandel ein und beteiligten sich 1505 und 1506 an Indienfahrten. Saragossa war ein Zentrum des Safran- und Pastellhandels und Como ein wichtiger Standort der Textilproduktion. Wie im Fall der Fugger diente die Faktorei der Welser in Rom in erster Linie Geldgeschäften mit der Kurie. Festzuhalten ist jedoch, dass sich die Geschäftsfelder der Fugger und Welser im frühen 16. Jahrhundert deutlich unterschieden: Während Erstere sich auf Kupfer- und Silberhandel sowie Finanzgeschäfte konzentrierten, handelten Letztere mit einem breiten Sortiment an Gütern wie Textilien, Farbstoffen, Gewürzen, aber auch Metallen, Leder und Zucker.41

Bartholomäus (V.) Welser, Kupferstich von Georg Christoph Eimmart, spätes 17. Jahrhundert

Die Ende 1517 vorgenommene Generalrechnung sowie der Tod des Firmenleiters Anton Welser im folgenden Jahr leiteten eine Umstrukturierung ein: Mehrere Teilhaber, darunter Anton Welsers Bruder Jakob, schieden aus der Gesellschaft aus, an deren Spitze Bartholomäus Welser (V., 1484–1561) trat. Damit näherte sich die Organisationsstruktur der Welserfirma derjenigen der Fugger an: Sie umfasste nun einen deutlich kleineren Teilhaberkreis – zu dem Bartholomäus Welsers Bruder Anton (II.) und Hans Vöhlin gehörten – und wurde von einem starken „Regierer“ gelenkt. Das Ausscheiden von Teilhabern wurde, wie im Fall der Fugger, durch die Aufnahme von festverzinslichem Depositenkapital, vor allem seitens Verwandter und Familien der städtischen Oberschicht, ausgeglichen. Jakob Welser gründete in Nürnberg ein eigenes, zeitweilig sehr erfolgreiches Handelshaus, das eine wichtige Rolle im mitteldeutschen Saigerhandel spielte und nach seinem Tod 1541 von seinen Söhnen weitergeführt wurde.42 Im Jahre 1535 engagierte sich Jakob Welser sogar in einem Amerikaunternehmen: Gemeinsam mit dem Augsburger Kaufmann Sebastian Neidhart rüstete er ein Schiff der Flotte Pedro de Mendozas aus, die zur Eroberung des Gebiets um den Rio de la Plata im heutigen Argentinien aufbrach.43