Aura - JJ Platz - E-Book

Aura E-Book

JJ. Platz

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Beschreibung

Als sechs Freunde während eines Schulausflugs ein verlassenes Haus im Wald entdecken, ahnen sie nicht, dass ihr größtes Abenteuer gerade erst begonnen hat. Mysteriöse Lichter, ein verwandelter Hund und eine gefangene Meerjungfrau sind nur der Anfang. Doch was hat es mit der geheimnisvollen Aura auf sich, die einige von ihnen umgibt? Eine Geschichte über Freundschaft, erste Liebe und verborgene Kräfte - von Jugendlichen für Jugendliche. Wage dich in die Dunkelheit. Entdecke das Licht. Altersempfehlung: ab 11 Jahren

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Seitenzahl: 360

Veröffentlichungsjahr: 2024

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und den Co-und den Co-Autoren

Anuuk, Azita Amoi Taleghani, Ben, Benjamin, Clara Borchers, Isabell Burghardt, Janosch, Leevi B., E. Deck, J.H., Joaquin d. P., Johanna, Lena Brennfleck, Leonie G., Liam K., Lina EBERHARD, Lotta, Lukas L., Malte K., Mika M., Saide Palanci, Sophia BOPP, Tamara Simon, Tuana Günes, Malik Sasal, Malte König, Yesse H., Aglaya, Mei Li Lim, Paul Knebel, Samuel G., V. K.

Inhaltsverzeichnis

I. Kristallpfad

II. Felsenfeste Zuflucht

III. Das alte Haus

IV. Flüsternde Schatten

V. Lichtgestalten

VI. Brücke ins Ungewisse

VII. Der Schlüsselbund

VIII. Licht und Schatten

IX. Wieder vereint

X. Drachengeburt

XI. Zauberbunnen

XII. Hindernisse

XIII. Die Dunkle Höhle

XIV. Schwindende Hoffnung

XV. Die Falle

XVI. Rettungsversuch

XVII. Libellenflügel

XVIII. Der magische Zeitmesser

IXX. Feuer und Wasser

XX. Der letzte Kampf

XXI. Der letzte Abend

XXII. Unter dem Regenbogen

I. Kristallpfad

Ich sprang in den Bus, das Herz klopfend vor Vorfreude. Pünktlich um acht Uhr an einem Montagmorgen – wer hätte gedacht, dass eine Klassenfahrt mich so elektrisieren würde? Der enge Bus summte vor Leben. Überall um mich herum lachten und redeten meine Mitschüler durcheinander. Ich schob meine Tasche unter den Sitz und bemerkte, wie meine Hände leicht zitterten. Ich konnte kaum still sitzen.

"Hey, Alex! Danke, dass du mir den Platz freigehalten hast", rief Ben atemlos und ließ sich neben mich fallen. Seine Brille saß schief auf der Nase. "Ich bin so aufgedreht, ich könnte platzen!"

"Das wird großartig", erwiderte ich mit einem breiten Grinsen. "Endlich geht's los!"

Ben strahlte, und ich wusste, er fühlte genauso wie ich.

Herr Weber ließ seinen Blick aufmerksam über die Namensliste wandern, während um uns herum Lachen und aufgeregte Stimmen den Bus erfüllten. Als er dem Fahrer ein knappes Nicken gab, dröhnte der Motor auf und ließ den Boden leicht vibrieren.

"Boah, mein Rucksack fühlt sich an, als hätte ich Ziegelsteine eingepackt", ächzte Ben. Mit leuchtenden Augen zog er eine glänzende Drohne aus seinem Gepäck. "Schau mal, meine neueste Errungenschaft! Die macht Aufnahmen, da fühlen wir uns wie Filmstars!"

"Man muss nicht immer das Allerneueste haben", entgegnete ich grinsend und fuhr mit den Fingern über meine vertraute Spiegelreflexkamera, die sicher auf meinem Schoß lag.

Ben wühlte weiter in seinem Rucksack und zog eine knisternde Tüte Chips hervor. Das Rascheln erregte Felix' Aufmerksamkeit, der neben uns saß und in sein Buch über Klettertouren vertieft war. Mit einem schnellen Griff schnappte er sich ein paar Chips.

"Mmh, die sind echt lecker", meinte er kauend und leckte sich die salzigen Krümel von den Lippen. "Kann ich noch welche haben?"

Ben schüttelte lachend den Kopf und hielt ihm die Tüte hin. "Na klar, aber bitte nicht alles auf einmal abgieren!"

Sophies Playlist pumpte durch die Lautsprecher und ließ den Bus im Rhythmus beben. Die Musik durchdrang jeden Winkel, brachte die Sitze zum Vibrieren und verwandelte das Fahrzeug in einen fahrenden Tanzboden.

Maya und Zoe bewegten sich im Takt, ihre Augen funkelten, als wären sie auf einem echten Konzert. Sie fassten sich an den Händen und lachten, völlig vertieft in die Musik.

Ich beobachtete, wie Herr Weber die Stirn runzelte und zu den Jungs im hinteren Teil des Busses hinübersah. Sein durchdringender Blick schien an ihnen abzuprallen. Sie steckten die Köpfe zusammen, tauschten verschwörerische Blicke und mussten ein Kichern unterdrücken.

Gegenüber breitete Tim mit konzentrierter Miene seine Spielkarten auf dem Klapptisch aus. Seine Finger huschten geschickt über die bunten Karten, als würde er sich auf ein entscheidendes Pokerduell in einer staubigen Westernkneipe vorbereiten.

Mit der Stirn an der kühlen Fensterscheibe ließ ich meinen Blick über die vorbeiziehende Landschaft gleiten. Ein Mosaik aus satten Grüntönen und goldenen Feldern entfaltete sich vor mir, durchsetzt von verstreuten Dörfern, deren Dächer in der Sonne funkelten.

Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Maya immer wieder verstohlene Blicke zu mir warf. Ein warmes Kribbeln durchlief mich. "Könnte sie …?" Der Gedanke ließ meinen Puls schneller schlagen. Sollte ich die Initiative ergreifen oder abwarten? Unwillkürlich musste ich lächeln, als ich mir vorstellte, was diese Woche noch alles bringen könnte.

"Hey, schaut mal!", rief Zoe und zeigte aus dem Fenster.

Ich lehnte mich vor und folgte ihrem Finger. Am Horizont erhob sich eine gewaltige Staubwolke, die immer größer wurde. Sie wirbelte und verformte sich, als würde sie eine Gestalt annehmen.

"Ein Drache …", flüsterte Zoe mit leuchtenden Augen. "Die Wolke sieht aus wie ein Drache!"

Mein Puls beschleunigte sich. Tatsächlich sah es so aus, als entfalte die Wolke mächtige Flügel.

Neben mir lachte Ben unsicher. "Vielleicht ist es ja wirklich Magie."

Bella schob ihre Sonnenbrille ins Haar und schüttelte den Kopf. "Ach, kommt schon. Das ist bestimmt nur ein Traktor oder eine Erntemaschine."

Doch als unser Bus die Stelle passierte, war nichts mehr zu sehen. Kein Staub, keine Maschine. Nur ein einzelner Hund jagte über das Feld.

Felix lehnte sich erneut zu uns herüber, die Hand tief in der raschelnden Chipstüte, ein schelmisches Grinsen auf den Lippen. "In der Schlucht könnte uns alles Mögliche begegnen", sagte er mit funkelnden Augen. "Stellt euch vor, wir treffen tatsächlich auf Fabelwesen!"

Felix' Worte ließen lebhafte Bilder in meinem Kopf entstehen. Welche Geheimnisse würde die Schlucht für uns bereithalten? Vielleicht würden wir Dinge entdecken, die unsere kühnsten Träume übertrafen. Die Geschichten meiner Großmutter kamen mir in den Sinn - von verborgenen Welten und magischen Wesen. Vielleicht war doch mehr an den alten Legenden dran, als wir dachten?

Mein Blick wanderte zu Maya. In meiner Fantasie befreite ich sie aus den Fängen eines finsteren Zauberers, und sie schenkte mir dafür ihr warmes Lächeln. Als sich unsere Blicke trafen, wurde mir plötzlich heiß und ich blickte verlegen auf meine Schuhe.

Es war wohl nicht nur der Gedanke an das bevorstehende Abenteuer, der mein Herz schneller schlagen ließ.

Zoe stieß plötzlich einen überraschten Laut aus und deutete aufgeregt zum Fenster. Neugierig folgte ich ihrem Fingerzeig und traute meinen Augen kaum. Auf jedem Strommast entlang der Autobahn saßen Störche und reckten ihre langen Hälse majestätisch in den Himmel. Ihr gedämpftes Schnabelklappern drang durch die Fensterscheiben zu uns herüber.

Ein leises Kichern hinter mir ließ mich den Kopf drehen. Maya beugte sich zu Zoe und flüsterte verschwörerisch: "Die Störche bringen uns zwar keine Babys, aber mein Herz macht gerade solche Luftsprünge, dass es zu ihnen hochfliegen könnte."

Wieder trafen sich unsere Blicke und alles um uns herum schien zu verschwinden. Diesmal hielt ich ihrem Blick stand. Was sie wohl dachte? Ein warmes Kribbeln durchlief mich, und ich spürte, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Hastig wandte ich mich wieder dem Fenster zu, doch die vorbeiziehenden Felder und Wiesen verschwammen zu einem grünen Wirbel.

"Komm schon, Alex", flüsterte ich mir zu und kratzte nervös am Saum meiner Jacke. "Du hast beim Zocken schon die übelsten Drachen erledigt, da wirst du doch wohl mit einem Mädchen reden können, ohne gleich rot zu werden." Trotzdem fühlte es sich an, als stünde ich vor dem Endgegner meines Lebens.

Der Bus verließ ruckelnd die Autobahn und bog auf eine schmale Landstraße ab. Dichte Bäume warfen Schatten auf uns, während wir tiefer in den Wald fuhren. Wenig später hielten wir auf einem kleinen Parkplatz an, der von hohen Eichen und Kiefern umgeben war. Mit einem leisen Zischen öffneten sich die Türen, und ein Schwall frischer Waldluft strömte herein, erfüllt von dem Duft nach feuchtem Moos und Harz.

Kaum hatte ich den Bus verlassen, spürte ich den federnden Waldboden unter meinen Füßen. Die kühle Luft strich über meine Wangen. Es kribbelte in meinen Beinen, als müssten sie jeden Moment loslaufen. Ich atmete tief ein. "Ganz ruhig", ermahnte ich mich. "Du bist nicht mehr der kleine Junge, der beim Zelten mit Papa immer vorausgerannt ist." Doch ein Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. Die Vorfreude auf unser Abenteuer ließ mein Herz schneller schlagen. Ich schaute mich nach Maya um.

Herr Weber winkte uns heran. Wir drängten uns um eine moosbewachsene Infotafel zwischen den hohen Bäumen. Mit dem Finger fuhr er die verschlungenen Wege auf der wettergegerbten Karte nach und erklärte unsere Route. Ich folgte seinem Zeigefinger aufmerksam und prägte mir jeden Abzweig ein.

"Hinter der Schlucht liegt ein See mit einem Wasserfall", sagte er und tippte auf einen blauen Fleck. "Von dort sind es nur noch ein paar Kilometer bis zu unserer Hütte tief in der Wildnis."

Er griff in seine Jackentasche und zog einen verrosteten Schlüssel hervor, der matt im Licht schimmerte. "Denkt daran, dort draußen sind wir auf uns allein gestellt", meinte er mit ernstem Blick. "Ich hoffe, ihr habt genug Proviant dabei."

Neben mir zog Ben sein Handy hervor. "Ich mach besser ein Foto von der Karte, man weiß ja nie", sagte er und richtete die Kamera auf die Tafel.

Lisa lehnte sich vor, die Stirn in Falten gelegt. "Moment mal, wie weit ist die Strecke jetzt genau?"

Ein Lächeln huschte über Herrn Webers Gesicht. "Zwanzig Kilometer insgesamt, Lisa. Aber keine Sorge, wir haben ausreichend Zeit. Wenn wir uns nicht verlaufen, sind wir vor Einbruch der Dunkelheit an der Hütte.

Zwanzig Kilometer durch die Wildnis … Ich packte meinen Rucksack fester. Es klang nach einer großen Herausforderung, aber ich fühlte mich bereit.

Während die Mädchen nach und nach hinter den Büschen verschwanden, verlagerte ich unruhig mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. Meine Finger trommelten einen unruhigen Rhythmus auf meine Jeans. Die Minuten zogen sich wie Kaugummi, bis sie endlich zurückkehrten. Herr Weber ließ seinen Blick über uns schweifen und nickte dann. Mit einem letzten prüfenden Blick gab er das Zeichen zum Aufbruch.

Wir stürzten den Hang hinab, und unsere Rufe erfüllten den sommerlichen Wald. Ich setzte mich an die Spitze, spürte das Adrenalin in meinen Adern pumpen. Geschickt sprang ich über knorrige Wurzeln, duckte mich unter tief hängenden Ästen hindurch. Meine Augen huschten aufmerksam über den Waldboden, bereit für jede Überraschung, die der Pfad bereithielt.

'Hoffentlich übernehmen wir uns diesmal nicht', schoss es mir durch den Kopf. Die Erinnerung an unser letztes Abenteuer ließ mich kurz innehalten, doch die begeisterten Rufe meiner Freunde trieben mich weiter voran.

Unvermittelt blieb Herr Weber stehen und wies auf etwas am Wegesrand. Mein Blick folgte seiner Geste zu einem verwitterten Holzschild, überwuchert von Moos und Flechten. Ein matter Schimmer brach durch das Grün – die verschwommenen Umrisse eines Kristalls.

"Das soll uns den Weg weisen?", fragte ich skeptisch und ließ meinen Blick über den schmalen Streifen zertrampelten Grases wandern, der zwischen stacheligen Brombeersträuchern und wuchernden Farnen verschwand.

Bella verzog das Gesicht und verschränkte die Arme. "Da sollen wir durch? Das ist ja der reinste Dschungel!"

Herr Weber grinste verschmitzt. "Genau da lang", bestätigte er und zwinkerte uns zu. "Zeit, eure Entdeckerinstinkte zu wecken und die Wildnis zu erkunden."

Das klang nach mehr Abenteuer, als ich erwartet hatte. Vorsichtig tastete ich mit der Schuhspitze nach festem Boden zwischen den hohen Gräsern und wagte mich als Erster auf den überwucherten, sumpfigen Pfad.

Mein Fuß glitt auf dem schlammigen Pfad zur Seite, und ich packte einen tief hängenden Ast, um nicht zu stürzen. Gleichzeitig griff Ben nach demselben Zweig; unsere Finger streiften sich kurz, bevor wir uns wieder fingen.

Vor uns balancierten Maya und Zoe über rutschige Steine, jeder Schritt mit Bedacht gesetzt. Felix hingegen hielt inne, seine Knie zitterten leicht.

"Alles okay bei dir?", fragte ich mit einem Grinsen.

"Klar doch", antwortete Felix, aber seine Stimme klang eine Spur zu hoch.

Wir kämpften uns durch das dichte Unterholz, Zweige kratzten an unseren Armen, Blätter streiften unsere Gesichter. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie Maya immer wieder zu mir herüberschaute. Als sich unsere Blicke trafen, senkte sie rasch den Kopf, und ich meinte, ein zartes Rot auf ihren Wangen zu erkennen.

Meine Gedanken schweiften zurück zu unserem Gespräch gestern. Ich hatte ihr erzählt, wie sehr ich mich auf die Klassenfahrt freute. Seitdem ging mir ihr Lächeln nicht mehr aus dem Kopf. Fragte sie sich vielleicht auch, ob da mehr zwischen uns sein könnte?

Vorsichtig balancierte ich über eine dicke Wurzel, die sich quer über den Pfad streckte und wie eine natürliche Barriere wirkte. Herr Weber, der am Ende der Gruppe ging, räusperte sich hinter mir. "Jeder Schritt zählt hier, Alex. Wir können uns keine Verletzten leisten."

"Alles klar, Chef", erwiderte ich und salutierte locker in seine Richtung. Meine Augen suchten aufmerksam den unebenen Waldboden ab, während wir behutsam vorankamen.

Der dichte Wald lichtete sich plötzlich, Sonnenstrahlen fielen durch das Blätterdach, und vor uns spannte sich eine wackelige Hängebrücke über eine tiefe Schlucht. Tim, Sophie und Leon stürmten sofort los, hüpften ausgelassen auf den Holzbrettern und brachten die Brücke zum Schaukeln. Ich wollte ihnen gerade folgen, spürte schon das schwankende Holz unter meinen Füßen, als Herr Webers Stimme die Luft durchschnitt.

"Sofort aufhören!", rief er, und wir zuckten zusammen. "Einzeln und vorsichtig, wie es auf dem Schild steht. Oder könnt ihr nicht lesen?"

Mit einem Seufzen trat ich zurück. "Typisch", dachte ich und presste die Lippen aufeinander. "Kaum wird's spannend, zieht er uns den Stecker."

"Jawohl, Herr Weber!", erwiderte ich mit gespieltem Eifer und salutierte lässig. Ich lehnte mich an einen Baumstamm und beobachtete, wie sich der Stau auf der Brücke langsam auflöste. Um die Zeit zu überbrücken, zog ich meine Kamera hervor und richtete das Objektiv auf den beeindruckenden Abgrund vor mir.

Am anderen Ende der Brücke kletterten Tim und Leon zum Ufer des plätschernden Bachs hinunter. Mit schelmischem Grinsen schöpften sie Wasser und bespritzten jeden, der die Brücke überquerte. Zoe setzte gerade ihren Fuß auf die Holzplanken, als sie ein kalter Schwall ins Gesicht traf. Verärgert wischte sie sich die Wange ab. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen und hob meine Kamera, um diesen Moment festzuhalten.

Durch das Teleobjektiv nahm ich die Szene jenseits der Brücke ins Visier. Dort teilte sich der Pfad. Ein Schild mit einem Kristallsymbol zeigte geradeaus, doch mein Blick folgte einem schmalen Weg, der daneben zwischen den Bäumen verschwand.

Ich beobachtete, wie Herr Weber vorne in der Gruppe neben dem Wegweiser stand und die zerknitterte Wanderkarte auseinanderfaltete. Ein leiser Seufzer entwich mir. Wie gern würde ich ohne seine ständige Aufsicht den schmalen Pfad erkunden—am liebsten mit Maya an meiner Seite.

"Hey, Herr Weber!", rief ich und versuchte, meine Ungeduld hinter einem freundlichen Lächeln zu verbergen. "Welche Route nehmen wir denn nun?"

Er strich über die Karte, seine Stirn von Sorgenfalten durchzogen, während er den Linien mit dem Finger folgte. Beide Wege führten zum See, doch er wirkte unschlüssig. Sein Blick wanderte zwischen den Pfaden hin und her, als würde er nach einem versteckten Hinweis suchen.

"Vielleicht könnten wir den Waldweg nehmen?", schlug ich vor und hoffte, dass es beiläufig klang. "Er sieht doch interessant aus, und wir sind ja nicht mehr in der Grundschule. Außerdem haben wir unsere Handys dabei."

Herr Weber sah auf, seine Augen musterten mich prüfend. Einen Moment lang trafen sich unsere Blicke, dann wanderte sein Blick über die restliche Gruppe. Zu meiner Überraschung nickte er schließlich langsam.

"Also gut", sagte er zögernd. "Du und ein paar andere könnt den schmalen Waldweg nehmen. Aber passt auf euch auf und bleibt zusammen. Meldet euch sofort, wenn irgendetwas sein sollte! Wir treffen uns am See."

Ein Gefühl von Aufregung durchströmte mich. Das war meine Chance! Ich drehte mich zu den anderen um und suchte nach Maya. Vielleicht würde sie ja mitkommen, und wir könnten gemeinsam ein kleines Abenteuer erleben—weit weg von Herrn Webers wachenden Augen.

Ein breites Grinsen huschte über mein Gesicht, als ich meinen Freunden in die Augen sah. Die Aufregung kribbelte in meinen Fingern. 'Das wird unser Abenteuer', dachte ich. 'Wer weiß, was wir dort drin entdecken …'

Felix legte sanft eine Hand auf meinen Arm. "Ähm, Alex", flüsterte er mit besorgter Stimme, "bist du dir wirklich sicher? Der Pfad verliert sich im dichten Gestrüpp." Er räusperte sich und wich meinem Blick aus. "Und, na ja, deine Orientierung ist nicht gerade die beste …"

Ich spürte, wie ich die Zähne zusammenbiss, und zwang mich zur Ruhe. 'Bleib cool', sagte ich mir selbst.

Felix kaute nervös an seinem Daumennagel, seine Augen wanderten unsicher umher. "Weißt du noch letztes Jahr? Als wir stundenlang durch die Wildnis geirrt sind?"

"Das war eine Ausnahme", entgegnete ich und versuchte, bestimmt zu klingen.

"Ach ja?", fragte Felix und zog skeptisch eine Augenbraue hoch.

Ich holte tief Luft und spürte, wie sich meine Anspannung löste. "Mann, wo ist dein Abenteurergeist geblieben? Vertrau mir einfach, du Angsthase!"

Ich drehte mich zu Maya um, die uns mit verschränkten Armen beobachtete. "Was meinst du? Sollen wir es wagen oder den sicheren, langweiligen Weg nehmen?"

Maya blickte zwischen Felix und mir hin und her, ein nachdenklicher Ausdruck auf ihrem Gesicht. "Also, Felix hat nicht ganz unrecht. Vielleicht sollten wir doch bei Herrn Weber bleiben."

Ben verzog das Gesicht, als hätte er an einer bitteren Pille gekaut, während Zoe leise seufzte. Nur Bella hüpfte vor Aufregung leicht auf und ab. "Kommt schon, gebt Alex eine Chance!", rief sie mit leuchtenden Augen. "Das wird bestimmt ein Abenteuer!"

Ich schenkte Bella ein dankbares Lächeln. Ihre Begeisterung war ansteckend, und ich spürte, wie mein Mut zurückkehrte. 'Zum Glück steht wenigstens eine auf meiner Seite', dachte ich und hob das Kinn.

Felix fing Bellas erwartungsvollen Blick auf. Nach einem Moment zuckte er mit den Schultern und murmelte: "Na gut."

Mein Blick fiel auf Maya, die etwas abseits stand und gedankenverloren an ihrem Rucksackriemen zupfte. Mit klopfendem Herzen trat ich einen Schritt näher. "Und du, Maya?", fragte ich so beiläufig wie möglich. "Bist du dabei?"

Sie hob den Kopf, unsere Blicke trafen sich. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Lippen, ihre Wangen waren leicht gerötet. Ohne ein Wort zu sagen, nickte sie.

Ein warmes Gefühl durchströmte mich, doch ich zwang mich zur Ruhe. "Cool", sagte ich und hoffte, dass meine Stimme nicht zu aufgeregt klang. Innerlich jubelte ich. Ohne Maya wäre diese Fahrt nur halb so spannend gewesen.

Ich ging entschlossen voran, das weiche Moos unter meinen Füßen verschluckte jedes Geräusch. Hinter mir hörte ich das leise Tapsen der anderen. Maya und Felix bildeten das Ende unserer kleinen Gruppe; sie schlichen zögernd hinterher, als stünden sie vor einer gefürchteten Prüfung.

"Hey, seht mal!", rief ich und zog meine Kamera hervor. "Der Weg gabelt sich schon wieder." Die Felswände zu beiden Seiten wuchsen über uns zusammen und bildeten einen natürlichen Tunnel aus Stein und Moos. In der Ferne grollte der Donner, ein dumpfes Echo hallte durch die Schlucht.

An der nächsten Weggabelung blieb ich stehen und zeigte ich auf den linken Pfad, der sich wie ein schwarzes Maul vor uns öffnete. "Wir nehmen diesen Weg", verkündete ich mit fester Stimme, obwohl mein Magen sich vor Aufregung zusammenzog.

Felix starrte mich ungläubig an. "Bist du verrückt? Das ist viel zu gefährlich!" Seine Hände wirbelten aufgeregt durch die Luft. "Und woher willst du wissen, dass wir so zum See kommen? Wir haben doch keine Karte dabei."

Ich grinste ihn lässig an, obwohl mein Herz schneller schlug. "Hast du etwa Angst? Das ist doch genau die Gelegenheit!"

Ben hob den Blick von seinem Smartphone, das bläuliche Licht tauchte sein Gesicht in ein gespenstisches Leuchten. "Alex hat nicht ganz Unrecht", meinte er. "Diese Felsformationen sind einzigartig. So etwas finden wir auf anderen Wegen nicht." Er trat näher und senkte die Stimme. "Und wer weiß … vielleicht begegnen wir sogar übernatürlichen Wesen. Denkt nur an die Drachenwolke vorhin auf dem Feld."

Ich machte einen Schritt nach vorn. Mit funkelnden Augen sah ich in die Runde. "Also, äh … übernatürlich klingt doch ziemlich aufregend, oder?"

Zoe zuckte zusammen; ihre Finger nestelten am Reißverschluss ihrer Jacke. Ein fernes Donnergrollen rollte über uns hinweg, und sie zog die Jacke enger um sich. Ihr Blick huschte rastlos zwischen uns und dem dunklen Pfad hin und her.

Bella trat näher und legte sanft eine Hand auf Zoes Arm. "Keine Sorge", sagte sie beruhigend. "Wir passen aufeinander auf. Ein bisschen Abenteuer kann uns doch nicht schaden, oder?"

Zoe sah Bella an. Nach kurzem Zögern entspannte sie sich ein wenig und ein schwaches Lächeln huschte über ihre Lippen. "Na gut", murmelte sie leise. "Aber nur, weil du da bist, Bella."

Maya stand immer noch unschlüssig da, ihr Blick wanderte zwischen dem dunklen Weg und mir hin und her. Wortlos hob sie die Hand und deutete mit dem Zeigefinger in die Schatten. Sie war also auch dabei!

Mit einem letzten prüfenden Blick in die Runde konnte ich die Spannung spüren, die in der Luft lag. Gemeinsam betraten wir den schmalen Pfad, der sich wie ein dunkles Tor zu einem geheimnisvollen Abenteuer vor uns auftat. Die Bäume schlossen sich hinter uns, als wir tiefer in den Wald eindrangen. Nur das Knacken der Äste unter unseren Füßen begleitete uns auf unserem Weg ins Ungewisse.

Ich hielt vor einem verwitterten Schild inne, das halb versteckt im hohen Gras am Wegesrand stand. Das alte Holz war von Moos und Flechten überzogen, tiefe Risse zogen sich durch die Maserung. Die eingeritzten Buchstaben waren vom Wetter beinahe ausgelöscht. Ich trat näher, kniff die Augen zusammen und versuchte, die verblassten Worte zu entziffern.

"Hey, kommt mal her!", rief ich und winkte den anderen zu. Ohne den Blick von der Tafel zu lösen, fuhr ich mit den Fingern über die kaum lesbaren Inschriften. "Hier steht irgendwas von einem geheimnisvollen Ort." Ein Kribbeln lief mir den Rücken hinab. "Was meint ihr? Sollen wir nachsehen, was es damit auf sich hat?"

Ich beugte mich so nah vor, dass ich den erdigen Geruch des morschen Holzes einatmete. "Hier ...ist ...der alte Pf... zur Z...e...elle. Hü... d... vor dem Fl...", murmelte ich und starrte auf die verblassten Buchstaben.

Ich drehte mich zu Zoe um. "Du bist doch gut mit so was. Kannst du das entziffern?"

Zoe zog die Augenbrauen zusammen und biss sich auf die Unterlippe, während sie die Inschrift musterte. Plötzlich strahlte sie. "Hier begann einst der alte Pfad zur Zauberquelle. Hüte dich vor dem Fluch!", las sie vor.

"Das ist ja der Hammer!", rief ich aus. "Das müssen wir uns unbedingt anschauen!"

Eine magische Quelle? Das klang nach dem Startschuss für ein richtiges Abenteuer. Gleichzeitig spürte ich ein leichtes Unbehagen in der Magengegend. Aber die Neugier siegte.

"Ach, das ist doch nur alter Aberglaube", warf Ben ein, doch das Funkeln in seinen Augen verriet seine Neugierde.

Maya strich behutsam mit den Fingerspitzen über das verwitterte Schild. "Ein magischer Brunnen ... Das klingt faszinierend. Lasst ihn uns suchen", schlug sie vor, und ihre Augen leuchteten erwartungsvoll.

Felix verschränkte die Arme und zog eine Augenbraue hoch. "Zauberbrunnen? Das ist doch Märchenkram. Wir sollten umkehren. Vielleicht stand da eher: 'Hier begann einst der alte Pfad zur Ziegenquelle. Hüte dich vor dem Fluss.'

Ich musste schmunzeln. "Klar, Felix, immer der Realist."

Bella konnte vor Aufregung kaum stillstehen. "Stellt euch vor, wir finden einen verzauberten Brunnen! Oder eine Quelle, die mit uns spricht!" Ihre Stimme sprudelte vor Begeisterung.

'Typisch Bella', dachte ich lächelnd. Sie erinnerte mich an meine kleine Schwester Lisa, die auch ständig von Feen, Meerjungfrauen und Elfen träumte.

* * *

Ein tiefes Knurren zerriss die Stille, und ich zuckte heftig zusammen. Mein Blick huschte durch die Dunkelheit und blieb an zwei rot glimmenden Punkten hängen, die aus einer Felsspalte starrten. 'Nur ein Lichtreflex', versuchte ich mich zu beruhigen, doch Bellas plötzlicher Aufschrei ließ mein Herz erneut stolpern. Sie hatte es auch gesehen.

"Habt ihr das gesehen?", keuchte sie mit bebender Stimme. Ihre Finger gruben sich in meinen Arm, während sie mit zitternder Hand in die Finsternis zeigte. "Diese... Augen!"

Wir fixierten den dunklen Spalt, aber die glühenden Punkte waren verschwunden, als hätte die Dunkelheit sie verschluckt. Auch das Grollen war verhallt, als wäre es nie da gewesen.

Bella umklammerte ihren Rucksack so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Im fahlen Licht wirkte ihr Gesicht fast durchsichtig, die Augen weit aufgerissen. "Da waren Schuppen... wie von einem Reptil... und scharfe Zähne!", hauchte sie, den Blick unverwandt auf die Felsspalte gerichtet. "Ich schwöre, ich habe es gesehen."

Felix fuhr sich fahrig durchs Haar und wich einen Schritt zurück. Seine Gesichtsfarbe war so blass wie die von Bella. "Ich... ich bin raus", flüsterte er. "Das ist mir zu gefährlich."

"Seid ihr sicher?", brachte ich mit trockenem Mund hervor. Meine Stimme zitterte trotz meines Versuchs, entschlossen zu klingen. "Der Zauberbrunnen... vielleicht ist er gleich um die nächste Ecke!"

Bella und Felix blickten niedergeschlagen zu Boden, ihre Schultern sanken. Zögerlich drehten sie sich um und machten Anstalten, den Rückweg anzutreten.

Unschlüssig standen wir vor dem Schild und sahen ihnen nach, wie sie langsam in Richtung Schlucht verschwanden. Ein bitterer Geschmack der Enttäuschung stieg in mir auf. Sicherlich hatten die seltsamen Lichter Bella verängstigt, aber trotzdem... Ich schüttelte den Kopf, um die trüben Gedanken zu vertreiben, und wandte mich den Verbliebenen zu.

"Alles klar?", fragte ich Maya, Ben und Zoe, die mich mit einer Mischung aus Erwartung und Nervosität musterten. "Was ist mit euch? Seid ihr noch dabei?"

Maya trat ohne ein Wort einen Schritt vor, ihre Augen glänzten vor Neugier. Ben legte mir ermutigend die Hand auf die Schulter und grinste breit. Zoe trat aufgeregt von einem Fuß auf den anderen, die Finger fest um die Riemen ihres Rucksacks geklammert.

"Na gut", sagte ich und spürte ein Kribbeln in der Brust. "Dann los!"

Vorsichtig schoben wir uns durch die engen Felsspalten. Das leise Plätschern des Baches, das uns bisher begleitet hatte, verklang allmählich, bis nur noch das Echo unserer Schritte von den Wänden widerhallte.

Ein unerwarteter Windstoß zerrte an unseren Jacken. In der Ferne ließ ein tiefes Grollen ein heraufziehendes Gewitter erahnen. Ich tauschte einen besorgten Blick mit den anderen. Das Wetter schien gegen uns zu arbeiten, doch wir ließen uns nicht beirren.

II. Felsenfeste Zuflucht

Der schmale Pfad wand sich durch die steinige Landschaft. Dornenranken streckten ihre stacheligen Arme nach unseren Beinen aus und hinterließen feine rote Kratzer auf der Haut. In der Ferne türmten sich dunkle Wolken auf, doch Alex schien das nicht zu bemerken. Immer wieder blieb er stehen, um uns und die wildromantische Umgebung mit seiner Kamera festzuhalten. Während wir voranschritten, hoffte ich insgeheim, dass Bella und Felix es zurück zu Herrn Weber geschafft hatten und nun in Sicherheit waren.

„Maya, schau mal!“, rief Alex und winkte mich mit einem schelmischen Grinsen zu sich. „Lass uns ein Foto machen, das wir niemals vergessen werden!“

Als ich neben ihm stand, legte er seinen Arm um meine Schulter. Mein Herz klopfte bis zum Hals, und ich spürte eine wohlig warme Welle durch mich hindurchgehen. Sein vertrauter Duft stieg mir in die Nase, und für einen Moment schien die Welt um uns herum stillzustehen. Ich wollte etwas sagen, doch meine Worte blieben mir im Hals stecken. Bevor ich den Mut fand, hob er bereits die Kamera.

Dunkle Wolken schoben sich plötzlich vor die Sonne, und der Himmel verdüsterte sich zusehends. Ein fernes Donnern ließ uns aufhorchen, und eine kühle Brise strich über meine Wangen.

War dieser Moment für Alex genauso besonders wie für mich? Die Erinnerung an sein Lächeln für Bella und das augenzwinkernde Kompliment verursachte einen schmerzhaften Stich in meiner Brust. Ich schluckte und zwang mich, den nagenden Zweifel beiseitezuschieben. Jetzt zählte nur dieser Moment.

Eine heftige Windböe zerrte an meinen Haaren, als die ersten schweren Regentropfen auf uns niederprasselten.

"Schnell, wir müssen Schutz finden!", rief Ben gegen das Tosen des Sturms. Wir eilten voran, so schnell der schlammige Pfad es zuließ. Meine Schuhe rutschten auf dem glitschigen Untergrund, und plötzlich rissen Dornen an meinem Ärmel, schrammten meine Haut. Ein stechender Schmerz ließ Tränen in meine Augen steigen.

"Pass auf!" Alex war sofort bei mir, hob mich behutsam auf. Seine Berührung sandte ein warmes Kribbeln durch meinen Arm. Trotz der tobenden Elemente schlug mein Herz schneller. "Danke!", keuchte ich atemlos. "Wir müssen weiter!"

Der Sturm peitschte uns ins Gesicht, Donner grollte über uns, und der Regen fiel wie ein dichter Vorhang. Ben schimpfte, als sein Handy flackerte und schließlich ganz erlosch. Eine Welle der Sorge durchfuhr mich.

Plötzlich hielt Alex abrupt inne. "Meine Kamera!", rief er entsetzt. Sie musste ihm aus der Hand geglitten sein, aber wir konnten nicht zurück.

"Ich kann kaum noch etwas sehen, meine Brille ist völlig beschlagen!", klagte Ben und tastete sich unsicher vorwärts.

"Wir brauchen dringend ein Versteck!", schrie Zoe mit zitternder Stimme.

Der Regen prasselte mir ins Gesicht und verschleierte meine Sicht. Zwischen den zerklüfteten Felsen fand ich nirgendwo Schutz, bis mein Blick auf einen dunklen Fleck in der Felswand fiel. Hoffnung flammte in mir auf. "Hey, schaut mal!", rief ich und zeigte mit zitternder Hand darauf. "Das könnte eine Höhle sein!"

Mit neuer Energie stolperten wir auf die mögliche Zuflucht zu. Der Wind peitschte uns entgegen, als wolle er uns aufhalten, doch wir kämpften uns vorwärts. Je näher wir kamen, desto deutlicher wurde es: Eine Öffnung tat sich vor uns auf.

Keuchend zwängten wir uns durch den schmalen Spalt. Die rauen Steine schabten an unseren Armen, während wir uns hindurcharbeiteten. Drinnen umfing uns eine feuchte Kühle—nicht gerade gemütlich, aber besser als der tobende Sturm draußen.

Erschöpft sanken wir auf den Boden. Meine Beine fühlten sich wie Pudding an, und ich lehnte mich gegen die kalte Felswand, um wieder zu Atem zu kommen. Meine durchnässten Kleider klebten schwer an mir. Ein Frösteln lief mir über den Rücken, und meine Zähne begannen zu klappern.

Einen Moment lang stellte ich mir vor, wie es wäre, wenn Alex jetzt neben mir säße, sein Arm warm um meine Schultern gelegt. Doch der Gedanke an seine Nähe machte mir nur noch bewusster, wie sehr ich fror. Alex hingegen war völlig in seine Erkundungen vertieft, strich mit den Fingern über die rauen Höhlenwände und spähte in jeden dunklen Winkel. Ich seufzte leise. Typisch Alex—immer muss er den Abenteurer spielen.

Draußen tobte der Sturm, der Wind pfiff durch die Felsspalten und ließ ein unheimliches Heulen erklingen. Doch die massiven Felswände schirmten uns vor dem Zorn des Wetters ab. Ich zog die Knie an die Brust und umarmte mich selbst, in der Hoffnung, etwas Wärme zu finden. Meine nassen Kleider klebten kalt an meiner Haut, und ein Schauer lief mir über den Rücken. Während ich dem leisen Tropfen aus der Dunkelheit lauschte, fragte ich mich, was diese mysteriöse Höhle noch für uns bereithielt.

Ich versuchte, meine Augen an die Dunkelheit der Höhle zu gewöhnen, während Alex mit der Taschenlampe weiter vordrang. Sein Lichtkegel glitt über die feuchten Felswände, die im Schein wie mit winzigen Edelsteinen besetzt funkelten. Erstaunlich, wie weitläufig die Höhle war—sie hätte problemlos eine ganze Schulklasse fassen können— und sie bot uns einen dringend benötigten Unterschlupf vor dem tobenden Sturm draußen.

Ben ließ sich neben dem Eingang auf einen trockenen Stein sinken und strich sich die vom Wind zerzausten Haare aus der Stirn. Er nahm seine beschlagene Brille ab und wischte sie mit dem Saum seines Shirts ab. "Also, hier drinnen ist es definitiv besser als da draußen", murmelte er und schaute hinaus in den prasselnden Regen.

Zoe trat unruhig von einem Fuß auf den anderen, die Arme fest um sich geschlungen. "Ich erfriere noch", sagte sie mit zitternder Stimme. "Hat jemand etwas Trockenes zum Anziehen?"

Ich durchwühlte meinen Rucksack, doch alles war durchnässt. "Tut mir leid", antwortete ich leise. "Mein ganzes Zeug ist auch klitschnass."

Während Alex in seinem Rucksack kramte, kroch die Kälte unter meine Haut. Ich stellte mir vor, wie ich in meinem warmen Bett lag, eingehüllt in weiche Decken. Was würde ich jetzt für eine heiße Dusche geben! Plötzlich strahlte Alex und zog zwei Thermoshirts hervor. "Hier, für euch Mädels!"

Erleichtert nahm ich das Shirt entgegen. Der Stoff fühlte sich weich und verheißungsvoll an. "Danke, Alex", sagte ich leise.

Zoe warf mir einen zögerlichen Blick zu; wir standen vor dem Dilemma, uns irgendwo umzuziehen. "Ähm, Jungs?", begann sie unsicher. "Könntet ihr euch kurz umdrehen?"

Ohne ein Wort drehten sich Alex und Ben zur Höhlenwand. Schnell schlüpften Zoe und ich aus unseren nassen Oberteilen und zogen die trockenen Shirts an. Der Stoff schmiegte sich angenehm warm an meine Haut.

"Okay, ihr könnt euch wieder umdrehen", sagte ich, als wir fertig waren.

Die nassen Hosen klebten unangenehm an meinen Beinen, doch zumindest war mein Oberkörper endlich trocken. Mit einem dankbaren Lächeln warf ich Alex einen Blick zu. Wie gut, dass er an Wechselkleidung gedacht hatte—manchmal war er wirklich der Vernünftigste von uns.

"Und was machen wir jetzt?", fragte ich in die Runde, während meine Stimme von den feuchten Höhlenwänden widerhallte. "Wollen wir weitergehen, sobald es aufhört zu regnen?"

Zoe schüttelte heftig den Kopf, sodass ihre nassen Haare Wassertropfen in alle Richtungen schleuderten. "Bist du verrückt? Es wird bald stockdunkel sein. Wir bleiben besser hier und sehen morgen weiter."

Unbehaglich biss ich mir auf die Lippe und ließ meinen Blick durch die dämmrige Höhle wandern. Der Gedanke, die Nacht hier zu verbringen, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Was, wenn hier irgendwelche Tiere hausten? Oder der Eingang von einem Erdrutsch verschüttet wurde? Oder Bella sich die roten Augen nicht nur eingebildet hatte? Andererseits hatte Zoe recht—im Dunkeln durch den Wald zu stolpern wäre noch gefährlicher.

Ich versuchte, die Kälte aus meinen Fingern zu vertreiben, und nickte, als Alex sagte: "Wir sollten ein Feuer machen."

Nach mehreren Versuchen brachten wir das nasse Holz zum Brennen. Die Flammen loderten vor uns auf und erfüllten die kühle Höhle mit angenehmer Wärme. Ich hielt meine Hände nah ans Feuer und spürte, wie das Gefühl langsam in sie zurückkehrte.

Draußen tobte das Unwetter unvermindert. Jeder grelle Blitz, der die Höhle erhellte, ließ mich zusammenzucken. Meine Augen brannten vor Müdigkeit und vom Rauch, und ich bemerkte, wie Tränen über meine Wangen liefen.

"Geht es dir gut?", fragte Alex leise und legte sanft seinen Arm um meine Schultern. Seine Nähe beruhigte mich, und für einen Moment vergaß ich unsere missliche Lage.

Alex schob behutsam ein weiteres Holzstück in die Glut. Die Flammen ergriffen es, loderten höher auf und Funken stoben in die Luft. Fasziniert sah ich zu, wie winzige Sternschnuppen durch die Dunkelheit der Höhle tanzten und langsam verglühten.

"Ich hole noch etwas Holz", sagte Alex und stand auf. Die Kühle umhüllte mich sofort wieder, und ich wünschte, er würde bleiben und mich weiter wärmen.

Zoe sah mich an, ihre Augen leuchteten warm im flackernden Feuerschein. "Alles in Ordnung bei dir?", fragte sie leise und rückte näher.

Ich zuckte mit den Schultern und spielte nervös mit dem Reißverschluss meiner Jacke. "Geht schon", murmelte ich und warf ihr einen kurzen Blick zu. "Ich bin froh, dass du hier bist." Ein schwaches Lächeln huschte über meine Lippen.

Die Anwesenheit meiner Freunde fühlte sich an wie eine weiche Decke an einem frostigen Abend. Meine Gedanken schweiften zu Alex, der draußen allein in der Dunkelheit war. Was er wohl dachte, während wir hier gemeinsam warteten?

Zoe fasste erschrocken an ihr Ohrläppchen. "Mein Glücksbringer ist weg!", rief sie aufgeregt. "Der silberne Mond-Ohrring – er muss im Sturm verloren gegangen sein!"

Gemeinsam durchsuchten wir mit Ben die ganze Höhle, leuchteten mit unseren Taschenlampen in jede noch so kleine Spalte. Aber ohne Erfolg. Der Ohrring blieb unauffindbar, genauso wie Alex’ Kamera.

Kurz darauf erschien Alex wieder, beladen mit einem Bündel Äste. Draußen trommelte der Regen noch immer nieder, und als er eintrat, schüttelte er seine nassen Locken, sodass uns Wasser entgegen spritzte.

"He, pass doch auf!" protestierten Zoe und ich lachend und wischten uns das Gesicht trocken. Doch insgeheim waren wir froh, dass er unversehrt zurückgekehrt war.

Mein Blick fiel auf meinen verschrammten Arm; die Haut brannte immer heftiger.

Alex bemerkte es und trat zu mir. "Lass mal sehen", sagte er sanft.

Widerwillig streckte ich ihm meinen Arm entgegen. Er beugte sich näher, um die Wunden zu begutachten.

"Das müssen wir säubern", murmelte er und griff in seinen Rucksack nach dem Verbandszeug.

Behutsam strich er mit einem in Desinfektionsmittel getränkten Tuch über die Schnitte auf meinem Arm. Bei jedem Tupfer brannte es, doch ich zwang mich, stillzuhalten. Sein Gesicht war so nah, seine konzentrierten Augen ruhten auf den Wunden, und die Wärme seiner Finger ließ mich den Schmerz fast vergessen. Mein Herz pochte schneller, aber nicht wegen der Verletzung.

Ich wünschte mir, er würde mich wieder in die Arme nehmen. Doch als er fertig war, huschte nur ein kurzes Lächeln über sein Gesicht. Er verstaute das Verbandszeug im Rucksack und wandte sich erneut dem feuchten Feuerholz zu.

Ich beobachtete, wie das Flackern der Flammen sein Gesicht erhellte, während er sich um das Feuer kümmerte. Was mochte wohl in ihm vorgehen? Spürte er etwas von meinen Gefühlen? Oder war ich für ihn nur eine gute Freundin? Als ich in seine Augen blickte, durchströmte mich ein sanftes Kribbeln. Unbewusst spielte ich mit einer Haarsträhne, während eine leise Sehnsucht in mir aufkeimte.

Zoe knetete nervös ihren Ärmel und blickte unsicher in die Dunkelheit. "Findet ihr es hier nicht auch... unheimlich?", fragte sie mit zittriger Stimme.

Ben hob die Schultern, doch sein Lächeln wirkte gezwungen. "Schon ein bisschen seltsam", murmelte er. "Aber hey, wir sind zusammen. Das kriegen wir hin."

"Das kriegen wir hin." Seine Worte sollten beruhigen, aber mein Magen verkrampfte sich. Ich spürte genau, was Zoe meinte. Irgendetwas an diesem Ort ließ mich frösteln. War es das entfernte Donnergrollen draußen oder der modrige Geruch, der in der Luft hing? Ich konnte es nicht sagen. Waren wir hier wirklich allein?

Plötzlich zuckte ein greller Blitz durch die Höhle und tauchte die feuchten Wände in ein gleißendes Licht. Bevor ich reagieren konnte, folgte ein ohrenbetäubender Donnerschlag. Reflexartig hielt ich mir die Hände auf die Ohren. Wir zuckten alle zusammen, als wäre ein Riese über uns hinweg gestampft.

Ben tippte nervös auf seinem Handy herum. Dank seiner Powerbank hatte er es wieder zum Laufen gebracht. "Kein Empfang", murmelte er und ließ das Gerät sinken. "Wir sitzen hier echt fest. Können nicht mal Herrn Weber Bescheid geben."

Ein Kälteschauer lief mir über den Rücken bei dem Gedanken, die ganze Nacht in dieser dunklen Höhle verbringen zu müssen ohne Kontakt nach außen.

"Hätten wir doch auf Felix gehört und den anderen Weg genommen", dachte ich bedrückt. Aber nein, wir mussten ja unbedingt den "spannenden" Pfad wählen. Jetzt stecken wir hier fest.

Ich blickte zu Ben hinüber. Sein angespannter Ausdruck verriet, dass er wohl ähnliche Gedanken hatte.

Erschöpft saßen wir zu viert um das flackernde Feuer, dessen Schein die rauen Wände der Höhle streifte. Zoe ließ ihren Blick hoffnungsvoll über uns schweifen. "Habt ihr irgendetwas zu essen dabei, das wir nicht erst kochen müssen?"

Alex wühlte in seinem Rucksack, während das Rascheln von Nudelpackungen die Stille durchbrach. Schließlich zog er eine angebrochene Packung Kekse und zwei zerdrückte Schokoriegel hervor. "Tja, mehr hab ich nicht, was wir sofort essen können."

Mein Magen meldete sich mit einem vernehmlichen Knurren, und ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden. Schweigend teilten wir die spärliche Beute unter uns auf.

Ich biss in den trockenen Keks, der in meinem Mund zu Krümeln zerfiel. Meine Gedanken drifteten zu Oma Lisas gemütlicher Küche, wo oft der Duft von frisch gebackenem Brot die Luft erfüllte. Was würde ich jetzt für einen Teller ihrer dampfenden Kartoffelsuppe geben! Doch diese kleinen Bissen mussten genügen – besser, als mit leerem Magen dazusitzen.

Nachdem wir den kärglichen Imbiss beendet hatten, breitete ich meinen Schlafsack auf dem unebenen Felsboden aus. Durch den dünnen Stoff spürte ich jeden kalten Stein. Draußen tobte das Gewitter unerbittlich weiter, als wolle es die ganze Nacht dauern. Immer wieder zuckten grelle Blitze durch die Höhlenöffnung und ließen für einen Moment gespenstische Schatten tanzen, gefolgt von Donnergrollen, das wie ein wildes Tier zwischen den Felsen widerhallte.

Alex legte seinen Schlafsack direkt neben meinen aus. "Wird schon", flüsterte er und zwinkerte mir zu. Sein Blick ließ ein warmes Kribbeln in mir aufsteigen.

Ich schlüpfte in meinen Schlafsack und zog ihn bis zum Kinn hoch. Der Geruch von Rauch vermischte sich mit Alex' vertrautem Duft, der in der kühlen Luft hing. Mein Herz klopfte etwas schneller, als ich an sein Lächeln dachte. Die Nähe zu ihm fühlte sich plötzlich ganz anders an – aufregend und neu. Meine Gedanken schweiften zu unserem Abenteuer hier in der Wildnis und den Momenten, die uns noch bevorstanden. Was würde uns wohl alles erwarten?

Das Prasseln der Regentropfen auf dem Fels und das leise Atmen meiner Freunde erfüllten die Höhle. Mit einem letzten Blick auf Alex schloss ich die Augen. Die Wärme des Feuers und die Vorstellung von morgigen Abenteuern wiegten mich in den Schlaf.

Ich fuhr ruckartig aus dem Schlaf hoch. Hatte mich ein Donnerschlag geweckt? Das gedämpfte Trommeln des Regens auf dem Stein drang an meine Ohren. Eingekeilt zwischen Alex und Zoe spürte ich ihre gleichmäßigen Atemzüge, die meine Unruhe etwas milderten. Ben schnarchte leise, während ich wach dalag und in die Dunkelheit starrte.

Am Rand meines Blickfelds huschte etwas vorbei. Also war es doch kein Donner gewesen? Mein Herz schlug schneller, als ich mich vorsichtig aufsetzte und angestrengt in die Finsternis blickte. Dort, im tiefsten Winkel der Höhle, glommen unheimlich zwei rote Punkte.

Mit zitternden Fingern stupste ich Zoe an. "Psst, Zoe", flüsterte ich kaum hörbar.

"Hmm?", murmelte sie schläfrig und drehte sich zu mir.

"Da hinten", hauchte ich und deutete ins Dunkel. "Ich glaube, da ist etwas. Zwei rot leuchtende Punkte."

Zoe setzte sich langsam auf, ihr Blick folgte meinem ausgestreckten Arm. "Wo genau?", flüsterte sie, ein leises Beben in ihrer Stimme.

Ich rieb mir die Augen und blinzelte nochmals angestrengt in die Dunkelheit. Unser Geflüster hatte die anderen geweckt. Ben kramte verschlafen sein Handy hervor und ließ den schwachen Lichtstrahl durch die Höhle wandern. Der zuckende Lichtschein tanzte über die feuchten Wände, doch in den finsteren Nischen regte sich nichts.

Ben schob seine Brille höher auf die Nase und sah mich fragend an. "Bist du dir ganz sicher?"

"Na ja...", stammelte ich und spürte, wie Unsicherheit in mir aufstieg. War ich mir wirklich so sicher gewesen? "Ich bin mir sicher, da war etwas..."

Wir lauschten angespannt, doch außer dem fernen Tropfen von Wasser war nichts zu hören.

Zoe zog die Knie an die Brust und flüsterte: "Ich glaube, ich habe auch etwas gesehen."

Alex runzelte die Stirn und ließ seinen Blick durch die Dunkelheit schweifen. "Vielleicht habt ihr es euch nur eingebildet", sagte er mit beruhigender Stimme.

"Oder es war eine optische Täuschung!", warf Ben ein, seine Augen leuchteten im schwachen Schein des Handys.

"Ich weiß nicht, ob ich jetzt nochmal einschlafen kann", murmelte Zoe und kuschelte sich tiefer in ihren Schlafsack.

"Morgen sehen wir uns das genauer an", versprach Ben mit einem aufmunternden Lächeln.

Ein Frösteln durchlief mich, und ich zog mich tiefer in meinen Schlafsack zurück. Mein Herz pochte unruhig, während Bilder durch meinen Kopf jagten. Hatte ich mir das alles nur eingebildet? Oder geschah hier wirklich etwas Unheimliches? Die geheimnisvollen Lichter im Wald, der rätselhafte Brunnen, der Fluch – all das ließ mich nicht los. Was, wenn da tatsächlich etwas dran war? „Nein“, flüsterte ich zu mir selbst. „Es gibt bestimmt eine logische Erklärung. Oder doch?“

Ein fernes Wetterleuchten flackerte am Himmel und tauchte die Höhle in gespenstisches Licht.

„Alles in Ordnung?“, flüsterte Alex neben mir. Seine Augen suchten meinen Blick, Wärme und Sorge lagen darin.

Ich nickte leicht, unsicher, ob ich meine Ängste teilen sollte. Vielleicht übertrieb ich nur. Aber nach all den seltsamen Ereignissen ...

„Lass uns versuchen zu schlafen“, murmelte ich schließlich. „Vielleicht sieht morgen alles anders aus.“

Mit einem letzten Blick auf die erschöpften Gesichter meiner Freunde ließ ich die Augen zufallen und hoffte auf ein wenig Ruhe.

III.    Das alte Haus