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Als Wolfgang Rihm vor nunmehr etwa dreißig Jahren mit groß dimensionierten Werken in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit trat, überraschte vor allem die sprengende Kraft der Jugend seiner Musik. Rihms Werk hat einen neuen Musikstil der Freiheit mit sich gebracht, der seinen spezifischen Ausdruck in allen kompositorischen Gattungen findet. Der reichhaltige Kosmos des Gesamtwerks Rihms zeugt nicht nur von außerordentlicher künstlerischer Produktivität, sein musikalisches Œuvre ist auch Manifestation ständiger Metamorphose, ins Unbekannte und Unerhörte entführend. Diesen Prozessen forschend-aufdeckend nachzuspüren war eines der Leitmotive für das Symposium, das Wolfgang Rihm während des "Auftakt"-Festival 2002 in der Alten Oper Frankfurt gewidmet war. Das breite Spektrum an Themen und Motiven, das die Vortragenden in ihren Referaten umkreisten, hat mit der Vielfältigkeit und Differenziertheit, dem Facettenreichtum des Künstlers zu tun, um den sich alles drehte
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Seitenzahl: 244
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Wolfgang Hofer (Hg.): Ausdruck . Zugriff . Differenzen Der Komponist Wolfgang Rihm
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Bestellnummer SDP 87
ISBN 978-3-7957-8635-9
© 2015 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
Alle Rechte vorbehalten
Als Printausgabe erschienen unter der Bestellnummer NZ 5006
© 2003 Schott Music GmbH & Co. KG, Mainz
www.schott-music.com
www.schott-buch.de
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Mit alleiniger Unterstützung der FAZIT-Stiftung (Frankfurter Allgemeine Zeitung und Frankfurter Societäts-Druckerei) Frankfurt am Main
Umschlag: HJ Kropp unter Verwendung zweier Fotos von Charlotte Oswald
Ausdruck . Zugriff . Differenzen Der Komponist Wolfgang Rihm
Symposion, 14. und 15. September 2002, Alte Oper Frankfurt am Main
Herausgegeben von Wolfgang Hofer
Vorwort
Wolfgang Hofer
Große künstlerische Erscheinungen sind immer unvergleichbar. Wolfgang Rihm ist zweifelsohne eine der prägendsten und präsentesten Persönlichkeiten der internationalen zeitgenössischen Musiklandschaft, und zwar ebenso grenz- wie generationsüberschreitend. Als er vor nunmehr etwa dreißig Jahren mit groß dimensionierten Werken in das Blickfeld einer breiten Öffentlichkeit trat, überraschte vor allem die sprengende Kraft der Jugend seiner Musik.
Darin ist er sich treu geblieben, indem er sein gesamtes Schaffen stets der Devise des «Départ» im Sinne von Aufbruch und Ausbruch dediziert hat. Das Werk in seiner Entwicklung hat einen neuen Musikstil der Freiheit mit sich gebracht, der seinen spezifischen Ausdruck in allen kompositorischen Gattungen findet. Der reichhaltige Kosmos des Gesamtwerks Rihms – unterdessen sind mehrere hundert Werke entstanden – zeugt nicht nur von außerordentlicher künstlerischer Produktivität. Sein musikalisches Œuvre ist auch Manifestation ständiger Metamorphose, ins Unbekannte und Unerhörte entführend.
Diesen Prozessen forschend-aufdeckend nachzuspüren war eines der Leitmotive für das Symposium, das Wolfgang Rihm während des «Auftakt»-Festivals 2002 in der Alten Oper Frankfurt gewidmet war. Das breite Spektrum an Themen und Motiven, das die Vortragenden in ihren Referaten umkreisten, hat mit der Vielfältigkeit und Differenziertheit, dem Facettenreichtum des Künstlers zu tun, um den sich alles drehte. Der mischte sich in den die Vorträge begleitenden Diskussionsrunden munter mit ein. So sind Diskurse ins Offene entstanden, deren Anhaltspunkte hier dokumentiert werden. Vielleicht auch als prismatische Modelle dessen, wofür sich Wolfgang Rihm zuletzt einsetzte und bedankte: dass sich ein Symposien zum wirklichen Dialog zwischen Wissenschaft und Forschung, der Kunst und den Künsten entfalte. Indem die Texte hier versammelt sind, soll etwas von der Lebendigkeit und Lebhaftigkeit dieses Forums rund um Rihm nachvollziehbar werden.
Inhalt
Vorwort
Wolfgang Hofer
Rihm – ein Gesamtkunstwerk?
Claus-Steffen Mahnkopf
Der Körper des Komponisten und der Widerstreit zwischen Sprache und Materie in der Neuen Musik
Simone Mahrenholz
Literarisches Komponieren
David Robert Coleman
Die ästhetische Produktivkraft des Fantastischen und des Wahnsinns im Werk Wolfgang Rihms
Martin Zenck
Wahnsinnstheater
Gerhard R. Koch
Rev(f)erenzkomponisten
Hans-Klaus Jungheinrich
Heiner Müller und Wolfgang Rihm
Wolfgang Hofer
Hermaphroditischer Gesang
Zu Wolfgang Rihms Vokalität
Hans-Peter Jahn
Wiederkehr und Fortschritt
Wolfgang Rihm zum 50. Geburtstag
Luca Lombardi
Das «fluide» Werk und die Krise der Partitur
Zu Wolfgang Rihms 4. Streichquartett und «Über die Linie» für Violoncello solo
Gerhard E. Winkler
AutorInnen
Rihm – ein Gesamtkunstwerk?
Claus-Steffen Mahnkopf
«Denn Ruhm ist schließlich nur derInbegriff aller Missverständnisse, die sich um einen neuen Namen sammeln.» Rilke über Rodin
Mir ist die Ehre zugefallen, mit meinem Vortrag das Symposium zu eröffnen. Eine Erklärung sei daher vorangestellt. Ich rede nicht als Musikwissenschaftler oder Musikkritiker. Ich spreche als Komponist, nicht aber nur als jüngerer Kollege, sondern vor allem als Freund. Die persönliche Beziehung, die mich mit Wolfgang Rihm verbindet, ist alles andere als erkenntnistheoretisch marginal; und das gilt, wie zu sehen sein wird, auch für die sozialen Kontakte von und zu Rihm im Allgemeinen. Wir beide sind Antitypen, trotz unseres sympathetischen Verhältnisses, und das Antagonistische, das uns dialektisch verbindet, möchte ich nutzen. Ich betrachte den Dissens als produktiver als den Konsens – und als wahrheitsfähiger. Mit ihm will ich, aufklärungsorientiert, Erkenntnisse liefern. Erwarten Sie somit keine Laudatio, keine Geburtstagsrede, überhaupt nichts von einem Festakt. Um die Stars soll sich schon der Medienkapitalismus selber kümmern. Man tut keinem Künstler einen Gefallen, wenn man ihn – vor lauter Ruhm – bedingungslos verehrt und zum Karajan der Gegenwart macht.
Rihm wurde in diesem Jahr fünfzig Jahre alt, und die Veranstaltungen, die diese Tatsache feiern und kommentieren, verhalten sich, als sei Rihm sechzig oder 65 Jahre alt geworden. Zuweilen kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Zahl 50 einfach nicht stimmen könne, weil Rihm schon so lange auf der Bühne steht. Freilich, Rihm ist alles andere als alt geworden. Nicht, dass ihm Jungspund-Allüren eigen wären, wie man sie von einigen Künstlern kennt, die nicht erwachsen werden wollen; im Gegenteil, schon mit Mitte zwanzig, trotz der Geschocktheit des Komponisten, war er ein Klassiker – mit aller Ambivalenz, die diesem Schibboleth anhaftet. Aber alt ist Rihm deswegen nicht, weil er sich die Spontaneität des künstlerischen Drangs nicht abschleifen lässt und im umgangssprachlichen – aber nicht nur im umgangssprachlichen – Verkehr jedwede Färbung einer institutionellen vermissen lässt, was nicht heißen soll, er verstünde sich nicht auf die Diplomatie systeminterner Kommunikation. Rihm ist, trotz seiner Berühmtheit, ein Mensch geblieben, den man als Menschen und nicht nur als Fama ansprechen kann, und das ist eine Seltenheit in der heutigen Zeit.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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