Ausgezeichneter Wohnungsbau 2021 - Cornelia Hellstern - E-Book

Ausgezeichneter Wohnungsbau 2021 E-Book

Cornelia Hellstern

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Beschreibung

Der Award WOHNBAUTEN DES JAHRES ist die erste Auszeichnung für Auftraggeber im Bereich Geschosswohnungsbau.. Die begleitende Publikation versammelt die von einer Fachjury ausgewählten besten 50 realisierten Wohnungsbau-Projekte, kategorisiert nach relevanten Themen. Ergänzt um zahlreiche innovative Produktlösungen von der Außenwand bis zur Gebäudetechnik ist das opulent gestaltete Jahrbuch zum Award WOHNBAUTEN DES JAHRES 2021 das große Informations- und Inspirationsbuch für alle Entscheidungsträger der Wohnungsbau-Branche. Die ausgewählten Projekte und Lösungen sind ausführlich und anschaulich mit Plänen, Architekturfotografien und beschreibenden Texten erläutert. Interviews und Kurzporträts der Architekten und Bauherren geben Einblicke in die Arbeits- und Herangehensweise der Projektbeteiligten.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Seitenzahl: 249

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Wohnbauten des Jahres2021

AUSGEZEICHNETER WOHNUNGSBAU

Matthias HorxCornelia Hellstern

INHALT

Vorwort

Cornelia Hellstern

Einleitung

Matthias Horx

Die Jury

Die Partner

1. Preise

Urbaner Geist im ländlichen Raum

ortsverbundenheit – Wohn- und Werkhaus Weilerstraße, Schwaikheim

Faszination Gemeinschaft

Gleis 21 – Wir bringen das Dorf in die Stadt, Wien

Anerkennungen

Innerstädtischer Holzbau

Walden 48, Berlin

Feinsinnig komponiert

Stadthäuser Finkenau, Hamburg

Zwei Stufen Unterschied

Shared Space Malmöer, Berlin

Ausgezeichnete Projekte

Experimenteller Ansatz

Das Experiment mit dem Raum

Brühlberg Süd Winterthur

Generationenwohnen

Hinter dem Vorhang

Holzbaustein – Wohnen im Stadtoval, Aalen

Schnittstelle

Baugemeinschaft Olga 07, Stuttgart

Innovative Fassade

Zwischenräume

Neu Leopoldau – Generation XYZ, Wien

Ländlicher Raum

„Zwei Äugle zwischen zwei Bick“

Mehrfamilienhaus / Ferienwohnungen Obere Mühle, Bad Hindelang

Mischnutzung

Voralpine Urbanität

Wohn- und Geschäftshaus Remorino, Minusio

Neue Nachbarschaften

Umbau Wohn- und Geschäftshaus, Kirchgasse, Wiesbaden

Modularer Wohnungsbau

Treffpunkt Hof

Wohnen mit Nachbarn, Regensburg-Burgweinting

Von Bäumen und Sträuchern

Neubau Studentenwohnheim Lutterterrasse Göttingen

Zwischen Brücken und Baudenkmälern

Schlösslipark, St. Gallen

Nachhaltiges Energiekonzept

Alles grün

Neubau Fürstenau-Carree, Herford

Zwischen den Polen

Powerhouse, Berlin

Zeitschichten

Römeraue Muldenäcker, Ludwigsburg

Nachverdichtung

Wohnen mit Mobilitätsvorteil

Vogelweide, Hamburg

Schnittstelle Mehrfamilienhaus

Mehrfamilienhäuser Lerchenweg 6/8, Gümligen

Lichtspiele

Oberschätzlhaus, Gars a. Inn

Urban Shortcut

Charlie Living, Berlin

Lückenschluss

Gebäudetrio Henricistraße – Zuhause am Auenwald, Leipzig

Ruhepol

Wohnbebauung Lortzingstraße Köln

Zimmer mit Aussicht

Erhardt 10, München

Zwei Adressen

Große Brauhausstraße, Halle (Saale)

Premiumwohnen

Vom Steinbruch geformt

Plateaux de Berne, Ostermundigen

Schweizer Riviera

Campus Dorf Hertenstein, Weggis

Tetris im Hinterhof

Fredersdorfer 11, Berlin

Bestlage

LUDWIG – urban living, München

Gleisdreieck

EASY – Mehr als Wohnen, München

Wohnen in Balance

LAGOM – Modernes Wohnen am Ammersee, Herrsching

Quartiersentwicklung

Im Dialog mit der Geschichte

Mühlen Viertel, Ravensburg

Inmitten des historischen Stadtkerns

Kirchhofquartier, Gehrden

Mit Natur gestalten

Mehrfamilienhäuser Allensbach

Der Duktus des Ortes

Wohn- und Geschäftshäuser an der Oststraße, Bielefeld

Baugeschichte en bloc

BRICKS Berlin Schöneberg

Haus der Gemeinschaft

Alte KEB Chur Haus D

Gemeinsamkeit in der Vielfalt

Schwedler-Carré 01, Frankfurt am Main

Revitalisierung

Urbaner Kontext

SBG Schönburg, Bern

Steinlandschaften

Casa Lucciola – Zwei Rustici im Verzascatal, Corippo

Weitergebaut

Haus Bruno Lambart, Düsseldorf

État-major

Stabsgebäude, Landau

Adresse: Stadtmitte Stuttgart

URBAN LIVING, Stuttgart

Sozialer Wohnungsbau

Ton in Ton

Wohnbau Wiesbadener Landstraße, Wiesbaden

Miteinander

Die drei Schwestern, Wien

Soziale Vernetzung

Wohnquartier Preyersche Höfe, Wien

In die Höhe verdichtet

Wohnkomplex VORGARTENSTRASSE 98–106, Wien

Kleine Nachbarschaften

M GRUND Social Housing Mühlengrund, Wien

Wohnhochhaus

Skulpturale Verbindung

K1 – Wohn- und Geschäftshochhaus Jena

Lösungen des Jahres 2021

Sponsoren

Verzeichnis Bauherren und Architekten

Impressum

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Vorwort

Cornelia Hellstern

Es ist noch nicht lange her, dass die deutsche Bundesregierung im Rahmen des neuen Klimaschutzgesetzes das Erreichen der Klimaziele um fünf Jahre vorverlegt hat. Dass man auf dem Weg ins Jahr 2045 auch auf den Bausektor blickt, überrascht dabei keinen – er ist verantwortlich für gut 60 Prozent des CO2-Ausstoßes, von Ressourcenverbrauch, Materialherstellung und Transport über die Erstellung bis zum Betrieb der Gebäude. Gleichzeitig hallt der Ruf nach mehr Bauland und dringend benötigtem Wohnraum durch unsere Städte und Gemeinden. Und so ist mit der Frage, wie wir die Klimaziele eigentlich erreichen wollen, untrennbar die Frage verbunden, wie wir künftig wohnen werden.

Die Maßnahmen für die angestrebte CO2-Neutralität betreffen den Bausektor dabei in unterschiedlicher Weise. Konkrete Richtlinien für Gebäude und Quartiere – wie Energieeffizienz oder nachhaltige Materialien und Konstruktionsweisen – gehören ebenso dazu wie die berechtigte Forderung nach dem verstärkten Blick auf den gesamten Lebenszyklus und die graue Energie eines Gebäudes, auf Lowtech-Gebäudetechnik, auf Umnutzung wie auch auf Rückbau statt einfach nur Abriss – Prinzipien wie Cradle-to-Cradle, Upcycling und Urban Mining. Denn die Müllmengen, die bei Abriss und generell auf den Baustellen entstehen, spielen eine nicht minder relevante Rolle.

Dabei kann nachhaltiger Materialeinsatz funktionieren: Für das Ensemble „M GRUND Social Housing Mühlgrund“ in Wien kamen wartungsarme Materialien zum Einsatz, Verbundkonstruktionen wurden ausgeschlossen und durch eine Bauweise mit vorgefertigten Elementen wurde nicht nur Bauzeit, sondern auch Müll auf der Baustelle reduziert. Die damit einhergehende Kostenreduktion erlaubt Bauherren Spielraum bei der Planung, ermöglicht beispielweise Gemeinschaftsflächen, wie im Holzbau „Walden 48“ in Berlin.

Der Blick geht meist in Richtung Stadt, doch der ländliche Raum ist nicht weniger relevant.

Meist steht bei der Diskussion um Klimaneutralität der urbane Raum im Fokus, in Deutschland leben rund 70 Prozent der Bevölkerung in Mittel- und Großstädten. Rechnet man die „größeren Kleinstädte“ mit über 10.000 Einwohnern ein, sind es rund 86 Prozent1. Dem gegenüber steht nach wie vor das Bedürfnis nach „Wohnen im Grünen“ im Eigenheim, das sich pandemiebedingt noch verstärkt hat. Dass die Antwort nicht die Einfamilienhaussiedlung weit außerhalb am Stadtrand sein muss, zeigt das Projekt „Mehrfamilienhäuser Allensbach“, wo eine Nachverdichtung mitten im Ortskern der Kleinstadt mit einem hohen Anspruch an die Gestaltung der Außenbereiche verbunden war. Aber auch in Großstädten ist das kleinmaßstäbliche Eigenheim mit Garten realisierbar: In Hamburg lassen die „Stadthäuser Finkenau“ die Tradition der Stadthäuser mit Gärten gekonnt aufleben – und dies nicht nur als Einfamilienhaus, auch als Häuser mit Raum für zwei Familien.

Und so geht es nicht nur darum, „wie“ wir zukunftsgerecht, sondern auch „wo“ wir bauen. Revitalisierung, Umnutzung, Nachverdichtung, Innenentwicklung und die „Stadt der kurzen Wege“ sind ebenso dringende Forderungen wie die Vermeidung von Flächenfraß. Geht der Blick zwar oft in Richtung Stadt, ist doch der ländliche Raum nicht weniger relevant. Gerade in kleinen Gemeinden verwaisen die Ortskerne, da außerhalb die Neubaugebiete mit Einfamilienhäusern und Versorgungszentren wie auch die benötigte Infrastruktur entstehen. Neue Flächen werden versiegelt, während in der Dorfmitte der historische Bestand dem Verfall überlassen wird. Dabei muss dies nicht sein: Förderprogramme des Bundes und der Kommunen bieten Unterstützung – das „Oberschätzlhaus in Gars a. Inn“ steht beispielhaft für diesen Weg.

Zukunftsfähiges Bauen führt zu einer Transformation der Städte und des ländlichen Raums und damit auch zu anderen Formen unseres Wohnens und Zusammenlebens. Denn was bedeutet Nachverdichtung nicht nur im Planerischen, sondern auch im gesellschaftlichen und sozialen Kontext? Stadt und Land sind dabei keine Gegensätze, sondern müssen gemeinsam gedacht werden. Zumal es die gleichen Fragen zu beantworten gilt – von der Bodenfrage über wirtschaftliche Aspekte bis zum Substanzerhalt, von Durchmischung bis zum Umgang mit privaten, öffentlichen und halb-öffentlichen Räumen. Und gerade für letztere fallen die Antworten gar nicht mal so unterschiedlich aus: Das Neubauensemble „Schlösslipark“ bei St. Gallen öffnet sich mit einem Gewerbebereich im Erdgeschoss zum Quartier, während die Baugemeinschaft des „Shared Space Malmöer“ in Berlin den alten Kiezladen zurück in das Gebäude holt. Oder im größeren Maßstab die Integration eines Hotels im Rahmen der Umnutzung der ehemaligen Postverwaltung in Bern zur „SBG Schönburg“.

Wohnungsbau ist eine gesellschaftliche Aufgabe: Einerseits geht es um unseren Lebensraum, andererseits müssen Veränderungen von uns mitgetragen werden. Gerade in den Städten bedeutet Nachverdichtung ein Austarieren der Flächennutzung. Die Qualität des Raums gilt es zu erhalten und Konflikte um Platz, Lärm und Luft zu vermeiden.

Architektur kann dabei einen wesentlichen Beitrag leisten, Prozesse in Gang bringen. Teilhabe ist einer der Schlüssel, um Identitätsbildung zu fördern und Infrastrukturen für ein soziales Miteinander zu schaffen. Wie bereichernd gerade ein vielseitiges Zusammenleben gelingen kann, zeigt die Wohnhausanlage „Die drei Schwestern“ in Wiens Seestadt Aspern.

Partizipative Prozesse erlauben, Problemfelder vorzeitig zu erkennen, und durch frühzeitige Einbindung entsteht mehr Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen und Verständnis für baukulturelle Themen zu entwickeln. Baugemeinschaften sind hierbei inzwischen ein städtebauliches Entwicklungsinstrument. Man weiß um das Potenzial einer während des Bauprozesses gewachsenen Gemeinschaft, die später integrativ ins Quartier wirkt. Nicht selten werden innovative Konzepte dieser Gruppen von den Städten aufgegriffen und in die Stadtentwicklung gespielt.

Die Frage, wie wir die Klimaziele erreichen wollen, ist untrennbar mit der Frage verbunden, wie wir künftig wohnen wollen.

Die 50 „Wohnbauten des Jahres 2021“ – erstmals aus dem gesamten deutschsprachigen Raum – zeigen die Vielseitigkeit aktueller Bauaufgaben und den Anspruch aller Beteiligten, neue und andere Lösungen zu finden. Dabei ging es nicht um „Fertigstellung 2021“, vielmehr spiegelt die Auswahl die Themen wider, die aktuell den Diskurs bestimmen. Manch ein Projekt mag den impulsgebenden Aspekt vielleicht erst auf den zweiten Blick offenbaren. Dass vermehrt Projekte mit partizipativen Konzepten unter den Gewinnern sind, war ebenso wenig geplant wie die Vergabe von zwei ersten Plätzen. Die sich als Gewinner herauskristallisierenden Projekte „ortsverbundenheit“ und „Gleis 21“ überzeugten nicht nur aufgrund ihrer beispielhaften Wirkung, sondern gerade auch in dieser unerwarteten Dualität – die urbane Antwort im ländlichen Raum gegenüber der Idee, das „Dorf in die Stadt zu bringen“. Stadt und Land als gemeinsame Zukunft des Wohnungsbaus.

Bei Entwicklung und Erhalt unserer gebauten und natürlichen Umwelt sind alle gefragt, und zwar gemeinsam. So möchte der Wohnungsbau Award ermutigen – Entwickler, Entscheider, Planende wie zukünftige Bewohner – weiterhin neue Konzepte zu denken und andere Wege zu gehen. Denn um eine Antwort auf den Wohnungsmangel zu finden und dabei sozialen, ökologischen wie auch ökonomischen Aspekten gerecht zu werden, braucht es kein Umdenken. Wir brauchen ein gänzlich anderes Denken.

1 Stand 31.12.2019, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/161809/umfrage/anteil-der-einwohner-an-der-bevoelkerung-in-deutschland-nach-gemeindegroessenklassen/

Einleitung

Matthias Horx

Die neo-urbane Wende

Die Verwandlung der Städte und des flachen Landes – im Post-Corona-Zeitalter

Die urbane Metamorphose

Wir schreiben das Jahr 2038. Können Sie sich noch an die engen, verstauten und versmogten Städte der Vergangenheit erinnern? Die Vor-Corona-Städte, in denen sich die Menschen den Autos und dem Lärm unterordneten, an die sie sich im Triumph der industriellen Lebensweise gewöhnen mussten?

Na klar. Wir erinnern uns noch.

Die dominante Dimension des Urbanen war der Autoverkehr. Morgens wanden sich lange Autoschlangen in die Stadt hinein. Abends wieder hinaus. Gefüllt mit frustrierten Angestellten, die an ihrem Leben zweifelten. Der Takt wurde von den Büros und den Öffnungszeiten der Läden vorgegeben. Die Stadt war vielfach geteilt, gespalten in Funktionseinheiten. Der Kommerzbetrieb im Inneren. Riesige Einkaufszentren mit gigantischen Parkplätzen an der Peripherie: Schlafstädte, Gewerbestädte, Bürostädte, Suburbs, Gettos für alles Mögliche.

Für Kinder, Alte und andere war in dieser Stadt nur begrenzt Platz. Und vor allem mangelte es an Raum für das Organische, am Zusammenhang mit der Natur.

Heute wuchert überall das urbane Grün. Auf den Dächern. An den Fassaden. In vielen Innenräumen der leicht und transparent gewordenen Gebäude wachsen Dschungel. Im Untergrund der künstlich beleuchteten Farmen, die Teile des stillgelegten U-Bahn-systems erobert haben. Ganze Areale der Stadt sind verdschungelt.

Die Stadt ist eine Zehn-Minuten-Stadt. In zehn Minuten Fußweg oder fünf Minuten mit dem Fahrrad erreicht man alles, was man braucht. Shopping, Freizeit, Sport, einen üppigen Park, medizinische Versorgung, Kultur, das Bürgeramt.

Corona gab der alten, der industriell geformten und gespaltenen Stadt den Rest. Aktivisten, Stadtplaner, Lokalpolitiker, BürgermeisterInnen, formulierten einen New Deal des Urbanen. „Kopenhagenisierung“ nannte man das auch. Oder „New Smart Urban Living“.

„Kopenhagenisierung“ stand im frühen 19. Jahrhundert für einen entscheidenden Schlag, der einem potenziellen Gegner im Frieden mit dieser Nation versetzt wird, etwa durch Ausbau ökonomischer Dominanzen. Heute steht das Wort für die postindustrielle Urbanisierungsphase, in der die alten Spaltungen und Selektionen des Städtischen aufgehoben und integriert werden. Zuallererst wird der Autoverkehr gezähmt, indem überall in der Stadt das Fahrrad und der Fußgänger den dominanten Teil der Mobilität übernimmt. Dann werden die öffentlichen Räume zu lebendigen Begegnungszonen transformiert – weg von der toten Fläche zwischen den Gebäuden. Die Problemgebiete der Stadt werden durch „Smarte Gentrifizierung“ transformiert.

Die Städte müssen die urbanen Planer und Architekten dazu bringen, das Fußgängertum als Zentrum einer integrierten Stadtpolitik zu begreifen. Es ist dringend, die soziale Funktion des öffentlichen Raumes als Treffpunkt zu stärken, der zur sozialen Nachhaltigkeit und einer offenen demokratischen Stadt-Gesellschaft beiträgt. (Jan Gehl, Urbanist)1

Hope:tecture – Die Architektur der Hoffnung

Das Gebäude ist ein Fanal der Hoffnung nach der Katastrophe. Der 21 Stockwerke hohe weiße AYA TOWER in Beirut steht nur wenige Kilometer vom Hafen entfernt, in dem im August 2020 eine gigantische Explosion stattfand. Damals war der Turm eine Baustelle, wurde aber kaum beschädigt. SOA Architects aus Paris bauten den Turm als „Vertical Village“ – er besteht aus kompletten Einfamilienhäusern, so geschickt aufeinandergetürmt, dass jedes Apartment eine offene Terrasse hat. Die Innengestaltung richtet sich nach traditionellen arabischen Wohnvorstellungen, mit einem gewölbten Raum als Wohnzimmer, einem Empfangsraum für Gäste und einem Patio. Geschäfte und Büros in den unteren Etagen machen das Gebäude weitgehend autark. Solche symbolischen Gebäude der Hoffnung können eine enorme Heilwirkung auf krisengeschüttelte Städte haben. So veränderte das Guggenheim-Museum die Stadt Bilbao nach einer langen Phase des industriellen Niedergangs.

Was für eine andere, nicht technisch gemeinte Smartness nötig ist, ist die Entwicklung neuer Quartiere. Allein in Deutschlands Groß- und Mittelstädten gibt es bereits heute (2021) annähernd 2.000 Projekte sogenannter „Co-Housing-“ oder „Co-Living“-Projekte. Genossenschaftliche Bauformen, in denen ein neues Miteinander der individualisierten Gesellschaft versucht wird. Diese Projekte knüpfen an vielerlei Pioniererfahrungen an: An die Bauhaus-Ideen und die Gartenstädte der Zwanzigerjahre, den sozialen Wohnungsbau nach dem Krieg oder die Gemeindebauten im „Roten Wien“. Aber in dieser neuen Quartiersbewegung geht es nicht mehr allein um Wohnraum oder um die Behebung von Wohnungsnot. Auch nicht um ideologisch-politische Konzepte. Es geht um eine neue Grammatik des Urbanen, in der individuelle Stadtbewohner wieder zu Nachbarn werden, die etwas miteinander zu tun haben.

In diesen vielen neuen Angeboten städtischen Wohnens und Lebens spiegelt sich eine zentrale Erfahrung der Pandemie: Die Gefahr der Vereinzelung und Vereinsamung, die immer schon zum Großstadtleben gehörte, aber in der Krise epidemisch wurde. In einer „New Urban Area“ mit hoher sozialer Dichte und einer eigenen Infrastruktur (vom Kindergarten bis zum Delivery Hub) würde in einer Pandemie niemand einsam zurückbleiben.

Auch das Politische gehört dazu. Städte können diese neuen Formen der Wohnökonomie fördern. In Skandinavien ist man in dieser Entwicklung schon weit. Die Mieten oder Kaufraten neuer Quartiere sind oft günstig, weil der Grund und Boden kommunal verbilligt wurde. Man kann kaufen, mieten oder leasen. Manchmal kann man sogar menschliche Interaktionen „einpreisen“, wie das Kümmern um den kranken Nachbarn. So kann die Hoffnung, dass die Stadt nicht in Klassen, Schichten, Generationen und Milieus oder in Vereinzelung zerfallen muss, sondern das Urbane eine eigene integrative Kraft hat, einen sozialen Magnetismus, eine Renaissance erleben. Gettos jeder Art vermeiden. Darum geht es in der Zukunft des Urbanen.

Die Verdörflichung des Urbanen …

Die Geschichte der neuen Städte ist die Geschichte des urbanen Individualismus der Neuzeit. Was erzeugt den urbanen Sog, der seit Jahrzehnten das weite Land von Menschen freisaugt? Es waren vor allem die Gebildeten, die jungen Frauen und Männer, denen ihre dörfliche oder kleinstädtische Herkunft zu eng erschien, die in den letzten drei Jahrzehnten in die Metropolen strömten. Oder in die Schwarmstädte, wo man alles endlos studieren konnte und sich die studentische Lebensform weit ins Erwachsensein verlängerte. Man zog in Wohngemeinschaften, in den Kiez und von da aus in die selbst renovierte Eigentumsaltbauwohnung. Andere wechselten den Wohnort in Richtung Metropole aufgrund der Verlockungen besser bezahlter Jobs. Immer war es auch die Diversität, die Erlebensintensität, die Chance der Selbstfindung durch soziale Dichte, die junge Menschen in die Metropolen zog.

Im Nach-Corona erweisen sich all diese Argumente für die Großstadt als weniger schlagend. Die Ausweitung der Arbeitszone ins Mobile und Virtuelle macht viele Jobs nun auch ortlos möglich. Die Sehnsucht nach Gemeinschaft und Natur treibt Städter hinaus aufs Land. Noch einmal möchte man die Erfahrung des Lockdowns nicht in einer engen, überfüllten Betonumwelt erleben.

Natürlich werden jetzt nicht alle aufs Land ziehen, und die Städte werden nicht veröden. Und doch beginnt ein neuer Zyklus der Stadt-Land-Dynamik, der längst fällig war. Denn ungefähr alle 30 Jahre ändert sich die Fließrichtung des Stromes einer biografischen Grundspannung zwischen Land und Großstadt: 1800–1840: Erste Industrialisierung, Romantik und Blaue Blume – Gegenbewegung in die Natur. 1870–1910: Metropolen-Boom – Zug in die Großstadt. 1960–1990: Urbane Krise – hinaus aufs Land. 1990–2020: Metropolen-Boom – Städte werden kultureller, diverser und kreativer.

… und die progressive Provinz

Was sind Co-Working, Urban Gardening und Co-Living-Projekte anderes als „Verdörflichungen“ des Lebens, in denen Tätigkeit und Alltagsleben, Erwerb und Vergnügen auf neue Weise ineinandergreifen und miteinander verbunden sind? Simultan zu dieser meta-urbanen Entwicklung beginnt eine neue Welle der Urbanisierung des Dörflichen. „Agronica“ nannte der italienische Architekt Andrea Branzi den von den Bedingungen der elektronischen Kommunikation umgestalteten ländlichen Raum. Ein eher technischer Begriff, der an alte technokratische Mythen anknüpft („Wenn alle Turbo-Internet haben, ist alles gut!“). Das Netz löst Verbindungsfragen, aber keine Beziehungsfragen. Aber ohne Zweifel erweitert der Doppelschlag von Corona-Erfahrung und Digitalisierung, plus Veränderung der Arbeitswelt, die Optionen der Lebensformen. Die alte Entweder-oder-Logik von Raum und Zeit, die sich auch in der Stadt-Land-Teilung manifestierte, wird immer durchlässiger.

Das Periphere bleibt im Zeichen des elektronischen Anschlusses nicht peripher. Das Abgelegene kann ins Zentrum rücken. Es kann gleichzeitig seine eigene Abgeschiedenheit und seine Angebundenheit genießen.

Während Dörfer und Kleinstädte früher versuchten, mit durchbetonierten Gewerbeparks an die urbane Welt anzuschließen, überspringen sie nun diese Industrialisierungsphasen. Sie schließen sich zu „LQ-Regionen“ zusammen – Lebensqualitäts-Clustern. Dabei geht alles, was normalerweise nur in die Stadt geboten wurde, jetzt auch in der Fläche. Design, Kultur, Kunst, vor allem die Gastronomie des Edlen und Besonderen. All das, was sich früher nur die Städter leisten konnten, kann jetzt gerade in der tiefsten Provinz blühen und gedeihen.

Mittlere Kleinstädte mit einer guten Infrastruktur gewinnen in diesem Trail – wenn sie über zukunftsfähige BürgermeisterInnen, eine hellwache Verwaltung und eine intakte Zivilgesellschaft verfügen. Die Öde in den meisten Kleinstadt-Innenstädten weicht einem neuen Kommunalismus der Bürgergemeinschaften. Längst sind es nicht mehr nur Fußballvereine und freiwillige Feuerwehren, die die ländliche Zivilgesellschaft ausmachen. Die städtischen Rückkehrer oder Zuzügler verändern die provinzielle Atmosphäre. Längst gibt es dort draußen auch Yogagruppen, Segelflugvereine, Gourmet-Vereinigungen, Tech-Unternehmer-Clubs. Und eben jetzt auch Co-Working-Spaces, in umgebauten Großscheunen oder stillgelegten Fabriken (die es auch in der Provinz gibt). Die Vision einer zukunftsgewandten Dorfgemeinschaft, die sich nicht mehr in ihrem Groll gegen Welt und Wandel selbst vergräbt, erlebt in den neuen 2020er-Jahren einen Aufschwung. Lasst intelligente, wuselige, weltoffene Dörfer blühen! Auf dem Land und in der Stadt!

1 Cities must urge urban planners and architects to reinforce pedestrianism as an integrated city policy to develop lively, safe, sustainable and healthy cities. It is equally urgent to strengthen the social function of city space as a meeting place that contributes toward the aims of social sustainability and an open and democratic society. (Gehl, Jan: Cities for People. Island Press, 2013, S. 6)

DIE JURY

Claudia Boymanns

Exhibition Director EXPO REAL Messe München Gmbh

Benita Braun-Feldweg

Architektin bfstudio Partnerschaft von Architekten mbB (Sieger 2020)

Simon Dietzfelbinger

Head of Residential Properties Drees & Sommer

Cornelia Hellstern

Architekturkommunikation, Kuratorin und Dozentin

Reiner Nagel

Vorstandsvorsitzender Bundesstiftung Baukultur

Ulrich Nolting

Geschäftsführer InformationsZentrum Beton

Dr. Fabian Peters

Chefredakteur Architekturmagazin BAUMEISTER

Josef Schmid

Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr im Bayerischen Landtag

Inga Stein-Barthelmes

Geschäftsbereichsleiterin Politik, Kommunikation und Presse des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie

Die Juroren stimmten aufgrund der besonderen Lage in diesem Jahr online über die Projekte ab.

PARTNER

Wir danken unseren Partnern

Als führendes europäisches Beratungs-, Planungs- und Projektmanagementunternehmen begleitet Drees & Sommer private und öffentliche Bauherren sowie Investoren seit 50 Jahren in allen Fragen rund um Immobilien und Infrastruktur – analog und digital. Durch zukunftsweisende Beratung bietet das Unternehmen Lösungen für erfolgreiche Gebäude, renditestarke Portfolios, leistungsfähige Infrastruktur und lebenswerte Städte an.

architektur.aktuell ist Österreichs führendes Architekturmagazin mit Informationen über die innovativsten Bauten national und weltweit, hochwertigem Foto-, Plan- und Datenmaterial und einem Überblick über neue Produkte für Architektur und Bau. Interviews, Ausstellungsbesprechungen, ein Veranstaltungskalender und Media Reviews runden das Informationsangebot ab.

Die Expo Real ist die größte Fachmesse für Immobilien und Investitionen in Europa. Sie wird seit 1998 jährlich Anfang Oktober auf dem Gelände der Messe München von der Messe München GmbH veranstaltet. Im Jahr 2017 umfasste die Expo Real eine Ausstellungsfläche von 64.000 Quadratmetern.

Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie ist der Arbeitgeberverband der industriellen Bauunternehmen der Bundesrepublik Deutschland. Er versteht sich darüber hinaus auch als Wirtschaftsverband und Fachverband für Bautechnik.

Als Plattform der Hersteller und als Impulsgeber der Branche bietet das InformationsZentrum Beton ein Netzwerk für alle Partner am Bau. Zu seinen Kernaufgaben gehören die Markterweiterung, die Marktsicherung und die Imageförderung für zementgebundene Bauweisen.

Das Architekturmagazin Baumeister blickt mit breiter Perspektive in die Welt der Architektur und beschäftigt sich nicht nur mit der Ästhetik, sondern auch mit den kulturellen, politischen, sozialen und ökonomischen Aspekten der gebauten Umwelt.

Der IVD (Immobilienverband Deutschland IVD Bundesverband der Immobilienberater, Makler, Verwalter und Sachverständigen e. V.) ist die Berufsorganisation und Interessenvertretung der Beratungs- und Dienstleistungsberufe in der Immobilienwirtschaft. Der IVD betreut 6.000 Mitgliedsunternehmen mit gut 100.000 Beschäftigten. Dazu zählen Wohnungsverwalter, Immobilienmakler, Bauträger, Finanzdienstleister und viele weitere Berufsgruppen der Immobilienwirtschaft.

1. PREISE UND ANERKENNUNGEN

Urbaner Geist im ländlichen Raum

1. PREIS

LÄNDLICHER RAUM

Bauherren

BauherrInnengemeinschaft

Wössner & Hiss

Architekturbüro

CAPE Prof. Markus Binder

mit schleicher.ragaller architekten bda

Standort

Schwaikheim

ortsverbundenheit – Wohn- und Werkhaus Weilerstraße

Umgeben von Streuobstwiesen, Feldern und bewaldeten Hügeln liegt Schwaikheim idyllisch inmitten des Rems-Murr-Kreises. Die gute Anbindung an das rund 20 Kilometer entfernte Stuttgart spiegelt sich auch in den kontinuierlich gestiegenen Immobilien- und Mietpreisen wider, die inzwischen über dem Bundesdurchschnitt liegen.

War die Gemeinde Schwaikheim mit heute rund 9.500 Einwohnern einst landwirtschaftlich geprägt, so wandelte sich der Ort seit dem industriellen Aufschwung Ende des 19. Jahrhunderts und der Anbindung an das Eisenbahnnetz im Laufe der Zeit zu einem Wohn- und Gewerbestandort.

Am Ortsrand, am Übergang zu Feldern und Wiesen, haben schleicher.ragaller architekten aus Stuttgart zusammen mit Markus Binder von Cape Architekten und Ingenieuren aus Esslingen in diesem ländlichen Kontext ein urbanes Zeichen gesetzt. Mit ihrem Wohn- und Werkhaus „ortsverbundenheit“ gelingt es ihnen, auf gestalterisch hohem Niveau eine Antwort auf die Herausforderungen der Bauaufgabe zu finden. Dass es hierfür vor allem eines Bewusstseins für baukulturelle Verantwortung seitens der Eigentümer bedarf, dafür stehen die Geschwister Hiss und Wössner, die mit dem elterlichen Erbe ein identitätsstiftendes Ensemble errichten wollten. Die Entscheidung für einen Holzbau ist dabei nicht nur dem Anspruch an nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen geschuldet – der Bauherr hat ursprünglich den Beruf des Zimmerers erlernt.

Die Frage, wie man im ländlichen Raum zeitgemäß bauen kann, ohne einen Fremdkörper zu schaffen, sondern stattdessen das neue Bauwerk in die Dorfstruktur zu integrieren, lösen die Architekten mit zwei Kubaturen: In ihren Größen und ihrer äußeren Erscheinung lehnen sie sich an die Vorgängerbauten – ein Wohnhaus aus den Dreißigerjahren mit Stall und Scheune – an. Mit flach geneigten Satteldächern und dunklen Holzfassaden erinnern sie an die einst ortsbildprägenden landwirtschaftlichen Gebäude im Ort.

Die beiden in ihrer Breite identischen, aber unterschiedlich hohen und langen Gebäude sind über einen gemeinsamen Sockel miteinander verbunden, der den Geländeversprung zum westlich liegenden Hof und Garten aufnimmt. Das längere der beiden Gebäude, das dreigeschossige Wohnhaus, orientiert sich in seiner Ausdehnung an der Straßenflucht und definiert so einen Vorplatz und eine Erweiterung des Straßenraums vor der Werk- und Einstellhalle.

Die sechs Wohnungen öffnen sich großzügig nach Süden und über Loggien nach Westen, eine der Einheiten ist ebenerdig erreichbar und vollständig barrierefrei konzipiert. Und auch das lebendige Miteinander einer Dorfgemeinschaft soll sich im Haus widerspiegeln: Die Wohnungen sind in ihren Größen unterschiedlich konzipiert und bieten Raum für alle Bewohnergruppen.

Sägeraue, schwarz lasierte Fichte und grob geschalter Sichtbeton zitieren Motive aus der Umgebung und vom Vorgängerbau.

Die Setzung der Gebäudevolumen lässt straßenseitig einen Vorplatz zum Ort entstehen.

Bodentiefe, nach Süden ausgerichtete Fenster und die Loggien an der Westfassade sorgen für helle Räume.

Die Werkhalle bietet dem Bauherrn Raum für seine Zimmereiarbeiten.

Durch den Geländeversprung ergibt sich hofseitig ein Unterstellplatz für landwirtschaftliche Geräte.

Oberhalb des Betonsockels sind die Gebäude in Holztafelbauweise errichtet.

Zugänge zu den Wohnbereichen

Bezug zur Nachbarbebauung

Eingangsbereich des Wohnhauses

Welche Parameter waren für Ihr Projekt entwurfsbestimmend, wie wird dies im Projekt ablesbar?

Als die ursprünglich auf dem Grundstück vorhandenen landwirtschaftlichen Gebäude abgebrochen werden mussten, stellte sich die Frage, was ihnen nachfolgen soll. Schnell war klar, dass in der Region dringend benötigter, zeitgemäßer Wohnraum geschaffen und zugleich der Charakter des Ortes gestärkt werden soll – durch einen Rückgriff auf die tradierten Qualitäten des Bauens im ländlichen Raum und ihre Übertragung auf heutige Anforderungen: eine einfache, reduzierte Formensprache, vernünftige, materialsparende Konstruktionen und handwerkliche Qualität.

Wie lässt sich im Geschosswohnungsbau auf die Herausforderungen und Themen unserer Zeit reagieren? Und wie geben Sie mit Ihrem Projekt eine Antwort darauf?

Die zentrale Herausforderung unserer Zeit ist der Klimawandel. Um seine Auswirkungen zu begrenzen, brauchen wir Häuser mit minimalem CO2-Fußabdruck im Bau und im Betrieb. Das in weiten Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen gebaute Wohn- und Werkhaus verfolgt dafür eine einfache Strategie: Alle Wohnungen sind großzügig nach Süden geöffnet, was zusammen mit der hoch gedämmten Gebäudehülle und einer Wärmepumpenheizung einen minimierten Energiebedarf bewirkt. Wenn nun noch die bereits vorbereitete Photovoltaikanlage ergänzt wird, deckt das Haus in der Jahresbilanz einen Großteil seines Energiebedarfs selbst.

Wie wirkt Ihr Projekt in die Nachbarschaft?

Indem das Ensemble in seiner Struktur und Materialität die landwirtschaftlichen Gebäude zitiert, die Schwaikheim lange geprägt haben, wirkt es identitätsstiftend für die ganze Nachbarschaft. Eine besondere Rolle spielt dabei der Hof, den die beiden Gebäudeteile aufspannen: Er dient nicht nur als Vorfeld für die Wohnungen und als Erweiterung der Werkhalle. Er weitet auch den Straßenraum, bremst so den Blick und lädt zur Annäherung ein. Nicht nur beim jährlichen Weihnachtsbaumverkauf, der hier stattfindet, wird dieses Angebot von der Nachbarschaft gerne wahrgenommen!

„Es ging uns darum, ein zeitgemäßes Gebäude zu bauen, welches sich in den Ort einfügt, ohne sich abzuschotten oder anzubiedern.“

BauherrInnengemeinschaft Wössner & Hiss

Urteil der Jury

Fabian Peters

Bauen im ländlichen Raum bedeutete in den letzten Jahrzehnten in der Regel: frei stehendes Einfamilienhaus. Kleinere Mehrfamilienhäuser kommen vor, bilden aber die Ausnahme. Werden zusätzlich gewerbliche oder landwirtschaftliche Räume benötigt, wird das Einfamilienhaus um entsprechende Gebäude ergänzt – die dann meist ohne jeden Anspruch gestaltet werden. Eine Typologie für Bauernhöfe und Kleingewerbe, wie es sie jahrhundertelang auf dem Land gab, fehlt heute fast ganz. Kaum genug zu loben ist deshalb das Projekt von Cape mit schleicher.ragaller architekten für ein ländliches Wohn- und Werkhaus in Schwaikheim bei Stuttgart. Im Ortskern der Gemeinde mit knapp 10.000 Einwohnern errichteten die Architekten nicht nur ein Mehrfamilienhaus und eine landwirtschaftliche Einstellhalle – sie suchten nach einem gestalterischen Ausdruck für dieses Ensemble, das Wohnen und Arbeiten vereint. Dafür konnten sie sich kaum auf zeitgenössische Vorbilder stützen, sondern mussten eigenständig eine Lösung für diese herausfordernde Bauaufgabe erarbeiten. Das ist ihnen vorzüglich gelungen, und es steht zu hoffen, dass die beiden Gebäude ihrerseits Nachfolger finden.

Bauherren

BauherrInnengemeinschaft Wössner & Hiss

Immenhofer Straße 17/1

70180 Stuttgart (D)

[email protected]

w19-schwaikheim.de

Architekturbüros

von links: Markus Binder, Michael Ragaller, Domenik Schleicher

CAPE Binder Hillnhütter Deisinger Architekt und Beratende Ingenieure PartGmbB

Rathausplatz 7

73728 Esslingen (D)

cape-ingenieure.de

schleicher.ragaller architekten bda

Immenhofer Straße 17/1

70180 Stuttgart (D)

schleicher-ragaller.de

Anzahl der Wohneinheiten

6

Anzahl der Bewohner

18

Wohnfläche in m2

508

Grundstücksgröße in m21.009

Brutto-Grundfläche (BGF) in m2617

Zusätzliche Nutzfläche in m296

FertigstellungDezember 2019

BauweiseSockelgeschoss in Stahlbeton; Obergeschosse in Holzbauweise (Holzständerwände und Brettsperrholzdecken)

EnergiestandardKfW 55

Lageplan

MitwirkendeUnternehmen

JSP Planung, Nürtingen (D),jsplanung.de

Werner & Balci, Beratende Ingenieure, Esslingen (D), werner-balci.de

Carpent Holzbau GmbH, Gärtingen (D)

Architekturfotografie

Zooey Braun, Stuttgart (D)zooeybraun.de

Querschnitt

Längsschnitt

Grundriss Obergeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Maßstab M 1:400

Faszination Gemeinschaft

1. PREIS

PARTIZIPATIVE PLANUNG

Bauherren

SCHWARZATAL – Gemeinnützige Wohnungs- & Siedlungsanlagen GmbH und Verein „Wohnprojekt Gleis 21“

Architekturbüro

einszueins architektur ZT GMBH

Standort

Wien

Gleis 21 – Wir bringen das Dorf in die Stadt

Die Tradition der Baugemeinschaften in Wien ist geprägt von sozialen Aspekten. Eine gemeinsame Idee ist noch heute die wesentliche Motivation für eine Gruppe – die Vision einer anderen Form des Zusammenlebens, die sozialen Idealen folgt und dem gesamten Grätzel zugutekommen soll. Errichtet werden solche Projekte in Österreich fast ausschließlich im Gemeinschaftseigentum und sind oft über einen von den Bewohnern gegründeten Verein organisiert.

„Miteinander Weichen stellen“: Auf nachhaltiges Leben bauen, auf soziale Begegnungen setzen und Solidarität leben, das ist die Vision der Bewohner von „Gleis 21“. Das Gebäude mit 34 Wohneinheiten, zahlreichen Gemeinschaftsflächen und vier Gewerberäumen liegt im neu entstehenden „Sonnwendviertel“ unweit des Wiener Hauptbahnhofs. Wo Bahngleise bis vor wenigen Jahren noch die Bezirke voneinander trennten, soll das neue Viertel die Stadtteile wieder vereinen. Mit ihrem Projekt „Gleis 21“ will die Gruppe das Bild von der Brücke aufnehmen und als Vision in das Viertel tragen: Ein von den Bewohnern über ihren „Kulturverein Gleis 21“ organisiertes regelmäßiges Kulturprogramm wie auch eine Musikschule und ein Bistro in der Erdgeschosszone haben „Gleis 21“ noch vor Fertigstellung der Nachbargebäude zu einem beliebten Treffpunkt werden lassen.

Gemeinschaftlich statt anonym Urbanität zu leben, bedeutet aus Sicht der Gruppe aber auch, anderen Menschen die Chance zu geben, an einem guten Leben teilzuhaben. Und so werden in Kooperation mit dem Diakonie Flüchtlingsdienst Wohnungen an geflüchtete Menschen vergeben.

Möglich wurde dieses Projekt nicht nur durch den gemeinnützigen Bauträger Schwarzatal und den Prozessbegleiter Gernot Tscherteu von realitylab, sondern vor allem auch durch den Architekten Markus Zilker mit seinem Team von einzueins architektur. Zilker lebt mit seinen Entwürfen die Erkenntnis und Faszination, was im Themenfeld des gemeinsamen Wohnens möglich werden kann, wenn man als Gruppe eine Vision teilt. Und so unterstützt auch hier die Architektur den Anspruch, Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit entstehen zu lassen.

Die Gebäudestruktur wird in der Erdgeschosszone aufgelöst, zwischen einzelnen Räumen entstehen Plätze, die eine öffentliche Durchwegung erlauben und zwischen Promenade, Park und den Nachbarbauten vermitteln. Auch auf der Dachebene findet sich ein solches „Ensemble von Räumen“ – hier ist deren Nutzung den Bewohnern vorbehalten. Umlaufende halbprivate Laubengänge transportieren die Lebendigkeit in die Wohngeschosse, Einschnitte und Durchbrüche erlauben eine Kommunikation in der Vertikalen. Und nicht zuletzt ermöglicht die modulare Bauweise eine hohe Flexibilität der Grundrisse und deren Nutzung: Wohnsituationen können immer wieder kurzfristig an veränderte Lebenssituationen angepasst werden.

Blick in den Laubengang an der Nordwestfassade

Der Laubengang als Erschließungs- und Kommunikationszone fördert das Miteinander der Gruppe.