Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser - Carl Nikolaus Kähler - E-Book

Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser E-Book

Carl Nikolaus Kähler

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Beschreibung

Die Epistel an die Kolosser ("Kolosserbrief") wurde als Warnung vor bestimmten Irrlehrern geschrieben, von denen Paulus wahrscheinlich von Epaphras, seinem "Mitgefangenen" und Gründer der Kirche der Kolosser, gehört hatte. Über diese Abtrünnigen sind die unterschiedlichsten Meinungen vertreten worden. Tertullian bezeichnete sie als Philosophen, Clemens von Alexandria als Epikuräer, Eichhorn als Juden, Grotius als heidnische Anhänger des Pythagoras. Man hat sie auch chaldäische Magier, judaisierende Christen, Essener, Ebioniten, Kabbalisten, Gnostiker oder verschiedene Kombinationen von all diesen bezeichnet. Die Grundzüge ihrer Irrtümer werden jedoch in der Epistel mit hinreichender Klarheit beschrieben, die eine zweifache Widerlegung enthält: erstens durch eine Darlegung der wahren Lehre Christi, durch die die Grundlagen der irrigen Lehren als haltlos aufgezeigt werden, und zweitens durch eine Polemik, in der Paulus die Hohlheit dessen, was unter dem fadenscheinigen Namen "Philosophie" vorgebracht wird, offenlegt. Der deutsche Theologe Kähler beleuchtet diese Epistel in seinem Werk ausführlich in 36 Betrachtungen.

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Seitenzahl: 336

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser

 

In 36 Betrachtungen

 

CARL NIKOLAUS KÄHLER

 

 

 

 

 

 

 

Auslegung der Epistel Pauli an die Kolosser, C. N. Kähler

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783988682369

 

Textquelle: www.glaubensstimme.de

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

1. Betrachtung. 1

2. Betrachtung. 5

3. Betrachtung. 9

4. Betrachtung. 13

5. Betrachtung. 18

6. Betrachtung. 25

7. Betrachtung. 30

8. Betrachtung. 35

9. Betrachtung. 39

10. Betrachtung. 43

11. Betrachtung. 48

12. Betrachtung. 53

13. Betrachtung. 58

14. Betrachtung. 63

15. Betrachtung. 69

16. Betrachtung. 75

17. Betrachtung. 79

18. Betrachtung. 83

19. Betrachtung. 89

20. Betrachtung. 95

21. Betrachtung. 100

22. Betrachtung. 105

23. Betrachtung. 110

24. Betrachtung. 115

25. Betrachtung. 120

26. Betrachtung. 127

27. Betrachtung. 132

28. Betrachtung. 136

29. Betrachtung. 140

30. Betrachtung. 144

31. Betrachtung. 147

32. Betrachtung. 152

33. Betrachtung. 157

34. Betrachtung. 161

35. Betrachtung. 163

36. Betrachtung. 167

 

1. Betrachtung

 

All was mein Tun und Anfang ist,

Gescheh im Namen Jesu Christ,

Der steh' mir bei, wie früh, so spat,

Bis all mein Tun ein Ende hat!

 

Einen Eingang will ich diese erste, kurze Betrachtung nennen. Ein frommer Kirchenlehrer hat von der heiligen Schrift gesagt, „sie sei wie ein sehr großer, weiter Wald, darinnen viele und allerlei Arten Bäume ständen, davon man könnte mancherlei Obst und Früchte abbrechen. Denn man habe in der Bibel reichen Trost, Lehre, Unterricht, Vermahnung, Warnung, Verheißung, Drohung usw. Kein Baum sei in diesem Walde, daran er nicht geklopft und ein Paar Äpfel oder Birnen davon gebrochen und abgeschüttelt habe.“ Was hier gesagt ist von der ganzen Schrift, das lässt sich ebenfalls von jedem einzelnen Teile derselben, also auch von unserer Epistel an die Kolosser sagen. Sie ist ein kleiner Wald von Fruchtbäumen, daran viel und herrliches Obst für uns hängt. Darum wollen wir hineingehen an der Hand des heiligen Geistes, wollen unter die Bäume treten in diesem Walde, von jeglichem derselben einige Äpfel oder Birnen brechen, und zuletzt, wenn wir ganz hindurchgegangen sind, dem lieben Herrn im Himmel danken für die Fülle der Früchte, die er in unsern Schoß gegeben hat.

Darf ich bei dieser Wanderung euer Führer sein? Ihr müsst nicht denken, dass ich eine hohe Meinung von mir habe und mir einbilde, mehr zu wissen als andere. Es mag wohl mancher unter euch sein, der durch jenen Wald öfter gegangen ist und mehr Kunde von ihm hat als ich. Dennoch biet' ich mich denen zum Führer an, die mich dazu brauchen wollen. Ich tue das nicht auf eigenes Geheiß, sondern auf den Antrieb dessen, der in mir, wie in uns allen mächtig ist. Der Herr, der bei uns ist alle Tage, hat mich so geführt, dass ein Verlangen in mir entstanden ist, das Licht, welches er mir über diesen Teil der Schrift angezündet hat, nicht bloß mir leuchten zu lassen, sondern es aufs Dach zu stellen, dass es auch meinen Brüdern leuchte. Sonderlich aber hab' ich dabei an die große Menge derer gedacht, denen noch der recht lebendige Glaube mangelt, weil sie das Wort Gottes nicht kennen, woraus der Glaube kommt. Und wenn sie lesen wollten in der Schrift: verständen sie auch, was sie läsen? Wie könnten sie, wenn nicht jemand sie anleitete! Ganz besonders gilt das von den Briefen des Apostels Paulus. Ich will in einem zweiten Gleichnisse reden. Ihr wisst, dass unter den vielen Sternen am Himmel etliche sind, die man Planeten oder Wandelsterne nennt. Sie werden von der Sonne, um die sie kreisen, erleuchtet und erwärmt, und haben eine Fülle von Schönheit und Herrlichkeit, die jeden, der sie kennt, zur Bewunderung und zum Lobe Gottes treibt. Aber weil sie ferne von uns stehen, werden sie von wenigen bemerkt, und wer sie bloß mit seinem natürlichen Auge ansieht, der erkennt nicht ihre Herrlichkeit und hält wohl gar von Menschen angezündete Lichter für schöner, als jene Himmelslichter, die von Gott angezündet sind. Also geht es auch mit den Büchern der heiligen Schrift und insbesondere mit den Briefen des Apostels Paulus. Sie alle bewegen sich um Christum, das Licht der Welt, haben ihr Licht von ihm, ihren Glanz und eine Herrlichkeit, die noch weit größer ist als die der Sterne am Himmel. Aber weil sie geschrieben sind zu einer Zeit, die von der unsrigen durch Jahrhunderte geschieden ist, und in einer Sprache, die als die Sprache des heiligen Geistes dem natürlichen Menschen fast unverständlich ist, so lesen viele sie nicht, und die sie lesen, erkennen nicht den Reichtum, der in ihnen verborgen ist. Was soll man nun tun, dass das Verständnis der Schrift den Christen aufgehe? Für die Betrachtung der Sterne hat uns Gott das Fernrohr gegeben, durch welches ihre verborgene Herrlichkeit uns offenbar geworden ist. Wer durch solch ein Fernrohr blickt, kann nicht müde werden, die Wunder Gottes am Himmel zu betrachten, und je länger und genauer er zusteht, desto mehr Wunder entdeckt er. Aber der gnädige Herr im Himmel hat uns auch für die Betrachtung der Sterne in der Schrift ein Fernrohr in die Hand gegeben; das ist die Auslegung, die sein heiliger Geist leitet und wirkt. Nun, Christen, so lasst uns denn zu diesem geistlichen Fernrohr greifen und durch dasselbige jetzt den schönen Stern betrachten, welcher den Namen „Epistel Pauli an die Kolosser“ führt. Ich habe das Fernrohr nicht erfunden; nein, es ist längst da gewesen in der Welt; ich habe alles, was ihr in meinem Buche lest, empfangen von dem Herrn und von den Brüdern, und habe bloß meine Hand dazu hergegeben, aus dem Empfangenen ein kleines Fernrohr zu bereiten, das vielleicht manchem von euch nützen kann.

Lasst euch nun, bevor wir an die Auslegung unserer Epistel gehen, erst einige allgemeine Bemerkungen mitteilen. Als Paulus seinen Brief an die Kolosser schrieb, war er gefangen zu Rom; es war seine erste Gefangenschaft daselbst. Er hatte schon viel zuvor gewirkt im Dienste des Herrn; als dessen Sendbote hatte er große, beschwerliche Reisen durch einen Teil von Asien und Europa gemacht, und überall, wohin er kam, alles mit dem Evangelio erfüllt. Aber die Feinde des Evangeliums stellten ihm nach, und der Herr ließ es zu, dass er gefangen nach Rom geführt wurde, wovon wir das Weitere in den legten Kapiteln der Apostelgeschichte lesen. Da war nun der teure Mann gebunden, indem beständig ein römischer Soldat bei ihm war, mit dem man ihn durch eine Kette am Arm zusammengefesselt hatte. Aber hier erkennen wir wieder die Tiefen der Weisheit und Liebe Gottes. Der Teufel wollte aus den Fesseln des Apostels Hemmketten des Evangeliums schmieden, aber gerade das, was dem Evangelio schaden sollte, musste ihm zum Segen gereichen. Der Apostel, obwohl gefesselt, saß doch nicht in strenger Haft. Er durfte sich eine Wohnung in Rom mieten, und daselbst von seinen Freunden sich besuchen lassen, auch Besuche bei ihnen machen. So fand er vielfache Gelegenheit, die Brüder in Rom zu stärken, und verlorene Seelen, sonderlich aus den Heiden, durch die Verkündigung des Evangelii zu retten. Aber ungleich größeren Segen noch hat er durch die Briefe gestiftet, die er während seiner Gefangenschaft in Rom geschrieben hat. Weil er selbst Rom nicht verlassen durfte, so suchte er die entfernten Gemeinden durch Briefe zu stärken, die er in seinen Banden schrieb, welches teure Kleinod wir vielleicht nicht bekommen hätten, wenn er die Gemeinden persönlich hätte besuchen können. Also weiß der Herr alles zum Besten zu lenken, und selbst in dem Körper eines toten Löwen Honig zu bereiten.

Auch unsere Epistel an die Kolosser haben wir dieser wunderbaren Fügung Gottes zu verdanken. Nebst anderen Freunden kam auch ein gewisser Epaphras, ein Apostel-Schüler, nach Rom, um Paulum zu besuchen. Er erzählte ihm von etlichen christlichen Gemeinden, die er unter des Herrn Beistand gegründet hätte. In der jetzigen astatischen Türkei - früher Kleinasien genannt - lagen in der Landschaft Phrygien drei Städte nahe bei einander, sie hießen: Kolossa, Heliopolis und Laodicea. Daselbst waren von den unter einander wohnenden Juden und Heiden, besonders von den Heiden, durch die Predigt des Epaphras viele bekehrt worden, und bildeten nun drei christliche Nachbar-Gemeinden. Sie und die Örter, die sie bewohnten, sind längst nicht mehr vorhanden. Kolossä namentlich soll schon früh durch ein Erdbeben verwüstet worden sein, und die an der Stätte der Verwüstung wieder erbaute Stadt wurde nicht mehr Kolossä, sondern Chonos genannt. Auch von ihr sind gegenwärtig nur Trümmer vorhanden, die den Wanderer, wenn er an die alten Zeiten zurück denkt, mit tiefer Wehmut erfüllen müssen, zumal da auch der christliche Glaube längst aus jenen Gegenden entwichen ist. Ach, wie liegt das schöne Kleinasien jetzt verödet da, das früher so erfüllt war mit dem Evangelio! Verhüte Gott, dass unser Deutschland nicht einst ein gleiches Schicksal treffe! Es kommt zum größten Teil auf uns an, ob Christus mit seinem teuren Evangelio bei uns bleiben, oder sich von uns wegwenden soll.

Auch auf die früheren Christen in Asien fällt zum größten Teil davon die Schuld, dass der Herr ihre Länder und Städte verlassen hat. Schon Epaphras musste dem Apostel Paulus klagen, dass in jenen neugestifteten Gemeinden sich deutliche Spuren eines verderblichen Unkrauts zeigten, das der Teufel unter den evangelischen Weizen gesät hatte. Die Bewohner Phrygiens, von Natur zu schwärmerischen Verirrungen der Vernunft geneigt, ließen sich leicht hinreißen, wenn ein Irrlehrer aufstand, der durch eine trügerische Weltweisheit und durch rednerische Künste sich ein Ansehen zu verschaffen wusste. Wirklich traten solche Irrlehrer auf und verschafften sich einen Anhang unter den Christen. Diese Schwärmer gaben vor, dass sie einen tieferen Blick in das Geisterreich getan und höhere Offenbarungen darüber empfangen hätten, als andere Leute. Sie wussten viel über die Herkunft, über die Ordnungen, über die Würde der Engel zu reden, die sie wohl gar über Christum stellten und denen sie eine besondere Verehrung bewiesen. Sie traten ferner der evangelischen Freiheit in den Weg, indem sie die Christen zu den alttestamentlichen Satzungen, zur Beschneidung, zu den Reinigungen, Opfern und dergleichen als zu notwendigen Werken der Gerechtigkeit zurückführen wollten. Dazu kam noch ein anderer großer Irrtum, dass sie nämlich glaubten und lehrten, die Sünde habe ihre erste Wurzel nicht im Herzen, sondern sie komme von außen, komme von der Materie, wie sie sagten, ins Herz hinein, daher sie darauf drangen, man solle die Berührung mit der Außenwelt vermeiden, solle seinen Leib kasteien, solle nicht Fleisch essen usw., wo sie nicht gar lehrten, man solle nicht ehelich werden. Das war das böse, wuchernde Unkraut der Irrlehre unter den Kolossern, und war einer der vielen Wege, die das verkehrte Herz des Menschen einschlägt, wenn es seine Weisheit und Gerechtigkeit außer Christo sucht.

Aber auch diese schwarze Gewitterwolke hat der Herr in einen sanften, milden Regen verwandelt, der noch jetzt vieler Tausend Christen Herzen erquickt. Denn alsbald, da der liebe Apostel Paulus von dieser Not der Gemeinden hörte, jammerte ihn der armen Brüder in Phrygien, und flehte nicht nur samt Epaphras in täglichem Gebet den Herrn um Hilfe an, sondern schrieb auch Briefe nach Asien, darin er die Gemeinden zu stärken suchte in ihrem Glauben, Christi göttliche Natur und Versöhnung ihnen predigte, seine, des Apostels Liebe und Eifer auch für die Christen in Phrygien bezeugte, sie vor dem Trug der Irrlehren warnte, und ihnen die rechte Weise des christlichen Lebens zeigte. So ist diese unsere Epistel an die Kolosser entstanden, für deren Erhaltung wir dem treuen Herrn im Himmel nicht genug danken können, da, wenn auch außer den Evangelien sonst keine Schrift im neuen Testamente wäre, als diese einzige Epistel, wir daran allein schon genug hätten, um zu wissen, was wir glauben und tun sollten, um selig zu werden.

 

2. Betrachtung

 

Wie der Herr, da er unter seine Jünger trat, Luk. 24, sie zunächst grüßte und sprach: Friede sei mit euch! so grüßten nachmals auch die Jünger des Herrn die Gemeinden, zu denen sie kamen, oder an die sie schrieben. Und wie ganz anders lautete ihr Gruß, als sonst gemeiniglich der Gruß lautet, womit ein Mensch zu dem andern tritt! Schrieb ein Heide an die Seinigen, so hieß es etwa zu Anfang seines Briefes: „Wenn du gesund bist, so freut es mich, ich bin gesund.“ Hören wir, mit welchem Gruß der Brief an die Kolosser beginnt.

Der apostolische Gruß.

Kap. 1,1 und 2: Paulus, ein Apostel Jesu Christi, durch den Willen Gottes, und Bruder Timotheus, den Heiligen zu Kolossä, und den gläubigen Brüdern in Christo: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo!

Der Grüßende ist Paulus, wie der Apostel sich in allen seinen Briefen nennt. Früher, da er noch ein Jude war und die Gemeinden Gottes verwüstete, hieß er Saulus, wie denn auch der Herr ihn so anredet vor Damaskus (Apg. 9,4.): „Saul, Saul, was verfolgst du mich!“ Aber nicht nur der Name des Mannes war verändert, sondern auch der Mann selbst. Früher ein Verderber, jetzt ein Vater der Gemeinden; früher ein Feind, jetzt ein Apostel Jesu Christi. Apostel heißen die, welche unmittelbar von Christo berufen, und von seinem Geiste erleuchtet, nach seinem Gebot ausgingen in die Welt, das Evangelium zu verkündigen. Paulus stand nicht hinter den übrigen Aposteln zurück. Ich achte, ich sei nicht weniger, denn die hohen Apostel sind, spricht er 2 Kor. 11. Sein Apostelamt war nicht aus eigener Wahl hervorgegangen. Er hatte, da er noch ein Eiferer nach dem Gesetze war, und dem Tode des Stephanus mit Wohlgefallen zusah, und mit Briefen nach Damaskus eilte, wohl nichts weniger gedacht, als dass er noch einmal ein Diener Christi werden würde. Und doch wurde er's! Gott, der ihn von Mutterleibe ausgesondert hatte, bekehrte ihn, der sich selbst den vornehmsten unter den Sündern nennt, durch das Wunder vor Damaskus, rüstete ihn aus mit dem heiligen Geist, und gab ihm das Zeugnis (Apg. 9.): „Dieser ist mir ein auserwähltes Rüstzeug, dass er meinen Namen trage vor die Heiden.“ Darum konnte er sich einen Apostel des Herrn nennen, und um sich von denen zu unterscheiden, von welchen Gott sagt: „Ich sandte sie nicht, doch laufen sie,“ setzt er hinzu: „Durch den Willen Gottes.“ Denn wer das evangelische Lehramt verwalten will, muss vor allen Dingen versichert sein, dass Gott ihn dazu verordnet habe, und er durch die rechte Tür eingegangen sei, damit er auf sein Amt trogen, und sich des göttlichen Segens und Schutzes getrösten könne. Paulus aber grüßt nicht bloß in seinem eigenen Namen, sondern er grüßt zugleich von dem Bruder Timotheus, der bei ihm war in Rom, und der auch im Eingang der zweiten Epistel an die Korinther, des Briefes an die Philipper und der beiden Sendschreiben an die Thessalonicher an seiner Seite steht. Er nennt ihn seinen Brüder, gemäß dem Worte des Herrn (Matth. 13.): „Einer ist euer Meister, ihr aber seid Brüder,“ und nach der Gleichheit ihres Amtes, da sie beide den gekreuzigten Christum predigten.

Gehen wir nun von den Grüßenden zu den Gegrüßten über. Paulus bezeichnet sie als heilige und gläubige Brüder in Christo. Warum Brüder? Weil sie, wiedergeboren aus dem lebendigen Samen des Evangeliums, alle Vorrechte der Kinder Gottes und einerlei Erbe mit einander gemein hatten, auch durch das Band der Liebe und des Friedens verknüpft, in Einem Hause, nämlich der Gemeinde des lebendigen Gottes, mit einander lebten. Gläubige können unter sich keinen schönern Namen führen, als den Namen „Brüder.“ „Ihr seid alle Brüder,“ spricht der Herr, und David preist ihre Gemeinschaft (Ps. 133.): „Siehe, wie fein und lieblich ist's, dass Brüder einträchtig bei einander wohnen!“ Traurig, dass der herrliche Brüdername in der Welt so missbraucht wird! Doch nicht bloß Brüder heißen die Kolosser, sondern heilige und gläubige Brüder. Die Heiligung ist Gottes Werk, der durch sie den Menschen zu sich ruft und ihm seine Gnadenhand bietet, die der Glaubende ergreift und festhält bis ans Ende. Die Christen werden oft Heilige genannt, und sie sind es auch. Man muss den Irrtum fahren lassen, als ob die Heiligen bloß im Himmel zu suchen wären; wer nicht auf Erden heilig ist, der wird's im Himmel nimmer werden. Warum heißen denn die Christen Heilige? Darum, weil sie, durch den kräftigen Ruf Gottes von der befleckten Welt abgesondert, und als lebendige Opfer mit Leib und Seele dem Herrn geweiht sind, dessen heiliger Geist sie von den toten Werken reinigt und zu allem guten Werke mehr und mehr tüchtig macht. Wähnt also nicht, dass der Name „heilige und gläubige Brüder“ bei Paulus ein leerer Titel sei, den er ohne Unterschied allen Christen und allen Gemeinden beilege. An die Galater schreibt er bloß: „Paulus, ein Apostel der Gemeinden in Galatia.“ Wie würde es lauten, wenn er an uns schriebe? Die Zeiten, wo man ganze Gemeinden als heilige und gläubige Brüder anreden konnte, haben sich vielfach so geändert, dass man heut zu Tage klagen muss: „Hilf, Herr, die Heiligen haben abgenommen und der Gläubigen sind wenig unter den Menschenkindern“ (Ps. 12.)! Prüfen wir uns denn und fragen, ob wir die Kennzeichen einer Gemeinde Christi an uns tragen. Ihre `beste Beschreibung ist die, welche der Apostel in unserm Text gibt, dass sie nämlich eine Sammlung heiliger und gläubiger Brüder in Christo sei in Christo, das heißt, in der Gemeinschaft mit Ihm. Denn durch die Gemeinschaft, worin sie mit Ihm getreten, sind sie geworden, was sie sind, Kinder Gottes, also Brüder, und ist nichts Verdammliches an ihnen, nun sie in Christo Jesu sind (Röm. 8,1.) und in Ihm gewurzelt und fest gegründet, wie Bäume gepflanzt an den Wasserbächen, die ihre Frucht bringen und deren Blätter nicht verwelken.

Doch hören wir jetzt den Gruß selbst, womit der Apostel die lieben Brüder grüßt: „Gnade sei mit euch, und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesu Christo!“ Das ist immer des Apostels Gruß in seinen Briefen, zu Anfang und am Schluss. Auch Petrus grüßt so: „Gott gebe euch viel Gnade und Frieden!“ Gnade - ein kleines Wort, aber der ganze Himmel liegt darin eingeschlossen. Es bedeutet die unverdiente Liebe Gottes in Christo, woraus, als aus einer unerschöpflichen Quelle, aller Segen an himmlischen Gütern über den Sünder sich ergießt. „Aus Gnaden seid ihr selig geworden, durch den Glauben, und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus den Werken, auf dass sich nicht jemand rühme“ (Ephes. 2,8.9.). Es kann daher dem Menschen nichts Seligeres widerfahren, als wenn man zu ihm sagen kann, wie zur Maria gesagt wurde in dem Engelgruß: „Du hast Gnade bei Gott gefunden.“ Welchen Wert die Gnade Gottes für den Sünder hat, davon mögen die zeugen, die sie gehabt, aber verloren haben, und nun klagen wie die Kinder Korah: „Herr, der Du bist vormals gnädig gewesen Deinem Lande, und hast die Gefangenen Jakobs erlöset, der Du die Missetat vormals vergeben hast Deinem Volk und alle ihre Sünde bedeckt; der Du vormals hast allen Deinen Zorn aufgehoben, tröste uns, Gott, unser Heiland, und lass ab von Deiner Ungnade über uns. Willst Du denn ewiglich über uns zürnen und Deinen Zorn gehen lassen immer für und für? Herr, erzeige uns Deine Gnade und hilf uns.“ Wo aber Gnade ist, da ist auch Friede, da hört die Anklage im Gewissen auf, und das Herz wird ruhig, und von den Banden der knechtischen Furcht befreit. „Nun ist groß Fried' ohn' Unterlass, all Fehd' hat nun ein Ende.“ Gottes Gnade ist die Wurzel des Lebensbaumes, worauf die goldenen Früchte der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude im heiligen Geiste wachsen. Diese zwei, Gnade und Friede, sind gleichsam die beiden Türangeln, worin sich das ganze Christentum bewegt. Friede kann nicht sein ohne Gnade, und Gnade nicht ohne Frieden, wenn der Begnadigte ihn auch nicht immer fühlt, sondern ihm mitunter ist, als hätte Gott ihn verlassen, wie David klagt (Ps. 38.): „Es ist nichts Gesundes an meinem Leib vor Deinem Drohen und ist kein Friede in meinen Gebeinen vor meiner Sünde.“ -Beides nun wünscht Paulus seinen Kolossern. Denn obgleich sie bereits unter der Gnade standen, und die Erstlinge des Friedens gekostet hatten, so bedurften sie doch des Wachstums und der Befestigung darin, zumal da von Irrlehrern ihnen Gefahr drohte. Aber woher kommen Gnade und Friede? Der Mensch kann sie nicht aus seinen eigenen Vorratskammern nehmen, sie kommen von Gott, dem Vater, und Jesu Christo. Von Gott kommt alle gute Gabe, er ist ein Gott aller Gnade und Barmherzigkeit (1 Petri 5.), der am Tode der Sünder keinen Gefallen hat, sondern sie zu Kindern annimmt und sie die Früchte der Versöhnung genießen lässt. Darum heißt er ein Gott des Friedens (Hebr. 13,20.). Weil aber Christus der Mittler ist zwischen Gott und den Menschen, der uns durch sein Blut den Zugang zur Gnade eröffnet hat, ja selbst unser Friede geworden ist (Eph. 2.); so setzt der Apostel ihn dem Vater an die Seite, welches zugleich ein Zeugnis ist von der göttlichen Herrlichkeit unsers Erlösers. Wir haben Frieden mit Gott durch unsern Herrn Jesum Christum (Röm, 5.).

Möchten denn zu dieser Quelle des Friedens sich wenden, die noch unter dem Zorn und der Ungnade Gottes sind. Einen unversöhnten Gott im Himmel haben, und die Hölle im Gewissen tragen, ist das größte Elend auf Erden. Darum muss man zuvörderst die Gnade suchen. Spricht dann der Richter: „Sei getrost, dir sind deine Sünden vergeben,“ so vertreibt die Sonne des Friedens allen Nebel der Angst und Traurigkeit. Hast du aber die Gnade Gottes, so halte sie fest bis ans Ende, und hast du den Frieden, so brich ihn nicht durch ein sündliches Leben, denn unsere Sünden scheiden uns und unsern Gott. Sorge, dass du einst in Frieden mögest hinfahren wie Simeon, und in die Wohnungen des Friedens kommen.

 

3. Betrachtung

 

Vom Gruß geht der Apostel sofort zum Danke über, wie er denn seine Briefe meistens mit einem herzlichen Dank für die den Gemeinden erwiesene Gnade anfängt. Röm. 1,8: Aufs Erste danke ich meinem Gott. 1 Kor. 1,4: Ich danke meinem Gott allezeit eurethalben. 2 Kor. 1,3: Gelobet sei Gott. So finden wir auch in unserm Briefe einen Dank für die Gemeinde zu Kolossä.

Kap. 1,3-5: Wir (Paulus und Timotheus) danken Gott und dem Vater unseres Herrn Jesu Christi, und beten allezeit für euch, nachdem wir gehört haben von eurem Glauben an Christum Jesum, und von der Liebe zu allen Heiligen, um der Hoffnung willen, die euch beigelegt ist im Himmel.

Zunächst wird hier der Dank selbst ausgesprochen. „Wir danken Gott und dem Vater unsers Herrn Jesu Christi.“ Da hören wir, wem unser Dank gebührt: dem Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi! Im Alten Bunde heißt Gott „der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs,“ weil Gott durch sie die Offenbarung seiner Herrlichkeit und die Verheißung seines Segens hat ausgehen lassen über sein Volk, dessen Häupter sie waren. Im Neuen Bunde ist nicht mehr Abraham das Haupt, sondern Christus, in welchem die Verheißung erfüllt ist, durch welchen Gott uns gesegnet hat in allem geistlichen Segen. So wissen wir nun von keinem andern Gott, als der sich an uns verherrlicht hat durch Christum, und wissen von keinem andern Vater, als dessen Kinder wir geworden sind durch Christum, wie auch der Heiland selber (Joh. 20,17.) seinen Gott unsern Gott und seinen Vater unsern Vater nennt. Darum ist das der rechte christliche Dank, dabei man erkennt und Gott preist, dass er uns alles Gute durch seinen lieben Sohn erwiesen hat. - Des Apostels Dank aber war mit beständiger Fürbitte für die Kolosser verbunden: „Wir beten,“ sagt er, „allezeit für euch.“ Andere ziehen das „allezeit“ zum Danke, „wir danken für euch allezeit, wenn wir für euch beten.“ Der Dank setzt voraus, dass die Kolosser in der Gnade standen, das Beten oder Bitten aber, dass sie noch in Gefahr waren, also Ursache hatten zu wachen, zu beten, und im Guten zu wachsen und zuzunehmen. Danken und Bitten müssen immer beisammen sein. Begehrst du eine neue Wohltat von Gott, so danke zuvor für die empfangene alte, wie Jakob tat, da er um Schutz wider Esau bitten wollte (1 Mos. 32.), und dankst du für das, was du empfangen hast, so bitte, dass es dir nicht wieder verloren gehe, zumal wenn es ein geistlich Gut ist, denn wir tragen unsern Schatz in irdenen Gefäßen. Wer nicht dankt, der ist, wie die Säue sind, welche zwar die Eicheln auslesen, aber nicht über sich blicken auf den Baum, von wo sie kommen, oder wie jene neun Aussätzigen (Luk. 17.), welche nicht umkehrten und Gott die Ehre gaben. Und wer nicht bittet um Erhaltung der Gnade, die er empfangen hat, der ist wie ein Schiffer, welcher leichten Sinnes mit seiner Ladung in See geht, ohne zu bedenken, dass, noch ehe es Abend wird, ein Sturm kommen und seinem Schifflein den Untergang bringen kann. Also fährst du mit deinen geistlichen Gütern unter Stürmen und Klippen so lange du lebst in der Welt, darum bete und bete allezeit, und nicht nur für dich, sondern auch für deinen Nächsten; besonders sollen das die Hirten tun für ihre Gemeinden.

Was nun ist es, wofür der Apostel dankt? Er dankt für dreierlei: für den Glauben, für die Liebe und für die Hoffnung der Kolosser. Also fasst er das ganze Christentum der Kolosser kurz zusammen in diese drei Worte: Glaube, Liebe, Hoffnung, die als treue Schwestern immer beisammen sind, wie auch anderswo Paulus diese drei zusammenstellt (1 Kor. 13.). Erstlich dankt er für ihren Glauben an Christum Jesum, oder wie im Grundtexte steht: in Christo Jesu. An ihn glauben ist nicht so viel als in ihm glauben; jenes ist die Hinwendung zu ihm in der Bekehrung, dieses das ihm Zugewandtsein und die Gemeinschaft mit ihm durch das Band des Glaubens, gleichwie eine Rebe am Weinstock ist, oder Efeu um den Baum sich geschlungen hat, von dem er sich nicht scheiden noch losreißen lässt, oder wie ein Kind, das sich sehnt und streckt nach der Mutter Brust, wenn es von der Mutter aufgenommen ist, selig ruht in der Mutter Schoß. So findet der Christ durch seinen Glauben eine selige Ruhe in der Liebe Christi. Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen, wenn ich in deiner Liebe ruh'! Ich traure nicht, was kann mich quälen? Mein Licht, mein Heil, mein Trost bist du!

Eine solche gläubige Gemeinschaft mit Christo kann nicht ohne die Frucht der Liebe sein. Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht (Joh. 15.). Darum dankt der Apostel ferner für der Kolosser Liebe gegen alle Heiligen. Warum gedenkt er nicht ihrer Liebe zu Gott? Weil sich das von selbst versteht: Wer den Nächsten liebt, der liebt auch Gott. Eine besondere Art der Nächstenliebe aber ist die Liebe gegen die Heiligen, von Petrus „brüderliche Liebe“ genannt (2 Petri 1,7.). Die christliche Liebe, obwohl sie keinen Menschen ausschließt, selbst nicht den Feind, ist doch am wärmsten gegen die, welche mit uns in Glaubensgemeinschaft stehen, daher es auch heißt (Gal. 6.), dass wir allermeist Gutes tun sollen an den Glaubensgenossen, und Gott selbst zwar heißt ein Heiland aller Menschen, sonderlich aber der Gläubigen (1 Tim. 4.). Die gemeine Liebe kann auch sein ohne Glauben, aber die Liebe zu den Heiligen ist das sicherste Kennzeichen der Wiedergeburt, daher auch Paulus für sie sonderlich dankt, zumal da sie sich bei den Kolossern auf alle Heiligen erstreckte, ohne Ansehen der Person, es mochten Juden- oder Heidenchristen sein. Von dem Glauben und der Liebe der Kolosser sagt nun Paulus, er habe davon gehört. Beide, Glaube und Liebe, sind zwar im Menschen verborgen, aber ihre Wirkungen sind doch, sichtbar, denn der Glaube macht den Menschen neu nach Herz, Mut, Sinn und allen Kräften, und zündet ein Licht in ihm an, dessen Strahlen die guten Werke sind, wie Jakobus sagt: „Ich will meinen Glauben zeigen mit meinen Werken.“ Ebenso, wo Liebe ist, da sind auch Liebeserweisungen; sie gleicht dem Balsam, der seinen Geruch weit ausbreitet und das ganze Haus damit erfüllt. Zuletzt wird nun auch der Hoffnung der Kolosser noch erwähnt, die Paulus als den Grund ihres Glaubens und ihrer Liebe bezeichnet, weil beide nicht bestehen können ohne die Hoffnung. Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christum, so sind wir die elendesten unter allen Menschen. Wie der Arbeiter, wenn er pflügt oder gräbt, zwar ein Wohlgefallen an der Arbeit hat, die er mit fröhlichem Herzen tut, weil er dazu von Gott berufen ist, aber diese Arbeit nichtig und ziellos wäre ohne die Ernte, die ihm Gott in der Ferne zeigt: also geht auch dem Christen sein Glauben und Lieben über alles, ist sein Odem, ist sein Leben in dieser Welt, aber dennoch wäre es damit nichts, wenn nicht Gott über diesem Leben den schönen Himmel der Hoffnung ausgebreitet hätte, den der Christ vor Augen hat. Darum preist nun der Apostel den Glauben und die Liebe der Kolosser wegen der Hoffnung spricht er: „die euch aufbewahrt ist im Himmel.“ Es ist gemeint die selige Hoffnung und Erscheinung der Herrlichkeit des großen Gottes und unsers Heilandes Jesu Christi (Tit. 2.), die unaussprechliche Freude und Herrlichkeit, die an uns soll offenbart werden. Diese Hoffnung ist noch nicht da für die Gläubigen - sie sind noch nicht, was sie sein werden (1 Joh. 3.) aber sie haben sie doch sicher zu erwarten, denn sie wird als ein teures Pfand und ein herrlicher Schatz von Gott für sie aufbewahrt an einem sichern Ort, dem Himmel, gleichwie ein Vater, der seinen Kindern ein köstliches Erbe schenkt, es wohl den Kindern zeigt, dann aber sagt: „Ich will es euch verwalten und verwahren, und ihr sollt es haben, wenn ihr an Verstand und Jahren reif geworden seid.“ Nun dienen zwar die Kinder Gottes in ihrem Glauben und in ihrer Liebe dem Herrn nicht um die Seligkeit als um einen Lohn - denn die Seligkeit ist eine freie Gabe Gottes in Christo Jesu (Röm. 6.), und was die Christen tun oder leiden in der Welt, das ist nicht wert der Herrlichkeit, die einst an ihnen soll offenbart werden; aber doch bedürfen sie der Hoffnung als eines Steckens und Stabs auf ihrer Wanderschaft, daher sie auch zu den Waffen der Christen gerechnet wird, sie ist ihr Helm (1 Thess. 5.). Sie macht sie fröhlich und getrost, selbst da, wo andere zittern vor Warten der Dinge, die da kommen sollen, und wenn sie sehen müssen, wie es in der Welt von Tag zu Tage schlimmer wird und aller Orten klagen hören: „Wir hofften, es sollte Friede werden, so kommt nichts Gutes“ (Jer. 14.); so ist doch dies ihr Trost, dass sie Kinder der Heiligen sind, und warten auf ein Leben, welches Gott geben wird denen, so im Glauben stark und fest bleiben vor ihm. Da lerne nun, lieber Christ, von Paulus, wofür du Gott zumeist danken sollst. Die mehrsten danken nur, wenn ihre Scheune voll Korn und ihre Kammer voll Speise ist: was helfen uns aber alle Schätze der Welt, wenn wir außerhalb der Gemeinschaft mit Christo durch den Glauben, außerhalb der Gemeinschaft mit den Heiligen durch die Liebe, außerhalb der Gemeinschaft mit dem Himmel durch die Hoffnung ständen!

O, lass hören von dir, wie die Kolosser von sich hören ließen, lass hören von deinem Glauben und von deiner Liebe! Wo du solches tust, wird dir auch reichlich dargereicht werden der Eingang zu dem ewigen Reich unsers Herrn und Heilandes Jesu Christi.

 

4. Betrachtung

 

Paulus hat der Hoffnung gedacht als des himmlischen Bodens, worauf der Glaube und auch die Liebe der Kolosser gebaut war. Nun aber waren die Kolosser früher Heiden, die Heiden aber haben keine Hoffnung (Eph. 2,13.). Sie liegen in Finsternis und Schatten des Todes, die ganze himmlische Welt ist vor ihren Augen verborgen. Wie waren denn die Kolosser zu jener herrlichen Hoffnung gekommen? Wie wir alle dazu gekommen sind: dadurch, dass der Same des Evangeliums in ihre Herzen gepflanzt war. Deshalb nun erinnert sie der Apostel an die Pflanzung des Evangeliums in der Gemeinde zu Kolossä. Kap. 1,5-8: **Von welcher (Hoffnung) ihr zuvor gehört habt durch das Wort der Wahrheit im Evangelio, das zu euch gekommen ist, wie auch in alle Welt, und ist fruchtbar, wie auch in euch, von dem Tage an, da ihr es gehört habt und erkannt die Gnade Gottes in der Wahrheit, wie ihr denn gelernt habt von Epaphras, unserm lieben Mitdiener, welcher ist ein treuer Diener Christi für euch, der uns eröffnet hat eure Liebe im Geist.

Es ist noch nicht erschienen, was wir sein werden. Die himmlische Herrlichkeit liegt noch in der Ferne, beides, nach Raum und Zeit. Wo ist der Himmel? Wir suchen ihn über den Sternen und können ihn mit unsern leiblichen Augen nicht finden. Wann erscheint die zukünftige Herrlichkeit? Wir wissen, dass sie erscheinen wird, aber wann? Das wissen wir nicht. Ach, so ist ja unsere teuerste Hoffnung ganz in die Ferne gerückt! Doch nein! Gott hat gesorgt, dass, was ferne ist, uns dennoch nahe sein möchte; er hat uns, schon während wir auf Erden leben, in den Himmel versetzt, und hat, noch ehe wir mit Christo offenbar werden in der Herrlichkeit, uns selig gemacht in der Hoffnung. Darum spricht Paulus: Ihr habt zuvor gehört von der Hoffnung. Wo hat Gott uns denn im Voraus Kunde gegeben von der Zukunft? Im Worte der Wahrheit, im Evangelium. Das Evangelium ist ja die frohe Botschaft von der heilsamen Gnade Gottes, die in Christo Jesu erschienen ist. Derselbe hat die Scheidewand niedergebrochen, die uns von Gott und dem Himmel trennte, daher er auch spricht (Joh. 1.): Von nun an werdet ihr den Himmel offen sehn.

Ist aber auch die Kunde zuverlässig, die uns im Evangelium gegeben wird? Ja, das Evangelium ist „das Wort der Wahrheit;“ es stammt von Christo, dem treuen und wahrhaftigen Zeugen, welcher spricht: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben;“ es ist ein Licht, das von sich selber zeugt, dass es Licht, Wahrheit und Leben ist. Daher vermag auch nichts dagegen die Irrlehre aller falschen Propheten. Dies Wort sie sollen lassen stahn, und kein'n Dank dazu haben! Dies Wort ist zu euch gekommen, spricht der Apostel. Es ist dies göttliche Zu-uns-Kommen die gnädige Gegenwart und Offenbarung Gottes in unsern Herzen. Wenn uns Gott bekehren will, können wir nicht selber aufstehen und ihm entgegenwandeln, sondern er macht den Anfang zu unserer Bekehrung mit seiner zuvorkommenden Gnade, indem er mit seinem Worte zu uns kommt. „Nicht aber bloß zu uns, sondern zu allen Menschen in alle Welt.“ Der Schall des Evangeliums ist ausgegangen in alle Welt (Röm. 10.). War es nun auch zu Pauli Zeiten noch nicht allenthalben hingekommen, so war es doch auf dem Wege; Paulus sieht im Geiste schon die ganze Welt damit erfüllt. Welch ein Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums! Das Wort von einem Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit (1 Kor. 1,23.); dies Wort, im Kampfe stehend mit dem sündlichen Fleisch, von dem es Selbstverleugnung fordert; verkündigt von ungelehrten Leuten, in einer Welt, die im Argen liegt, und unter mancherlei Kreuz, das es mit sich bringt: dennoch dringt dies Wort durch die ganze Welt! Diese Bestimmung und Natur des Evangeliums, dass es ein Schatz, ein Segen sein soll für die ganze Welt, hält Paulus den Irrlehrern vor, zumal den jüdischen, die das Heil bloß auf die Juden beschränken wollten. Was wäre das Evangelium, wenn es bloß für diesen und den, nicht aber für alle Menschen wäre! Was nicht wahr ist für die ganze Welt, das verdient den Namen Wahrheit nicht. -

Welcher Werkzeuge aber bedient sich Gott, um das Evangelium in alle Welt zu bringen? Zu den Kolossern war es durch Epaphras gekommen, und Paulus lobt die Person dieses Mannes und bestätigt seine Lehre, indem er sagt: Wie ihr sie denn gelernt habt von Epaphras, unserm lieben Mitdiener, welcher ist ein treuer Diener Christi für euch, der uns auch eröffnet hat eure Liebe im Geist. Von Epaphras ist schon die Rede gewesen in unserer ersten Betrachtung. Hier nun hören wir ein schönes Lob, das Paulus über ihn ausspricht. Das ist das Geringste, dass Epaphras nach Rom kam, wo er den Apostel besuchte und ihm Kunde gab, wie vom Zustande der Kolosser überhaupt, so insonderheit von ihrer Liebe, die sie gegen alle Heiligen bewiesen. Weit mehr ist dies, dass er ihn seinen geliebten Mitdiener nennt, d. h. seinen Mitgehelfen am Evangelium, weil er mit Paulo das Amt führte, das die Versöhnung predigt. Beide dienten Christo und dienten ihm in einerlei Amt und Werk. Die Liebe des Apostels aber besaß Epaphras, weil er ein treuer Diener Christi war. Hätte er zu den Mietlingen gehört, die über das Volk herrschen wollten, und nicht die Herde, sondern sich selbst weideten, so hätte er ihn nicht seinen lieben Mitdiener genannt. Aber Epaphras war treu; er bewahrte nicht nur die ihm anvertrauten Geheimnisse lauter und rein, sondern war auch unablässig tätig in der Verkündigung des Evangeliums, die er durch einen christlichen frommen Wandel versiegelte. Doch nicht bloß die an dem Epaphras gerühmte Treue sollte den Kolossern Vertrauen geben zu dem von ihm verkündigten Wort, sondern auch dieses, dass der Apostel bezeugt, er sei ein Diener Christi an seiner Statt, er habe gerade so wie er, das Evangelium ihnen verkündigt. Die Apostel waren die ersten und auch die vornehmsten Verkündiger des Evangeliums. Sie galten und wollten auch gelten für Männer, denen der Herr seinen Gnadenschatz anvertraut hatte, dass sie ihn an seiner Statt den Menschen austeilten, wie denn der Herr gesagt hatte: Wer euch hört, der hört mich, und hatte seinen heiligen Geist über sie ausgegossen. Wenn nun sie jemandem das Zeugnis gaben, dass sein Wort das lautere Evangelium sei, so war dies als ein Zeugnis von dem Herrn selbst. Da nun Paulus ein solches Siegel auf die Verkündigung des Epaphras drückte, so musste das die Kolosser in ihrem Vertrauen zu dem von ihnen vernommenen Worte mächtig stärken und zugleich sie bewahren, dass sie den Irrlehrern nicht glaubten, die den Epaphras und wohl gar den Apostel selbst ihnen verdächtig machen wollten. Taten sie es dennoch, so war ihnen das Urteil gesprochen: Ihr verwerft den Epaphras, der an meiner Statt euch das Evangelium verkündigt hat, so verwerft ihr also auch mich, der ich an Christi Statt die Wahrheit verkündige; verwerft ihr aber mich, so verwerft ihr den Herrn selbst, der mich gesandt hat. - Diese Erklärung des Apostels soll nun auch von uns in unserer Zeit beherzigt werden. Treue Diener am Worte sind noch jetzt als Stellvertreter der Apostel, die Apostel aber in dem, das sie verkündigt haben, als Stellvertreter Christi anzusehen. Sie an Pauli Statt, der sie seine lieben Mitdiener nennt; Paulus an Christi Statt - darum, wer sie und die Apostel nicht hören will, der soll wissen, dass er ein Feind der Wahrheit ist.

Das ist nun von der Verkündigung oder Pflanzung des Worts in der Gemeinde gesagt. Aber der Apostel erwähnt nun ferner auch die Wirkung, die das Wort da hervorbringt, wo es gepflanzt wird. „Es ist fruchtbar,“ sagt er, und vergleicht so das Wort Gottes mit einem Samen. Wie der natürliche Same, obgleich von geringem Ansehen, dennoch eine innere Kraft hat, hervorzukeimen und Frucht zu bringen: so auch das Wort Gottes, es werde gelesen oder gehört, hat eine göttliche Kraft in sich, die Herzen der Menschen zu erleuchten, zu bekehren und selig zu machen. Und die Frucht, die es wirkt, lässt es nicht unausgewachsen und unreif stehen, sondern „es bringt sie auch zur Reife“, spricht der Apostel; Denn es wirkt in dem Menschen einen göttlichen Trieb, der ihn nie stille stehen, sondern mit Paulo sagen lässt: Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich nach dem, das vornen ist. Nicht nur äußerlich schafft das Wort Wachstum, wie es heißt (Apg. 6,7.): „Und das Wort nahm zu, und die Zahl der Jünger ward sehr groß;“ sondern auch innerlich erweitert es sich, treibt eine Sünde nach der andern aus, und schafft, dass alle Tugenden des Christentums eine immer bessere Gestalt beim Menschen annehmen.

Man hat über die Kraft, die den Menschen erleuchtet, bekehrt und heiligt, von jeher verschieden geurteilt. Etliche haben sie im Menschen gesucht und gesagt: weil der Geist des Menschen aus Gott komme, so habe er auch in sich alle Mittel der Seligkeit, nur dass dies göttliche Licht im Menschen durch Leib, Sinne und Begierden gehindert werde, frei und ungehindert seine Strahlen auszubreiten. Diese Hindernisse nun schaffe das Wort Gottes hinweg, das für sich selbst ohne Leben sei; aber wenn dies Wort vernommen werde, so wecke es die Kraft, die im Menschen verborgen ruhe, und sei gleichsam der Hauch, der das glimmende Feuer der Seele anfache, dass es nun anfange den Menschen zu erleuchten und zu erwärmen. Das, sagt man, ist der Dienst, den das Wort am Menschen tut, und hat es diesen Dienst getan, dass es das Licht oder den Christus, der von Natur in uns ist, geweckt und lebendig gemacht hat, so ist es dem Menschen zu nichts weiter nütze. Andere suchen jene Kraft weder im Menschen, noch im Worte, sondern sagen, diese Kraft sei der heilige Geist selbst, der jedesmal, wenn das äußerliche Wort vernommen und angenommen werde, mit dem Worte sich verbinde und ihm das Leben und Feuer gebe, das zur Bekehrung oder Heiligung nötig sei. Gegen beide Meinungen, die die Kraft vom Worte trennen, streitet die Schrift, die uns lehret, dass der Geist des Herrn gleich Anfangs einen Teil seiner göttlichen Macht mit dem Worte verbunden habe, und also diese Kraft nicht: anders in dem Worte liege, als die Kraft, Früchte zu bringen, in dem Samen, oder die Kraft gesund zu machen. in der Arznei. Das Wort ist ein Same, wie der Herr selber lehrt in dem Gleichnisse Luk. 8., und die Apostel lehren es auch, wie Paulus in unserm Text und Petrus, 1 Petr. 1,23: „Ihr seid wiedergeboren nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Samen, nämlich aus dem lebendigen Wort Gottes, das da ewiglich bleibt.“ Demnach liegt im Worte die Kraft verborgen, geistliche Frucht in den Seelen der Menschen hervor- und zur Reife zu bringen. Und welches ist nun diese Frucht? Es ist Glaube, Liebe, Hoffnung, die Paulus zuvor genannt hat Vers 4 und 5. Es ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit (Gal. 5,25.).