Außergewöhnlich entspannt - Thomas Hohensee - E-Book

Außergewöhnlich entspannt E-Book

Thomas Hohensee

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Beschreibung

Gelassenheit und Gleichmut: Die uralten Ideen der Stoiker erleben gerade eine neue Blütezeit. Der Entspannungs- und Gelassenheitsexperte, Coach und Seminarleiter Thomas Hohensee entdeckt die Stoiker neu. In ihrer Philosophie und in ihrem Handeln erkennt er Wege, wie wir mit unserem täglichen Stress besser umgehen und ein gutes, entspanntes Leben führen können. Die Stoiker waren alles andere als zurückgezogen lebende Vermeider, sondern aktive Lebenspraktiker. Unterhaltsam und kenntnisreich zeigt Thomas Hohensee, welche Aspekte der stoischen Philosophie wir für unseren Alltag gewinnbringend nutzen können.

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Thomas Hohensee

Außergewöhnlichentspannt

Das geniale Anti-Stress-Programm der Stoiker

© Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2021

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: Verlag Herder

Umschlagmotiv: ©RedKoala / Shutterstock

E-Book Konvertierung: ZeroSoft, Timisoara

ISBN E-Book (ePub) 978-3-451-82173-8

ISBN Print 978-3-451-60105-7

Inhalt

10 Gründe, eine Stoikerin bzw. ein Stoiker zu werden

So viel Stress gab es noch nie, oder?

Zustände wie im alten Rom

Tod und Verbannung

Schwere Zeiten

Das Leben könnte so schön sein!

Ist das Leben eine Art Zehnkampf?

Die heitere Gelassenheit der Stoiker

Eine Philosophie macht Karriere

Vernünftige Therapie

Kann man Gedanken heilen?

Kein Stoiker, aber trotzdem sehr entspannt

Die Kampfmönche

In der Nachfolge Marc Aurels

Einfach mal abschalten

Entspannungsmethoden

Meditation

Achtsam atmen

Ein Wort über Hirnforschung

Wege zu stoischer Gelassenheit

Der Königsweg

Eine Prise Galgenhumor

Probleme sind willkommen

Der Weg der Gegensätze

Vergangenheit vorbei, Zukunft wichtig

Regelmäßiges Training (optional)

Was die Stoiker ablehnten

Ängstliches Vermeiden

Unnötige Dramen

Ein Leben auf Sparflamme

Gelassenheit als Lebenszweck

Halte dich aus allem raus und bloß keine Politik!

Eine Sammlung menschlicher Unvernunft

Vier Ideen, die Ihr Leben ruinieren (und was Sie dagegen tun können)

Gelassenheit in allen Lebenslagen

Die Sache mit dem Tod

Fünfzig Wege

Und jedes Jahr ein bisschen älter

Nicht gesund, aber gelassen

Lieben Sie Veränderungen?

Verbannung heute

Arm und arbeitslos

Beleidigungen

Im siebten Himmel

Wie geht es jetzt weiter?

Do it yourself

Literatur

Gelassenheitskurse und Coaching

Üben der Autor

10 Gründe, eine Stoikerinbzw. ein Stoiker zu werden

Stress bestimmt unser Leben.

Wer ist nicht regelmäßig besorgt, angespannt, gereizt oder überlastet?

Es gibt keinen Lebensbereich, der frei von Stress ist:

im Beruf: Zeitmangel, Konkurrenz, Erfolgsdruck,

in Partnerschaft, Familie und Freundschaften: Konflikte, Streitigkeiten, Zerwürfnisse,

in Geldangelegenheiten: überzogenes Konto, Überschuldung, Insolvenz.

Hinzu kommen die Meldungen über politische, ökonomische und militärische Spannungen weltweit sowie über die Klimakatastrophe. Sogar ein dritter Weltkrieg ist nicht undenkbar.

Man muss daher kein Prophet sein, um vorherzusehen, dass Gelassenheit immer stärker gefragt sein wird.

Ein Ende der Krisen ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Wenn Angela Merkel im Januar 2020 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos davon spricht, dass wir »dramatische Veränderungen erleben« werden, dann ist das alarmierend, zumal die Bundeskanzlerin nicht zum Dramatisieren neigt.

Unter den vielfältigen, zunehmenden Belastungen leiden immer mehr Menschen. Die Folgen sind dramatisch:

körperliche Probleme: Magen, Darm, Herz, Lunge, Rücken,

psychische Störungen: Ängste, Sorgen, Panik, Depressionen, allgemeine Unzufriedenheit,

soziale Spannungen: Ärger, Aggressionen, Kränkungen, Rückzug, Einsamkeit.

Was viele übersehen: Stress ist kein neues Problem. Schon im alten Rom vor rund 2000 Jahren ging es hoch her. Caesar wurde ermordet. Nero setzte seine Hauptstadt in Flammen. Die Bevölkerung unterhielt sich mit grausamen Gladiatorenkämpfen. Sklaven erledigten die Arbeit.

Doch nicht nur ein kleines gallisches Dorf leistete diesem Druck Widerstand. Nicht allein Asterix und Obelix bewahrten ihre gute Laune. Nein, es gab tatsächlich eine Gruppe von Menschen, die inmitten aller äußeren Katastrophen die Ruhe behielt und dadurch berühmt wurde: die Stoiker.

Stoische Gelassenheit gilt bis heute als Inbegriff inneren Friedens. Die Stoiker sind die unbestrittenen Meister der Gelassenheit.

Doch was war ihr Geheimnis? Wie schafften sie es, in höchster Not ruhig und entspannt zu bleiben? Denn nicht einmal Todesgefahr konnte ihnen etwas anhaben.

Die Stoiker hatten keinen Sinn für weltfremde Entspannungstechniken. Nicht Rückzug war ihre Strategie. Im Gegenteil: Sie nahmen am öffentlichen Leben teil (es sei denn, sie waren gerade mal wieder auf eine menschenleere Insel verbannt).

Die Gelassenheit der Stoiker ist sprichwörtlich geworden. Leider glauben viele, stoische Ruhe sei eine strenge, ernste Angelegenheit. Dabei handelt es sich um ein Missverständnis; denn Lebensfreude und Gelassenheit gehörten für die Stoiker zusammen. Nichts konnte sie davon abhalten, ihr Leben zu genießen, nicht einmal die Androhung von Verbannung oder Tod. Wer kann Ähnliches von sich behaupten?

Die Stoiker lehrten eine höchst praktische Lebensphilosophie, die sich tagtäglich ohne irgendwelche Hilfsmittel in den schwierigsten Situationen bewährte. Ihr Testfeld war nicht das schön gelegene Retreatcenter in der Stille, sondern der spannungsgeladene Alltag in Rom, der damals größten Metropole weltweit.

Es ist bewundernswert, wie die Stoiker persönliche Anfeindungen und die gewaltigen Krisen einer untergehenden Welt bewältigten. Wie wir wissen, ging die Welt nicht wirklich unter, obwohl es vielen so vorkam. Aber es standen – genauso wie heute – dramatische Veränderungen bevor, die nahezu jeden betrafen.

Wie kaum eine andere Methode hat sich die Philosophie der Stoiker über Jahrtausende bewährt. Sie ist, wenn man so will, mehrfach krisengetestet, und das mit sagenhaftem Erfolg. Epiktet, Marc Aurel, Musonius und Seneca waren größtmöglichen Belastungen ausgesetzt: Versklavung, Krieg, Verbannung, Mord und im Falle Senecas sogar einem Todesurteil. Doch sie ertrugen dies, nun ja, stoisch, also mit allergrößter Seelenruhe.

Es ist daher fast fahrlässig, diese Philosophie heute nicht in allgemein verständlicher Sprache und angepasst an unsere modernen Verhältnisse zugänglich zu machen. Wir erleben tagtäglich schwierige Situationen, auf die wir oft automatisch mit Stress reagieren, weil wir die gelasseneren Alternativen nicht kennen.

Deshalb sollten wir bei der Bewunderung der Stoiker und ihrer sprichwörtlich gewordenen Gelassenheit nicht stehen bleiben. Jeder kann genauso gelassen wie die Stoiker werden, wenn er oder sie sich die gleiche Denkweise zu eigen macht.

Braucht man dafür ein philosophisches Wörterbuch, welches man am besten in der Hand- oder Aktentasche bei sich führt?

Nein, die bewährte Philosophie der Stoiker finden Sie in diesem Buch allgemein verständlich in die Neuzeit übersetzt.

In wenigen Schritten ist es möglich, unabhängig von den Umständen stressfrei zu leben. Dabei geht es nicht darum, jedes Problem zu beseitigen. Das steht leider nicht in unserer Macht. Trotzdem sind Glück und Gelassenheit mithilfe der stoischen Lebensphilosophie für alle erreichbar.

Wie, das erfahren Sie in den kommenden Kapiteln. Dafür müssen Sie sich nur die kleine Mühe des Lesens machen. Damit Sie dabei auf Kurs bleiben und anschließend das Gelesene auch anwenden, halten Sie sich bitte immer wieder die zehn Gründe vor Augen, warum es sich lohnt, eine StoikerIn zu werden:

1. Die stoische Philosophie ist der Königsweg zur inneren Ruhe

Dieser Satz ist durchaus wörtlich zu verstehen. Der römische Kaiser Marc Aurel (121–180 n. Chr.) war Anhänger und Mitbegründer dieser Methode. Keine andere erfreute sich die Zeiten hindurch so sehr der Wertschätzung gebildeter Kreise. Diesen ist es zu verdanken, dass die Lehre der Stoa bis heute erhalten geblieben ist.

Die stoische Philosophie ist die Premium-Methode unter den Entspannungsverfahren. Alle anderen Anwendungen müssen sich an ihr messen lassen. Aus den zahlreichen Techniken, die ständig neu auf den Markt geworfen werden, ragt die stoische Philosophie weit heraus.

Sie lernen von den wahren Meistern der Gelassenheit.

2. Die stoische Philosophie fördert die Vernunft

Ist es gut, vernünftig zu sein? Die Ruhe zu bewahren? Viele Menschen denken und handeln heute ambivalent, wenn es darum geht, wirklich entspannt zu leben. Sie leiden unter dem Stress, aber zugleich lieben sie ihn. »Ich will überhaupt nicht vernünftig sein!«, ist ihre Parole. Was würde ein Stoiker ihnen antworten? »Gut, du willst also nicht vernünftig sein. Das musst du auch nicht. Lebe unvernünftig und du wirst einen Punkt erreichen, an dem du dir nichts stärker wünscht, als vernünftig zu sein!«

3. Vernünftige Menschen leben länger

Stress verkürzt das Leben, Vernunft verlängert es. Das gilt für Einzelne wie für Gesellschaften. Jared Diamond hat in seinem Buch Kollaps Gesellschaften untersucht, die untergegangen sind. Was unterscheidet sie von denen, die noch heute existieren? Was ist passiert? Sein Fazit: Gesellschaften, die untergehen, schlagen alle Warnungen in den Wind. Genauso wie Alkoholiker, die sich zu Tode trinken. Diejenigen, die überleben, sind vernünftig, oder sie werden es, sobald sie merken, dass sie auf dem falschen Weg sind. Die Unvernünftigen aber gehen diesen Weg bis zum bitteren, frühen Ende.

4. Vernünftige Menschen sind gesünder

»Müßiggang und Ruh schließen dem Arzt die Türe zu«, das weiß schon der Volksmund. Gelassenheit und Entspannung sind eine Wohltat für Körper, Seele und Geist. Die meisten Menschen wünschen sich dies, wissen aber nicht, wie sie zum Wohlgefühl finden können, oder sie wenden ihr Wissen nicht an. Die Stoiker waren in der Lage, inmitten des Trubels innerlich vollkommen ruhig zu sein. Sie sahen keinen Grund, sich über irgendetwas aufzuregen.

Stress und Unruhe verkürzen nicht nur das Leben. Sie sind Ursache für viele Krankheiten oder verschlimmern diese. Eine vernünftige Lebensweise fördert die Gesundheit.

5. Vernünftige Menschen haben glücklichere Partnerschaften

Und glücklichere Freundschaften! Anders als der Mythos besagt, sind nicht die stürmischen Beziehungen die glücklichen, sondern die harmonischen. Streit und Intoleranz sind keine Basis für Freundschaften. Stress zerstört Ehen sowie jede enge Verbindung.

6. Vernünftige Menschen kommen mit ihren Mitmenschen besser zurecht

Der Segen, den Gelassenheit mit sich bringt, geht über die engsten Beziehungen weit hinaus. Nicht nur PartnerInnen, Eltern, Kinder und der nähere Familienkreis empfinden es als Wohltat, mit einem entspannten Menschen zusammenzuleben.

Auch Kolleginnen, Kunden, Vorgesetzte, Nachbarinnen und sogar Passanten auf der Straße merken deutlich den Unterschied, ob jemand unter Stress steht oder Ruhe ausstrahlt.

Vernunft sorgt für Entspannung in der Kommunikation. Gerade die anderen Menschen sind für viele die Hauptquelle für Stress. Die Stoiker kannten die richtige Einstellung für den Umgang untereinander.

7. Vernünftige Menschen sind zufriedener im Beruf

Im Beruf erleben Menschen eine Menge Stress, jedoch nur, wenn sie sich nicht abschirmen können und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen.

Es ist unvernünftig, beruflich etwas zu tun, was man nicht mag. Es ist unvernünftig, mit einem Beruf sein Geld zu verdienen, den man nicht Tag für Tag gerne ausübt.

Vernunft ermöglicht den richtigen Berufsweg und die richtige Berufsausübung. Richtig war für die Stoiker alles, was der Gelassenheit diente.

8. Vernünftige Menschen sind glücklicher

Im Grunde genommen ist das leicht zu verstehen. Stress steht dem Glück im Weg. »Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu«, sagen manche. In Bezug auf Glück gilt das umso mehr: Eigentlich könnte ich glücklich sein, wenn da nicht der ganze Stress wäre.

Vernunft ist die Grundlage für Glück. Ohne entspanntes Denken bleibt das Glücklichsein illusorisch.

9. Vernünftige Menschen sind erfolgreicher

Stress ist der Killer schlechthin. Er verhindert oder erschwert vieles, auch Erfolg. Ineffizienz, unnötige Kämpfe, Verzettelung und anderes mehr sind auf falsches Denken zurückzuführen. Es führt zu Selbstsabotage, ohne dass man dies will.

Vernunft ebnet den Weg zum Erfolg.

10. Vernünftige Menschen sind entspannter

Sie fühlen sich wohler in ihrer Haut. Stress führt zu Verkrampfungen und Verspannungen.

Rückenschmerzen, Magenschmerzen, Herzschmerzen und vieles mehr sind die direkte Folge von – Unvernunft! Nicht wenige setzen sich über die Warnsignale ihres Körpers hinweg, zu ihrem eigenen Schaden. Das ist nicht nur unvernünftig, sondern fordert auf Dauer einen sehr, sehr hohen Preis. Es beginnt mit kleinen körperlichen Irritationen und wächst sich aus bis zu schlimmen Verkrampfungen mit entsprechenden Schmerzen. Die Mittel, die der Arzt dagegen verschreibt, sind oft nichts anderes als pharmazeutische Beruhigungs- und Entspannungsmittel. Stoiker benötigen diese nicht.

Vernunft beruhigt die Nerven und damit auch den Körper.

Wenn Sie sich auch nur ein oder zwei dieser Gründe, eine StoikerIn zu werden, zu eigen machen und stoische Gelassenheit lernen, wird sich Ihr Leben deutlich verbessern.

Es lohnt sich; denn die Hoffnung, dass wir eines Tages im Paradies auf Erden leben werden, ist nichts als eben dies: eine Hoffnung. Darauf zu warten, macht keinen Sinn.

Selbst wenn die Corona-Pandemie, die im Frühjahr 2020 begonnen hat, abgeklungen ist, werden uns eine Reihe anderer, gravierender Probleme in Atem halten: Klimaveränderungen, Finanzkrisen, leider wohl auch neue Kriege, von den persönlichen Krisen gar nicht zu reden.

Wehe dem, der sich innerlich nicht zu schützen weiß. Alle Lösungen beginnen im Kopf.

Die Stoiker haben vorgelebt, wie sich selbst die größten Schwierigkeiten psychisch unbeschadet überstehen lassen.

Wir sind eingeladen, es ihnen gleichzutun.

So viel Stress gab es noch nie, oder?

Menschen neigen zur Egozentrik, das heißt alle glauben mehr oder weniger, dass die Welt sich nur um sie dreht. Es geht gar nicht um die überholte Frage, ob sich die Sonne um die Erde dreht oder, umgekehrt, ob die Erde der Mittelpunkt des Universums ist. Nein, wir sind davon überzeugt, dass wir der Mittelpunkt des Kosmos sind. Jeder Einzelne neigt zu dieser irrigen Vorstellung.

Daher glauben wir, wir hätten es am schwersten, niemand habe jemals vor so schweren Problemen gestanden wie wir und auch nach uns werde keiner so sehr leiden müssen wie wir.

Weit gefehlt! Die Stoiker lebten in einer Welt, die mehr Parallelen mit der Gegenwart hat, als wir gemeinhin vermuten.

Sie waren genau wie wir von Krankheit und Tod bedroht. Machtkämpfe an der Spitze des Staates, aber auch unter den Bürgern, gehörten zum Alltag. Hinzu kamen Strafen wie Verbannung, die uns aber, wenngleich in neuem Gewand, auch nicht fremd ist.

Die Zeiten waren schwer. Sie sind schwer und sie werden, wenn kein Wunder geschieht, auch in Zukunft schwer bleiben.

Die äußere Welt kann uns wenig Zuflucht und Ruhe bieten. Wenn wir den Frieden nicht in uns finden und lernen, mit den äußeren Problemen gelassen umzugehen, besteht wenig Hoffnung auf ein besseres Leben.

Nicht wenige halten das Leben für eine Art Sprint. Sie legen sich ins Zeug, um ihre Umwelt zu kontrollieren. Sobald sie das geschafft haben, glauben sie, könnten sie sich gemütlich zurücklehnen. Doch tatsächlich verhält es sich mehr wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel. Am Ende gewinnt der Igel, weil er sich mit anderen zusammengetan hat, während der Hase ein Einzelkämpfer ist. Der nächste Stress wartet immer schon an der nächsten Ecke. Wir können uns noch so sehr anstrengen. Am Ende gewinnt der Stress, es sei denn, wir verstehen, um welche Art von Wettkampf es sich handelt. Wenn man überhaupt einen Vergleich zu Sportarten ziehen möchte, dann ist das Leben eher ein Zehnkampf oder ein Marathon.

Ist das Ringen um Gelassenheit nicht eine furchtbar anstrengende Angelegenheit? Macht man sich damit nicht nur noch zusätzlichen Stress? Die Stoiker haben auch dieses Problem erkannt. Deshalb gingen sie dieses Thema ganz locker an. Verbissener Ernst war nicht ihre Sache. Sie strebten nach heiterer Gelassenheit.

Zustände wie im alten Rom

Nihil sub sole novum – nichts Neues unter der Sonne! Dieser Satz des Predigers Salomo, der vermutlich im 3. Jahrhundert v. Chr. lebte, ist uns durch die Bibel überliefert.

Natürlich könnte man viel dagegen einwenden: Sind Computer nicht total neu? Leben wir nicht in einem völlig neuen Zeitalter, das man nach der Eisen- und Bronzezeit vielleicht als Plastikzeit bezeichnen könnte? Oder, wem das lieber ist, als digitales Zeitalter?

Doch das sind technische Spielereien, die an den Grundtatsachen des Lebens wenig verändert haben. Die Parallelen zwischen dem Römischen Reich, in dem die Stoiker lebten, und der Moderne sind wahrscheinlich größer als die Unterschiede.

Schauen wir uns einige Dinge an, die die heutigen Zustände ähnlich denen im alten Rom erscheinen lassen. HistorikerInnen mögen sich wegen der folgenden Ungenauigkeiten die Haare raufen, aber es geht hier nur um die großen Linien. Außerdem sind sich auch die Geschichtsgelehrten nicht über alles einig, eher im Gegenteil!

Das Römische Reich war geprägt durch eine Abfolge von Kriegen, Revolutionen und Bürgerkriegen. Daran hat sich in unserer Welt bis heute nichts geändert, leider!

Menschenhandel und Sklaverei waren wichtige Grundelemente der damaligen Wirtschaft. Nun könnte man sich gewiss über Begriffe streiten, aber Tatsache ist, dass trotz der Deklaration der Menschenrechte im Jahr 1948 immer noch Millionen Menschen regelrecht verkauft werden, um sie beispielsweise für Zwecke der Prostitution zu missbrauchen.

Auch wenn die Sklaverei heute offiziell abgeschafft ist, zuletzt 2007 in Mauretanien –, so existiert sie in anderen Formen weiter, etwa als Kinderarbeit oder als Gefängnisindustrie. Das Geschäft mit privatisierten, profitorientierten Gefängnissen in den USA boomt.

Die Ermordung des amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1963 erinnert an das gleiche Schicksal Gaius Julius Caesars.

Die Gladiatorenkämpfe der Neuzeit enden seltener mit dem Tod der Kombattanten. Es gibt sie aber immer noch: in rustikalerer Form im American Football, im englischen Rugby oder im Boxen, etwas zivilisierter im Fußball. Allerdings ist auch dort die sogenannte Blutgrätsche nicht unbekannt – und nicht selten werden die Spieler auf einer Trage vom Feld gebracht. Kreuzbandrisse und Meniskusschäden erlauben kein geordnetes Abtreten vom Spielfeld. Schwere Kopfverletzungen ziehen oft Kopfhelme oder Gesichtsmasken nach sich. Da die Spielregeln das Bluten auf offenem Feld verbieten, spielen die Betroffenen nach dem Wechseln des blutverschmierten Trikots ggfs. mit einem Kopfverband weiter. Allerdings wird in den Pausen niemandem mehr zur Unterhaltung der Zuschauer die Kehle durchgeschnitten.

Wagenrennen gibt es ebenfalls immer noch. Sie werden heute im Rahmen der Formel 1 ausgetragen, mitunter aber auch illegal auf dem Ku’damm in Berlin. Gelegentlich bleiben dabei Tote auf der Strecke.

Um an Tierhetzen teilzunehmen, kann man sich in Afrika auf eine entsprechende Safari begeben.

Theateraufführungen findet man dagegen oft schon am eigenen Wohnort. Sie müssen sich gegen Fernsehen, Internet und Kino behaupten, erfreuen sich aber immer noch großer Beliebtheit, sofern die Spielstätten nicht wegen eines Lockdowns geschlossen sind.

Womit wir beim Thema Seuchen wären. Corona als weltweite Pandemie ist, verglichen mit der Antoninischen Pest, die vor 2200 Jahren im Römischen Reich auftrat, allerdings harmlos. Seinerzeit wurden ganze Ortschaften und Landstriche entvölkert, was zurzeit nicht der Fall ist. Doch die Angst vor Seuchen ist ungebrochen.

Hatten es die Christen schwer, sich gegen die römische Staatsreligion durchzusetzen, so haben es heute nichtchristliche Religionen schwer, toleriert zu werden. Besonders Muslime stehen bei nicht wenigen Menschen im Westen in Verdacht, verkappte Terroristen zu sein.

Während des Kalten Krieges nach 1945 durchzog ein »Eiserner Vorhang« Europa. Die innerdeutsche Grenze und die Berliner Mauer waren buchstäblich »Todesstreifen«.

Das alte Rom ließ grüßen. Limites (Grenzen) gehörten zur Absicherung des Reichs. Der Obergermanisch-Raetische Limes war ein Teil davon. Es ist schon erstaunlich, wie sehr Menschen durch die Jahrtausende dazu neigen, ihre Territorien mit Mauern, Gräben, Erdwällen und Wachtürmen zu schützen.

Wurde die Anglisierung in Europa anfangs noch beklagt, hat sie sich inzwischen auf ganzer Linie durchgesetzt. Egal ob Smartphone, Smoothie oder Faktenchecker: Englische Wörter durchziehen den Alltag. So wie die Romanisierung vor 2000 Jahren zur Verbreitung der römischen Kultur führte, erleben wir seit dem 20. Jahrhundert eine Amerikanisierung. War das Lateinische damals Amtssprache und die Sprache der Gebildeten, so hat man heute gelegentlich Mühe, noch den dem amerikanischen Englisch entsprechenden Begriff in seiner Muttersprache zu finden.

Völkerwanderung? Keine Besonderheit der Antike. Es ist die Rede davon, dass Deutschland allein in den letzten Jahren eine Million Flüchtlinge aufgenommen hat. Auch andere europäische Länder verzeichnen eine Menge Einwanderer. Im Prinzip hat sich also nichts geändert.

Römisches Recht wird heute noch an den juristischen Fachbereichen gelehrt, wenn auch als Nischenfach. Weite Teile des deutschen Zivilrechts basieren auf alten römischen Rechtsbegriffen, weshalb das kleine Latinum bis vor einigen Jahrzehnten Voraussetzung für die Aufnahme eines Jura-Studiums war. Wer Rom anzünden ließ, wussten die damaligen BürgerInnen nicht so genau. War es womöglich Kaiser Nero selbst? So ähnlich geht es uns mit den Terroranschlägen der Neuzeit. Vieles liegt noch im Dunkeln. Ob dahinter Verschwörungen standen oder ob es sich um bloße Theorien handelte, darüber werden sich noch zukünftige HistorikerInnen streiten.

Jedes Reich geht einmal unter. Manche fühlen sich angesichts bestimmter Umstände an einen Untergang erinnert. Aber auch das wäre nicht neu. Das alte Rom, das gewisse zivilisatorische Fortschritte gebracht hatte, verfiel. Nachdem zumindest die oberen Schichten sich noch einmal grenzenlosen Ausschweifungen aller Art wie Fress-, Trink- und Sexorgien hingegeben hatten, war Schluss. Neue Gesellschaftsformen und Nationen entstanden. Die derzeit aktuelle Version Deutschlands ist die von 1990, als die Wiedervereinigung vollzogen wurde. Wie lange diese Ausgabe hält, wird sich zeigen.

Doch eines ist jetzt schon gewiss: Stress gab es im alten Rom in allen Formen und Stärken. Wir können für uns nicht in Anspruch nehmen, in einer besonders schwierigen Zeit zu leben. Die Zeiten waren immer schwierig und sie werden es wohl bleiben, solange es Menschen gibt.

Tod und Verbannung

Die Stoiker waren größtem Druck ausgesetzt. Die römischen Kaiser mochten wie die meisten Herrscher keine Menschen, die selbstständig dachten und sich nicht einschüchtern ließen. Deshalb sahen sie die Stoiker als ihre Feinde an, die sie misstrauisch überwachten. Sobald eine Staatskrise heraufzog, unterdrückten sie als Erstes die Philosophen, die sie schon in ruhigen Zeiten für Unruhestifter hielten.

Die Mittel der Unterdrückung bestanden in Tod oder Verbannung.

Sokrates, obwohl kein Stoiker und in Griechenland beheimatet, war so ein Unruhestifter gewesen. Es bekam ihm schlecht. In einem Gerichtsverfahren wurde er von den Geschworenen zum Tode verurteilt. Ihm wurde ein Giftbecher gereicht, den er gelassen austrank. Dieses Beispiel allergrößter Seelenruhe selbst im Angesicht des Todes, das über Sokrates’ Tod hinaus gerühmt wurde, beeindruckte die Stoiker zutiefst. Epiktet (vermutlich 50–138) bezog sich auf dieses Beispiel, um zu beweisen, dass nicht die Tatsachen (hier die Todesstrafe) die Menschen beunruhigen, sondern wie sie darüber denken.

Zur zeitlichen Einordnung lässt sich sagen, dass die Stoiker grob gerechnet von 300 v. Chr. bis 200 n. Chr. lehrten. Sokrates lebte um 400 v. Chr. Aber sein Nachruhm erreichte auch die Stoiker.

Zu denjenigen Philosophen, über die die Todesstrafe verhängt wurde, gehörte Seneca. Seine genauen Lebensdaten sind nicht bekannt. Geboren wurde er um das Jahr 1 n. Chr. herum. Ins Jenseits beförderte er sich eigenhändig auf Neros Geheiß 65 n. Chr.

Seneca war Neros Lehrer geworden, als dieser zwölf Jahre alt war. Die Erziehung muss angesichts Neros verbrecherischen Lebensweges als gescheitert angesehen werden. Vielleicht war Nero aber auch nicht mehr zu beeinflussen, als Seneca seinen Unterricht übernahm. Wenn man die Schwester Caligulas zur Mutter hat, ist das Schicksal möglicherweise schon besiegelt. Jedenfalls überlebte Seneca seine Bekanntschaft mit Nero nicht. Am Rande sei bemerkt, dass Nero den gleichen Tod wie Seneca erfuhr. Er starb durch eigene Hand.

Musonius (vermutlich 30–101) war ein weiterer stoischer Philosoph, den Neros Zorn traf. Allerdings wurde er lediglich verbannt, was aber keineswegs ein Zuckerschlecken war. Sein Verbannungsort war eine gefürchtete Insel mit wenig Wasser und spärlicher Vegetation. Heute ist die Insel unbewohnt. Musonius lebte dort einige Jahre, und wie es scheint, ohne großes Entsetzen. Vielmehr begann er sich für die Insel und seine wenigen Bewohner zu interessieren. Er entdeckte sogar eine bis dahin unbekannte Wasserquelle.

Dennoch dürfte klargeworden sein, dass die Stoiker keine Salonphilosophen waren, die gemütlich über Gott und die Welt redeten, während draußen der Sturm tobte. Sie standen selbst mitten im Orkan. Das damalige Tiefdruckgebiet hieß Nero. Abgesehen von seinen brutalen Verbrechen in der eigenen Familie war er unter anderem für die grausame Verfolgung von Christen und die gnadenlose Tötung von Aufständischen berüchtigt. Damit musste man erst einmal fertig werden. Es gelang den Stoikern bravourös. Zwar konnten sie nicht in jedem Fall verhindern, dass ihr Körper Schaden nahm, aber an Geist und Seele blieben sie kerngesund, und das war ihnen das Wichtigste.

Durch ihre philosophische Lehre, aber auch durch ihr Beispiel wurden sie in der Folgezeit vielen zum Vorbild, sogar einem späteren römischen Kaiser, Marc Aurel. Dieser gilt als der vielleicht einzige Philosoph auf einem Kaiserthron. Das ist wohl etwas zu viel der Ehre; denn auch er setzte die Kriegspolitik des Römischen Reichs fort. Marc Aurel starb während eines Feldzugs, entweder an der Pest oder an einem Krebsleiden.

Bemerkenswert sind allerdings tatsächlich seine Selbstbetrachtungen, eine Art stoisches Philosophie-Tagebuch, mit dessen Hilfe er sein leidvolles Leben etwas erträglicher machte.

Schwere Zeiten

Jeder neigt dazu, zu glauben, es am schwersten zu haben.

Niemals musste jemand so leiden wie man selbst: Das denken fast alle irgendwann in ihrem Leben.

Die Stoiker hatten für solche Überlegungen nichts übrig. Es kam ihnen egozentrisch und selbstbemitleidend vor.

Aber das Leben ist doch hart, oder?

Nach der stoischen Philosophie ist »hart« eine Bewertung und keine Tatsache. Hart? Im Vergleich wozu?

Das Leben ist zu jedem Zeitpunkt an jedem Ort so, wie es ist. Punkt. Man mag es als schwer oder leicht betrachten. Das ist Ansichtssache. Tatsache ist allein, dass es so ist, wie es ist. Alles andere sind Bewertungen. Selbst wenn eine Million Menschen darin übereinstimmen, dass das Leben hart sei, wird daraus keine Tatsache. Einer würde ihnen widersprechen, und das wäre wahrscheinlich ein Stoiker.

Manchmal finde ich auch, das Leben oder mein Leben sei hart, aber dann erinnere ich mich wieder an die stoische Philosophie. Es gibt immer Menschen, die es schwerer haben. Oder solche, die es schwerer hatten.

Werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Fließend warmes Wasser in der Wohnung, eine Dusche und Wasserspülung in der Toilette gab es für die meisten Menschen vor hundert Jahren nicht. Heute entspricht all dies dem normalen Wohnstandard in Deutschland.

Wasch- und Geschirrspülmaschinen gab es vor hundert Jahren nur für wenige Auserwählte. Computer, Internet, Smartphones und klimatisierte Autos waren völlig unbekannt.

Wäsche zu waschen war körperlich anstrengende Arbeit. Das Wasser musste auf einem Kohleherd erst erhitzt werden. Das Brennmaterial, auch für die Öfen, musste herangeschleppt werden. Holz mussten die Menschen mühsam selbst hacken.

In Hamburg gibt es ein interessantes, außergewöhnliches Museum: das Museum der Arbeit. Dort kann man sehen, wie die Arbeitsbedingungen früher waren. Die Arbeiter mussten kilometerweit zu Fuß zu ihrem Handwerksbetrieb oder ihrer Fabrik laufen. Dort arbeiteten sie unter schmutzigen, gesundheitsschädlichen Bedingungen zwölf Stunden täglich, um dann wieder kilometerweit nach Hause zu laufen.

Doch wir meinen, dass es noch nie so viel Stress gab wie heute.

Die ärztliche Versorgung war vor hundert Jahren dürftig. Zahnärzte? Viele Menschen hatten im Alter kein vollständiges Gebiss mehr und aßen nur noch Suppe. Ein Arzt wurde gerufen, wenn es gar nicht mehr anders ging. Vorsorgeuntersuchungen? Niemand hätte verstanden, was das sein soll. Selbst kleine Operationen waren lebensgefährlich. Die Kindersterblichkeit war hoch, ebenso wie die der Mütter.

Der Tod war ein ständiger Begleiter. Die Menschen wurden nicht so alt wie heute. Sie waren am Ende ihres Lebens buchstäblich verbraucht.

Die jungen Männer mussten den Militärdienst erst einmal heil überstehen. In den Krieg ziehen zu müssen gehörte für sie unter Umständen mehrmals im Leben dazu.

Demokratie? Mitbestimmung? Das mussten die BürgerInnen sich erkämpfen, unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit. Gewalt herrschte in den Familien, in der Schule, in den Betrieben, im Militär, in der Kirche. Kinder zu prügeln, galt als unerlässlich für ihre Erziehung. Sexueller Missbrauch von Töchtern durch die Väter oder andere männliche Verwandte war weit verbreitet und wurde strafrechtlich nicht verfolgt. Die Mädchen hatten zu schweigen.

Geht man in der Geschichte noch weiter zurück, wird es immer düsterer. Dreißigjähriger Krieg, Hundertjähriger Krieg: Einige Menschen lernten nie kennen, was Frieden überhaupt bedeutet. Die Rechtlosigkeit gegenüber den Herrschenden bildete den Normalzustand. Rechtsstaat? »Der Staat, das bin ich«, soll Ludwig XIV., König von Frankreich, gesagt haben. Seine Untertanen waren Willkür und Diktatur ausgesetzt.

Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung, die den Kern des Sozialstaats bilden, gab es vor 150 Jahren nicht. Wer keine Arbeit fand, alt oder krank war, musste Almosen erbetteln, soweit die Familie nicht in der Lage war, für den Unterhalt zu sorgen.

Dass Menschen im Paradies auf Erden leben, ist eine Utopie. In Wirklichkeit waren die Umstände immer schwierig. Sie wandeln sich, aber leicht werden sie nie. Das liegt in der Natur der Sache.

Menschen haben gelitten, sie leiden, und sie werden weiter leiden – es sei denn, sie kennen die stoische Philosophie.

Das Leben könnte so schön sein!

»Und welche Probleme hast du?«, fragte mich neulich eine Freundin, nachdem sie ausgiebig von den Schwierigkeiten in ihrem Freundeskreis berichtet hatte. Ich musste lachen. Menschen erzählen meist vorrangig davon, was bei ihnen gerade schiefläuft. Warum nicht mal davon sprechen, was gut ist und nicht geändert werden muss?

Ist das Leben also immer nur schön, leicht und angenehm? Nein, zu der Fraktion gehöre ich auch nicht. »Schön«, »leicht« – all das sind Bewertungen genauso wie »hart«, »schwer« und »unangenehm«, aber keine Tatsachen. Das Leben ist, wie es ist.

Seit ich von den Stoikern gelernt habe, dass nicht die Dinge uns beunruhigen, sondern unsere Gedanken, achte ich mehr darauf, wie ich und andere denken. Es ist zwar nicht egal, wie die Umstände sind, aber was wir denken, wie wir uns fühlen und wie wir handeln, hängt davon nicht zwingend ab.

Die Dinge beunruhigen uns nicht wirklich. Wie sollten sie dies auch tun? Es braucht immer einen Verstand, der die äußere Welt interpretiert. Die Dinge erfreuen uns auch nicht. Es sind unsere Gedanken, die uns erfreuen.

Unsere Überzeugungen wirken wie Filter. Jeder erschafft seine eigene Welt mithilfe seiner Gedanken. Um Missverständnissen vorzubeugen: Unser Geist erschafft nicht die Welt. Das wäre Kinderglaube. Die Welt verschwindet nicht, bloß weil man sich die Augen zuhält. Umgekehrt entsteht sie nicht, weil man es will. Aber unser Geist kreiert seine eigene, kleine Welt. Er interpretiert das, was er sieht, hört und fühlt. So erklärt sich, warum die einen meinen, das Leben sei nur eine Folge leidvoller Erfahrungen, und die anderen finden, es sei schön.

Die Welt ist anders, als wir glauben. Sie ist immer mehr als das, was wir gerade wahrnehmen, und mehr als das, was wir uns im Moment vorstellen. Sie ist dies, aber auch jenes.

Je nachdem, in welcher Kultur Sie aufgewachsen sind, nehmen Sie die Welt wahr. Sie interpretieren sie so, wie es Ihnen beigebracht wurde. Wie Ihre Eltern Sie behandelt haben, was Ihre Lehrer Sie gelehrt haben, entscheidet darüber, durch welchen Filter Sie in die Welt schauen.

KünstlerInnen haben Ausdrucksformen entwickelt, die uns vielleicht auf den ersten Blick fremd sind, weil wir im Alltag des Lebens unsere Gedanken, Erfahrungen und Gefühle nicht auf eine Leinwand malen, nicht in Stein hauen, nicht in Tanzbewegungen fließen lassen und nicht in Märchen oder Melodien verwandeln.

Ist die Welt schön? Nicht automatisch, aber wir können sie so betrachten, dass sie es in unseren Augen ist.

Im Prinzip haben wir alle dasselbe Ziel: Wir möchten glücklich sein.

Aber dann fangen die Probleme an. Wir glauben, dass die Dinge sich ändern müssen, dass wir die Dinge ändern müssen. Doch nein, wir tun gut daran, eher unser Denken, unseren Blick auf die Welt zu ändern, um besser mit ihr umzugehen. Man könnte auch sagen: Glück ist eine Folge unseres Denkens. Wer sich das bewusst macht, ruht in sich, auch wenn sich die Dinge tagtäglich ändern.