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Nach dem spurlosen Verschwinden seiner Ehefrau Helene erleidet der 57-Jährige Hagen Schuster einen Nervenzusammenbruch und wird in eine Psychiatrische Klinik eingewiesen. Dort vegetiert er zweieinhalb Jahre vor sich hin, bevor er als psychisch stabil wieder in die sogenannte Freiheit entlassen wird. Eines Tages entdeckt er in der Zeitung eine Stellenanzeige des "Cafe´s auszeit" in Ebergötzen und bewirbt sich für den Job als "Mädchen für alles". Der neue Inhaber ahnt nicht, dass Hagens Ehefrau in diesem Cafe´ vor drei Jahren das letzte Mal lebend gesehen wurde, bevor ihr Ehemann sie als vermisst gemeldet hat.
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Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Renate Gatzemeier
Auszeit in Ebergötzen
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vita:
Impressum:
Inhalt
Sonntag, der 31. März 2019, morgens um 03:00 Uhr in Fuhrbach
Sonntag, der 31. März 2019, 11:00 Uhr in Ebergötzen
Sonntag, der 31. März 2019, abends nach 20:00 Uhr im Cafe´auszeit
Sonntag, der 31. März 2019, kurz vor Mitternacht im Cafe` auszeit
Montag, der 1. April 2019, morgens
Montag, der 1. April 2019, 06:30 Uhr, in Fuhrbach, bei Familie Liebherr
Montag, der 1. April 2019, morgens im Cafe´ auszeit in Ebergötzen, noch bevor Kira eintraf
Montag, der 1. April 2019, gegen
Montag, der 1. April 2019, um 11:00 Uhr im Gastraum des Cafe´s
Montag, der 1. April 2019, gegen Mittag in Duderstadt
Dienstag, der 2. April 2019, morgens um 09:00 Uhr in Fuhrbach
Dienstag, der 2. April 2019, nachmittags gegen 17:00 Uhr in Hagen Schusters Wohnung
Dienstag, der 2. April 2019, abends
Dienstag, 2. April 2019, kurz nach
Impressum neobooks
Auszeit in Ebergötzen
Ein spannender Regional-Thriller aus der Feder der Fuhrbacher Buchautorin Renate Gatzemeier.
Weitere Beteiligte: Torsten und Diana Liebscher als Thore und Kira Liebherr, sowie die beiden Töchter Alina als Merle und Luisa als Yara.
Die Handlung beginnt in Fuhrbach und verlagert sich nach Ebergötzen.
Die Idee, ein Buch über das Cafe´ zu schreiben, stammt von Torsten, der zusammen mit seiner Familie das Cafe´„auszeit“ neu eröffnet hat und dafür eine schaurige Geschichte benötigt, die im Oberstübchen des Cafe´s in Form einer Lesung präsentiert werden soll. Ich werde auf jeden Fall dabei sein ;-)
Eure Renate Gatzemeier
Renate Gatzemeier wurde am 30. April 1951 in Herzberg am Harz geboren. Seit Anfang der achtziger Jahre lebt sie mit ihrem Mann in Fuhrbach, einem idyllisch gelegenen Ortsteil von Duderstadt. In ihrer Freizeit schreibt sie leidenschaftlich gerne Thriller, aber manchmal auch Geschichten mitten aus dem Leben.
Copyright Text: Renate Gatzemeier, Am Mönchberg 17 A, 37115 Duderstadt
Copyright Bild: Renate Gatzemeier
Homepage: https://autorinrenategatzemeier.jimdo.com/
E-Mail: [email protected] Handy: 01 75 42 90 513
Die Personen und die Handlung sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit ist rein zufällig und nicht gewollt.
Vita: 2
Impressum 5
Sonntag, der 31. März 2019, morgens um03:00 Uhr in Fuhrbach 8
Sonntag, der 31. März 2019, 11:00 Uhr in Ebergötzen 20
Sonntag, der 31. März 2019, abends nach20:00 Uhr im Cafe´ auszeit 37
Sonntag, der 31. März 2019, kurz vorMitternacht im Cafe´ auszeit 49
Montag, der 1. April 2019, morgens gegen05:00 Uhr 66
Montag, der 1. April 2019, 06:30 Uhr, inFuhrbach, bei Familie Liebherr 74
Montag, der 1. April 2019, morgens imCafe´ auszeit in Ebergötzen, noch bevorKira eintraf 83
Montag, der 1. April 2019, gegen 09:30 Uhr im Cafe´ „auszeit“ 102
Montag, der 1. April 2019, um 11:00 Uhr imGastraum des Cafe´s 117
Montag, der 1. April 2019, gegen Mittag inDuderstadt 138
Dienstag, der 2. April 2019, morgens um09:00 Uhr in Fuhrbach 150
Dienstag, der 2. April 2019, nachmittagsgegen 17:00 Uhr in Hagen SchustersWohnung 165
Dienstag, der 2. April 2019, abends um22:00 Uhr 177
Dienstag, 2. April 2019, kurz nach 23.00Uhr in Ebergötzen 187
Hagen Schuster saß in seiner möblierten Zwei-Zimmer-Parterre- Wohnung auf einem Stuhl am Küchenfenster und starrte durch die beschlagene Scheibe nach draußen in die Dunkelheit. Das Licht hatte er vorsichtshalber ausgelassen, weil er von niemandem gesehen werden wollte. Die Beleuchtung der Straßenlaterne auf der gegenüberliegenden Straßenseite am Waldrand reichte aus, um das Wesentliche erkennen zu können. Dabei störte es den Mann nicht, dass der Schmutz der letzten Monate an den Fensterscheiben haftete und ihm nur einen begrenzten Blick in sämtliche Richtungen erlaubte, weil hier in Fuhrbach ohnehin nichts Spannendes passierte und weil ihn das Dorfleben nicht sonderlich interessierte. Er war keiner von ihnen, gehörte lediglich auf dem Papier dieser Gemeinde an und das auch nur vorübergehend. Aber heute machte er sich
darüber keine Gedanken, denn er wartete voller Ungeduld auf den Zeitungsboten, der ihm die kostenlose Sonntagszeitung „Hallo Wochenende“ in den Briefkasten werfen würde. Normalerweise war der Zusteller pünktlich und erledigte seinen Job stets zwischen zwei und drei Uhr nachts, aber ausgerechnet heute schien er sich verspätet zu haben. Immer öfter schaute Hagen Schuster verstohlen zur Wanduhr, deren Sekundenzeiger sich unaufhörlich im Kreis drehten. Das laute Ticken erinnerte ihn an eine Zeitbombe, die jeden Augenblick zu explodieren drohte. Um sich abzulenken griff er nach seiner in der Fensterbank liegenden Zigarettenschachtel und zerrte eine selbst gestopfte Zigarette daraus hervor. Das Anzünden mit dem Feuerzeug geschah rein mechanisch und bedurfte keiner sonderlichen Beachtung.
Der Großteil der Asche landete während des Rauchens ohnehin auf dem Linoleum Fußboden, weil er den Aschenbecher lediglich zum Ausdrücken der Kippe benutzte. Schließlich kam es auf ein Brandloch mehr oder weniger nicht an, denn er war der Einzige, der es zu sehen
bekam. Die Wohnung machte insgesamt einen herunter gekommenen Eindruck und musste unbedingt renoviert werden.
Momentan zählte jedoch nur, dass er ein Dach über dem Kopf hatte, welches vom Amt finanziert wurde. Die Kanne mit dem Kaffee war mittlerweile leer und der klägliche Rest in der Tasse schon lange erkaltet. Missmutig trommelte er mit den Fingern seiner rechten Hand an die Fensterscheibe. Der dumpfe Ton steigerte seinen Unmut um ein Vielfaches und er wünschte sich nichts sehnlicher, als endlich Gewissheit zu erlangen. Im selben Moment läutete die Kirchturmuhr exakt drei Mal zur vollen Stunde und erinnerte Hagen an das Ende seiner Geduld. Ruckartig stand er vom Stuhl auf und schob ihn lautstark zurück, sodass zu befürchten war, dass er gleich scheppernd zu Boden fallen würde. Auf dem Weg zur Haustür schaltete er auf dem Flur die kleine Beleuchtung ein und schnappte sich den auf der Kommode liegenden Haustürschlüssel. Eisige Kälte empfing ihn und ließ ihn erschauern. Die wenigen Meter bis zur Kreuzung erschienen ihm unendlich weit und er musste sich
beeilen, um sie hinter sich zu bringen. Sein Herz vollführte einen Freudensprung, als er plötzlich vor sich den Strahl einer Taschenlampe bemerkte, der sich auf und ab bewegte. Das musste der Zeitungsbote sein. Nun würde es nur noch wenige Augenblicke dauern, bis er die ersehnte Zeitung erhielt. Fröstelnd blieb er auf der Straße stehen und schaute dem Mann erwartungsvoll entgegen.
„Guten Morgen“, krächzte Hagen Schuster und streckte seinen Arm aus.
„Morgen“, erwiderte der Zeitungsbote sichtlich irritiert und musterte den Mann im gestreiften Schlafanzug von oben bis unten.
„Warten Sie etwa auf mich?“
„Ja“, antwortete Hagen Schuster, wobei seine Stimme leicht vibrierte. „Warum kommen Sie denn ausgerechnet heute so spät?“
„Wieso spät? Es ist doch gerade einmal drei Uhr in der Früh.“
„Eben, es ist drei und nicht zwei“, erwiderte
Hagen gereizt und entriss dem verdutzen
Boten die Zeitung. Flink wie ein Wiesel huschte er damit die Straße entlang zurück ins Haus und knallte die Haustür lautstark hinter sich zu.
„Also nee“, stöhnte der Zeitungsbote und schüttelte ungläubig den Kopf. „So etwas ist mir ja noch nie passiert. Der Typ scheint nicht alle Tassen im Schrank zu haben.
Immerhin habe ich bis sechs Uhr Zeit, um alle Briefkästen des Oberdorfes mit den Zeitungen zu bestücken.“ Bei diesen Worten trottete er weiter und dachte über das seltsame Verhalten des neuen Dorfbewohners nach.
Wieder in seiner Wohnung angelangt faltete Hagen Schuster die Zeitung sorgsam auseinander und studierte beinahe ehrfürchtig die Kleinanzeigen, genauer gesagt die Stellenangebote. Mit dem Zeigefinger fuhr er auf dem Papier entlang und durchforstete jede einzelne Anzeige.
Innerhalb weniger Augenblicke war er fündig geworden und pustete die angestaute Luft aus.
„Tatsächlich“, sagte er mehr zu sich selbst und beeilte sich die wenigen Zeilen durchzulesen. „Die Anzeige vom Mittwoch steht wieder drin. Demzufolge scheint sich noch niemand für den Job gemeldet zu haben.“
Zur Neueröffnung des Cafe´s „auszeit“ in Ebergötzen suchen wir noch einen engagierten Mitarbeiter mit handwerklichem Geschick für Haus und Garten auf 450€ Basis. Gern auch einen Rentner. Bei Interesse melden Sie sich bitte unter der Telefonnummer …
Wie paralysiert stierte Hagen Schuster auf die in der Mitte des Blattes befindliche Annonce und strich sich dabei immer wieder über das unrasierte Kinn. Seine einst schwarzen Haare waren an den Schläfen längst ergraut und ließen die ohnehin schon fahle Gesichtsfarbe des Sechzigjährigen noch eine Spur blasser erscheinen. Hohle Wangen zeugten von mangelnder Ernährung und fanden ihre Bestätigung im ausgemergelten Körper.
Lediglich die stahlgraue Farbe seiner Augen hatte allen Anforderungen der letzten
Monate Stand gehalten und sorgte für einen wachen Blick. Er wusste, dass er wieder einmal am Scheidepunkt seines Lebens angekommen war und kramte gedankenverloren eine Schere aus der obersten Schublade des Küchenschrankes hervor, um die Annonce auszuschneiden.
Beinahe liebevoll betrachtete er das Stück Papier, bevor er es auf den Küchentisch neben sein Handy legte. Noch war es für einen Anruf zu früh, aber in vier Stunden wollte er sein Glück auf jeden Fall versuchen. Bis dahin musste er sein Augenmerk auf die Zukunft richten und durfte sich nicht in Erinnerungen verlieren. Nahezu beschwingt eilte er in sein Schlafzimmer, um die erforderliche Kleidung für ein Vorstellungsgespräch aus dem Schrank hervor zu holen. Die Auswahl seiner Klamotten hielt sich in Grenzen und deshalb dauerte es nicht lange, bis er sich für eine schwarze Jeanshose und ein weißes T-Shirt entschieden hatte. Darüber wollte er die schwarze Strickjacke ziehen, die er nur bei besonderen Anlässen trug.
Doch bevor es soweit war, musste er sich einer ausgiebigen Körperreinigung
unterziehen, die er in den letzten Tagen ziemlich vernachlässigt hatte. Dazu gehörten vor dem Duschen eine gründliche Rasur und das Putzen der Zähne. Im Grunde genommen alles Selbstverständlichkeiten, die für ihn jedoch bedeutungslos geworden waren. Seit Mittwoch trug er unentwegt ein und denselben Schlafanzug, um keine maßgeblichen Veränderungen herbei zu führen, die womöglich das Endergebnis negativ beeinflussen könnten. Seit Mittwoch drehte sich alles nur noch um die Stellenanzeige, bei der er sich unschlüssig gewesen war, ob er sich um den Job bemühen sollte oder nicht. Das Schicksal wollte scheinbar, dass sich bislang außer ihm kein anderer Mensch dafür interessiert hatte. Das Risiko noch länger zu warten erschien ihm allerdings zu groß, deshalb musste er in wenigen Stunden den ungeliebten Anruf tätigen, auch wenn es ihm noch so schwerfiel.
***
Pünktlich um sieben Uhr saß Hagen Schuster wieder auf dem Küchenstuhl und tippte die in der Zeitungsannonce angegebene Telefonnummer in sein Handy ein. Bevor er den grünen Hörer betätigte steckte er sich noch schnell eine Zigarette an und inhalierte das Nikotin tief ein.
„Guten Morgen“, meldete sich eine männliche Stimme. „Sie sprechen mit Thore Liebherr, vom Cafe „auszeit“ in Ebergötzen.
„Was kann ich für Sie tun?“
„Ähm ja“, krächzte Hagen Schuster und räusperte sich mehrmals hintereinander, ehe er einen klaren Satz zustande brachte.
„Es geht um die Anzeige im Sonntagsblatt,
wo Sie noch einen Mitarbeiter suchen …“
„Ja, das ist korrekt. Wir suchen in der Tat noch einen Mitarbeiter für leichte Tätigkeiten innerhalb und außerhalb des Hauses. Wie lautet denn Ihr Name, Herr
…?“
„Oh, ich bitte vielmals um Entschuldigung, dass ich mich nicht gleich vorgestellt habe, aber das liegt einfach daran, weil ich ein bisschen aufgeregt bin.“ Er lachte scheppernd. „Ich heiße Hagen Schuster, bin sechzig Jahre alt und körperliche Arbeit gewohnt.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hastig hinzu. „Ich bin mir für keine Tätigkeit zu schade, ganz gleich, ob es um Arbeiten in der Küche, auf der Toilette, im Garten oder sonst wo geht.“
„Na, das klingt doch schon mal vielversprechend“, erwiderte Thore Liebherr und warf nebenbei einen Blick auf die Wanduhr seines Büros. „Wie wäre es denn, wenn Sie sich im Laufe des heutigen Vormittags vorstellen würden? Es kommen noch zwei Herren, die sich auf die Anzeige der Mittwochszeitung hin gemeldet haben.“
„Oh“, rutschte es Hagen Schuster enttäuscht heraus. „Und ich dachte, dass ich der einzige Bewerber bin.“
„Nein, tut mir leid, das sind Sie nicht, aber vielleicht springt ja noch einer der Herren im Vorfeld ab.“
„Gut, dann werde ich mich beeilen und
zusehen, dass ich rechtzeitig da sein kann.“
„Machen Sie das, Herr Schuster … und bringen Sie bitte ein paar aussagekräftige Unterlagen mit.“
„Was denn für Unterlagen?“, erkundigte
sich Hagen Schuster irritiert.
„Na, Sie werden aus vorangegangenen Stellen doch sicher über irgendwelche Zeugnisse verfügen.“
„Nein, damit kann ich zurzeit leider nicht dienen.“ Er schluckte schwer, bevor er mit belegter Stimme hinzufügte. „Die sind mir beim Umzug abhandengekommen.“
„Aber Sie werden doch irgendwelche
persönlichen Papiere besitzen …“
„Nein“, unterbrach Hagen Schuster den Mann am anderen Ende der Leitung heftiger als gewollt, damit der endlich aufhören sollte, dermaßen überflüssige Fragen zu stellen. „Wie ich eingehend schon erwähnte, verfüge ich derzeit weder über persönliche noch über amtliche Dokumente, weil sie mir verloren gegangen sind.“
„Okay, okay“, beschwichtigte Thore Liebherr den sichtlich aufgebrachten Mann und beendete das Gespräch kurzerhand mit
den Worten. „Kommen Sie einfach vorbei
und dann werden wir weitersehen.“
„Worauf Sie sich verlassen können“, knurrte
Hagen Schuster und legte den Hörer auf. Sein Puls raste und sein Blutdruck überschritt innerhalb weniger Augenblicke die Toleranzgrenze von 200. Um seine überstrapazierten Nerven wieder halbwegs in den Griff zu bekommen zündete er sich eine weitere Zigarette an und öffnete eine Dose Bier, um sie in einem Zug auszutrinken. Nach einem langgezogenen Rülpser fühlte er sich einigermaßen befreit und wischte sich mit der Hand den Schaum vom Mund. Um den Alkoholgeruch zu kompensieren holte er aus der Hosentasche ein Pfefferminzbonbon hervor und lutschte es laut schmatzend. Ein Blick auf die Uhr verdeutlichte ihm, dass er sich schleunigst auf den Weg zur Bushaltestelle begeben musste, um den einzigen Bus an diesem Morgen in Richtung Duderstadt nicht zu verpassen in der Hoffnung, dass es von dort aus einen Anschlussbus nach Göttingen geben möge, der auch über Ebergötzen fuhr.
Hagen Schuster hatte die Nase von der Fahrt nach Ebergötzen gestrichen voll und kämpfte gegen die aufkeimende Wut an, indem er seine Zähne aufeinander malmen ließ, bis sie schmerzlich knirschten und beinahe zu einer Verkrampfung des Kiefers führten. Die Hände zu Fäusten geballt stand er am Ortseingang von Ebergötzen und hoffte inständig auf ein in seine Richtung fahrendes Fahrzeug, das ihn mitnehmen würde. Er selber besaß keinen Wagen und somit war er auf die Gunst fremder Autofahrer angewiesen. Erst an der Bushaltestelle im Oberdorf von Fuhrbach hatte er gemerkt, dass sonntags überhaupt gar kein Bus fuhr. Demzufolge musste er seinen Weg per Anhalter bestreiten, was sich wesentlich schwieriger als erwartet herausstellte. Bis Duderstadt hatte ihn ein älterer Mann mitgenommen, der scheinbar nur jemanden zum Reden brauchte, bevor er seine Frau im St. Martini Krankenhaus besuchte. Danach war Hagen Schuster bis
zur Schnellstraße zu Fuß gelaufen. Die wenigen vorbeifahrenden Fahrzeuge machten allesamt einen großen Bogen um ihn, als wäre er ein Aussätziger.
Letztendlich handelte es sich um eine alte Dame, die an diesem Tag noch eine gute Tat begehen wollte, indem sie in letzter Minute mit quietschenden Reifen am Fahrbahnrand hielt, um ihn mitzunehmen. Ihr Gelaber ging ihm schon nach wenigen Kilometern auf den Senkel, aber um keinen Rauswurf zu kassieren, hielt er einfach die Klappe und nickte nur immer zustimmend mit dem Kopf, wenn sie einen Satz zu Ende gebracht hatte. An der Abzweigung nach Ebergötzen musste er jedoch das Fahrzeug verlassen und den Rest der Strecke zu Fuß bewältigen. Er wusste, dass es sich um einen langgezogenen Ort handelte und dass sein ersehntes Ziel am Ende desselben lag. Aus diesem Grund startete er beim nächstbesten sich nähernden Motorengeräusch noch einen letzten verzweifelten Versuch und taumelte kurzerhand auf die Straße, sodass der Fahrer des Wagens gezwungenermaßen in die Eisen gehen musste. Der Schreck,
beinahe einen Menschen umgefahren zu haben, lähmte ihn für einen Augenblick in seinem Denken, den Hagen Schuster sich schamlos zunutze machte und die Beifahrertür aufriss. Der Mann hinter dem Steuer war dermaßen verblüfft, dass er keinen Widerspruch einlegte, als sich der Fremde in das Polster fallen ließ mit den Worten.
„Bitte bringen Sie mich so schnell wie möglich zu dem Cafe´ „auszeit“, es geht um Leben und Tod.“
„Mann, was ist denn mit Ihnen passiert?“, wollte der Autofahrer wissen und startete durch. „Sie erwecken ja den Eindruck, als wäre der leibhaftige Teufel hinter Ihnen her.“
„So ähnlich fühle ich mich auch“, antwortete Hagen Schuster geistesabwesend und fuhr sich mit der Hand durch sein dünnes Haar.
„Dabei bin ich nur etwa zehn Kilometer die Straße entlang getrabt.“
„Oh, dann sind Sie demzufolge nicht freiwillig zu Fuß unterwegs gewesen?“
„Nein, ich hatte eine Autopanne, bin kurz hinter Duderstadt liegengeblieben“, log er und starrte durch die Windschutzscheibe.
„Ach so, verstehe, aber warum rufen Sie nicht einfach den Abschleppdienst oder den ADAC an?“
„Vielleicht, weil ich es nicht will …“, brummte Hagen Schuster mit einem missmutigen Seitenblick auf den Fahrer, der ihm mit seinen dämlichen Fragen fürchterlich auf den Sack ging.
„Ist ja schon gut“, versuchte ihn der Fremde zu beschwichtigen, indem er kurz die Hände vom Steuer nahm und sie in der Luft vorsichtig auf und ab bewegte. „Warum sind Sie eigentlich so gereizt? Man wird ja wohl noch mal fragen dürfen. Schließlich sind Sie mir direkt vor den Wagen gesprungen.“
„Manchmal muss man Dinge tun, die man unter normalen Umständen nicht tun würde.“ Kaum, dass er den Satz ausgesprochen hatte, befahl er dem verdutzten Fahrer anzuhalten, damit er aussteigen konnte. Im letzten Augenblick
hatte er ein Hinweisschild entdeckt, welches auf die rückwärtige Zufahrt zum Cafe´
„auszeit“ hin deutete. Noch ehe der Wagen richtig zum Stehen gekommen war, hatte Hagen Schuster die Tür aufgerissen und war auf die Straße gesprungen. Zurück blieb ein verstörter Mann, der nicht glauben konnte, was ihm soeben widerfahren war. Kopfschüttelnd schloss er die Beifahrertür und überlegte, ob er eventuell die Polizei anrufen sollte.