Automatisierung 4.0 - Thomas Schmertosch - E-Book

Automatisierung 4.0 E-Book

Thomas Schmertosch

0,0
44,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Wann ist eine Verarbeitungsmaschine fit für Industrie 4.0?

Die vierte industrielle Revolution stellt eine Reihe von zusätzlichen Anforderungen an die Konstruktion und die Automatisierung von Verarbeitungsmaschinen. So werden Produkte und deren Herstellungsverfahren nicht nur anspruchsvoller, sondern auch individueller. In diesem Lehrbuch werden die Herausforderungen analysiert und an aussagekräftigen Beispielen Lösungsszenarien aufgezeigt.

Ein Schwerpunkt des Buches ist die Projektion dieser Anforderungen auf bekannte Konstruktionsprinzipien. Daraus resultierende Funktionen werden an diversen Beispielen wie z. B. die Produktion von Fotobüchern oder das Inmould-Labeling verdeutlicht. So entsteht ein Fahrplan zur Erarbeitung eines Lastenheftes für die Konstruktion einer wandlungsfähigen Verarbeitungsmaschine. Vorgestellt wird die modulare, funktions- und objektorientierte Gestaltung von individuellen Maschinen und Anlagen als ein Lösungsansatz für Effizienzsteigerungen im gesamten Lebenszyklus sowohl theoretisch als auch an praktischen Beispielen. Ein wesentliches Verfahren für die Konstruktion wandelbarer Maschinen ist die Modularisierung nach Funktionseinheiten. Diese diversen Anforderungen werden Schritt für Schritt veranschaulicht und herausgearbeitet.

Das Buch richtet sich an Studierende der Fachrichtungen Automatisierungstechnik und Mechatronik sowie an Wirtschafts-, Entwicklungs- und Konstruktionsingenieur:innen.

Schwerpunkte:
- Anforderungen und Perspektiven an Automatisierung 4.0
- Entwurf modularer Maschinen und Anlagen
- Digitale Projektierung von Maschinen
- Modulare Automatisierung in der Praxis

In der 2. Auflage wurde das Kapitel „Kommunikation“ auf den neuesten Stand gebracht sowie Abschnitte zu den Themen „Künstliche Intelligenz“ und „Simulation - der digitale Zwilling“ ergänzt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Thomas SchmertoschMarkus KrabbesChristian Zinke-Wehlmann

Automatisierung 4.0

Objektorientierte Entwicklung modularer Maschinen für die digitale Produktion

2., aktualisierte und erweiterte Auflage

Über die Autoren:Prof. Dr.-Ing. Thomas Schmertosch, Fakultät Ingenieurwissenschaften, HTWK Leipzig,www.schmertosch.de/automatisierung, Kapitel 1, 2, 5 und 6Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes, Hochschule Merseburg, Kapitel 3Dr. Christian Zinke-Wehlmann, Institut für angewandte Informatik, Universität Leipzig, Kapitel 4

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.

Print-ISBN:        978-3-446-47654-7E-Book-ISBN:   978-3-446-47856-5ePub-ISBN:     978-3-446-48120-6

Alle in diesem Werk enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung nach bestem Wissen zusammengestellt. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Werk enthaltenen Informationen für Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Weise aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht. Ebenso wenig übernehmen Autor:innen, Herausgeber:innen und Verlag die Gewähr dafür, dass die beschriebenen Verfahren usw. frei von Schutzrechten Dritter sind. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt also auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benützt werden dürften.

Die endgültige Entscheidung über die Eignung der Informationen für die vorgesehene Verwendung in einer bestimmten Anwendung liegt in der alleinigen Verantwortung des Nutzers.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Werkes, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder einem anderen Verfahren), auch nicht für Zwecke der Unterrichtgestaltung – mit Ausnahme der in den §§ 53, 54 UrhG genannten Sonderfälle –, reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

© 2024 Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.hanser-fachbuch.deLektorat: Dipl.-Ing. Natalia Silakova-HerzbergHerstellung: le-tex publishing services GmbH, LeipzigCoverkonzept: Marc Müller-Bremer, www.rebranding.de, MünchenSatz: Eberl & Koesel Studio, Kempten

Vorwort

Seitdem die deutsche Bundesregierung den Begriff Industrie 4.0 geprägt hat, findet kaum eine ingenieurwissenschaftliche Konferenz mehr statt, in der es nicht mindestens einen Vortrag rund um dieses Thema gibt. Ganze Themenreihen, Online-Angebote und Fachbücher beleuchten Industrie 4.0 aus unterschiedlichen Perspektiven. Und in der Tat stehen wir an der Schwelle zu einer neuen Form der Industrialisierung. Aber eigentlich haben wir sie schon überschritten, und zwar schon lange.

Das Gabler-Wirtschaftslexikon definiert Industrie 4.0 wie folgt:

„Industrie 4.0“ ist ein Marketingbegriff, der auch in der Wissenschaftskommunikation verwendet wird, und steht für ein ‚Zukunftsprojekt‘ der deutschen Bundesregierung. Die sog. vierte industrielle Revolution zeichnet sich durch Individualisierung bzw. Hybridisierung der Produkte und die Integration von Kunden und Geschäftspartnern in die Geschäftsprozesse aus.

Diese Definition enthält die Kernthemen „Individualisierung von Produkten“ und die „Veränderung der Geschäftsprozesse“. Wie das genauer geschieht, ist auf der offiziellen Webseite der Bundesregierung, der Plattform Industrie 4.0, nachzulesen:

In der Industrie 4.0 verzahnt sich die Produktion mit modernster Informations- und Kommunikationstechnik. Treibende Kraft dieser Entwicklung ist die rasant zunehmende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Damit wird die Digitalisierung zur treibenden Kraft erklärt. Und tatsächlich hat sich seit der Markteinführung von Smartphone und Co. die technische Welt tiefgreifend verändert. Das Selbstverständnis der Kunden, die lieber online einkaufen als nebenan im Tante-Emma-Laden, wachsende Ansprüche an Verfügbarkeit, Logistik, Qualität und nicht zuletzt eine geradezu extreme Preissensitivität können nicht spurlos am Produktionsumfeld vorübergehen. Somit steht für die Autoren die Frage im Fokus, welche Anforderungen diese Megatrends an die Herstellung und den Betrieb von Produktionsausrüstungen mit sich bringen.

Um sich der Antwort zu nähern, lohnt es sich, in den Publikationen der Plattform Industrie 4.0 weiterzulesen (wie auch sonst diese Publikation viele Fragen rund um das Thema umfassend beantwortet):

Technische Grundlage hierfür sind intelligente, digital vernetzte Systeme, mit deren Hilfe eine weitestgehend selbstorganisierte Produktion möglich wird: Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte kommunizieren und kooperieren in der Industrie 4.0 direkt miteinander. Produktions- und Logistikprozesse zwischen Unternehmen im selben Produktionsprozess werden intelligent miteinander verzahnt, um die Produktion noch effizienter und flexibler zu gestalten.

Damit ist eine zentrale Herausforderung benannt:

Menschen, Maschinen, Anlagen, Logistik und Produkte sollen miteinander kommunizieren können. Tun sie das aber nicht schon seit geraumer Zeit?

Maschinen verfügen schon immer über in Umfang und Ausstattung den Anforderungen angepasste Kommunikationsmöglichkeiten. Das waren anfangs mechanische Stellelemente, wie Hebel, Stellschrauben oder Handräder. Über den Maschinenzustand haben sich die Bediener zuerst nur durch Beobachtung, Nachmessen und mit viel Erfahrung informieren können. Mit zunehmender Elektrifizierung kamen dann Schalter sowie Leuchtanzeigen und mit Einzug elektronischer Systeme auch zunehmend qualitative Instrumente wie Potenziometer und Leuchtskalen hinzu.

Schließlich erleben wir seit Einzug PC-basierter Hard- und Software in die Bedientechnik von Maschinen und Anlagen eine immer tiefergreifendere Integration von digitalisierten Methoden und Mechanismen, wie wir sie von Smartphones und Tablets kennen. Was nun Human Machine Interface (HMI) heißt, sieht diesen Geräten oft zum Verwechseln ähnlich und bietet immer mehr Komfort. Als Beispiel sei nur die Multitouch-Technologie genannt, die sich für das Smartphone etabliert hat und mit der auch die Bedienung von Maschinen revolutioniert wurde. Allerdings steigen mit den Möglichkeiten auch die Anforderungen an die Gestaltung der visuellen Darstellungen – ein Thema, welches den Usability-Engineer als neues Berufsbild generiert hat.

Neben diesem Komplex wird im vorliegenden Buch auch die direkte Kommunikation von Maschinen und Produktionsanlagen im digitalen Produktionsumfeld thematisiert.

Die Vernetzung von Produktions- und Leitebenen ist schon seit den frühen 1990er-Jahren Stand der Technik. Schließlich dienen die Daten der Produktionsausrüstungen einer effektiven Produktionssteuerung und tragen somit nicht unwesentlich zur Senkung der Stückkosten bei. Auch wenn neue Kommunikationssysteme der Bürowelt wie Ethernet und WLAN in der Werkhalle längst Einzug gehalten haben, so spielt sich intermaschinelle Kommunikation immer noch nach den gleichen Prinzipien ab wie zu deren Anfängen.

Das liegt daran, dass noch heute viele Hersteller von Automatisierungstechnik eigene Vorstellungen von Datenkommunikation verfolgen. Und so bevölkern Datensammler, Bridges und sogenannte Interpreter die Werkhallen, deren Aufgabe nur darin besteht, die Daten so aufzubereiten, dass andere Maschinen bis hinauf zum Produktionsleitsystem sie verstehen können. Ein lukratives Geschäft für Ingenieurbüros und Softwaredienstleister, das hoffentlich bald zur Vergangenheit gehört.

Leider haben da auch branchenspezifische Kommunikationsstandards wie etwa PackML in der Verpackungs-, JDF in der Druck- oder Euromap in der Kunststoffbranche nur mäßig Entlastung gebracht. Industrie 4.0 fordert aber, dass ALLE am Herstellungsprozess beteiligten Komponenten DIREKT miteinander kommunizieren. Gerade diese Anforderung ist für die Produktion individualisierter Produkte existenziell, sodass wir uns mit diesem Thema ausführlich befassen werden.

Ein weiteres Merkmal wird auf der Plattform Industrie 4.0 wie folgt beschrieben, nämlich dass

(. . .) intelligente Wertschöpfungsketten entstehen, die zudem alle Phasen des Lebenszyklus des Produktes miteinschließen – von der Idee eines Produkts über die Entwicklung, Fertigung, Nutzung und Wartung bis hin zum Recycling. Auf diese Weise können zum einen Kundenwünsche von der Produktidee bis hin zum Recycling einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen mitgedacht werden. Deshalb können Unternehmen leichter als bisher maßgeschneiderte Produkte nach individuellen Kundenwünschen produzieren. Die individuelle Fertigung und Wartung der Produkte könnte der neue Standard werden.

Das heißt nichts anderes als Losgröße 1 anstelle von Serien- und Massenfertigung. Aber Losgröße 1 kann nur zum Erfolg führen, wenn das individualisierte Produkt qualitativ gleichwertig und nicht teurer ist als das vergleichbare Serienprodukt. Daher heißt es auf der Plattform Industrie 4.0 weiter:

Zum anderen können trotz individualisierter Produktion die Kosten der Produktion gesenkt werden. Durch die Vernetzung der Unternehmen der Wertschöpfungskette ist es möglich, nicht mehr nur einen Produktionsschritt, sondern die ganze Wertschöpfungskette zu optimieren. (. . .) Die Produktionsprozesse können unternehmensübergreifend so gesteuert werden, dass sie Ressourcen und Energie sparen.

Weil die Autoren der Auffassung sind, dass die Produktionskosten trotz Individualisierung nicht nur sinken KÖNNEN, sondern grundsätzlich sinken MÜSSEN, widmen sie sich intensiv der Frage, wie das mittels modernster Automatisierungstechnik gelingen kann. Dabei wird nicht nur das individualisierte Endprodukt, sondern auch die individuelle Produktionsausrüstung betrachtet, denn beides beeinflusst die Gestaltung eines Automatisierungssystems auf unterschiedliche Art und Weise. Die sich daraus ergebenden Aspekte und Lösungsansätze bilden folgerichtig den Schwerpunkt dieses Buches. Auf diese Weise sollen mit Automatisierung 4.0 sowohl dem erfahrenen als auch dem zukünftigen Ingenieur Anforderungen und Lösungswege für Automatisierungskonzepte aufgezeigt werden, die eine Produktionsanlage fit für die Zukunft und Industrie 4.0 machen.

Im Laufe der Auseinandersetzung mit diesem umfassenden Thema wurde uns immer wieder die außerordentliche Intensität bewusst, mit der sich zahlreiche Institute, Verbände und Hersteller diesen Herausforderungen stellen. Immer wieder mussten wir feststellen, dass neue Ansätze, Lösungen und Normen entstanden, von denen zu Beginn unserer Recherche noch gar keine Rede war. Typisches Beispiel dafür ist das Busprotokoll OPC UA in Kombination mit Time Sensitive Networking. Alle in diesem Buch dazu gemachten Aussagen beziehen sich auf den technischen Stand von März 2018 und wurden in der 2. Auflage mit dem Stand August 2023 aktualisiert. Gleiches gilt für die Ausführungen zur Industrie-4.0-konformen Kommunikation, deren Standardisierungsprozess noch einige Zeit andauern wird. Es war uns daher ein dringendes Anliegen, ergänzend zu den zahlreichen Literaturverweisen, auch Aussagen und Meinungen von involvierten Experten diverser Gremien zu integrieren, um dem Leser den aktuellsten Forschungsstand anbieten zu können.

Dafür gilt besonderer Dank Herrn Dr.-Ing. Heiko Koziolek vom Forschungszentrum der ABB AG und Mitglied im VDI/VDE-GMA-Fachausschuss „Industrie 4.0“. Besonders ihm haben wir zu verdanken, dass wir die zahlreichen Publikationen der Plattform Industrie 4.0 mit den neuesten Entwicklungen abgleichen und in diesem Buch konsolidiert abbilden konnten.

Gleiches gilt für Herrn Sebastian Sachse, der bis 2020 als Mitarbeiter der Business Unit Open Automation Technologies die Firma B&R Industrial Automation GmbH in zahlreichen internationalen Gremien vertrat. Durch seine Hinweise konnten die Darstellungen rund um das Thema Kommunikation ebenfalls mit den aktuellsten Daten und Fakten versehen werden.

Wir danken Herrn Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Peter von Dreusche, Head of Electrotechnical Engineering Unit der Firma Trützschler GmbH & Co. KG, für den intensiven Gedankenaustausch zum Thema objektorientierte Modularisierung. Ihm ist zu verdanken, dass wir diese Methode so fundiert und mit praktischem Hintergrund anbieten können. Ebenso danken wir Herrn Prof. Dr. rer. nat. Matthias Krause für den Gedankenaustausch und die fachliche Beratung zu diesem Thema.

Des Weiteren danken wir den zahlreichen Mitarbeitern der Firma B&R Industrial Automation GmbH, ohne deren Unterstützung und fachliche Beratung eine umfassende und aktuelle Darstellung der praktischen Themen nicht möglich gewesen wäre. Besonders danken wir Herrn Franz Kaufleitner, Produkt Manager für Integrated Safety Technology bei B&R, für die zahlreichen Hinweise und die Unterstützung zum Thema Sicherheitstechnik und Herrn Franz Enhuber, Leiter der B&R Automation Academy. Die zahlreichen Gespräche mit ihm waren besonders hilfreich für die Analyse der Marktanforderungen und der Entwicklungstrends moderner Automatisierungstechnik. Nicht zuletzt bedanken wir uns beim gesamten B&R-Marketingteam und seinem Corporate Editor Herrn Stefan Hensel für die Bereitstellung des zahlreichen Bildmaterials.

Für die Bereitstellung von Bildmaterial danken wir auch den Firmen Fomanu AG Neustadt, der Sick AG Waldkirch, der Pilz GmbH & Co. KG Ostfildern sowie der Buchbinderei Johst in Wermsdorf und vielen anderen.

Wir bedanken uns bei Frau Dipl.-Ing. (FH) Franziska Kaufmann, bei Herrn Manuel Leppert, M. A. und allen Mitarbeitern des Fachbuchverlages Leipzig für die sehr gute Zusammenarbeit zur 1. Auflage. Außerdem danken wir dem Carl Hanser Verlag für die bisherige gute Zusammenarbeit und speziell unserer Lektorin Frau Natalia Silakova sowie Christina Kubiak im Editorial Service für die Unterstützung zur Bearbeitung der 2. Auflage.

Besonderer Dank gilt meinem Co-Autor Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes, dem langjährigen Prorektor Forschung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK) und aktuellem Rektor der Hochschule Merseburg, der mir neben zahlreichen Anregungen vor allem den Startimpuls für dieses Buch gab und mit dem Verfassen des Kapitels 3 Projektierung modularer Maschinen einen sehr wesentlichen Aspekt beisteuerte. Ebenso danke ich meinem Co-Autor Dr.-Ing. Christian Zinke-Wehlmann vom Institut für Angewandte Informatik (InfAI) an der Universität Leipzig, wo er das Kompetenzzentrum KÜNSTLICH MENSCHLICH INTELLIGENT (KMI) leitet sowie im Bereich der angewandten Künstlichen Intelligenz forschend tätig ist.

Was ist ein Autor ohne tatkräftige Unterstützung seiner Familie? Nichts. In diesem Sinne möchte ich ganz besonders meiner Familie danken, die verständnisvoll und mit viel Geduld die Arbeit an diesem Buch begleitet und ermöglicht hat.

Leipzig, März 2024

Thomas Schmertosch

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Thomas Schmertosch (schmertosch.de/automatisierung) betreut seit 2014 an der HTWK Leipzig als Honorarprofessor die Fachgebiete „Komponenten der Automatisierung“ sowie „Modulare Automatisierungssysteme“.

1952 in Leipzig geboren, studierte und promovierte er an der Technischen Universität Otto-von-Guericke Magdeburg als Kybernetiker und arbeitete als solcher bis zu seinem Ruhestand im Kran- und Druckmaschinenbau sowie bei einem führenden Hersteller von Automatisierungstechnik.

Seit 2016 ist er freiberuflich als Fachautor und beratender Ingenieur rund um das Thema Automatisierungstechnik und Industrie 4.0 tätig.

Prof. Dr.-Ing. Markus Krabbes hatte seit 2003 an der HTWK Leipzig eine Professur für das Fachgebiet „Informationssysteme“ inne. Nach zwei Amtszeiten als Prorektor Forschung der HTWK Leipzig ist er seit 2022 Rektor der Hochschule Merseburg.

1970 in Leipzig geboren, studierte er an der TH Leipzig, promovierte 2001 an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und arbeitete am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik in Chemnitz in der Abteilung Maschinen- und Prozessinformatik an mechatronischen Aufgabenstellungen für Werkzeugmaschinen.

Dr. Christian Zinke-Wehlmann ist Leiter des Kompetenzzentrums für Künstliche Menschliche Intelligenz (KMI) am Institut für Angewandte Informatik (InfAI), wo er sich an der Schnittstelle digitaler Technologien, Bildung, Arbeit und Dienstleistungen bewegt.

1983 in Köthen geboren, absolvierte er sein Studium der Soziologie an der Universität Leipzig und promovierte dort am Lehrstuhl für Betriebliche Informationssysteme in der Informatik. Mit einer multidisziplinären Expertise widmet er sich seit 2012 der Erforschung und Lösung komplexer soziotechnischer Herausforderungen in diesen Bereichen.

Inhalt

Titelei

Impressum

Inhalt

Vorwort

Die Autoren

1 Automatisierung 4.0 – Anforderungen und Perspektiven

1.1 Wahrnehmung von Industrie 4.0

1.2 Trends und Anforderungen im Maschinen- und Anlagenbau

1.2.1 Endprodukte bestimmen die Richtung

1.2.2 Der Engineering-Prozess verändert sich

1.3 Neue Anforderungen an Produktionsanlagen

1.3.1 Effizienz entscheidet über Erfolg

1.3.2 Service schafft Vertrauen

1.3.3 Qualität ist bedingungslos

1.3.4 Wandelbarkeit macht fit für die Zukunft

1.3.5 Sicherheit muss sein

1.3.6 Neue Technologien in Erfolge umsetzen

1.3.7 Digitale Produktion

1.4 Schlussfolgerungen

2 Entwurf modularer Maschinen und Anlagen

2.1 Definition und Eigenschaften von Modulen

2.1.1 Modularität

2.1.2 Funktionalität

2.1.3 Zustand und Zustandsänderungen

2.1.4 Kompatibilität

2.2 Modularität im Kontext zu Industrie 4.0

2.2.1 Objekte und Entitäten

2.2.2 Methoden und Funktionen

2.2.3 Botschaften und Dienste

2.2.4 Die I4.0-Komponente

2.2.4.1 Das Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0)

2.2.4.2 Technische Assets

2.2.4.3 Assets in der Informationswelt

2.2.4.4 Die Verwaltungsschale

2.2.4.5 Interaktion von I4.0-Komponenten

2.3 Methoden der Modularisierung

2.3.1 Etablierte Entwurfsmethoden

2.3.2 Zielanalyse der Anforderungen

2.3.2.1 Produktsicht

2.3.2.2 Investitionssicht

2.3.2.3 Produktionsumfeld

2.3.2.4 Herstellersicht

2.3.3 Konstruktive Detailanalyse

2.4 Modellierung

2.4.1 Entwurf einer funktionalen Struktur

2.4.1.1 Das Funktions- und Klassendiagramm

2.4.1.2 Das Zustandsdiagramm

2.4.1.3 Das Interaktionsdiagramm

2.4.2 Entwurf einer modularen Konstruktion

2.4.2.1 Das Moduldiagramm

2.4.2.2 Qualitatives Modulschema

2.4.3 Entwurf des Automatisierungssystems

2.4.3.1 Hardwarekonzept

2.4.3.2 Softwarekonzept

2.5 Zusammenführung und Fazit

3 Digitale Projektierung von Maschinen

3.1 Spezifikation als Ausgangspunkt einer Projektierung

3.2 Projektierung nach dem V-Modell

3.2.1 Abstraktes und reales Modell

3.2.2 Modell-Qualifikation, -Verifikation und -Validierung

3.2.3 Rechnerbasierter Entwurf

3.2.4 Modellierungsvarianten

3.3 V-Modell in der Anwendung

3.3.1 Grundstruktur und Eigenschaftssicherung

3.3.2 Dekomposition

3.3.3 Modularisierung und Objektorientierung

3.3.4 Grundstrukturen simulativer Erprobung

3.4 Übertragbarkeit des interdisziplinären Mechatronikansatzes

3.4.1 Simulative Erprobung großer Systeme

3.4.2 Lebenszyklusmodellierung

3.4.3 Grenzen simulationsgestützter Evaluierung

3.4.4 Ausblick

4 Qualitätssicherung neu denken

4.1 Begriffsübersicht

4.2 Was macht Qualität 4.0 aus?

4.3 Qualitätsmanagement und Modularisierung

4.3.1 Messen von Qualität

4.3.2 Analyse von Qualität

4.3.3 Im Detail: digitale Bildverarbeitung als Qualitätssicherungsverfahren

4.4 Qualität 4.0 in die Anwendung bringen

5 Modulare Automatisierung in der Praxis

5.1 Sukzessive Modularisierung

5.1.1 Szenarien einer sukzessiven Modularisierung

5.1.2 Dezentralisierte Hardware ist möglich

5.1.3 Dezentralisierte Hardware ist eingeschränkt möglich

5.1.4 Dezentralisierte Hardware ist nicht möglich

5.1.5 Heterogene Automatisierungstechnik

5.1.6 Zusammenfassung

5.2 Echtzeitfähigkeit dezentraler Systeme

5.2.1 Reaktionszeit – Definition und Anforderungen

5.2.2 Jitter – die große Unbekannte

5.2.3 Kurze Reaktionszeiten in dezentralen Strukturen

5.2.3.1 Erhöhung der Systemleistung

5.2.3.2 Interrupt-basierte Systeme

5.2.3.3 Intelligente Feldgeräte

5.2.3.4 Spezialentwicklungen

5.2.3.5 Intelligente I/O-Module

5.2.4 Zusammenfassung und Lösungsbeispiele

5.2.4.1 Dickenmessung sammelgehefteter Broschüren

5.2.4.2 Fehlbogenkontrolle

5.3 Maschinensicherheit

5.3.1 Anwendung der Maschinenrichtlinie in modularen Systemen

5.3.2 Sicherheitstechnik im Überblick

5.3.3 Sichere Steuerungstechnik

5.3.4 Sicherheitstechnik ergänzen oder integrieren?

5.3.5 Zusammenfassung

5.4 Kommunikation ist (fast) alles

5.4.1 Industrielle Kommunikation im Überblick

5.4.2 Ethernet-basierte Feldbusse – Eigenschaften und Arbeitsweise

5.4.3 OPC UA im Industrial Ethernet

5.4.4 Single Pair Ethernet

5.4.5 Sichere Kommunikation – Safety

5.4.6 Sichere Kommunikation bis in die Cloud – Security

5.4.7 Zusammenfassung

5.5 Adaptiv und intuitiv: HMI 4.0

5.5.1 Bedeutung und grundsätzliche Aufgaben

5.5.2 Konstruktive Gestaltung

5.5.3 SCADA-System

5.5.3.1 Systemeinordnung

5.5.3.2 Engineering von SCADA-Applikationen

6 Automatisierung 4.0 im Überblick

1Automatisierung 4.0 – Anforderungen und Perspektiven

Bevor wir uns den Anforderungen an die Automatisierungstechnik widmen, analysieren wir in diesem Kapitel die Anforderungen, die sich aus der Definition Industrie 4.0 ergeben. Dazu kommen allgemeine Trends, denen sich der Maschinen- und Anlagenbau grundsätzlich stellen muss und aus denen sich zugleich wichtige Zielvorgaben für die Gestaltung von Automatisierungssystemen ableiten lassen.

1.1Wahrnehmung von Industrie 4.0

Im Rahmen der vierten industriellen Revolution entwickelt sich ein virtueller Marktplatz, auf dem zwischen Maschinen, die ihre Dienste anbieten, und Rohlingen, die ihren Bearbeitungsprozess selbst steuern können, der Produktionsverlauf ausgehandelt wird. Zu dieser Vision gehört auch das Überschreiten alter Grenzen:

Firmen bauen neue Wertschöpfungsketten auf, indem sie ihre Geschäftspartner, Zulieferer und Kunden in den Fertigungsprozess integrieren. Damit der Kunde seinen Auftrag jederzeit online kontrollieren und Bearbeitungswünsche anmelden kann; damit der Lieferant in Echtzeit erfährt, wie viel Material noch im Lager ist; damit die Spedition den Abholtermin schon zusagen kann, wenn die Fertigung noch läuft. [1]

Und weil die Informationstechnologie mit und durch das Internet keine Grenzen kennt, ist Industrie 4.0 auch ein globaler Prozess. Megatrends wie steigendes Preis- und Qualitätsbewusstsein, weltweite Verfügbarkeit und grenzenlose Kommunikation führen zu sich verändernden Märkten und alternativen Lebensmodellen. Produkte werden nicht mehr gekauft, sondern gemietet oder sie sind bereits stark individualisiert. Ein normaler Serien-Pkw kann schon heute dank ausgeklügelter Fertigungs- und Logistikprozesse in Millionen verschiedenen Ausstattungsvarianten an einem durchgehenden Montageband gefertigt werden. Dazu kommen Dienstleistungen für die Vernetzung mit anderen Mobilitätsdiensten oder Leasingmodelle als integrale Bestandteile des Produktes.

Zukünftig entscheidet sich der Kunde nicht mehr für ein Produkt, sondern für ein Geschäftsmodell. [2]

Und (. . .) demzufolge führt die vierte industrielle Revolution insbesondere zu Individualisierung bzw. Hybridisierung der Produkte (Kopplung von Produktion und Dienstleistung) [3]. Und das alles zu den Kosten bisheriger Massenfertigung – eine Herkulesaufgabe.

Beispiele dafür gibt es einige, denn Losgröße 1 ist schon längst in der realen Welt angekommen. So ist das am heimischen PC selbst gestaltete Fotobuch (Bild 1.1) ebenso einmalig wie das Rezept für eine individuelle Müslimischung. Das für eine Woche vorkonfektionierte Medikamentenset für Senioren spart als willkommener Nebeneffekt zur optimalen Therapie zusätzlich Verpackungsmaterial und Transportvolumen. Das individualisierte Produkt wird als Alleinstellungsmerkmal definiert, und das gilt als verkaufsfördernd. Dabei helfen innovative Technologien, die neue Gebrauchseigenschaften generieren und die Individualisierung beinahe zum Nebeneffekt mutieren lassen.

Bild 1.1Das Fotobuch: typischer Vertreter individualisierter Produkte in Losgröße 1

Das In-Mould-Labeling für die Herstellung von Kunststoffprodukten wie Joghurtbechern, Flaschen und vielem anderen mehr ist nur eine dieser Technologien. Bei diesem Verfahren wird ein bedrucktes Etikett aus Polypropylen in eine Form gelegt, in die anschließend plastifizierter Kunststoff gespritzt wird. Dort verschmilzt dieser mit dem Etikett und nimmt beim Abkühlen die Gestalt der Form an. Label und Verpackung bilden am Ende ein Ganzes mit einer Vielzahl an neuen Eigenschaften und Funktionalitäten (Bild 1.2). So sind z.B. (...) In-Mould-Labels feuchtigkeits- und temperaturbeständig und damit auch für Tiefkühlprodukte geeignet und man kann sogar den Frischegrad messen. Dazu kommen verbesserte mechanische Eigenschaften wie Kratz-, Schrumpf- sowie Reißfestigkeit und vieles andere mehr [4].

Bild 1.2Individuelle Beschriftung und eingebettete Sensorik verleiht Frontblenden aus Kunststoff neue Gebrauchseigenschaften (Quelle: Kunststofftechnisches Institut an der TU Ilmenau)

Dabei ist besonders der vorgelagerte Offsetdruck des Etiketts für das Label interessant. Mit ihm sind nicht nur hoch aufgelöste farbige Bilder möglich, die den Verpackungen ein völlig neuartiges Aussehen verleihen, sondern es lassen sich damit die Produkte und deren Verpackungen hervorragend individualisieren. So wird z.B. die spezielle Müslimischung in einer Box mit der Aufschrift „Muttis Sonderedition zum 50. Geburtstag von Lisa und Tim“, ergänzt mit einem Foto der Spender, zum Renner auf dem Gabentisch. Oder das Medikamentenset enthält neben dem Namen in großen Lettern auch noch Hinweise zur Einnahme. Wenn das ohne wesentliche Mehrkosten gelingt, ist echter Mehrwert und geschäftlicher Erfolg garantiert.

Genau das ist aber das Problem. Schon seit Generationen ist bekannt, dass sich durch Serienproduktion die Stückkosten senken lassen. Das hat schließlich im frühen 20. Jahrhundert mit der Fließbandfertigung die arbeitsteilige Massenproduktion hervorgebracht. Wir bezeichnen diese Entwicklung heute als zweite industrielle Revolution. Auch die in der dritten industriellen Revolution einsetzende elektronische (speicherprogrammierbare) Automatisierung erfüllte vornehmlich das Ziel, wiederkehrende und gleiche Arbeitsgänge zu beschleunigen und qualitativ besser auszuführen als der Mensch. Dass dabei Arbeitsplätze wegfallen, ist ein Thema, was zu bedenken, aber letztlich nur durch gesellschaftliche Korrekturen und Prozesse beherrschbar ist.

So wurden bis Ende des 20. Jahrhunderts fast nur Verarbeitungsmaschinen gebaut, die mehr oder weniger für die Herstellung eines einzigen Produktes konstruiert wurden, wie z.B. ganze Maschinenlinien nur zur Fertigung eines einzigen Relaistyps oder eines speziellen Leuchtmittels. Wenn nach mehreren Millionen Stück dieser Typ abgekündigt wurde, wanderten die Maschinen in den Schrott.

In den meisten Serienmaschinen wie z.B. Verpackungsmaschinen können zwar die Parameter eines Produktes verändert werden, aber die Umstellung auf ein anderes Format oder Material muss bereits beim Entwurf der Maschine mit eingeplant werden und erfordert mehr oder weniger Aufwand zur Umrüstung. Wie sehr sich dann die verschiedenen Produkte unterscheiden, hängt allein davon ab, welche Rüst- und/oder Parametriermöglichkeiten in der Maschine angeboten werden.

Andererseits ist beispielsweise eine moderne Werkzeugmaschine grundsätzlich für die Fertigung individualisierter Werkstücke prädestiniert. Entsprechend konstruiert und ausgestattet ist sie in der Lage, völlig selbstständig ein Einzelstück zu bearbeiten. Alle notwendigen Informationen werden in einem CNC-Programm codiert, welches der Maschinenbediener direkt am Bedienpanel der Maschine editiert. Oder das Programm entsteht mit einem Mausklick direkt aus dem CAD-System des Konstrukteurs und wird per Netzwerk oder Speichermedium in die Maschine übertragen. Der Umrüstprozess beschränkt sich damit nur auf das Einspielen des Bearbeitungsprogramms und der Bestückung des Werkzeugspeichers, wobei Letzteres häufig mithilfe von Robotern und anderen Zuführsystemen auch automatisiert erledigt wird.

Gleiches gilt für die Technologie des Auftragsverfahrens, wie es in 3D-Druckern zur Anwendung kommt. Eine Kunststoffspritzgießmaschine (Bild 1.3) kann mit einem einzigen Arbeitsgang mehrere Produkte wie z.B. Zahnräder, Plastikboxen oder ganze Mülltonnen gleichzeitig fertigen. Ein kompletter Arbeitsgang mit Werkstoff verflüssigen (plastifizieren), in eine Form (dem Spritzgießwerkzeug) einspritzen, abkühlen und entnehmen (mit einem Entnahmeroboter), dauert in der Regel nur Sekunden. Damit lässt sie dem 3D-Drucker zeitlich keine Chance. Also warum gibt es diesen dann überhaupt?

Des Rätsels Lösung liegt auch hier in der Fertigungsmethode. Ein Spritzgießwerkzeug ist ein sehr kostenintensives Bauteil. Es muss unter extremen Drücken (1000 bar sind keine Seltenheit) und hohen Temperaturen bis in den Mikrometerbereich formstabil bleiben. Die Oberflächen der Form sind hochglanzpoliert, diverse Einbauten gestatten Mehrfarbigkeit und sogar bewegliche Gelenke in einem Arbeitsgang auszubilden. Das alles hat seinen Preis, der schnell die Millionengrenze übersteigt. Diese Investition rentiert sich nur durch die Umlage auf hohe Stückzahlen und um diese zu erreichen, wird die Taktzeit der Produktion in Zehntelsekunden geplant und fortlaufend durch ausgeklügelte Verfahrenstechnik optimiert. Unter diesen Bedingungen individuelle Einzelprodukte herzustellen, ist wirtschaftlich nicht zu rechtfertigen.

Bild 1.3In einer Kunststoffspritzgießmaschine können mehrfarbige Produkte in einem Arbeitsgang gefertigt werden (Quelle: Ferromatik Milacron GmbH)

Das ist die Chance für 3D-Drucker. Diese sind zwar in der Stückzeit gegenüber einer Kunststoffspritzgießmaschine ganz klar im Nachteil, dafür fertigen sie jedes einzelne Werkstück mit beliebigen Formen und Konturen nur durch Übergabe eines digitalen Bearbeitungsprogramms. Und das funktioniert nicht nur mit Kunststoff, sondern auch mit metallischen, mineralischen und sogar organischen Werkstoffen. Durch den Wegfall der Werkzeugumlage und mit deutlich vereinfachter (und damit preiswerterer) Maschinenkonstruktion liegen auch die Stückkosten trotz längerer Taktzeit in einem sehr akzeptablen Bereich. Daher sind 3D-Drucker für die Fertigung von Prototypen nicht mehr wegzudenken, wenngleich sie für die Serienproduktion wohl noch längere Zeit keine Option darstellen. Andererseits erlaubt die Technologie des schichtweisen Auftragens (Additive Manufacturing) die Fertigung von Werkstücken mit sehr komplexen Strukturen und Formen, die mit spanabhebenden Verfahren überhaupt nicht möglich sind. Das gelingt sogar bei hochbelasteten Werkstücken, wie es beispielsweise bei Schaufeln für Gasturbinen der Fall ist [5]. Diese Bauteile werden mit dem sogenannten Laserauftragsschweißen (Bild 1.4) gefertigt und halten Temperaturen von über 1250 °C bei 13 000 Umdrehungen in der Minute aus. Das wurde möglich, weil mit dieser Technologie ein neues Schaufeldesign mit einer komplett verbesserten internen Kühlungsgeometrie realisierbar ist. Damit besetzen 3D-Drucker bereits heute schon erste Nischen in der Serienproduktion.

Bild 1.43D-Lasermaschine für das Laserauftragsschweißen (Quelle: Trumpf GmbH & Co. KG)

Die Beispiele machen deutlich, dass individualisierte Produkte nicht zwingend mehr kosten müssen und auch die Stückzeit nicht größer sein muss als die der Massenprodukte – vorausgesetzt, man zieht die Bilanzgrenze um den gesamten Produktionsprozess! Sie machen aber auch deutlich, dass Losgröße 1 PLUS niedrigste Stückkosten PLUS kürzeste Stückzeiten zugleich nicht zu machen sind.

Wir wären jedoch schlechte Ingenieure, wenn wir uns damit zufriedengeben würden, und wir wären noch schlechter, wenn wir an die „eierlegende Wollmilchsau“ glaubten. Das ist auch nicht im Sinne von Industrie 4.0. Unser Ziel (und das dieses Buches) muss daher sein, einen Pfad zum Optimum beider Welten zu finden und die Vorteile unterschiedlicher Technologien so zu kombinieren und mit neuen Technologien zu ergänzen, dass individualisierte Serienprodukte in der Produktion nicht länger dauern, nicht teurer sind als standardisierte Massenprodukte und zugleich hochkomplexe Sondermaschinen zu individuellen Serienmaschinen werden.

Es haben sich aber auch abseits von Industrie 4.0 weitere Trends herausgebildet, denen Maschinenkonzepte und deren Automatisierung zunehmend entsprechen müssen. Betrachten wir die wichtigsten näher, bevor Strategien und Lösungskonzepte vorgestellt werden.

1.2Trends und Anforderungen im Maschinen- und Anlagenbau

Die Arbeit von Entwicklern und Konstrukteuren wird seit jeher von Kundenwünschen bestimmt. Aus der Summe dieser Anforderungen lassen sich Trends ableiten, die sich nach und nach als Standards etablieren und sich zugleich immer weiterentwickeln. In unserem digitalen Zeitalter sind viele dieser Anforderungen nur noch mit den Technologien der Automatisierung und Informatik zu meistern. Die wichtigsten Trends werden im Folgenden vorgestellt.

1.2.1Endprodukte bestimmen die Richtung

Schon immer unterliegen die Anforderungen an alle Arten von Gütern den Megatrends der menschlichen Bedürfnisse. Das gilt seit dem Beginn der Mechanisierung natürlich auch für Maschinen aller Art. So brachte beispielsweise der Wunsch nach gemusterten Stoffen neue Webmaschinen hervor. Die Entwicklung hygienischer Standards führte zu Vakuumverpackungen und Maschinen zu deren Herstellung. Die Gewissheit, dass unsere Ressourcen an Rohstoffen begrenzt sind, führte zur Entwicklung von Kohlefasern, um durch Leichtbau Energie zu sparen, und Solarpanels, um Energie umweltschonend zu erzeugen. Maschinen und Anlagen müssen diesem Trend folgend, genau wie Haushaltsgeräte und Leuchtmittel, ihren Energieverbrauch reduzieren und schließlich durch Labels ausweisen.

So ist erkennbar, dass in erster Linie die Anforderungen an die Endprodukte – das Textil, die Kontaktlinse, das Fotobuch, die Fertigpizza, der Kühlschrank – die dazu erforderlichen Technologien zu deren Produktion bestimmen und vorantreiben. Bei der Entwicklung einer Verarbeitungsmaschine bzw. Produktionsanlage steht daher die Sicht auf das Endprodukt an erster Stelle. Daraus folgt die Auswahl der Ausgangsmaterialien, der Hilfsstoffe sowie der Verfahren und Technologien, die sich in der Konstruktion und schlussendlich in der Automatisierung sowie dem Service wiederfinden müssen.

Müssten wir bei der Entwicklung einer Maschine aber allein diesen Vorgaben folgen, wäre der Ingenieurberuf eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Was die Arbeit spannend und zugegebenermaßen mitunter das Leben auch schwer macht, sind die zahlreichen Randbedingungen, Gesetze und Vorschriften, die in der Regel den Konstruktionsaufwand vervielfachen.

Man stelle sich nur ein modernes Atomkraftwerk vor. Der Reaktorraum würde leicht in ein mittleres Mehrfamilienhaus passen. Die Aufwände für Kühlung, Brennstoffver- und -entsorgung, die Anforderungen an die Strahlensicherheit sowie die eigentliche Erzeugung der Elektroenergie machen daraus eine Anlage in der Größe einer mittleren Kleinstadt. Ähnlich verhält es sich bei der Halbleiter-Produktion. Um einen Prozessor herzustellen, der am Ende in einer Smartwatch steckt, benötigt man Produktionslinien, die eine ganze Fabrikhalle mit Reinstraum-Atmosphäre füllen. Allein deren Aufbereitung und Versorgung verschlingt Millionen zuerst an Investitionen und später im laufenden Betrieb.

Im Maschinenbau ist es nicht anders. Eine Hochleistungsverpackungsmaschine für Medikamenten-Blisterverpackungen muss neben umfangreichen Sicherheitseinrichtungen für das Bedienpersonal hohe hygienische Standards erfüllen. Dazu kommen zahlreiche Komponenten und Funktionen zur Qualitätssicherung, sodass die Komplexität einer solchen Maschine mit der einer Maschine aus den Anfängen der Verpackungstechnik nicht mehr vergleichbar ist.

Das gilt ebenso für die meisten modernen Verarbeitungsmaschinen, egal ob in der Werkzeugmaschinen-, Kunststoff- oder Papierverarbeitungsbranche, um nur einige zu nennen.

1.2.2Der Engineering-Prozess verändert sich

Bis weit ins 20. Jahrhundert hinein dominierten die Mechanik-Konstrukteure das Geschehen, und Konstruktionsleiter hatten fast ausnahmslos ein Mechanik-Studium absolviert. Auch nachdem Mitte der 1970er-Jahre elektronikbasierte Automatisierungstechnik zur Verfügung stand, setzte sich nur sehr langsam die Bereitschaft durch, mechanische Kompetenz an Chips und Transistoren abzugeben. Erst zum Ende des 20. Jahrhunderts wurde nach und nach erkannt, dass neue Funktionen viel besser durch Software zu realisieren sind oder ein elektrischer Servoantrieb mit elektronischer Kurvenscheibe ohne Abstriche an dessen Zuverlässigkeit preiswerter und flexibler eingesetzt werden kann als ein kompliziertes asymmetrisches Getriebe in mechanischer Bauart.

Der einsetzende Preisverfall für elektrische Antriebstechnik und immer leistungsfähigere Steuerungskomponenten haben in der Folge den mechanischen Anteil in der Konstruktion immer deutlicher reduziert und zu neuen, innovativen Maschinenkonstruktionen geführt. Infolgedessen verschieben sich die bei der Entwicklung einer Produktionsanlage erforderlichen Engineering-Anteile dramatisch (Bild 1.5).

Inzwischen sprechen wir nicht mehr von Mechanik und Elektronik als separate Disziplinen, sondern von Mechatronik und mechatronischen Komponenten mit technologischen Funktionen, die immer mehr allein durch Software definiert werden – Tendenz steigend (Bild 1.6).

Bild 1.5Die Engineering-Anteile im Maschinen- und Anlagenbau verschieben sich in Richtung Automatisierung und Softwareentwicklung (Quelle: ITQ GmbH)

Bild 1.6Mechatronik wird heute durch Mechanik geprägt: In Zukunft ist Mechanik nur noch ein relativ kleiner Bestandteil einer Produktionsanlage (Quelle: ITQ GmbH)

Künftig wird es irrelevant sein, ob in einem Maschinenbaubetrieb die Entwicklungsleitung bei einem Mechanikkonstrukteur, einem Automatisierungsingenieur oder einem Informatiker liegt, solange die ganzheitliche Sicht über alle Domänen zum Grundsatz wird.

1.3Neue Anforderungen an Produktionsanlagen

Im Folgenden sollen die wichtigsten Einflüsse für diese Entwicklung und die daraus resultierenden Anforderungen an Produktionsanlagen näher betrachtet werden. Später werden dazu konzeptionelle Lösungsansätze der Automatisierungstechnik vorgestellt.

1.3.1Effizienz entscheidet über Erfolg

Es liegt im Wesen unserer Marktwirtschaft, dass sich geschäftlicher Erfolg vornehmlich aus monetärem Gewinn rekrutiert. Als Frederick Winslow Taylor im Jahr 1895 in einem viel beachteten Vortrag sein Ein-Stücklohn-System der Welt präsentierte, bekam das Streben nach Effizienz auch einen Namen: Taylorismus. Dabei geht es im Kern einzig um die Organisation der Arbeit, mit dem Ziel, die Stückzeiten und damit die Arbeitskosten zu minimieren. Auch die Einführung der Fließbandarbeit im frühen 20. Jahrhundert (2. industrielle Revolution) war letztlich die konsequente Fortführung des Taylorismus.

Automatisierte Systeme wie Fertigungsautomaten oder Roboter tun nichts anderes als programmierte Arbeitsschritte schnellstmöglich und mit höchster Wiederholgenauigkeit auszuführen. Sie verrichten in der erforderlichen Präzision Arbeitsgänge, mit denen der Mensch überfordert wäre, arbeiten ohne Pausen und werden nicht krank – ein Segen für jedes Unternehmen.

Soweit die Theorie, die Wirklichkeit sieht etwas anders aus. Eine Hochleistungsmaschine, ganz egal welcher Branche, besteht aus Tausenden Einzelkomponenten, jeder Menge Elektronik und etlichen Personenjahren Software. Sie verkörpert ein hochkomplexes System und ist mitunter sündhaft teuer. Jede Sekunde Stillstand bedeutet neben hohen Kosten auch Produktionsausfall und Imageverlust, wenn Aufträge nicht fristgerecht beliefert werden. Steht ein Unternehmen in einem Justin-time-Vertrag, kann es durch einen längeren Produktionsausfall ruiniert werden.

Entsprechend sensibel wird das Thema Stillstandszeiten behandelt, ganz gleich, ob es sich um Zeiten zur Umrüstung oder um Stillstand infolge eines Fehlers handelt. Je nach Anforderung kann selbst enormer konstruktiver und damit wirtschaftlicher Aufwand zu deren Reduzierung gerechtfertigt sein. Einige Beispiele sollen das verdeutlichen.

Umrüstung, Produktumstellung

Steht an einer Verarbeitungsmaschine ein Produktwechsel an, müssen je nach Komplexität der Technologie mehr oder weniger umfangreiche Eingriffe erfolgen. Werkzeuge sind zu wechseln, Materialspeicher zu bestücken, Parameter müssen justiert werden und vieles andere mehr. Häufig werden dann Testläufe gefahren und nach Prüfung, Messung und Bewertung des Prototyps Veränderungen in den Einstellungen vorgenommen. Das kostet Zeit, Material und Personal und schmälert die Wirtschaftlichkeit. Dazu kommt, dass dieses Prozedere bei individualisierten Produkten in Losgröße 1 völlig am Ziel vorbeigeht.

Es ist daher ein elementarer Wunsch aller Maschinenbetreiber, den Rüstaufwand möglichst zu eliminieren, und dazu leisten Automatisierung und Mechatronik einen entscheidenden Beitrag. So lassen sich beispielsweise Justierungen und Anschläge elektromotorisch verstellen, für Werkzeuge gibt es automatisierte Wechselsysteme und in einer im HMI integrierten Rezeptverwaltung liegen alle erforderlichen Daten. Der Bediener kann durch Auswahl des entsprechenden Rezeptes den größten Teil der Umrüstung auf eine Geste am Touchscreen beschränken und bis zum Abschluss des automatisierten Ablaufs andere Arbeiten verrichten. Ein Download dieser Parameter von einem Manufacturing Execution System (MES) direkt auf die Maschine kann die Umrüstung noch weiter unterstützen, was besonders bei Losgröße 1 notwendig ist.

Die Anzahl dazu erforderlicher Stellantriebe in einer Verarbeitungsmaschine kann sich jedoch schnell zu einem bedeutenden Kostenfaktor entwickeln. So sind in einer modernen Sammelheftmaschine zur Herstellung von drahtgehefteten Zeitschriften und Broschüren über einhundert Stellmotoren erforderlich. Mit der entsprechenden Ansteuerelektronik, Verkabelung und Mechanik erhöht sich die Anzahl der Bauteile und letztendlich auch der gesamte Engineering-Aufwand weiter. Dieser Sachverhalt hat beträchtliche Auswirkungen auf die Preisgestaltung der Maschine, und so steht die Auswahl der entsprechenden Komponenten unter besonderem Kostendruck. Schließlich schlägt jeder Euro pro Stellantrieb in der erwähnten Sammelheftmaschine mit einem Faktor von über 100 zu Buche – ein Faktum, der in jeder Preisoptimierungsagenda ganz oben steht.

Die Entwickler sind deshalb gut beraten, von Beginn an die Anforderungen des Produktes bzw. Prozesses mit den Möglichkeiten der zur Verfügung stehenden mechanischen und elektrischen Komponenten so genau wie möglich abzugleichen. Jede Stunde sorgfältige Recherche ist dabei gut investierte Zeit für überzeugende Argumente in den Budgetmeetings.

Perspektive Automatisierung 4.0

Die Umrüstung einer Maschine ist genauso automatisiert wie deren eigentliche Fertigungsfunktion.

Wartung und Instandhaltung

Auch die modernsten Produktionsanlagen und die hochwertigsten Materialien unterliegen Verschleiß und erfordern entsprechenden Instandhaltungs- und Wartungsaufwand. Produktionsstillstand infolge eines Komponentenausfalls oder Softwarefehlers produziert zwangsläufig Ärger und Frust. Wenn ein Ersatzteil nicht sofort greifbar ist, sich die Beschaffung über Tage oder Wochen hinzieht und ein wichtiger Auftrag nicht fristgerecht fertig wird, liegen oft die Nerven blank. Nicht selten enden solche Ausfälle vor Gericht. Unabhängig von strengen Qualitäts- und Lieferantenvereinbarungen sind daher Strategien und Konzepte gefragt, die unvorhergesehene Ausfälle möglichst ausschließen oder zumindest die entstehende Ausfallzeit minimieren.

Eine Möglichkeit ist die sogenannte Feuerwehrstrategie. Tritt ein Maschinenstillstand ein, wird die sich in Bereitschaft befindliche Servicemannschaft mobilisiert, ein eventuell erforderliches Ersatzteil aus dem Lager genommen und sofort repariert. Dazu bedarf es mehr oder weniger umfangreicher Ersatzteillager direkt beim Maschinenbetreiber oder Servicepartner. Welche Bauteile vorgehalten werden und welche nicht, richtet sich nach Wichtigkeit, Wiederbeschaffungszeit, Lagerkosten, Haltbarkeit etc. Ein solches Lager und die erforderliche Infrastruktur inklusive Instandhaltungspersonal bindet jedoch erhebliches Kapital und ist daher die teuerste und aufwendigste Lösung.

Dagegen werden bei planmäßiger und vorbeugender Wartung ganz gezielt Risikokomponenten getauscht. Es werden aber auch Schraubverbindungen sowie Kabelstränge kontrolliert, und es wird geölt, geputzt und geschmiert. Zur Planung solcher Art der Instandhaltung dienen Empfehlungen der Komponenten- und Maschinenhersteller und ganz viel eigene Erfahrung des Instandhaltungspersonals. Die entstehende Stillstandszeit wird im Produktionsplan berücksichtigt, Ersatzteile und Hilfsmaterialien werden mit entsprechendem Vorlauf beschafft.

Der Vorteil dieses Verfahrens ist die Planmäßigkeit des Stillstandes und die damit garantierte Pflege der Produktionsanlage. Allerdings werden mitunter Komponenten getauscht, nur weil die Hersteller dies empfehlen und obwohl diese sicher noch bis zur übernächsten Wartung fehlerfrei gearbeitet hätten. Auch wenn das Ersatzteilgeschäft immer ein lukratives ist, soll hier nicht unterstellt werden, dass Wartungsintervalle von den Lieferanten aus Profitgründen kürzer als notwendig angegeben werden. Vielmehr steht der Lieferant in der Pflicht, eine Laufzeit zu garantieren, und da geht es ihm wie dem Lebensmittelhersteller: Er gibt eine Mindesthaltbarkeit an, und diese kann je nach Betriebsweise der Maschine mehr oder weniger von der erreichbaren abweichen.

Der Betreiber handelt dann wie der Einzelhandel mit Lebensmitteln bei abgelaufener Mindesthaltbarkeit: Auch, wenn alle wissen, dass das Bauteil noch lange funktionstüchtig ist, wird es sicherheitshalber ersetzt. Man will ja kein Risiko eingehen und sich am Ende vorwerfen lassen, man hätte die Vorschriften und Herstellerempfehlungen nicht eingehalten.

Und es gibt noch einen Nachteil dieser Strategie. Stellt sich bei der begleitenden Inspektion heraus, dass ein Bauteil dennoch unvermutet getauscht und neu beschafft werden muss, sind Verzögerungen vorprogrammiert, und der verspätete Produktionsanlauf schafft zusätzlichen Ärger.

Infolgedessen wird zunehmend die zustandsorientierte Instandhaltung praktiziert. Bei diesem Verfahren wird durch systematische und automatisierte Analyse vorhandener sowie zusätzlich erfasster Maschinendaten der Zustand kritischer Komponenten erfasst. Beispielsweise kann die fortlaufende Stromaufnahme eines Motors Auskunft darüber geben, wie sich die Laufeigenschaften der angetriebenen Mechanik verändern.1 Steigt der Strom gegenüber dem Langzeitmittelwert stetig oder auch sprunghaft an, kann das an einsetzendem Verschleiß, fehlender Schmierung oder Verschmutzung liegen. Sinkt er dagegen, könnte sich ein Lagerspiel vergrößern und ausschlagen. Mithilfe eines zusätzlichen Ultraschallsensors am Getriebe lassen sich im fortlaufend überwachten Frequenzband Veränderungen feststellen, die schon lange vor dem Ausfall einen Getriebeschaden ankündigen. Entsprechende Komponenten werden im Automatisierungssystem integriert, die Warnungen dem Bediener am Display der Maschine oder dem Servicepersonal via Netzwerk direkt mitgeteilt. Anhand dieser Daten kann entschieden werden, wie lange das Bauteil noch seinen Dienst verrichtet, ob und wann ein Ersatz zu beschaffen ist und ob die Anlage vielleicht schonender gefahren werden muss, um einen Totalausfall bis zum Eintreffen des Ersatzteiles zu vermeiden. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) dabei zunehmend zum Einsatz kommen.

Die Vorteile liegen auf der Hand: Keine oder nur minimale Ersatzteillager sowie maximale Ausnutzung der Lebensdauer von hoch beanspruchten Komponenten entlasten das Instandhaltungsbudget, und unvorhergesehene Stillstände werden weitgehend vermieden. Nur die Investitionskosten erhöhen sich, aber schon ein einziger ungeplanter Stillstand kann diese Mehrkosten mehr als aufwiegen. Lassen sich die zusätzlichen Sensoren auch für die Prozessoptimierung nutzen, dann amortisieren sich die Mehrkosten oftmals bereits innerhalb weniger Produktionsmonate.

Perspektive Automatisierung 4.0

Intelligente Maschinen beeinflussen selbst ihre Instandhaltung.

Ressourcenverbrauch

Dieses Thema steht ebenfalls nicht erst seit Industrie 4.0 auf der Tagesordnung. Ressourcen wie Energie und alle für die Produktion erforderlichen Materialien und Hilfsstoffe generieren Kosten, und damit stehen sie schon immer im Fokus der Produktionsbetriebe und infolge natürlich bei deren Lieferanten. Mit dem 1997 verabschiedeten Kyoto-Protokoll zur Begrenzung und Reduzierung des Treibhausgasausstoßes hat jedoch das Thema des Energieverbrauchs stark an Bedeutung gewonnen.

Produkte aller Art, also auch Maschinen und Anlagen, werden zunehmend auch nach ihrem Energieverbrauch bewertet, was z.B. bei Leuchtmitteln, Haushaltsgeräten u. v. m. durch die EU-Energieverbrauchskennzeichnung auszuweisen ist. Dazu gehört auch die Ermittlung des Energieverbrauchs für die Herstellung eines Produktes, um damit die ökologische Komponente eines Produktionsprozesses bewerten zu können. Damit sehen sich Maschinen- und Anlagenhersteller zunehmend mit der Forderung konfrontiert, den tatsächlichen Verbrauch an Ressourcen pro Stück – die sogenannte graue Energie – zu ermitteln und zu dokumentieren.

Ebenso können neue technologische Verfahren wie z.B. die additive Fertigung oder der Einsatz von Karbonfasern in Verbundwerkstoffen den Materialverbrauch und infolgedessen das Gewicht eines Produktes reduzieren und so mittelbar zur Senkung des Energieverbrauchs beitragen. An dieser Stelle ist wieder die Automatisierungstechnik gefordert, denn sie kann und muss für die vielen Bewegungs- und Dosiersysteme dieser generativen Verfahren wesentlich mehr leisten als nur Messwerte aufzunehmen und an ein MES-System zu senden.

So lassen sich mit intelligenten Regelungsalgorithmen z.B. Antriebs-, Hydraulik- und Temperiersysteme energieeffizienter ansteuern. Ein typisches Beispiel dafür ist die Regelung von servoelektrischen Pumpenantrieben in Kunststoffspritzgießmaschinen. Mit diesem Verfahren können Medienfluss- und Druckeinstellungen so optimiert werden, dass in solchen Maschinen der Energieverbrauch des hydraulischen Systems um rund 50 % gesenkt werden kann [6].

Perspektive Automatisierung 4.0

Maschinen arbeiten ressourcenschonend und können den tatsächlichen Verbrauch dokumentieren.

Engineering-Aufwand

Die bislang vorgestellten Faktoren zur Effizienzsteigerung bedienen eine große Bandbreite, aber das ist längst nicht alles.

Effizienzsteigerung im Maschinen- und Anlagenbau bedeutet auch, den Engineering-Aufwand zu senken. Keine leichte Aufgabe, denn zunehmende Komplexität bedeutet zwangsläufig auch zusätzlichen Aufwand. Für den fehlt jedoch häufig die Zeit, sodass im Vorfeld nicht geleistetes Engineering nach der Auslieferung in der Regel zu deutlich höheren Kosten und sinkender Qualität beim Kunden nachgeholt wird. Um dem entgegenzuwirken und trotz steigender Komplexität den Engineering-Aufwand nicht exorbitant ansteigen zu lassen, ist die Bildung von mechatronischen Einheiten und Maschinenmodulen in Form von Hard- und Software ein verbreiteter Lösungsansatz (Bild 1.7).

Bild 1.7Bei steigender Komplexität bringt ein modulares Hard- und Softwarekonzept trotz erhöhtem Initialaufwand klare Vorteile (Quelle: ITQ GmbH)

Allerdings steigen damit auch die Anforderungen an die Automatisierung und das nicht nur im Hinblick auf die Skalierbarkeit von Hardware, sondern auch in den Methoden und Werkzeugen für die Softwareentwicklung. Daher zählen Standardprogrammiersprachen, strukturierte Methoden zur Modularisierung und systematische Testmethoden zu den wichtigsten Eigenschaften eines Engineering-Werkzeuges.

Dieses Buch widmet sich speziell diesem Thema und in den folgenden Kapiteln werden dazu geeignete Lösungsansätze vorgestellt.

Perspektive Automatisierung 4.0

Modulare Konzepte ermöglichen die Fertigung individualisierter Maschinen und Anlagen auf Knopfdruck.

1.3.2Service schafft Vertrauen

Im vorherigen Abschnitt wurden Wartungsstrategien mit dem Fokus auf mechanik- und hardwareorientierte Instandhaltung thematisiert. Doch was passiert mit der Software?

Neue Versionen mit Fehlerbehebungen und Funktionserweiterungen kennen wir alle von Betriebssystemen, Anwendungsprogrammen bzw. Apps vom Smartphone oder dem PC aus eigener Erfahrung. Nicht anders ist es in modernen Maschinen und Anlagen, und seit den Betrachtungen zu Bild 1.6 wissen wir, dass dies noch weiter anwachsen wird. Das Problem ist dabei, dass das Servicepersonal der Betreiber zunehmend nicht mehr in der Lage ist – oder aus Gründen der Produkthaftung es ihm gar nicht erlaubt wird – die Software einer Produktionsanlage zu warten.

Das gilt im Übrigen für die gesamte Lieferantenkette, denn auch Hersteller von Maschinen und Komponenten setzen häufig hochkomplexe Produkte von weiteren Zulieferern ein, die sie selbst nicht instandhalten können oder dürfen. Entweder wird auch ihnen der Zugriff grundsätzlich verwehrt oder sie benötigen Zusatzwerkzeuge, spezielle Software und Schulungen oder sie scheitern schlicht an deren Komplexität. Im Ergebnis entsteht ein Geflecht von Systemen, Komponenten und deren Unterkomponenten, dem das Wartungspersonal mitunter hilflos ausgeliefert ist.

Allerdings sind die Automatisierungsingenieure daran nicht ganz unschuldig. Die Betonung liegt auf nicht ganz, denn besonders sie müssen sich den in diesem Kapitel benannten Trends unterwerfen und mitunter die erwarteten Funktionen mit mehr oder weniger Aufwand regelrecht hervorzaubern. Dass dafür aus zuweilen überzogenen Kosten- und Terminvorgaben auch wenig bis ungeeignete Hard- und Software mit dem Attribut „Qick and Dirty“ herhalten muss, ist leider eine viel zu oft anzutreffende Tatsache. Vertrauensbildend ist dieser Sachverhalt sicher nicht.

Was also tun, wenn schlussendlich dem Maschinenbetreiber – nicht zuletzt auch als Verkaufsargument – bester Service geboten werden soll? Wenn ein Maximum an Hightech-Funktionalität mit minimiertem Kostenaufwand kombiniert werden muss? Wenn eine kostenintensive Produktionsanlage möglichst 24 Stunden und 7 Tage pro Woche störungsfrei Geld verdienen soll? Wenn das Wartungspersonal nicht nur als Mittler zwischen viel zu vielen Interessengruppen agieren, sondern auch Warten im Sinne von Instandhalten soll?

Hier ist wieder der Automatisierungstechniker gefragt, denn mit verantwortungsbewusstem Engineering, also tiefgreifender Analyse der Anforderungen, sorgfältiger Auswahl der Komponenten und nachhaltiger Softwareentwicklung, wird gegenüber Kunden und eigenem Management ganz selbstverständlich Vertrauen gebildet. In den folgenden Kapiteln werden auch dazu geeignete Methoden thematisiert.

Unabhängig davon rückt das Thema Softwarewartung auf der Prioritätenliste der Instandhaltung immer weiter nach oben. Schon lange vor der Verbreitung des Internets hat sich dazu die Technologie der Fernwartung entwickelt. Per Telefonleitung und Modem, heute per Internet und gesicherten Datenverbindungen, können Softwareentwickler oder Servicepersonal auf die Steuerung einer Maschine zugreifen, ganz egal wo sie sich auf dem Globus befinden. So können dem Servicetechniker vor Ort schnell und präzise Anweisungen zum Beheben einer Störung gegeben oder er kann mit den richtigen Ersatzteilen auf den Weg geschickt werden.

Mit den Möglichkeiten des Internets ist Fernwartung und -diagnose mit völlig neuer Qualität und Quantität zu verwirklichen. Die Maschinen und mitunter alle ihrer intelligenten Komponenten können als cyber-physische Objekte im „Internet of Things“ definiert werden. Sie können ihren Status selbstständig mitteilen, Produkt- und Qualitätsdaten zur Verfügung stellen oder mit Berechtigten unterschiedlicher Hierarchieebenen kommunizieren. Als Hardware ist dazu einzig ein Ethernet-Anschluss entweder in Form eines Kabels oder als WLAN erforderlich. Der Rest besteht aus Software.

Aber leider ist auch diese Technologie nicht frei von Gefahren, was uns Viren wie Stuxnet [7] und Ähnliche eindrucksvoll beweisen. Es ist daher dringend geboten, in zusätzliche Infrastruktur für die Datensicherheit in Hard- und Software zu investieren.

Ein weiteres Problem ist die Protokollvielfalt der unterschiedlichen Komponenten, Maschinen und Geräte. Es gibt neben einer Vielzahl von Bussystemen mit mehr oder weniger Eignung für Echtzeitfähigkeit und Datendurchsatz weitere branchenspezifische und auch zum Teil völlig singuläre Protokollformate, die sich derer als Transportmedium bedienen.

Wir werden uns diesem Thema in Abschnitt 5.4 widmen und Lösungsansätze aufzeigen.

Perspektive Automatisierung 4.0

Maschinen sind über standardisierte Schnittstellen ein Objekt im Industrial Internet of Things (IIoT) und damit weltweit zu erreichen.

1.3.3Qualität ist bedingungslos

Haben Sie sich eigentlich schon einmal über die mangelnde Qualität eines gekauften Produktes geärgert? Und haben Sie das Ihrem Bekanntenkreis erzählt oder haben eine negative Bewertung darüber in sozialen Medien veröffentlicht?