Ayla und die Mammutjäger - Jean M. Auel - E-Book
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Ayla und die Mammutjäger E-Book

Jean M. Auel

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Beschreibung

Band 3 der Steinzeit-Saga von Jean M. Auel

Im dritten, mitreißenden Band aus dem Zyklus «Die Kinder der Erde» treffen Ayla und Jondalar auf die Mammutjäger, die wie sie zur Gruppe der Cro-Magnon-Menschen gehören. Sie werden von dem Stamm als vollwertige Mitglieder aufgenommen. Das Schicksal scheint ihnen endlich gewogen, doch Ayla steht plötzlich zwischen zwei Männern ...

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Seitenzahl: 1584

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Das Buch

Während eines Streifzugs begegnen Ayla und Jondalar einem großen, kräftigen Mann. Sie erfahren, dass es sich um den Anführer des Löwenlagers bei den Mammutjägern handelt. Talut und Jondalar stellen zudem eine entfernte Verwandtschaft fest. Daraufhin beschließen Ayla und Jondalar, sich dem Stamm zumindest vorübergehend anzuschließen. Die Zeit vergeht, und Ayla wird aus Ermangelung eines eigenen Stammes von den Mammutjägern adoptiert. Ein Mann im Lager aber verliebt sich in sie. Ranec ist nicht nur ein begnadeter Künstler im Figurenschnitzen, sondern er fällt auch durch seine dunkle Hautfarbe aus dem Rahmen. Ayla ist von ihm fasziniert und fügt sich schließlich seinen Wünschen. Jondalar ist betäubt vor Eifersucht und zieht sich immer mehr von ihr zurück. Ayla glaubt nun, dass Jondalar sie nicht mehr liebt und entscheidet sich schweren Herzens für Ranec …

Die Autorin

Jean Marie Auel wurde 1936 in Chicago geboren. Nach ihrer Universitätsausbildung arbeitete sie zunächst als Kreditmanagerin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Ihr erstes Buch war ein sofortiger Erfolg. Inzwischen ist Jean M. Auel eine Spezialistin urzeitlicher Geschichte. Sie nahm an Überlebenstrainings nach dem Vorbild der Urmenschen teil und reiste zu Recherchezwecken an viele prähistorisch bedeutende Orte u. a. in Frankreich, Deutschland und Russland. J. M. Auels Menschheitssaga »Die Kinder der Erde« erreichte bisher eine Weltauflage von weit über 45 Millionen Exemplaren; ihre Bücher wurden in 22 Sprachen übersetzt.

Große Website unter www.aylaswelt.de.

Inhaltsverzeichnis

Das BuchDie AutorinWidmungErdhütte des Löwen-Lagers1. KAPITEL2. KAPITEL3. KAPITEL4. KAPITEL5. KAPITEL6. KAPITEL7. KAPITEL8. KAPITEL9. KAPITEL10. KAPITEL11. KAPITEL12. KAPITEL13. KAPITEL14. KAPITEL15. KAPITEL16. KAPITEL17. KAPITEL18. KAPITEL19. KAPITEL20. KAPITEL21. KAPITEL22. KAPITEL23. KAPITEL24. KAPITEL25. KAPITEL26. KAPITEL27. KAPITEL28. KAPITEL29. KAPITEL30. KAPITEL31. KAPITEL32. KAPITEL33. KAPITEL34. KAPITEL35. KAPITEL36. KAPITEL37. KAPITELDanksagungenCopyright

Für MARSHALL,

der ein Mann geworden ist,auf den man stolz sein kann;

und für BEVERLY,

die geholfen hat;

und für CHRISTOPHER, BRIAN und MELLISSA.

Erdhütte des Löwen-Lagers

EINGANGSBEREICH: Lagerung von Brennmaterial, Geräten und Überwürfen zum Tragen im Freien

ERSTES HERDFEUER: Allgemeine Kochstelle und Versammlungsplatz

ZWEITES HERDFEUER – DAS DES LÖWEN

Talut – Anführer Nezzie Danug Latie Rugie Rydag

DRITTES HERDFEUER – DAS DES FUCHSES

Wymez Ranec

VIERTES HERDFEUER – DAS DES MAMMUT –

Raum für Zeremonien, Versammlungen, Beratungen, Gäste Mamut – Schamane Ayla Jondalar

FÜNFTES HERDFEUER – DAS DES RENTIERS

Manuv Tronie Tornec Nuvie Hartal

SECHSTES HERDFEUER – DAS DES KRANICHS

Crozie Fralie Frebec Crisavec Tasher (Bectie)

SIEBTES HERDFEUER – DAS DES AUEROCHSEN

Tulie – Anführerin Barzec Deegie Druwez Brinan Tusie (Tarneg)

1. KAPITEL

Ayla klammerte sich angstbebend an den großen Mann an ihrer Seite und verfolgte das Näherkommen der Fremden. Beschützend legte Jondalar den Arm um sie, aber sie zitterte trotzdem weiter. Wie groß er ist!, dachte Ayla und ließ die Augen nicht von dem Anführer der Gruppe, dessen Haar und Bart die Farbe von Feuer hatten. Noch nie hatte sie jemand so Großes gesehen! Selbst Jondalar wirkte klein neben ihm, obwohl der Mann, der den Arm um sie gelegt hatte, die meisten Männer überragte. Der rothaarige Mann, der auf sie zukam, war nicht einfach groß – er war riesig, ein Bär von einem Mann. Sein Hals strotzte vor Kraft, sein Brustkasten hätte für zwei gewöhnliche Männer gereicht, und sein mächtiger Bizeps hatte einen Umfang wie bei den meisten Männern der Oberschenkel.

Ayla warf einen Blick auf Jondalar; dass er Angst hatte, war seinem Gesicht nicht anzumerken, doch verriet sein Lächeln, wie sehr er auf der Hut war. Es waren Fremde, und er hatte auf seinen langen Wanderungen gelernt, Fremden gegenüber misstrauisch zu sein.

»Ich erinnere mich nicht, dich schon einmal gesehen zu haben«, sagte der große Mann ohne Umschweife. »Von welchem Lager stammst du?« Er sprach, wie Ayla bemerkte, nicht Jondalars Sprache, sondern eine der anderen, die er ihr beigebracht hatte.

»Von keinem Lager«, sagte Jondalar. »Wir sind keine Mamutoi.« Er ließ Ayla los, trat einen Schritt vor und streckte beide Hände vor, die Handflächen nach oben gekehrt zum Zeichen dafür, dass er nichts darin verberge. »Ich bin Jondalar von den Zelandonii.«

Die Hände wurden nicht ergriffen. »Zelandonii? Merkwürdig … Warte, waren da nicht zwei fremde Männer, die bei den Fluss-Leuten weiter im Westen lebten? Mir scheint, der Name, den ich hörte, klang so ähnlich.«

»Ja, mein Bruder und ich haben bei ihnen gelebt«, gab Jondalar zu.

Nachdenklich sah der Mann mit dem flammenden Bart eine Weile vor sich hin, dann schoss er völlig unerwartet auf Jondalar zu und umschlang ihn mit einer knochenbrechenden Umarmung.

»Dann sind wir miteinander verwandt!«, erklärte er mit dröhnender Stimme, und ein breites Lächeln erhellte sein Gesicht. »Tholie ist die Tochter meiner Base.«

Jondalars Lächeln kehrte, wenn auch ein wenig zaghaft, zurück. »Tholie! Eine Mamutoi-Frau namens Tholie war die Ziehmutter der Frau meines Bruders. Sie ist es, die mir eure Sprache beigebracht hat.«

»Aber natürlich! Hab ich dir doch gesagt! Wir sind verwandt miteinander.« Er ergriff die Hände, die Jondalar ihm freundschaftlich entgegengestreckt hatte und die er eben noch nicht akzeptiert hatte. »Ich bin Talut, der Anführer des Löwen-Lagers.«

Alle lächelten, wie Ayla auffiel. Grinsend sah Talut sie an und musterte sie dann anerkennend. »Wie ich sehe, bist du jetzt nicht mit einem Bruder unterwegs«, sagte er zu Jondalar.

Jondalar legte wieder den Arm um sie, und sie wurde gewahr, dass ein flüchtiger Schmerz ihn die Stirn runzeln ließ, ehe er sagte: »Das hier ist Ayla.«

»Das ist ein ungewöhnlicher Name. Gehört sie zu den Fluss-Leuten?«

Jondalar war verblüfft, wie barsch diese Frage kam, doch dann fiel ihm Tholie ein, und er musste insgeheim lächeln. Die vierschrötige und untersetzte Frau, die er kannte, wies kaum Ähnlichkeit mit dem Berg von einem Mann auf, der hier am Flussufer vor ihm stand, und doch waren sie Splitter desselben Feuersteins. Beiden war die zupackende Art gemeinsam, und beide gingen sie gleich unbefangen, um nicht zu sagen arglos und treuherzig, auf andere zu. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Es würde nicht einfach sein zu erklären, was es mit Ayla auf sich hatte.

»Nein, sie hat in einem Tal ein paar Tagesmärsche von hier gelebt.«

Talut wusste offensichtlich nicht, was er davon halten sollte. »Ich habe nie von einer Frau dieses Namens gehört, die hier in der Nähe lebt. Bist du sicher, dass sie eine Mamutoi ist?«

»Ich bin sicher, dass sie das nicht ist.«

»Wer sind dann ihre Leute? Nur wir Mammutjäger leben hier in dieser Gegend.«

»Ich habe keine Leute«, sagte Ayla und reckte ein wenig trotzig das Kinn.

Talut musterte sie argwöhnisch. Zwar hatte sie diese Worte in seiner Sprache gesprochen, doch ihre Stimme, die Art, wie sie die Laute ausstieß, das klang … merkwürdig. Nicht unangenehm, aber ungewöhnlich. Jondalar sprach mit dem Akzent einer Sprache, die ihm – Talut – fremd war; doch der Unterschied in der Art, wie sie sprach, ging darüber hinaus. Taluts Interesse war geweckt.

»Nun, dies ist kein Ort zum Reden«, sagte er schließlich. »Nezzie wird den Zorn der Mutter selbst auf mich herabfahren lassen, wenn ich euch nicht einlade, uns zu besuchen. Besucher bringen immer ein wenig Aufregung, und wir haben schon lange keine mehr gehabt. Das Löwen-Lager würde euch willkommen heißen, Jondalar von den Zelandonii, und Ayla von den Nicht-Leuten. Kommt ihr mit?«

»Was meinst du, Ayla? Möchtest du sie besuchen?«, wandte Jondalar sich an sie und wechselte zum Zelandonii über, damit sie wahrheitsgemäß antworten konnte, ohne zu kränken. »Wird es nicht Zeit, dass du Leute deiner Art kennenlernst? Ist es nicht das, was Iza dir aufgetragen hat?« Er wollte nicht den Eindruck erwecken, als sei ihm über Gebühr daran gelegen, doch nachdem er so lange Zeit nur mit ihr gelebt hatte, reizte es ihn schon, die Fremden in ihrem Lager zu besuchen.

»Ich weiß nicht«, sagte sie und legte unentschlossen die Stirn in Falten. »Was werden sie von mir denken? Er wollte wissen, wer meine Leute sind. Aber ich habe keine Leute mehr. Was ist, wenn sie mich nicht mögen?«

»Sie werden dich mögen, Ayla, glaub mir. Da bin ich ganz sicher. Talut hat dich eingeladen, nicht wahr? Es hat keine Rolle für ihn gespielt, dass du keine Leute hast. Außerdem wirst du nie herausfinden, ob sie dich akzeptieren – oder ob du sie magst –, wenn du ihnen keine Gelegenheit dazu gibst. Verstehst du, dies sind Leute von der Art, mit denen du hättest aufwachsen müssen. Wir brauchen ja nicht lange zu bleiben. Wir können jederzeit fortgehen.«

»Wir können jederzeit fortgehen?«

»Selbstverständlich.«

Ayla blickte zu Boden und versuchte, sich schlüssig zu werden. Sie wollte mit ihnen gehen; sie fühlte sich zu diesen Menschen hingezogen, war neugierig, mehr über sie zu erfahren; gleichwohl verkrampfte sich ihr angstvoll der Magen. Sie hob den Blick und sah auf der üppig mit Gras bewachsenen Ebene in der Nähe des Flusses zwei zottelige Steppenpferde grasen, und ihre Angst verstärkte sich.

»Was ist mit Winnie? Was machen wir mit ihr? Was, wenn sie sie töten wollten? Ich kann nicht zulassen, dass Winnie etwas passiert.«

An Winnie hatte Jondalar nicht gedacht. Was sie wohl denken mochten, fragte er sich. »Ich weiß nicht, was sie tun werden, Ayla, aber ich glaube nicht, dass sie sie töten, wenn wir ihnen sagen, dass sie etwas Besonderes ist und nicht dazu da, aufgegessen zu werden.« Ihm fiel ein, wie überrascht er gewesen war, als er Ayla und Winnie das erste Mal zusammen erlebt hatte, und wie ihn angesichts Aylas Beziehung zu dem Pferd ein Gefühl heiliger Scheu ergriffen hatte. »Ich habe eine Idee.«

Talut verstand nicht, was Ayla und Jondalar miteinander redeten, doch er wusste, dass die Frau zögerte und der Mann versuchte, sie zu bewegen mitzukommen. Ihm fiel aber auch noch auf, dass sie ihre sehr ungewohnte Sprechweise beibehalten hatte, selbst wenn sie in seiner Sprache mit ihm redete. Es war also seine Sprache, schloss der Anführer, nicht die ihre.

Über das Rätsel dieser Frau nachzudenken bereitete ihm einen gewissen Genuss – Neues und Ungewohntes genoss er immer; von Unerklärlichem fühlte er sich herausgefordert. Doch unversehens gewann das Geheimnis eine völlig neue Dimension hinzu. Ayla stieß einen lauten und schrillen Pfiff aus, und unverhofft kam eine falbfarbene Stute mit einem ungewöhnlich tiefbraunen Fohlen geradewegs auf sie zugaloppiert und blieb still neben ihr stehen, während sie die beiden Pferde anfasste. So etwas hatte er noch nie erlebt.

Ob sie eine Mamut war?, fuhr es ihm durch den Sinn. Eine Frau, die mit besonderen Kräften ausgestattet war? Viele Derer, Die Der Mutter Dienten, behaupteten, Zauberkräfte zu besitzen, mit denen sie Tiere anlockten und die Jagd in bestimmte Bahnen lenkten, doch noch nie hatte er jemand erlebt, der eine solche Macht über Tiere ausübte, dass sie auf ein Zeichen hin zu ihm kamen. Sie besaß eine einzigartige Gabe. Das war ein wenig erschreckend – doch wenn er sich vorstellte, in welchem Maße ein Lager von einer solchen Gabe sein Gutes hätte! Wie leicht wäre es dann, ein Tier zu erlegen.

Noch während Talut sich von seinem Schock erholte, versetzte die junge Frau ihm einen zweiten. Sie hielt sich an der borstig in die Höhe stehenden Mähne der Stute fest, sprang dem Pferd auf den Rücken und setzte sich rittlings darauf. Verdutzt und erstaunt fiel dem Mann die Kinnlade herunter, als er sah, wie das Pferd mit Ayla auf dem Rücken am Flussufer dahinsprengte. Das Fohlen ihnen dicht auf den Fersen, ging es die Uferböschung hinauf und hinein in die dahinterliegende Steppe. Die anderen in seiner Horde waren genauso fassungslos wie Talut, insbesondere ein kleines zwölfjähriges Mädchen, das sich näher an den Anführer heranschob und sich an ihn schmiegte, als müsse es gestützt werden.

»Wie hat sie das gemacht, Talut?«, fragte das Mädchen mit leiser Stimme, die Erstaunen wie ehrfürchtige Scheu zugleich verriet, aber auch ein leises Verlangen erkennen ließ. »Das kleine Pferd, es war so nahe, ich hätte es fast anfassen können.«

Taluts Züge wurden weich. »Du wirst sie fragen müssen, Latie. Oder vielleicht Jondalar«, sagte er und wandte sich dem hochgewachsenen Fremden zu.

»Ich weiß das selbst nicht genau«, erwiderte dieser. »Ayla hat eine besondere Art, mit Tieren umzugehen. Sie hat Winnie großgezogen, seit sie ein Fohlen war.«

»Winnie?«

»So ungefähr lautet der Name, den sie der Stute gegeben hat. Wenn sie ihn ruft, könnte man meinen, sie wäre ein Pferd. Und das Fohlen heißt Renner. Den Namen habe ich ihm gegeben – sie hat mich darum gebeten. Das ist das Zelandonii-Wort für jemand, der sehr schnell läuft. Es bedeutet aber auch jemand, der alles daran setzt, um der Beste zu sein. Als ich Ayla das erste Mal sah, war sie gerade dabei, der Stute zu helfen, das Fohlen zur Welt zu bringen.«

»Muss das ein Anblick gewesen sein! Ich hätte gemeint, gerade in einer solchen Zeit würde eine Stute niemand an sich heranlassen«, sagte einer der anderen Männer.

Die Reitvorführung kam gerade recht, sodass Jondalar den Zeitpunkt für gekommen hielt, von Aylas Befürchtungen zu reden. »Ich glaube, im Grunde würde sie gern mitkommen und euer Lager besuchen, Talut, aber sie befürchtet, ihr könntet meinen, die Pferde wären eine Jagdbeute wie jede andere, und da sie keine Angst vor Menschen haben, wäre es zu leicht, sie zu erlegen.«

»Ja, das wären sie wohl. Du musst gewusst haben, was ich dachte – aber das würde doch jeder denken.«

Talut verfolgte, wie Ayla zurückgeritten kam – ein merkwürdiges Tier, halb Mensch, halb Pferd. Er war froh, dass er nicht ahnungslos auf sie gestoßen war. Das wäre … nun ja, höchst beunruhigend gewesen. Er überlegte flüchtig, wie es wohl wäre, auf dem Rücken eines Pferdes zu reiten, und ob wohl auch er dann so erschreckend aussehen würde. Und als er sich ausmalte, wie es aussehen müsste, wenn er rittlings auf einem der gedrungenen, kräftigen Steppenpferde wie Winnie säße, musste er laut lachen.

»Mir würde es ja wohl leichter fallen, das Pferd zu tragen, als das Pferd mich!«, sagte er.

Jondalar kicherte. Es war nicht schwer, Taluts Gedanken zu folgen. Etliche von den anderen lächelten oder glucksten in sich hinein, und Jondalar begriff, dass sie alle an das Gleiche gedacht haben mussten: wie das wohl sein müsste – auf einem Pferd zu sitzen und zu reiten. Verwunderlich war das nicht. Ihm selbst war es genauso ergangen, als er Ayla das erste Mal auf Winnies Rücken gesehen hatte.

Ayla hatte den Schrecken und das Erstaunen auf den Gesichtern der kleinen Horde gesehen, und hätte nicht Jondalar auf sie gewartet, sie wäre geradewegs in ihr Tal zurückgekehrt. Sie hatte in jüngeren Jahren genug Missbilligung für Handlungen und Verhaltensweisen geerntet, die für andere nicht annehmbar gewesen waren. Und sie hatte in der Zeit ihres Alleinlebens genug Freiheit genossen, als dass sie Lust hatte, sich irgendwelcher Kritik auszusetzen, nur weil sie ihren Neigungen folgte. Sie war bereit, Jondalar zu sagen, er könne diesen Leuten einen Besuch abstatten, wenn er wolle; sie kehre zurück.

Doch als sie zu der kleinen Gruppe von Menschen zurückritt, sah sie Talut immer noch über das Bild vor seinem geistigen Auge – er rittlings auf einem Pferd – in sich hineinlachen, und sie besann sich eines Besseren. Lachen war etwas, das sie schätzte. Sie selbst hatte während ihrer Zeit beim Clan nicht lachen dürfen; Lachen hatte die Flachschädel mit Unbehagen erfüllt und verstört. Nur heimlich, mit Durc, hatte sie laut lachen können. Baby – und Winnie – waren es gewesen, die sie gelehrt hatten, das Lachen richtig zu genießen, und Jondalar war dann der erste Mensch gewesen, der sich gemeinsam mit ihr den Bauch gehalten hatte vor Lachen.

Jetzt sah sie den Mann unbekümmert mit Talut lachen. Er sah auf und lächelte, und der Zauber seiner lebendigen blauen Augen rührte in ihr etwas auf, erregte ein kribbelndes Glühen, und sie spürte, wie mächtig ihre Liebe zu ihm war. Sie konnte nicht zurück ins Tal, nicht ohne ihn. Allein die Vorstellung, ohne ihn zu leben, schnürte ihr den Hals zu, und das Brennen von zurückgehaltenen Tränen in ihren Augen war sehr schmerzlich.

Als sie auf die Gruppe zuritt, fiel ihr auf, dass Jondalar vielleicht nicht so groß war wie der rothaarige Mann, wohl aber mindestens genauso groß, wenn nicht größer, als die anderen drei. Nein, einer von ihnen war noch ein Junge, das sah sie. Und war das ein Mädchen, das sie bei sich hatten? Sie ertappte sich dabei, wie sie die Gruppe verstohlen beobachtete; es widerstrebte ihr, sie offen anzustarren.

Ihre Körperbewegungen signalisierten Winnie, stehen zu bleiben; Ayla schwang das Bein über ihre Kruppe und ließ sich zu Boden gleiten. Beide Pferde schienen nervös, als Talut sich näherte, und so streichelte sie Winnie und schlang Renner einen Arm um den Hals. Sie selbst war genauso sehr auf das beruhigende Gefühl angewiesen, sie in der Nähe zu wissen, wie umgekehrt die Pferde auch.

»Ayla von den Nicht-Leuten«, sagte er und war sich dabei nicht ganz sicher, ob das die richtige Art war, sie anzureden, obwohl das bei dieser Frau mit den unheimlichen Gaben durchaus sein konnte. »Jondalar sagt, du fürchtest, die Pferde könnten Schaden nehmen, wenn du uns besuchst. Ich erkläre hier, solange Talut Anführer des Löwen-Lagers ist, wird dieser Stute und ihrem Jungen nichts zustoßen. Ich würde es gern sehen, wenn du uns besuchtest und die Pferde mitbrächtest.« Wiederum musste er kichern, und ein Lächeln breitete sich über seinem Gesicht aus. »Denn sonst glaubt uns niemand ein Wort.«

Ihr war jetzt weniger unbehaglich zumute, und außerdem wusste sie, dass Jondalar das Lager der Fremden gern aufsuchen würde. Sie hatte keinen triftigen Grund, es ihnen abzuschlagen, und das unbekümmerte, freundliche Lachen des riesigen rothaarigen Mannes war ausgesprochen einnehmend.

»Ja, ich komme«, sagte sie. Talut nickte lächelnd. Ihm wollte diese Frau mit der fesselnden Sprechweise und der ehrfurchtgebietenden Art und Weise, wie sie mit Pferden umging, nicht aus dem Sinn gehen. Wer war Ayla von den Nicht-Leuten?

Ayla und Jondalar hatten am schnellfließenden Fluss gelagert und an diesem Morgen, ehe sie auf die Horde vom Löwen-Lager gestoßen waren, beschlossen umzukehren. Der Wasserlauf war zu breit, um ihn mühelos zu überqueren, und es lohnte auch nicht die Mühe, wenn sie ohnehin kehrtmachen und wieder zurückkehren wollten ins Tal der Pferde. Die Steppe östlich jenes Tals, in dem Ayla drei Jahre hindurch allein gelebt hatte, war zugänglicher gewesen, und die junge Frau hatte sich nicht oft die Mühe gemacht, weit nach Westen vorzustoßen; infolgedessen war dieses Gebiet ihr weitgehend unbekannt. Wenn sie sich auch zunächst nach Westen gewandt hatten – ein bestimmtes Ziel hatten sie nicht gehabt, und sie waren bald nordwärts gezogen und am Schluss wieder nach Osten abgebogen, dabei allerdings wesentlich weiter vorgestoßen, als Ayla auf ihren Jagdzügen jemals gekommen war.

Jondalar hatte Ayla bewogen, diese Erkundungsreise zu machen, um sie überhaupt an das Unterwegssein zu gewöhnen. Er wollte sie mitnehmen nach Hause, doch sein Zuhause lag weit, weit im Westen. Sie hatte gezögert, hatte Angst gehabt, ihr sicheres Tal zu verlassen und bei unbekannten Menschen an einem unbekannten Ort zu leben. Obwohl er begierig war, nach jahrelanger Abwesenheit nach Hause zurückzukehren, hatte er sich mit dem Gedanken abgefunden, den Winter noch mit ihr in dem Tal zu bleiben. Es würde eine sehr, sehr lange Reise zurück werden – sie konnte ohne Weiteres ein ganzes Jahr dauern –, und da war es schon ratsam, erst im späten Frühling aufzubrechen. Bis dahin war er bestimmt imstande, sie zum Mitkommen zu bewegen. Er weigerte sich innerlich einfach, eine andere Möglichkeit auch nur in Erwägung zu ziehen.

Ayla hatte ihn zu Beginn der warmen Jahreszeit, die jetzt ihre letzten Tage erlebte, schwer verwundet aufgefunden, und sie wusste um die Tragödie, die er erlebt hatte. Während sie ihn gesundpflegte, hatten sie sich ineinander verliebt; allerdings hatte es lange gedauert, ehe sie die Barrieren überwinden konnten, die ihr so grundverschiedener Hintergrund zwischen ihnen aufgerichtet hatte. Auch jetzt waren sie noch immer dabei, Lebensgewohnheiten und Gefühlslagen des anderen kennenzulernen.

Ayla und Jondalar brachen ihr Lager ab und verstauten Proviant und Ausrüstung – zum größten Erstaunen und wachsenden Interesse der anderen – nicht auf Traggestellen oder in Säcken, die sie selbst zu schleppen hätten, sondern beluden das Pferd damit. Wiewohl sie nicht selten zu zweit auf dem kräftigen Pferd geritten waren, meinte Ayla, Winnie und ihr Füllen wären weniger unruhig, wenn sie sie sähen. Die beiden gingen also hinter der kleinen Horde von Menschen her, und Jondalar führte Renner an einem langen Strick hinter sich her, der mit einem Kopfhalfter verbunden war, das er erfunden hatte. Winnie folgte Ayla ohne irgendwelche sichtbare Leitung.

Sie folgten dem Flusslauf über etliche Meilen durch ein breites Tal, das sich sanft von den Grassteppen ringsum herabsenkte. Brusthoch stehendes dürres Gras mit schweren reifen Saatähren wogte golden auf den nahegelegenen Hängen und reagierte damit auf die eisigen Böen, die von den riesigen Gletschern im Norden herunterfuhren. Auf den offenen Steppen wuchsen nur an Wasserläufen ein paar gebeugte, knorrige Birken und Fichten, deren Wurzeln nach der Feuchtigkeit suchten, die von dem austrocknenden Winde nicht aufgesogen war. In Flussnähe standen Schilf und Riedgras noch grün, obwohl ein eisiger Wind durch die kahlen Äste von Laubbäumen pfiff.

Latie fiel hinter die anderen zurück und warf ab und zu einen scheuen Blick auf die Pferde und die Frau, bis sie hinter einer Flussbiegung etlicher Leute ansichtig wurde. Daraufhin rannte sie los, denn sie wollte die Erste sein, die von der Ankunft der Besucher berichtete. Auf ihre Rufe hin drehten die Leute sich um und sperrten Mund und Nase auf.

Andere kamen aus etwas heraus, das für Ayla so aussah wie ein großes Loch im Flussufer, ein Höhleneingang besonderer Art, wie sie ihn noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Er schien aus dem zum Fluss sich herabziehenden Hang herauszuwachsen, wies aber nicht die zufälligen Umrisse eines Felsens oder eines Erdhaufens auf. Auf dem Sodendach wuchs zwar Gras, doch der Eingang war zu regel- und ebenmäßig und wirkte merkwürdig unnatürlich: Er war nämlich vollkommen symmetrisch.

Und plötzlich begriff sie: Das hier war keine Höhle, und die Leute hier waren nicht vom Clan! Sie sahen nicht so aus wie Iza, die einzige Mutter, an die sie sich erinnern konnte, oder wie Creb oder Brun, untersetzt und muskelbepackt mit großen Augen unter dicken Brauenwülsten, fliehender Stirn und wenig ausgeprägtem Unterkiefer. Diese Menschen sahen aus wie sie. Sie waren wie diejenigen, denen sie geboren worden war. Ihre Mutter – ihre richtige Mutter – musste ausgesehen haben wie eine dieser Frauen. Das hier waren die Anderen! Dies zu erkennen und im höchsten Maße erregt zu sein war eines.

Schweigen grüßte die Fremden – und ihre womöglich noch fremdartiger wirkenden Pferde –, als sie in der festen Winterunterkunft des Löwen-Lagers eintrafen. Und dann schienen plötzlich alle auf einmal zu reden.

»Talut! Wen hast du diesmal mitgebracht?« – »Woher hast du diese Pferde!« – »Was hast du mit ihnen gemacht?«

Jemand wandte sich an Ayla: »Wie machst du das, dass sie nicht weglaufen?« – »Aus welchem Lager kommen sie, Talut?«

Die lärmenden und geselligen Menschen umdrängten sie, platzten vor Neugier, Menschen wie Pferde anzufassen. Ayla war überwältigt und völlig durcheinander. So viele Leute war sie nicht gewohnt. Und sie war es nicht gewohnt, dass Leute redeten, vor allem nicht alle durcheinander! Winnie trat von einem Fuß auf den anderen, zuckte mit den Ohren, hielt den Kopf hoch und hatte den Hals durchgebogen; sie versuchte, ihr verängstigtes Füllen zu beschützen, und war drauf und dran, vor den auf sie eindringenden Menschen davonzulaufen.

Jondalar erkannte Aylas Verwirrung und die Nervosität der Pferde, brachte es jedoch nicht fertig, es Talut und den anderen begreiflich zu machen. Die Stute schwitzte, fegte mit dem Schweif hin und her und tänzelte im Kreis. Plötzlich ertrug sie es nicht mehr. Sie stieg, wieherte angstvoll, keilte dann mit den Hufen aus und trieb die Leute zurück.

Winnies Verzweiflung erforderte Aylas ganze Aufmerksamkeit. Sie rief sie beim Namen, der klang wie ein begütigendes leises Gewieher, und beschwichtigte sie mit Gesten, die sie gebraucht hatte, um mit ihr zu reden, ehe Jondalar ihr richtiges Sprechen beigebracht hatte.

»Talut! Keiner darf die Pferde anfassen, es sei denn, Ayla erlaubt das! Nur sie kann mit ihnen fertigwerden, und nur auf sie hören sie! Die Stute ist zwar sanft, aber wenn sie gereizt wird oder das Gefühl hat, ihr Fohlen wird bedroht, kann sie gefährlich werden. Es könnte jemand verletzt werden«, warnte Jondalar.

»Tretet zurück! Ihr habt gehört, was er gesagt hat«, rief Talut mit weithin dröhnender Stimme, die alle anderen zum Schweigen brachte. Nachdem Menschen und Pferde sich ein wenig beruhigt hatten, fuhr Talut in normaler Lautstärke fort: »Die Frau hier ist Ayla. Ich habe ihr als Anführer des Löwen-Lagers versprochen, wenn sie uns besuchen käme, würde ihren Pferden nichts geschehen. Und das hier ist Jondalar von den Zelandonii, ein Verwandter, der Bruder von Tholies Schwipp-Mann.« Und zum Schluss sagte er dann noch mit einem selbstgefälligen Grinsen im Gesicht: »Talut hat Gäste mitgebracht – ganz besondere Gäste!«

Zustimmend nickten die Umstehenden. Unverhohlen neugierig starrten sie die Fremden an, hielten sich jedoch so weit fern, dass das Pferd mit seinen Hufen sie nicht erreichen konnte. Selbst wenn die Fremden in diesem Augenblick wieder verschwunden wären, die Menschen vom Löwen-Lager hätten Gesprächsstoff genug gehabt für die nächsten Jahre. Dass zwei Fremde in der Gegend seien und bei den Fluss-Leuten im Südwesten lebten, darüber war auf den Sommer-Treffen genug geredet worden. Die Mamutoi trieben Tauschhandel mit den Sharamudoi, und da Tholie, eine Verwandte, einen von den Fluss-Leuten zum Mann genommen hatte, war man im Löwen-Lager noch interessierter als sonst. Nie jedoch wären sie auf den Gedanken gekommen, dass einer von den fremden Männern ihr Lager betreten könnte, und vor allem nicht mit einer Frau, die eine magische Kraft über Pferde ausübte.

»Ist alles in Ordnung?«, fragte Jondalar Ayla.

»Sie haben Winnie Angst gemacht – und Renner auch. Sprechen Menschen immer so durcheinander? Und Frauen und Männer zur gleichen Zeit? Das ist so verwirrend, und sie sind so laut, wie soll man da wissen, wer was sagt? Vielleicht hätten wir doch besser daran getan, ins Tal zurückzukehren.« Sie hatte der Stute den Arm um den Hals gelegt und schmiegte sich an sie; dadurch tröstete sie und empfing Trost zugleich.

Jondalar wusste, dass Ayla fast so durcheinander war wie die Pferde. Der Lärm und die vielen Menschen, das war ein Schock für sie gewesen. Vielleicht sollten sie nicht zu lange bleiben. Vielleicht wäre es besser gewesen, erst einmal mit zwei oder drei Menschen anzufangen, bis sie sich wieder an Leute ihrer Art gewöhnt hatte; gleichzeitig fragte er sich, was er machen sollte, wenn sie das nicht schaffte. Nun, sie waren jetzt einmal hier. Es galt abzuwarten.

»Manchmal sind die Menschen laut und reden alle auf einmal, doch meistens redet immer nur einer zurzeit. Ich nehme übrigens an, dass sie sich den Pferden gegenüber jetzt vorsehen werden, Ayla«, sagte er, als sie anfing, die Tragkörbe herunterzunehmen, die mit einem von ihm aus Lederriemen gefertigten Geschirr zu beiden Seiten des Pferdes festgeschnallt waren.

Während sie damit beschäftigt war, nahm Jondalar Talut beiseite und erklärte ihm mit gedämpfter Stimme, die Pferde und Ayla seien ein wenig nervös und bräuchten einige Zeit, um sich an alle zu gewöhnen. »Es wäre besser, man könnte sie eine Weile in Ruhe lassen.«

Talut verstand, trat unter die Leute seines Lagers und redete auf jeden Einzelnen ein. Sie verstreuten sich und wandten sich anderen Dingen zu: der Nahrungszubereitung, der Herstellung von Fellen und Werkzeugen, Verrichtungen, bei denen sie beobachten konnten, ohne dass es besonders aufgefallen wäre. Auch sie waren unruhig. Fremde waren interessant, aber eine Frau mit einer so mächtigen Zauberkraft war gewiss auch imstande, etwas völlig Unerwartetes zu tun.

Nur ein paar Kinder blieben und sahen mit großen Augen zu, als der Mann und die Frau auspackten; doch gegen sie hatte Ayla nichts einzuwenden. Sie hatte seit Jahren keine Kinder mehr gesehen – seit sie den Clan verlassen hatte nicht mehr, und sie war genauso neugierig auf die Kinder, wie die Kinder auf sie. Sie nahm Renner das Halfter ab und klopfte und streichelte erst Winnie und dann Renner. Nachdem sie das Fohlen tüchtig gekrault und liebevoll umarmt hatte, hob sie den Blick und sah, wie Latie das junge Tier mit sehnsüchtigen Augen anstarrte.

»Du möchtest Pferd anfassen?«, fragte Ayla.

»Kann ich denn?«

»Komm. Gib Hand … Ich zeigen.« Sie nahm Laties Hand und hielt diese an das zottelige Winterfell des halbwüchsigen Pferdes. Renner wandte den Kopf, schnaubte leise und beschnüffelte das kleine Mädchen.

Das dankbare Lächeln, das plötzlich Laties Gesicht überzog, war ein Geschenk. »Es mag mich.«

»Es mag auch gekrault werden. So«, sagte Ayla und zeigte dem Kind die Stellen, wo es das Füllen besonders juckte.

Renner war begeistert über die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde, und zeigte das. Latie wiederum war außer sich vor Freude. Das Fohlen hatte sie vom ersten Augenblick an angezogen. Ayla wandte den beiden den Rücken zu, um Jondalar zu helfen, und merkte nicht, dass noch ein Kind näher kam. Als sie sich wieder umdrehte, stockte ihr der Atem, und sie spürte, wie ihr alles Blut aus dem Gesicht wich.

»Darf auch Rydag das Pferd anfassen?«, fragte Latie. »Er kann nicht sprechen, aber ich weiß, er möchte es gern.« Alle Leute reagierten überrascht auf Rydag. Das war Latie gewohnt.

»Jondalar!« Heiser und mit unterdrückter Stimme rief Ayla nach ihm. »Das Kind – es könnte mein Sohn sein. Es sieht aus wie Durc!«

Er drehte sich um und war wie vor den Kopf geschlagen. Vor ihm stand ein Kind von gemischten Geistern.

Für die meisten Menschen waren Flachköpfe – von denen Ayla immer als »Clan« sprach – Tiere, und Kinder wie dieses hielten viele für ein »Scheusal«, für Wesen, die halb Tier, halb Mensch waren. Er war tief betroffen gewesen, als er erfahren hatte, dass Ayla einen Sohn von gemischten Geistern zur Welt gebracht hatte. Für gewöhnlich war die Mutter eines solchen Kindes eine Ausgestoßene, jemand, der aus Angst, er könnte den bösen Tiergeist noch einmal anziehen und auch andere Frauen dazu bringen, so ein »Scheusal« zur Welt zu bringen, aus der Gemeinschaft der anderen vertrieben wurde. Manche wollten nicht einmal zugeben, dass es sie überhaupt gab; jetzt einem solchen Wesen zu begegnen und zu erkennen, dass es unter diesen Menschen lebte – das kam wirklich überraschend. Es war ein Schock. Woher mochte der Junge kommen?

Ayla und das Kind starrten einander an und vergaßen alles um sich herum. Er ist dünn für jemand, der halb Clan ist, dachte Ayla. Für gewöhnlich sind sie grobknochig und muskelbepackt. Selbst Durc war nicht so dünn wie dieser. Er kränkelt, das erkannte das erfahrene Auge der Medizinfrau sofort. Irgendein Problem mit jenem kräftigen Muskel in der Brust, der unablässig klopfte und pochte und das Blut im Körper bewegte, nahm sie an. Doch diese Tatsachen legte sie im Hinterkopf ab, ohne weiter darüber nachzudenken; sie nahm sein Gesicht näher in Augenschein, dann den ganzen Kopf, suchte nach Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen diesem Kind und ihrem Sohn.

Er hatte die gleichen großen braunen und klug blickenden Augen wie Durc – ja, den gleichen Ausdruck uralter Weisheit, der weit über seine Jahre hinausging; es versetzte ihr einen Stich, sie hatte plötzlich einen Kloß im Hals, und Sehnsucht stieg in ihr auf; aber das Gesicht dieses Jungen verriet auch Schmerzen und Leiden keineswegs körperlicher Art, wie Durc sie nie kennengelernt hatte. Mitleid erfüllte sie. Die Brauen dieses Kindes waren nicht so wulstig wie die Durcs. Als er noch kaum drei Jahre gewesen war – und so alt war er gewesen, als sie ihn hatte verlassen müssen –, waren die Wülste über Durcs Augen schon kräftig entwickelt gewesen. Seine Augen und die vorstehenden Brauenwülste darüber waren ganz Clan gewesen, die Stirn hingegen so wie bei diesem Kind. Beide wiesen sie keine flach-fliehende Stirn auf wie die Leute vom Clan, sondern eine hohe und gewölbte, genauso eine, wie sie sie hatte.

Ihre Gedanken gingen auf die Wanderschaft. Durc musste jetzt sechs Jahre alt sein, rief sie sich ins Gedächtnis, alt genug, um die Männer zu begleiten, wenn diese mit ihren Jagdwaffen übten. Aber Brun wird ihm die Jagd beibringen, nicht Broud. Heißer Zorn stieg in ihr auf bei dem Gedanken an Broud. Niemals würde sie vergessen, wie der Sohn von Bruns Gefährtin seinen Hass auf sie genährt hatte, bis er ihr aus lauter Gehässigkeit das Kind weggenommen und sie aus dem Clan ausgestoßen hatte. Wie ein Dolch fuhr ihr der Schmerz der Erinnerung in die Eingeweide, und sie schloss die Augen. Sie wollte nicht glauben, dass sie ihren Sohn nie wiedersehen würde.

Als sie die Augen wieder aufmachte, war es Rydag, der vor ihr stand, und sie holte tief Atem.

Ich möchte mal wissen, wie alt dieser Junge ist. Er ist klein, aber er muss fast so alt sein wie Durc, dachte sie und verglich die beiden miteinander. Rydags Haut war hell und sein Haar dunkel und gelockt, allerdings heller und weicher als das zottige dunkelbraune Haar der meisten Leute vom Clan. Der größte Unterschied zwischen diesem Kind und ihrem Sohn, so bemerkte Ayla, betraf das Kinn und den Hals. Ihr Sohn hatte einen langen Hals wie sie – manchmal hatte er an seinem Essen gewürgt, was die anderen nie taten  – und ein fliehendes, gleichwohl jedoch unübersehbar vorhandenes Kinn. Dieser Junge hatte den kurzen Hals des Clans und den kinnlosen Kiefer. Dann erinnerte sie sich. Latie hatte gesagt, er könne nicht sprechen.

Plötzlich verstand sie und wusste, wie das Leben dieses Kindes aussehen musste. Ein fünfjähriges Mädchen zu sein, das seine Familie bei einem Erdbeben verloren hatte und von einem Clan von Leuten gefunden worden war, die zu voll artikulierter Rede nicht fähig waren, ein Mädchen, das nun die Zeichensprache erlernen musste, mit der sie sich verständigten, das war eines. Etwas ganz anderes jedoch war es, mit Menschen zusammenzuleben, die sprechen konnten, ohne selbst dazu imstande zu sein. Lebhaft erinnerte sie sich an ihre Verzweiflung, weil sie außerstande gewesen war, sich mit den Leuten vom Clan zu verständigen, die sie aufgenommen hatten, ja, schlimmer noch, wie unendlich schwierig es gewesen war, sich Jondalar verständlich zu machen, ehe sie von ihm wieder Sprechen gelernt hatte.

Sie machte dem Jungen ein Zeichen, eine einfache Geste der Begrüßung, eine der ersten, die sie vor so langer Zeit selber gelernt hatte. Kurz blitzte es in seinen Augen auf, doch dann schüttelte er den Kopf und machte ein verwirrtes Gesicht. Sie begriff, dass er das Sprechen durch Gesten, wie es beim Clan üblich war, nie gelernt hatte. Gleichwohl musste er Spuren der Clan-Erinnerung in sich tragen. Einen Moment hatte er das Signal erkannt, dessen war sie ganz sicher.

»Darf Rydag das kleine Pferd anfassen?«, fragte Latie noch einmal.

»Ja«, sagte Ayla und nahm seine Hand. Wie dünn er ist, wie zerbrechlich, dachte sie – und begriff den Rest. Er konnte nicht laufen wie die anderen Kinder. Er konnte nicht ihre normalen ruppigen Spiele mit ihnen spielen und nicht mit ihnen herumtollen. Er konnte immer nur zusehen – und sich sehnen.

Mit einem zärtlichen Ausdruck, wie Jondalar ihn noch nie auf ihrem Gesicht gesehen hatte, hob Ayla den Jungen in die Höhe und setzte ihn Winnie auf den Rücken. Dann winkte sie dem Pferd, ihr zu folgen, und ging langsam und gemessen durch das Lager. Die allgemeine Unterhaltung verstummte, denn alle starrten sie Rydag an, wie er rittlings auf dem Pferd saß. Zwar hatten sie untereinander darüber gesprochen, doch bis auf Talut und die Leute, die unten am Fluss auf sie gestoßen waren, hatte noch keiner von ihnen jemand reiten sehen. Ja, niemand hatte an so etwas je gedacht.

Eine große mütterliche Frau kam aus dem Ende des seltsamen Baus zum Vorschein, und als sie Rydag auf dem Rücken des Pferdes sitzen sah, das vor noch gar nicht langer Zeit gefährlich nahe an ihrem Kopf ausgekeilt hatte, war ihr erster Impuls, hinzulaufen und ihm zu Hilfe zu eilen. Doch als sie näher kam, wurde sie sich der lautlosen Dramatik des Geschehens bewusst.

Fassungslosigkeit und helles Entzücken malten sich auf dem Kindergesicht. Wie viele Male hatte er sehnsüchtigen Auges, aber durch seine Schwäche oder sein Anderssein am Mitmachen gehindert, zugesehen, wie die anderen Kinder spielten? Wie oft mochte er sich gewünscht haben, etwas zu tun, wofür man ihn bewunderte oder worum man ihn beneidete? Jetzt, da er auf einem Pferd saß, waren es zum ersten Mal die anderen, die Kinder des Lagers und die Erwachsenen, die ihn mit sehnsüchtigen Augen ansahen.

Die Frau aus dem Bau sah das und wurde nachdenklich. Hatte diese Fremde den Jungen wirklich so schnell verstanden? Ihn so ohne Weiteres akzeptiert? Sie sah, wie Ayla Rydag ansah, und wusste, dass dem so war. »Du hast Rydag sehr glücklich gemacht«, sagte die Frau und streckte dem Jungen, den Ayla vom Pferd herunterhob, die Arme entgegen.

»Ist wenig«, sagte Ayla.

Die Frau nickte. »Ich heiße Nezzie«, sagte sie.

»Ich heiße Ayla.«

Die beiden Frauen musterten einander eingehend, nicht feindselig, sondern in dem Bemühen, den Boden für eine künftige Beziehung zu erkunden.

Fragen nach Rydag, die sie gern gestellt hätte, schossen Ayla durch den Kopf, doch zögerte sie, sie zu stellen. Sie war sich nicht sicher, ob es auch zulässig sei, sie zu stellen. Ob Nezzie die Mutter des Jungen war? Und wenn ja, wieso hatte sie ein Kind gemischter Geister geboren? Wieder einmal zerbrach Ayla sich den Kopf über die Frage, die sie seit Durcs Geburt nicht losgelassen hatte. Wie entstand Leben? Eine Mutter wusste nur, dass es da war, wenn ihr Körper sich in dem Maße veränderte, wie das Baby wuchs. Wie aber kam es in eine Frau hinein?

Creb und Iza hatten geglaubt, es entstehe immer dann neues Leben, wenn Frauen den Totem-Geist von Männern schluckten. Jondalar meinte, die Große Erdmutter vermische die Geister von Mann und Frau und befördere sie in das Innere einer Frau, sodass diese schwanger werde. Aber Ayla hatte sich eine eigene Meinung gebildet. Als sie bemerkte, dass ihr Sohn einige ihrer Merkmale aufwies und einige Clan-Merkmale, war ihr aufgegangen, dass erst Leben in ihr zu wachsen begonnen hatte, nachdem Broud gewaltsam in sie eingedrungen war.

Bei der Erinnerung daran überlief sie ein Schauder. Doch da das Ganze so schmerzhaft war, konnte sie es nicht vergessen, und so glaubte sie nachgerade, es habe etwas damit zu tun, dass ein Mann sein Glied dort hineinstecke, wo die Kinder hinterher herauskämen. Jondalar fand, das sei schon eine merkwürdige Vorstellung, nachdem sie ihm das erzählt hatte; und er versuchte, sie zu überzeugen, dass es die Mutter sei, die Leben schaffe. Sie glaubte ihm nicht so recht, und jetzt hob das Fragen in ihr wieder an. Ayla war beim Clan aufgewachsen und hatte zum Clan gehört, obwohl sie anders aussah als die Leute vom Clan. Wenngleich sie es gehasst hatte, wenn er es tat – schließlich hatte Broud nur sein Recht ausgeübt. Doch wie hätte einer vom Clan eine Frau wie Nezzie zwingen können?

Es gab Aufregung im Lager, denn eine andere kleine Jagdgruppe traf ein, und Ayla wurde aus ihren Gedanken gerissen. Im Näherkommen schob einer der Männer die Kapuze herunter, und Ayla und Jondalar waren wie vor den Kopf geschlagen. Der Mann war braun! Seine Hautfarbe war ein lebhaftes, tiefes Braun, ähnlich dem Fell von Renner.

Sein schwarzes, kleinlockiges Haar bildete eine Art eng anliegender wolliger Kappe, ähnlich dem Fell eines schwarzen Mufflons. Auch seine Augen waren schwarz, und wenn er lachte, funkelten sie vor Freude, und er ließ blendend weiße Zähne sehen sowie eine im Gegensatz zu seiner dunklen Haut auffällig rosige Zunge. Er wusste, wie erregt Fremde waren, wenn sie ihn das erste Mal sahen, doch er genoss das.

Ansonsten war er ein Mann wie jeder andere, von mittlerer Größe, kaum mehr als drei Fingerbreit größer als Ayla und von durchschnittlicher Statur. Gleichwohl riefen eine geballte Lebendigkeit in ihm, eine gewisse Sparsamkeit in seinen Bewegungen sowie eine lässige Selbstsicherheit den Eindruck von jemand hervor, der wusste, was er wollte, und keine Zeit verlor, sich daranzumachen, es zu erreichen. Als er Ayla erblickte, leuchtete es in seinen Augen auf.

Jondalar erkannte in diesem Aufleuchten ein Zeichen des Sich-angezogen-Fühlens. Er legte die Stirn in Falten, was jedoch weder die blonde Frau noch der braunhäutige Mann bemerkten. Sie war wie gebannt von der ungewohnten Hautfarbe des Mannes und starrte ihn mit der Fassungslosigkeit und Arglosigkeit eines Kindes an, und er wurde von der Unschuld ihrer Reaktion nicht minder angezogen als von ihrer Schönheit.

Plötzlich ging Ayla auf, dass sie ihn angestarrt hatte. Sie lief tiefrot an und senkte den Blick. Von Jondalar wusste sie, dass nichts dagegen einzuwenden sei, wenn Männer und Frauen einander offen ansahen, doch unter den Leuten vom Clan hatte das nicht nur als unhöflich gegolten, sondern geradezu als kränkend, insbesondere dann, wenn eine Frau einen Mann anstarrte. Ihre Erziehung war es, die Sitten und Gebräuche des Clans, die Creb und Iza ihr noch besonders eingebleut hatten, damit sie von den anderen leichter akzeptiert wurde, was sie jetzt so in Verlegenheit stürzte.

Doch peinliches Berührtsein bestärkte den dunkelhäutigen Mann nur in seinem Interesse. Er war es gewohnt, Gegenstand ungewöhnlicher Aufmerksamkeit von weiblicher Seite zu sein. Die ursprüngliche Überraschung über sein Äußeres schien in den Frauen die Neugier darauf zu wecken, was für Unterschiede er sonst noch aufzuweisen hatte. Manchmal hatte er sich schon gefragt, ob denn tatsächlich jede einzelne Frau bei den Sommer-Treffen selbst herausfinden müsse, dass er wirklich ein Mann wie jeder andere war. Nicht, dass er etwas dagegen hätte, aber Aylas Reaktion war für ihn genauso anziehend wie seine Hautfarbe für sie. Er war es nicht gewohnt, dass eine auffallend schöne Frau errötete wie ein kleines Mädchen.

»Ranec, kennst du unsere Besucher schon?«, ließ Talut sich vernehmen und kam auf sie zu.

»Noch nicht, aber ich würde mich freuen, wenn du mich vorstelltest.«

Als sie seine Stimme vernahm, hob Ayla die Augen und blickte in schwarze Augen, die voll waren von Verlangen – und feinem Humor. Der Blick drang in sie ein und rührte etwas an, was zuvor nur Jondalar angerührt hatte. Ihr Körper reagierte mit einem unerwarteten Kribbeln, das sie kaum vernehmlich nach Luft schnappen und die graublauen Augen weit aufreißen ließ. Der Mann lehnte sich vor und schickte sich an, ihre Hände zu ergreifen, doch ehe es zu der üblichen Vorstellung kam, trat der groß gewachsene Fremde zwischen sie und streckte mit finsterem Gesicht seine beiden Hände vor.

»Ich bin Jondalar von den Zelandonii«, sagte er. »Und die Frau, mit der ich reise, ist Ayla.«

Irgendetwas ärgerte Jondalar, da war Ayla sich ganz sicher, und dieses Etwas hatte mit dem dunkelhäutigen Mann zu tun. Sie war es gewohnt, aus Körperhaltung und Gebärden einen Sinn herauszulesen; deshalb beobachtete sie Jondalar jetzt eingehend und forschte nach irgendwelchen Anhaltspunkten, die ihr Aufschluss gäben und wonach sie ihr eigenes Verhalten einrichten konnte. Aber die Körpersprache von Menschen, die sich mittels Worten verständigten, war weit weniger zielgerichtet als die der Leute vom Clan, die sich der Gesten bedienten, um sich miteinander zu verständigen, sodass Ayla ihrer Wahrnehmung zunächst nicht recht traute. Diese Menschen zu durchschauen war leichter und schwieriger zugleich – man brauchte sich bloß Jondalars von einem Augenblick auf den anderen völlig veränderte Haltung anzusehen. Sie wusste, dass er wütend war, doch warum, das wusste sie nicht.

Der Mann ergriff Jondalars Hände und schüttelte sie kräftig. »Ich bin Ranec, mein Freund, der beste, allerdings auch nur der einzige Bildschnitzer des Löwen-Lagers der Mamutoi«, sagte er mit einem Lächeln, das besagte, dass er sich selbst nicht ganz ernst nahm. Und dann setzte er noch hinzu: »Wenn du mit einer so schönen Gefährtin unterwegs bist, darfst du dich nicht wundern, dass sie Aufmerksamkeit erregt.«

Jetzt war es an Jondalar, verlegen zu sein. Angesichts von Ranecs Freundlichkeit und argloser Offenheit musste er sich wie ein großer Tollpatsch vorkommen; außerdem versetzte es ihm einen Stich, und er musste an seinen Bruder denken. Thonolan war genauso freundlich und selbstsicher gewesen wie Ranec; er war es gewesen, der immer den ersten Schritt gemacht hatte, wenn sie auf ihren Reisen Menschen begegnet waren. Es ärgerte Jondalar, wenn er etwas Törichtes tat – was er immer wieder getan hatte –, und er hatte etwas dagegen, eine Beziehung zu neuen Menschen falsch zu beginnen. In diesem bestimmten Falle hatte er schlechtes Benehmen bewiesen – falls man es dabei bewenden ließ.

Doch sein aufflammender Zorn hatte ihn überrascht, und er war nicht darauf vorbereitet gewesen. Der heiße Stich der Eifersucht war etwas Neues für ihn, zumindest etwas, das er so lange schon nicht mehr gefühlt hatte, dass er sich überrumpelt vorkam. Er hätte das auch weit von sich gewiesen, doch war er es nun einmal gewohnt, dass Frauen seinetwegen eifersüchtig waren und nicht er auf irgendwelche Männer.

Warum sollte es ihm etwas ausmachen, wenn ein Mann ein Auge auf Ayla warf?, dachte Jondalar. Ranec hatte recht: Wo sie doch so schön war, musste er auf so etwas gefasst sein. Und sie hatte das Recht, selbst ihre Wahl zu treffen. Nur weil er der erste Mann ihrer Art war, dem sie begegnet war, bedeutete das doch nicht, dass er der Einzige blieb, den sie jemals attraktiv fand. Ayla sah ihn Ranec anlächeln, bemerkte jedoch, dass seine Schultern weiterhin verspannt waren.

»Ranec nimmt sein Können immer auf die leichte Schulter, lässt es sich jedoch auch nicht nehmen, alles andere, was er kann, herauszustellen«, sagte Talut, als er sie zu der ungewöhnlichen Höhle führte, die geradewegs aus dem Ufer herauszuwachsen schien. »Er und Wymez sind sich darin gleich. So was findet man nicht oft. Wymez will nur ungern zugeben, dass er als Werkzeugmacher sehr viel kann – genauso wenig, wie der Sohn seines Herdfeuers viel von seiner Schnitzerei hermacht. Ranec ist der beste Bildschnitzer der Mamutoi.«

»Ihr habt einen ausgebildeten Werkzeugmacher? Einen Feuersteinschläger?«, fragte Jondalar erwartungsfreudig, und der heiße Stich der Eifersucht schwand bei dem Gedanken, jemand kennenzulernen, der wirklich etwas von dem gemeinsamen Handwerk verstand.

»Ja, auch er ist der Beste. Das Löwen-Lager ist weithin bekannt. Wir haben den besten Bildschnitzer, den besten Werkzeugmacher und den erfahrensten Mamut«, erklärte der Anführer.

»Und einen Anführer, so groß, dass er jeden dazu bringt, sich seiner Meinung anzuschließen, ob er es nun will oder nicht«, sagte Ranec und verzog das Gesicht zu einem schiefen Grinsen.

Talut erwiderte das Grinsen; er war es gewohnt, dass Ranec Lob mit einer witzigen Bemerkung beiseitefegte. Das jedoch hielt Talut nicht davon ab, auch weiterhin großzutun. Er war stolz auf sein Lager und zögerte nicht, das aller Welt klarzumachen.

Ayla verfolgte, auf wie feine Art und Weise die beiden Männer aufeinander reagierten – der ältere von beiden ein massiger Riese mit flammend rotem Haar und hellblauen Augen, der andere dunkel und gedrungen –, und verstand das tiefe Band von Zuneigung und Treue, das zwischen ihnen war, obwohl sie so verschieden waren, wie zwei Männer nur sein konnten. Sie waren beide Mammutjäger, beide Angehörige des Löwen-Lagers der Mamutoi.

Sie gingen auf den bogenförmigen Eingang zu, der Ayla gleich zu Beginn aufgefallen war. Er schien in einen kleinen Hügel, möglicherweise auch in eine ganze Reihe von Hügeln hineinzuführen, die sich an den Hang schmiegten, der von dem mächtigen Strom in die Höhe führte. Ayla hatte Menschen ein und aus gehen sehen. Sie wusste, dass es eine Höhle oder Behausung sein musste, allerdings eine, die vollkommen aus Erde zu bestehen schien; fest zusammengestampfter Erde, auf der hie und da freilich Gras wuchs, insbesondere unten am Rand und weiter oben an den Seiten. Sie verschmolz so vortrefflich mit dem Hintergrund, dass es – wäre nicht der Eingang gewesen – schwergefallen wäre, die Behausung von ihrer Umgebung zu unterscheiden.

Bei genauerem Hinsehen erkannte sie, dass die stumpfgerundete Spitze des Hügels den Ablageplatz für etliche merkwürdige Geräte und Gegenstände bildete. Dann erblickte sie etwas Besonderes unmittelbar über dem bogenförmigen Eingang – und hielt die Luft an.

Es war der Schädel eines Höhlenlöwen.

2. KAPITEL

Ayla hatte in der sehr engen Spalte an einer steil aufragenden Felswand Schutz gesucht und entsetzt verfolgt, wie die riesige Tatze eines Höhlenlöwen hereingriff, um sie zu erreichen. Von Angst gepeitscht, schrie sie vor Schmerzen auf, als die Krallen ihren nackten Schenkel fanden und vier parallel nebeneinander verlaufende, lange, klaffende Wunden hineinrissen. Der Geist des Großen Höhlenlöwen selbst habe sie auserwählt und dafür gesorgt, dass sie gezeichnet wurde, um zu zeigen, dass er ihr Totem sei; das hatte Creb ihr nach einer Prüfung erklärt, die weit über das hinausging, was selbst ein Mann zu erdulden hatte; dabei war sie erst ein Mädchen von nur fünf Jahren gewesen. Das Gefühl, dass die Erde unter ihren Füßen bebte, erregte Übelkeitsgefühle in ihr.

Um die übermächtige Erinnerung zu vertreiben, schüttelte sie den Kopf.

»Was hast du, Ayla?«, fragte Jondalar, der ihren Schrecken bemerkte.

»Ich habe den Schädel gesehen«, sagte sie und zeigte zu dem Schmuck über der Tür hinauf, »und musste daran denken, wie es war, als ich erwählt wurde – als der Höhlenlöwe mein Totem wurde.«

»Wir sind das Löwen-Lager«, verkündete Talut voller Stolz, obwohl er das schon einmal gesagt hatte. Er verstand sie nicht, wenn sie in Jondalars Sprache miteinander redeten, doch sah er, welches Interesse der Talisman des Lagers bei ihnen weckte.

»Der Höhlenlöwe besitzt für Ayla eine ganz besondere Bedeutung«, erklärte Jondalar. »Sie sagt, der Geist der Großen Katze leite und behüte sie.«

»Dann müsste sie sich hier besonders wohlfühlen«, sagte Talut und lächelte sie strahlend an, denn das, was er da hörte, gefiel ihm.

Ayla bemerkte, dass Nezzie Rydag auf dem Arm trug, und musste abermals an ihren Sohn denken. »Das glaube ich auch«, sagte sie.

Ehe sie sich anschickten hineinzugehen, blieb die junge Frau stehen und nahm den Eingangsbogen genauer in Augenschein. Als sie erkannte, wie die vollkommene Symmetrie erreicht wurde, musste sie lächeln. Es war so einfach, doch wer hätte je daran gedacht? Zwei riesige Mammutstoßzähne, deren Spitzen einander in der Höhe berührten und von einer Manschette zusammengehalten wurden, die aus einem hohlen Abschnitt eines Mammutbeinknochens bestand, waren fest im Boden verankert worden.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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