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Ayla und Ella, zwei sehr unterschiedliche junge Frauen, verbringen einen luxuriösen Urlaub auf Mallorca und machen eine Reihe erotischer Erfahrungen.
Das E-Book Ayla und Ella wird angeboten von BookRix und wurde mit folgenden Begriffen kategorisiert:
Erotik, Urlaub, Sommer, LIebe, Liebesgeschichte
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 210
Ayla und Ella
Eine Urlaubsgeschichte
Naomi Schmitz
Ich hatte schon gehofft, ich hätte meine Ruhe. Drei Wochen Malle in einer schicken Luxusfinca allein mit einer Menge Büchern und meiner Mutter, die mich aber nicht stören würde, weil sie sogar in den Ferien arbeitete.
Das Boarding war fast abgeschlossen, wir waren so ziemlich die letzten, die noch am Gate warteten.
Aber ich hatte mich zu früh gefreut. Mit schnellen Schritten kam sie auf uns zugelaufen. Im Business-Outfit mit Hosenanzug vollkommen falsch angezogen für einen Urlaub. Sie winkte aufgeregt und fiel meiner Mutter innig um die Arme.
„Hallo Hanna! Gerade noch geschafft. Sorry.“
Es störte mich, dass sie meine Mutter so vertraulich mit Hanna ansprach. Und ihre Umarmung war so herzlich, als wären die beiden seit vielen Jahren beste Freundinnen. Dabei kannte Ayla meine Mutter erst seit ein paar Monaten.
„Und du bist bestimmt Ella, nicht wahr?“
Sie kam auf mich zu und umarmte auch mich.
Als wir uns so nah waren, fielen mir in dem kurzen Wimpernschlag einige Dinge auf: Zuerst ihre großen, dunkelbraunen Augen. Ihr Makeup, das meines Erachtens viel zu dick aufgetragen war, ihr viel zu süßes Parfum und darunter einen Hauch von saurem Schweiß, was etwas an der Perfektion kratzte, auf die sie scheinbar so viel Wert legte. Ihre Augen hinterließen den stärksten Eindruck auf mich. Sie waren groß und braun. Überhaupt war sie verdammt attraktiv. Schlank, groß, schmal, und sie bewegte sich wie ein Model. Ganz selbstverständlich, als wüsste sie, wie schön sie war. Und das fand ich schon wieder unsympathisch. Sie wusste, wie sie sich zu bewegen hatte. Sie strahlte diese Selbstverständlichkeit aus, die Menschen haben, die wissen, dass sie schön sind. Man konnte es auch als Überheblichkeit bezeichnen.
Ich erwiderte ihre Umarmung nur lustlos. Ich war nicht ihre Freundin. Ich hatte sie gerade erst kennengelernt.
„Schön dich endlich kennenzulernen!“
„Finde ich auch.“
„Wie sind deine Klausuren gelaufen? Hanna sagt, dass eine ein wenig tricky war. Stimmt das?“
„Ganz gut. Danke. Ich denke, ich habe bestanden.“
„Das ist schön zu hören.“
Ich sollte etwas erwidern, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, und so entstand eine unangenehme Pause. Sie erwischte mich auf dem falschen Fuß. Ich konnte keine drei Informationen über sie berichten, und sie wusste offensichtlich eine Menge über mich. Ich mochte den Gedanken nicht, dass sie sich mit meiner Mutter, mit ‚Hanna‘, über mich unterhielt.
Sie wandte sich meiner Mutter zu.
„Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben, noch den Flieger zu kriegen.“
„Was ist passiert?“
„Ich hatte heute meine Revision. Teamperformance.“
„Gab es Probleme?“
„Es war ziemlich stressig. Die haben viele Unregelmäßigkeiten und Regelverstöße festgestellt. Nicht in meinem Team, da war alles bestens… natürlich. Aber in anderen. Und das bedeutet, dass alle Teams Supervision bekommen haben. Total ärgerlich. Mein Team war vorbildlich. Da gab es keine Probleme. Wir hatten die beste Performance in diesem Quartal in ganz Deutschland. Aber wenn ein Team underperformt, dann müssen alle anderen mit drunter leiden. So ist das Geschäft halt.“
Ich hatte keine Ahnung, was Ayla machte und was sie für eine Supervision hatte und was das für ein Team war, das sie leitete, welches die beste Performance von ganz Deutschland im letzten Quartal gehabt hatte. Ich hätte es gerne gewusst, aber es war mir zu blöd zu fragen. Ich wollte ihr nicht zeigen, dass ich keine Ahnung hatte, was sie tat, und ich wollte auch kein Interesse zeigen, obwohl es irgendwie interessant klang.
Ich war unserer ersten Begegnung so lange aus dem Weg gegangen, wie es nur ging. Ich brauchte keine neue Familie und keine Schwester. Schon gar keine türkische. Auch wenn das ausländerfeindlich klang. Dass meine Mutter nach langer Zeit wieder einen Freund hatte, der Ahmed hieß, war ihre Sache. Ich hatte ihn einmal kurz kennengelernt, er schien in Ordnung zu sein. Aber das war alles ihre Angelegenheit. Ich brauchte wirklich keine Stiefschwester.
Das alles klang wie diese Fernsehserie. Türkisch für Anfänger. Und unsere Namen Ayla und Ella machten uns zu Figuren aus einem Abenteuerbuch für kleine Mädchen. Hanni und Nanni auf multikulti. Dabei war ich wirklich nicht ausländerfeindlich oder so. Aber als ich das erste Mal von Ayla hörte, dachte ich sofort an Kopftuch, Gebetsteppiche und unterdrückte Frauen. Vielleicht auch noch an Beschneidungen und Hinrichtungen. Ich konnte mir viel vorstellen. Das alles war ziemlich plump und dumm, das war mir klar.
Manchmal steigere ich mich in solche Sachen rein, und dann werde ich stur, und das endet meist nicht gut.
Als wir durch das Gate gingen und ich dem Smalltalk zwischen meiner Mutter und Ayla zuhörte, wurde mir das bewusst. Ich war auf dem Weg in einen dreiwöchigen Urlaub mit Ayla. Das würde nicht gut enden, wenn ich mich nicht zusammenreißen würde. Ich versuchte mich abzuregen. Nach nur wenigen Augenblicken war klar, dass Ayla kein türkisches Kopftuchmädchen war. Sie war attraktiv und offen und erfolgreich. Sie interessierte sich für Menschen.
Sie war mir nicht unbedingt sympathisch, aber vielleicht konnten wir uns aneinander gewöhnen. Wir würden ziemlich viel Zeit miteinander verbringen.
Meine Mutter hatte schon angekündigt, dass sie ihre Ferien in erster Linie mit Arbeit verbringen wollte. Wenn Ahmed zu uns stoßen würde, würden die beiden sicherlich immer aufeinanderhängen.
Als wir die Gangway hochstiegen, wurde mir so richtig bewusst, dass wir auf dem Weg in den Urlaub waren. Ich wollte keine Spielverderberin sein.
Im Flieger saßen Ayla und ich nebeneinander. Meine Mutter vor uns. Kaum saß sie, hatte sie den Laptop schon wieder aufgeklappt und arbeitete irgendwelche Dokumente durch.
Ich hatte mich längst angeschnallt, aber Ayla rutschte auf ihrem Sitz herum, suchte ihren Gurt und schien ziemlich nervös zu sein.
Sie sah aus dem Fenster und meinte:
„Hast du was dagegen, wenn wir die Plätze tauschen?“
„Kein Problem. Willst du nicht am Fenster sitzen?“
Anstatt zu antworten, stand sie bereits ungeduldig auf. Ich musste erst meine Gurtschnalle suchen. In der Enge der Sitzreihe war es nicht einfach. Wir zwängten uns aneinander vorbei, ihre Knie auf dem Sitz. Sie schien jetzt nicht mehr so souverän und elegant, sondern hastig, sogar ein wenig überdreht.
Diese kleine Schwäche machte sie mir etwas sympathischer.
Ihre langen schwarzen Haare strichen mir durchs Gesicht. In der künstlichen Luft der Kabine rochen sie warm. Nicht nach Shampoo, sondern nach ihr. Ich roch auch wieder den Geruch ihres Körpers. Ein wenig bitter verdrängte er ihr Parfum, das sie noch nicht lange trug. Vielleicht hatte sie es im Taxi auf dem Weg zum Flughafen neu aufgelegt, vielleicht bei einem schnellen Zwischenstopp auf der Flughafentoilette, um eben den langen Arbeitstag etwas zu kaschieren.
Schließlich drückten wir uns aneinander vorbei. Ich setzte mich an meinen neuen Fensterplatz, und sie ließ sich in ihren Sitz fallen mit einem erleichterten, lauten Seufzer.
Es machte sie ein wenig menschlicher.
„Zufrieden?“
„Ich glaube schon.“
Ihre Stimme klang immer noch nervös. Ich jedenfalls war zufrieden mit meinem Platz am Fenster.
In der Ferne startete ein Flugzeug. Neben uns entluden Arbeiter die Koffer eines Flugzeugs.
Ayla versuchte sich immer noch einzurichten, rutschte auf ihrem Sitz hin und her und schnallte sich an.
„Ich hasse das.“
„Was?“
„Fliegen.“
„Oh. Flugangst?“
„Wie ein Schwein vor dem Metzger!“
Sie lachte etwas zu laut über ihren eigenen Spruch.
Ich fragte mich, ob Muslime sich über Schweine beim Metzger lustig machen durften, wo sie die doch nicht essen durften. Natürlich war dieser Gedanke schwachsinnig, und ich schämte mich ein wenig für meine Vorurteile. Die Ausländerfeindlichkeit würde ich etwas runterfahren müssen.
Die Stewardess checkte, ob alle angeschnallt waren. Sie musste Ayla ermahnen, das Tablett vor sich einzuklappen und die Sitzlehne hochzustellen.
Nach einigem nervösen Gefummel hatte Ayla alle Befehle befolgt.
„Die soll sich nicht so anstellen!“, zischte sie.
„Die macht doch auch nur ihren Job.“
„Ich weiß. Aber trotzdem!“
Ayla tat mir in diesem Moment leid, aber ich genoss es auch ein bisschen, dass ich ihr zumindest in dieser Situation überlegen war. Ich hatte kein Problem mit dem Fliegen.
Diese kleinen Kratzer in ihrer Perfektion taten mir gut. Aber ich wollte auch nicht blöd sein, und so drehte ich mich zu ihr, reichte ihr die Hand und meinte:
„Ich glaube, wir sollten neu anfangen: Hallo, ich bin Ella.“
Aylas Augenbrauen zogen sich fragend zusammen. Ihre braunen Augen schauten mich an.
„Weiß ich doch.“
Trotzdem ergriff sie meine Hand und schüttelte sie. Ihr Händedruck war etwas schlaff und ihre Hand feucht. Das Flugzeug war an der Startbahn angekommen und wartete auf den Start.
„Weiß ich. Aber wir sind irgendwie auf dem falschen Fuß gestartet.“
„Findest du?“
„Absolut. Also, ich bin Ella und studiere Soziologie im dritten Semester. Davor habe ich zwei Semester auf Lehramt studiert, aber das war nichts für mich, und daher habe ich gewechselt.“
„Was hat dir nicht gepasst am Lehramt?“
„Die Kinder.“ Ich lachte, weil ich meine Antwort witzig fand, aber Ayla nickte nur, ihr war nicht nach Scherzen.
„Ich glaube nicht, dass ich das wirklich dreißig Jahre ausgehalten hätte. Das Geschrei und alles.“
Sie sah an mir vorbei aus dem Fenster.
„Und jetzt studiere ich Soziologie. Ist auch was mit Menschen. Aber nicht mit so nervigen.“
„Ich habe auch oft mit Idioten zu tun. Da muss man sofort dazwischen gehen. Da muss man konsequent sein.“
„Was machst du denn genau?“
Meine etwas zögerliche Frage, um herauszukriegen, worüber sie sich mit meiner Mutter unterhalten hatte.
„Teamleiterin bin ich. Teamleiterin in einem Callcenter. Ich habe zwanzig Leute unter mir. Ist so ähnlich wie eine Lehrerin. Da darf man keine Schwächen zeigen. Sonst tanzen die einem auf der Nase herum. Man muss echt aufpassen und Disziplin einfordern. Vor allem als Frau. Sonst wird man nicht ernst genommen. Und wenn man dann auch noch so aussieht wie ich, dann ist es besonders gefährlich.“
‚Wenn man so aussieht wie ich.‘ Was war das für ein Satz? Ich war mir ziemlich sicher, dass sie ihr Aussehen meinte. Wie konnte man nur so von sich überzeugt sein?
Die Turbinen heulten auf, und das Flugzeug startete. Wir wurden in die Sitze gepresst, und Ayla verkrampfte und packte meinen Oberschenkel.
Sie tat mir wirklich leid, und ich legte meine Hand auf ihre, um sie zu beruhigen.
Als das Flugzeug abhob, griff sie noch fester zu, und ich streichelte ihre Hand, wie um sie zu trösten.
„Alles gut. Das ist ganz normal.“
Sie erwiderte nichts.
Wir saßen eine ganze Weile stumm da. Ich streichelte ihre Hand, die immer noch auf meinem Oberschenkel lag.
Ich hätte gerne in der Zeitschrift gelesen, die meine Mutter sich gekauft hatte, aber mir gefiel meine fürsorgliche Art, und so strichen meine Finger weiter mechanisch über ihre weiche Hand.
Erst nach einer Weile meinte sie:
„Du kannst jetzt aufhören.“
„Was?“
„Meine Hand zu streicheln. Danke, war nett von dir, aber ich komme jetzt zurecht.“
„Oh, klar.“
Ich nahm meine Hand von ihrer und sie ließ meinen Oberschenkel los.
„Geht’s wieder?“
Sie nickte.
„Das ist nicht mein Ding.“
„Was?“
„Fliegen.“
„Ist ja nicht schlimm.“
„Ich habe Medizin mitgebracht.“
„Gegen die Flugangst?“
Sie kramte in ihrer Tasche und zog drei Piccolos heraus.
„Meine Medizin gegen Flugangst!“
„Ich glaube, man darf hier keinen Alkohol trinken, den man nicht im Flugzeug gekauft hat. Habe ich irgendwo gelesen.“
Sie ignorierte meinen Einwand, drückte mir eine Flasche in die Hand und reichte eine nach vorne zu meiner Mutter, die aber ablehnte mit dem Hinweis, dass sie arbeiten müsse.
„Umso besser. Mehr für uns!“
Wir öffneten unsere Flaschen, und ich hielt Aussicht nach der Stewardess, die mit ihrem Wagen einige Reihen vor uns Getränke verkaufte.
Ayla hatte hingegen überhaupt keine Sorgen. Sie knallte ihre Flasche gegen meine, dass es durch das ganze Flugzeug klang und rief:
„Auf drei geile Wochen! Prost.“
Während sie einen tiefen Schluck aus ihrer Flasche nahm, nippte ich nur an meiner. Alkohol im Flugzeug setzte mir immer schnell zu. Aber ich wollte auch keine Spielverderberin sein.
„Ich habe heute den ganzen Tag noch nichts gegessen. Immerhin, dann wirkt der Alkohol besser!“
„Genau!“
Ich lachte, schaute aber auch nach der Stewardess, die immer näherkam.
„Ich kann Urlaub echt gebrauchen. In letzter Zeit war es richtig stressig. So richtig heftig. Du kannst dir nicht vorstellen, was ich gerackert habe, um Teamleiterin zu werden.“
Ich nickte, obwohl ich wirklich keine Ahnung hatte.
„Und ich muss immer doppelt so gut sein. Doppelt so gut wie alle anderen.“
„Wieso das?“
„Wieso das? Sieh mich doch an!“
Schon wieder ein Hinweis auf ihr makelloses Aussehen, dachte ich.
„Wie sehe ich aus?“
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und wollte ihr Ego auch nicht zu sehr streicheln: „Gut? … sehr gut sogar?“
Ayla lächelte.
„Das ist süß, dass du das sagst. Ich finde übrigens, du siehst auch süß aus. Aber ich meinte türkisch! Wenn du Özdemir heißt, dann musst du dreimal so gut sein wie jemand, der Müller oder Meier oder so heißt. Ist einfach so. Dazu gibt es Untersuchungen.“
„Oh. Ja, das ist echt scheiße. Finde ich auch. Dass es immer noch Leute gibt, die was gegen Ausländer haben…“
Jetzt war es mir peinlich, dass ich ihr übersteigerte Eitelkeit unterstellt hatte, wo sie doch nur ihre Herkunft meinte. Diese Studien, die sie meinte, kannte ich auch, und ich wollte ihr zeigen, dass ich durchaus Verständnis hatte.
„Du kannst jedenfalls froh, dass du einen deutschen Namen hast, blond bist und deutsch aussiehst! Das hilft unglaublich. Kannst du dir nicht vorstellen.“
Sie sagte das so locker, und jetzt war es an mir, mich zu fragen, inwiefern ihr Spruch gerade irgendwie rassistisch zu verstehen war. Und warum überhaupt sah ich „deutsch“ aus. Ich war blond, okay, aber wie sah eine typisch deutsche Frau aus? Ich musste unweigerlich an Kartoffeln und blumige Küchenschürzen und fünfzig Kilo Übergewicht denken.
Ayla schien mit ihrem Satz kein Problem zu haben, und sie wechselte dann auch das Thema und erzählte über ihre Arbeit, ihre Aufgaben und Herausforderungen. Ich hörte zu, kommentierte ein wenig hier und da, aber ich konnte nicht so richtig etwas zum Gespräch beitragen. Die Tatsache, dass ich noch keine wirkliche Berufserfahrung vorweisen konnte, wurde ziemlich deutlich. Und das, obwohl ich, wie sich herausstellte, zwei Jahre älter war als sie.
Ich brachte eine kleine Anekdote unter, wie ich mal von einem Vorarbeiter blöd angemacht worden war in einem Ferienjob in einer Fabrik. Aber ich hatte mich da auch sehr blöd angestellt, wie ich zugeben musste, und seine Bemerkungen über meine Dummheit und Unfähigkeit hatte sich genauso gut auf meinen Charakter beziehen können wie auf mein Geschlecht. So richtig viel konnte ich aus eigener Erfahrung also nicht beitragen zu dem Thema Sexismus am Arbeitsplatz. Aber natürlich hatte ich viel darüber gelesen.
Die Stewardess kam nun immer näher mit ihrem Wagen, und ich versteckte meine Flasche in dem Netz für die Zeitungen.
Ayla machte keine Anstalten, und als die Stewardess zu uns kam, sagte sie kein Wort zu Aylas Piccolo. Weil sie es entweder nicht sah, was ich mir aber nicht vorstellen konnte, oder weil es ihr im Endeffekt auch egal war.
Ich fand mich in dem Moment jedenfalls übermäßig spießig und ärgerte mich über meine Ängstlichkeit.
Wir unterhielten uns, nippten an unseren Flaschen, und ich fand es mittlerweile ziemlich angenehm. Man spürte auch, wie der Alkohol Ayla zusetzte. Sie wurde ausgelassener, auch etwas lauter, verschluckte nun hier und da eine Silbe. Schließlich war ihre Flasche leer.
„Eine haben wir noch. Teilen wir uns die?“
Ich nickte und beeilte mich, meine Flasche auch zu leeren.
Ayla nahm einen tiefen Schluck, und ich ertappte mich dabei, fasziniert zuzusehen, wie ihre Lippen sich über die Flasche stülpten.
Sie bemerkte es, sagte lächelte nur, und ich sah weg, fand mich schon wieder peinlich.
Als sie mir die Flasche gab, und ich einen Schluck nahm, schaute sie mir aufmerksam zu und grinste dabei.
„Was?“, fragte ich.
„Nichts. Was soll sein?“
„Was guckst du mich so an?“
„Du guckst mich an. Ich schaue nur zurück.“
„Was soll das denn heißen?“
„Nur so am Rande, ganz ohne Vorwurf. Du bist echt sexy, aber zwischen uns wird nichts laufen. Ich stehe nicht auf Chicks.“ Sie formte eine offene Faust. „Dicks all the way! Verstehst du?“
Ich war sprachlos. „
„Glaubst du, dass ich was von dir will?“
„Wie gesagt, ich habe kein Problem damit. Aber ich stehe nicht auf Frauen.“
„Ich auch nicht!“
„Dann ist ja gut.“
„Komme ich so rüber?“
„Total! Wie du mich anstarrst, deine Hand auf meiner.“
„Du hast deine Hand auf mein Knie gelegt!“
„Schon klar!“
„Jetzt mal ganz im Ernst! Ich will dich nicht anbaggern!“
„Und wenn schon. Wäre ja auch nicht Schlimmes dran!“
Ayla führte das Spielchen noch eine ganze Weile weiter, verdrehte mir die Worte im Mund und unterstellte mir, dass ich auf sie stünde, und ich dementierte immer und immer wieder, bis sie schließlich meinte:
„Dir ist schon klar, dass ich dich nur verarsche, oder nicht?“
„Ist mir vollkommen klar. Natürlich.“ Ich kam mir doof vor.
„Dann ist ja gut. Nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst oder so. Von wegen, dass du doch bei mir landen kannst. Obwohl, wenn ich ehrlich bin, bist du schon süß. So deutsch-süß.“
‚Deutsch-süß‘? Ich ignorierte das.
„Schon klar. Dicks all the way!“ Ich machte ihre Handbewegung nach, was ich aber im gleichen Moment schon recht peinlich fand, und wusste nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte.
Ich wurde nicht schlau aus ihr.
Mama meinte, dass uns der Hausverwalter am Flughafen abholen und zur Finca fahren würde. Nachdem wir unser Gepäck abgeholt und den Security-Bereich verlassen hatten, hielten wir Aussicht nach unserem Chauffeur, und in der Tat stand da jemand mit einem Schild, auf dem Mamas Name stand. Allerdings konnte ich mir nicht vorstellen, dass das der Hausverwalter sein sollte. Es war ein großer, schlanker Junge, braungebrannt und mit schwarzen Haaren, schüchtern lächelnd und mit kleinen Grübchen, die an ihm ganz hübsch aussahen.
Hanna sprach ihn an, aber es wurde ziemlich schnell klar, dass er weder Deutsch noch Englisch sprach. Und da keiner von uns Spanisch konnte, verständigten wir uns mit Händen und Füßen. Er bedeutete, uns mitzukommen. Von all dem, was er sagte, verstand ich nur „Ola“, „Bienvenida“ und seinen Namen Marco. Wir stellten uns ihm vor, und er wiederholte unsere Namen voller Enthusiasmus, was ich sympathisch fand.
Während er uns nach draußen zum Wagen führte, regte sich Ayla allerdings auf:
„Wie kann der kein Englisch und kein Deutsch? Der lebt in Europa. Der lebt von Touristen. Ist mir vollkommen unverständlich, wie man so dumm sein kann, nicht ein paar Sprachen zu lernen, wenn man damit seinen Lebensunterhalt verdient!“
„Vielleicht will er gar nicht im Tourismus arbeiten.“
„Egal, was er arbeiten will, er braucht Sprachen. Weißt du, wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Spanien ist?“
Ich wusste es nicht. Hoch, hatte ich gehört. Aber Ayla musste zugeben, dass sie es auch nicht genau wusste.
„Wie hoch genau ist ja auch egal. Der wird doof gucken, wenn er sich in einem anderen Land einen Job suchen will und keine Sprache kann!“
„Im Moment scheint er ja einen zu haben. Als Hausverwalter sogar.“
„Der ist niemals Hausverwalter. Der ist höchstens Fahrer! Aber ich bin mir sicher, dass er ganz toll Fußball spielen kann oder YouTube-Star werden will. Träumt bestimmt von einer Karriere, aus der aber nichts wird!“
„Ich find ihn jedenfalls süß.“, entfuhr mir ganz unverhofft.
Sie sah mich an, und es tat mir augenblicklich leid, dass ich mir solch eine Blöße gegeben hatte, irgendeine Sympathie oder Regung ihr gegenüber auszudrücken. Ich hatte das Gefühl, bei ihr auf der Hut sein zu müssen. Aber der Alkohol hatte auch meine Zunge gelöst, und jetzt sagte ich Dinge, die ich eigentlich für mich hätte behalten wollen.
„Den findest du süß?“ Aylas Frage klang eher neugierig als abschätzig.
„Groß, muskulös, braungebrannt. Und ein süßes Lächeln hat er.“
„Der sieht aus wie fünfzehn.“
„Mindestens achtzehn wird er sein.“
„Wie kommst du darauf?“
„Sonst hätte er keinen Führerschein.“
„Okay“, meinte sie, und ich verbuchte ein kleines Erfolgserlebnis, dass ich sein Alter kombiniert hatte. „Du kannst ihn haben!“
„Du bist aber großzügig. Vielen Dank!“
„Mein Fall ist er nicht. Ich will mit Typen auch reden können.“
„Dicks all the way, aber sie sollten schon intellektuell sein. Meinst du das?“
Sie sah mich trocken an, und ich grinste, als hätte ich einen weiteren Sieg errungen.“
„Ein Mindestmaß an Kommunikation fände ich schon nicht schlecht.“
„Der hat vermutlich sowieso eine Freundin.“
„Glaube ich nicht. Der sieht mir wie der typische Summerboy aus. Der angelt sich alle blonden, hungrigen Touristinnen, die ihm zwischen die Beine laufen.“
„Dann bist du ja vor ihm sicher.“
„Wieso?“
Ich zeigte auf ihre Haare: „Hungrig weiß ich nicht, aber definitiv nicht blond. Nach deiner Theorie wird der nicht auf dich stehen.“
Wieder einen Treffer. Ich hatte einen Lauf.
Ich schob meinen Wagen mit meinem Koffer über den holprigen Asphalt, ihren hatte Ayla Marco hingeschoben, der ihn auch brav weiterschob. Er hatte sogar Anstalten gemacht, auch den Wagen von mir und meiner Mutter zu schieben. Aber wir hatten abgewunken. Abgesehen davon, dass ich mir nicht vorstellen konnte, wie ein einziger Junge drei Gepäckwagen schieben sollte, konnte ich mein Gepäck auch selbst schieben.
„Was stellst du dich an? Der wird genau dafür bezahlt, dass er uns fährt.“
So fies, wie ich Ayla beschreibe, war sie eigentlich nicht. Genau konnte ich auch nicht sagen, was sie ernst meinte und was nur gespielt war. Ich hatte das Gefühl, dass sie sich oder mir oder Welt irgendwas beweisen musste und sich härter gab, als sie eigentlich war. Es fiel ihr auch selbst auf, und sie riss sich ein wenig zusammen.
Als wir nebeneinander in dem fetten, schwarzen SUV saßen und vom Flughafen auf die Autobahn in Richtung Norden fuhren, erfasste mich so richtig die Urlaubsstimmung. Palmen, diese spanischen Häuser, spanische Ortsnamen, die Wärme des späten Nachmittags, die graubraunen Farben. Aus dem Radio spanische Stimmen, die ich nicht verstand, und diese leichte Popmusik, die mir in Deutschland zu seicht klang, aber genau hierhin passte. Das gleiche Gefühl schien auch Ayla zu haben, denn sie sagte:
„Du musst mich für eine ziemliche Bitch halten.“
„Wieso?“
„Weil ich hier so ablästere über den Typen.“