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Die Unterwerfung des Innenarchitekten E-Book

Naomi Schmitz

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Ein Innenarchitekt macht sich auf die Suche nach einer Domina und trifft dabei auf eine unbedarfte Studentin, die sich seiner annimmt. Beide begeben sich auf eine erotische Reise ins Neuland.

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Seitenzahl: 353

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Naomi Schmitz

Die Unterwerfung des Innenarchitekten

Ein erotischer Roman

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

Die Unterwerfung des Innenarchitekten

Naomi Schmitz

 

 

 

Kapitel 1 Diese verdammte Domina.

Kapitel 2 Umzugsstress. 

Kapitel 3 Rekapitulation und Evaluation.

Kapitel 4 Recherchen.

Kapitel 5 Dominanz-Ignoranz. 

Kapitel 6 Vorbereitungszeit 

Kapitel 7 Vorlautes Dinner 

Kapitel 8 Katerfrühstück. 

Kapitel 9 Stellenangebote. 

Kapitel 10 Sein oder nicht Sein. 

Kapitel 11 Vorstellungsgespräch. 

Kapitel 12 Über und unter dem Tisch. 

Kapitel 13 Das Problem mit dem Verlangen. 

Kapitel 14 Unerwartete Ereignislosigkeit 

Kapitel 15 Plaisirs de la Femme. 

Kapitel 16 Turnaround. 

Kapitel 17 Nacharbeiten. 

Kapitel 18 Sicherheitsmaßnahmen. 

Kapitel 19 Wahre Männlichkeit 

Kapitel 20 Auf der Piste. 

Kapitel 21 Nachtwache. 

Kapitel 22 Wenn man wieder nüchtern ist 

Kapitel 23 Intermezzo und Präparation. 

Kapitel 24 Die federleichte Folterbank. 

Kapitel 25 Manöverkritik.

Kapitel 26 Betteln.

Kapitel 27 Ein Festival der Liebe.

Kapitel 28 Verkehrte Rollen.

Kapitel 29 Wellness.

 

 

Kapitel 1  Diese verdammte Domina

„Diese verdammte Domina!“ ächzte eine Stimme, als Alina die Haustür zu ihrer neuen Altbauwohnung aufschloss.

Vor ihr kniete ein Mann im Hausflur und zog ein paar Zeitschriften aus dem kleinen Briefkasten. Offensichtlich bemerkte er sie nicht und auch nicht, wie sie sich mit ihrer Bücherkiste herum mühte.

In diesem Moment flogen Alina ein paar verstörende Bilder in den Kopf, wie dieser fremde Mann halb nackt im Ledergeschirr auf dem Boden herumkroch, ähnlich wie er jetzt vor ihr hockte, und von einer in Latex gekleideten Frau, die vielleicht nicht mehr ganz so jung war und nicht mehr richtig in der Blüte ihrer Attraktivität stand, herumkommandiert wurde. Die Frau versohlte ihm mit einer Reitgerte kräftig den Hintern.

Es war irgendwie eklig, aber auch amüsant sich das vorzustellen. Alina stellte sich vor, dass seine bleiche Haut sich gegen das glänzende, schwarze Material seiner Latexmontur drückte, was ihn dazu brachte, kalt zu schwitzen. Es war kein schönes Bild, das sich da in ihrem Kopf entwickelte, aber auch irgendwie interessant.

So hatte sie sich den Start in der neuen Stadt und in ihrer neuen Wohnung nicht vorgestellt. Wo war sie hierhin geraten? Musste sie sich darauf einstellen, dass mitten in der Nacht eine resolute Frau diesen Mann dazu brachte, den Mond anzuheulen? Musste Alina mit schlaflosen Nächten rechnen, weil dieser Typ lautstark seine komischen sexuellen Begierden auslebte?

Der Mann jedenfalls machte aus seinen Gefühlen kein Geheimnis und fluchte leise weiter vor sich hin: „Mein Arsch! Mein Arsch! Dieses verdammte Miststück! Nie wieder!“

Er hatte Alina scheinbar immer noch nicht bemerkt.

Da Alina in dem kleinen Flur nun wirklich nicht an dem Mann vorbeikam und die Kiste in ihren Händen immer schwerer wurde, räusperte sie sich.

Der Mann erschrak sichtlich und sah sie überrascht an.

„Habe ich das gerade laut gesagt?“, fragte er mehr sich als sie. Er fühlte sich ertappt.

„Du meinst, das mit der Domina, die dir den Arsch versohlt hat?“ Sie lächelte ihn offenherzig an und hätte mit den Schultern gezuckt, wenn die Kiste nicht so schwer gewesen wäre.

„Ich sollte wohl besser im Boden versinken.“, erwiderte er. „So vor Scham und so!“

„So peinlich ist dir das?“

„Yep!“

„Wir könnten einfach das Thema wechseln!“

„Das fände ich gut!“

„Wie wäre es beispielsweise, wenn du mir hilfst?“

„Womit?“

„Du könntest mir zum Beispiel die Tür aufhalten!“

„Oh! Die Tür! Klar, sicher!“

Der Mann stand hastig auf. Die schnelle Bewegung bereitete ihm offensichtlich Pein, und ihm entfuhr ein Schmerzenslaut.

„Lass mich raten…“, lächelte Alina süffisant.

„Die Domina.“, antworteten beide gleichzeitig.

Alina lachte.

Der Fremde verzog die Miene.

Es war ihm wirklich peinlich, aber er versuchte, Haltung zu bewahren.

„Michael. Innenarchitekt. Hallo!“, stellte er vor und hielt ihr seine Hand hin. Es schien ihm nicht bewusst zu sein, dass Alina die Hände voll hatte.

„Alina, Studentin. Sehr erfreut!“

Sie drehte ihren Oberkörper und hielt ihm ihren kleinen Finger hin. Er nahm und schüttelte ihn. Dabei verbeugte er sich höflich.

„Du bist die neue?“

„Mieterin meinst du?“

„Genau. Meine ich.“

„Dann sage ich auch: Genau.“

„Mein Vater hat dich angekündigt.“

„Dann bist du also der Sohn des Vermieters. Bist du sowas wie ein Aufpasser? Der Hausmeister?“

Seine Miene verfinsterte sich augenblicklich. Ungewollt hatte Alina scheinbar einen wunden Punkt getroffen.

„Ich hoffe doch, dass ich mehr bin als der Sohn von irgendwem. Und Hausmeister bin ich schon mal gar nicht. Ich wohne hier und habe auch mein Büro hier. Ich würde mich selbst als einigermaßen erfolgreich bezeichnen.“

„Aha!“, meinte Alina vage, die gar nicht vorgehabt hatte, an ihrem ersten Tag bereits in ein Wespennest zu treten.

Michael merkte, dass seine Worte falsch herauskamen. Er klang defensiv, als müsse er sich verteidigen. Aber das musste er beim besten Willen nicht!

Alina versuchte einzulenken:

„Das wollte ich gar nicht bestreiten. Womit bist du ganz schön erfolgreich?“

„Innenarchitekt. Ganz schön erfolgreicher Innenarchitekt bin ich.“

„Daher die Zeitschriften?“

„Fachzeitschriften. Richtig.“ Er hielt sie ihr hin, und sie las die Titel. „Und du willst heute hier einziehen.“, stellte er fest.

„Was dagegen?“

„Überhaupt nicht! Ich freue mich sogar. Du scheinst nett zu sein!“

„Danke!“ Alina wusste nicht, was sie von diesem Satz halten sollte.

Sie betrachtete den Mann genauer. Er sah nicht aus wie ein Kunde einer Domina. Wobei sie zugeben musste, dass sie nicht wusste, wie ein Kunde einer Domina aussah. Ihre Vorurteile pinselten das Bild von glatzköpfigen, übergewichtigen, unattraktiven Männern ohne Selbstbewusstsein, die sich Frauen vor die Füße warfen, weil sie das als einzige Chance ansahen, ihnen irgendwie nah zu kommen.

So jedenfalls sah sie ihn nicht. Sie schätzte ihn auf Anfang oder Mitte dreißig. Er lächelte sympathisch und seine Figur war ganz in Ordnung. Einen Bauch jedenfalls hatte er nicht. Auch seine Haare waren noch alle auf dem Kopf. Er war durchaus attraktiv, auch wenn er natürlich mit ungefähr zehn Jahren Altersunterschied für sie nicht in Frage kam.

Umso mehr passten seine sexuellen Neigungen nicht so recht in ihr Weltbild. In diesem krochen nur Leute mit geringem Selbstwertgefühl vor anderen im Staub. Dieser Michael hatte nun wirklich kein geringes Selbstbewusstsein. Er sah nett aus, schien einigermaßen schlagfertig und nicht ganz dumm zu sein. Auch die Namen der Zeitschriften, die er in der Hand hielt, deuteten darauf hin. Luxlumina, sicht+sonnenschutz, Wohn!Design.

Alina kannte keine dieser Zeitschriften. Man musste sicherlich eine Menge Fachkompetenz haben, um sich mit ihnen zu beschäftigen. Wäre er also nicht geschätzte zehn Jahre älter und damit viel zu alt für sie, sie hätte vielleicht sogar Interesse an ihm. Wenn da eben nicht das mit der Domina gewesen wäre, versteht sich.

Alina fand sich eher konventionell in diesen Dingen. Und überhaupt hatte sie gar kein Interesse an einer Beziehung.

+ + +

Michael war noch nicht soweit, sich ein Urteil über seine neue Nachbarin zu bilden. Er haderte noch mit seiner ungewollten Beichte und suchte einen Weg, aus der Sache herauszukommen und sein Image aufzuwerten. Reputation war alles in seiner Branche. Besuche bei Dominas waren da eher kontraproduktiv. Er war eigentlich sehr vorsichtig mit seinem Privatleben. Umso mehr ärgerte er sich, dass er seinen ersten Besuch bei einer Domina direkt mit der Welt geteilt hatte.

Aber die junge Frau würde ihm wohl nicht glauben, wenn er das mit der Domina als Scherz darstellen sollte, und sonst fiel ihm beim besten Willen nicht ein, wie er diese Information, die er in seiner Leichtsinnigkeit so heraus posaunt hatte, irgendwie zum Guten drehen konnte.

Diese verdammte Domina!

Er hatte das mal ausprobieren wollen, weil er schon länger diese Erregung empfunden hatte, wenn eine Frau ihn dominierte. Es war so eine Neigung, die ihm lange nicht bewusst gewesen war. Seine Freundinnen der letzten Jahre waren alle nicht darauf angesprungen. Keine hatte etwas mit Dominanz und Unterwerfung anfangen können, und wenn er ihnen vorsichtige Andeutungen machte, dann blockten sie sofort ab. Wenn er beim Sex ihre Hände führte und er sich in eine Stellung der Unterwerfung brachte, dann verstanden sie nicht, was er damit bezweckte und gingen nicht weiter darauf ein. Es war frustrierend gewesen.

In letzter Zeit hatte er keine Freundin gehabt. Es war ihm zu mühselig geworden, sich um sie zu kümmern. Das hatte aber nichts mit seinen Präferenzen zu tun. Michael waren die Frauen einfach zunehmend komplizierter erschienen. Er verstand nicht so richtig, was sie wollten. Sie wollten nicht wie er, und überhaupt war er zu dem Ergebnis gekommen, dass so eine Frau in seinem Leben mehr Schaden anrichtete, als sie von Nutzen war.

Das mochte blöd klingen, aber so sah er es.

Aber diese Neugier bezüglich Dominanz und Unterwerfung hatte er nicht loswerden können, und so hatte er sich im Internet umgesehen und in einer benachbarten Stadt eine Domina gefunden.

Warum nicht in seiner Stadt? Nun, er wollte nicht erkannt werden, immerhin war er in einer winzigen, bescheidenen Weise eine lokale Berühmtheit als jüngster Spross einer Dynastie von Bauunterunternehmern. Da konnte er die Familienehre nicht einfach so aufs Spiel setzen, indem er bei einer Prostituierten gesehen wurde. Das verstand sich von selbst.

Wenn er auch in mancher Weise das schwarze Schaf der Familie war, dem man vorwarf, die Familie nicht mit dem nötigen Ernst zu vertreten. Sein Vater fand ihn wenig motiviert, unorganisiert und ineffizient. Michael selbst sah das vollkommen anders. Er war ein Künstler und nicht Handwerker wie sein Vater und sein Großvater. Aber das verstanden die nicht.

Das mit der Domina am vorherigen Tag jedenfalls war ein Schlag ins Wasser gewesen. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Die Frau hatte ihn ziemlich vermöbelt, ohne dass er irgendwas davon gehabt hätte. Und nun war sein Hintern mit blauen Flecken übersät, jeder Schritt tat ihm höllisch weh. Und zum guten Schluss sah er sich nun auch noch mit der Frage konfrontiert, wie er seine Ehre der jungen Frau gegenüber wiederherstellen konnte. Die musste glauben, dass er ein trauriges Würstchen war, das sich vor Frauen erniedrigen wollte. Na gut, so richtig weit von der Wahrheit war das nicht entfernt, aber er wollte das anders sehen.

In diesem Augenblick hatte ihn seine Schlagfertigkeit verlassen. Er stand wie ein dummer Junge vor ihr und musste erkennen, wie die Augenblicke verrannen, in denen er eloquent aus der Situation herauskommen konnte. Am Ende lagen alle Körner seiner Souveränität im unteren Teil der Sanduhr, und oben herrschte die gleiche Leere wie auch in seinem Kopf.

Schließlich blieb Michael nichts anderes übrig, als ein anderes Mal das Thema zu wechseln:

„Naja, wenn ich was für dich tun kann, dann lass es mich einfach wissen!“

Er war schon im Begriff sich umzudrehen, als Alina überraschend sein Angebot annahm:

„Du könntest mir helfen.“

„Womit?“

„Mit meinem Umzug.“ Sie schaute demonstrativ auf die Kiste in ihren Händen.

„Oh! Richtig. Du meinst, du hast mehr als einen Umzugskarton!“

„Draußen steht noch ein ganzer Transporter voll. Zu zweit hätten wir den schnell leer gemacht. Und ein paar Sachen da drin sind wirklich zu schwer für mich allein.“

„Du wolltest also ganz allein umziehen?“ Michael schaute skeptisch.

„So viel habe ich nicht. Und so richtig viele Gedanken habe ich mir vorher nicht gemacht. Ich dachte, ich finde vielleicht im Treppenhaus jemand Nettes, der mir hilft.“ Sie lächelte ihn erwartungsvoll an.

„So eine bist du also!“ Michael fand zwar an dem Gedanken von körperlicher Anstrengung keinen großen Gefallen, aber ihm gefiel, dass sie offensichtlich mit ihm flirtete.

„So eine bin ich wohl. Was sagst du? Du hilfst mir beim Umzug, und im Gegenzug lade ich dich heute zum Essen ein. Je schneller wir fertig sind, desto großartiger wird es.“

„Was soll ich zu so einem Angebot wohl sagen?“

„Sicher nicht nein!“ Sie lächelte.

„Dann sage ich wohl besser ja!“

„Super!“

„Und wenn es dich anmacht, dann kann ich dich auch gerne was beschimpfen!“

„Was?“

„Naja, wegen Domina und so. Da stehst du doch drauf… dachte ich.“ Während sie sprach, verfinsterte sich Michaels Miene augenblicklich.

„Sorry. Geht mich ja auch nichts an.“, versuchte sie zurück zu rudern. Michael war seinerseits bemüht, das Thema klein zu halten.

„Schon gut. Nichts passiert.“

Bevor er es sich versah, hatte er also einen Job. Sein Plan für den Morgen hatte eigentlich vorgesehen, dass er sich die Architektur-Magazine aus dem Briefkasten holte, sich in seiner luxuriösen Wanne ein Bad genehmigte und mit einem Espresso die neuesten Trends studiert, während er seinen geschundenen Hintern vom warmen Wasser umschmeicheln ließ. Es hätte so ein schöner Vormittag werden können!

All das war nun hinfällig geworden. Statt eines entspannten Morgens hatte er Arbeit. Eine mit einer netten Studentin, das musste er zugeben.

Sie lachte ihn an, trat auf ihn zu, und er dachte für einen Moment, sie wolle ihn zum Dank auf die Wange küssen. Stattdessen drückte sie ihm ihre Kiste in die Hand und meinte:

„Na dann mal los! Ich hole schon mal die nächste!“

Sie drehte sich nonchalant um und ging hinaus. Und Michael stand mit der schweren Kiste auf dem Arm da, während seine unter den Arm geklemmten Zeitschriften drohten, auf den Boden zu fallen.

Er wartete unschlüssig im Hausflur, und als er sich entschlossen hatte, die Treppe hinauf zu staksen, kam sie auch schon wieder zurück und hatte ihrerseits eine Kiste in den Händen. Er ließ ihr den Vortritt und stapfte hinter ihr die Treppe hoch. Das erste, was ihm dabei auffiel, war ihr Hintern, der rund und einladend vor ihm wackelte wie ihr blonder Pferdeschwanz. Sie hatte eine frauliche Figur, keine Modellmaße, sondern sah ziemlich durchschnittlich aus, wie Studentinnen halt aussehen. Ein paar Kilo hätte sie für seinen Geschmack verlieren können, aber sie war nicht rundlich.

Ihre Haut war bleich, aber es war auch noch Frühling. Auf der Straße wäre sie ihm nicht aufgefallen, aber nun, da sie sich sein Geheimnis angeeignet hatte, da hatte er Interesse an ihr gefunden. Sie war schlagfertig und irgendwie keck. Er mochte das.

Kapitel 2  Umzugsstress

Alina war ganz zufrieden mit der Wohnung. Sie war zentral gelegen in einem Altbau, so klein, dass sie sich die Wohnung fast selbst leisten konnte. Ihre Eltern würden ihr noch etwas zuschießen. Ihr Ziel war zwar eigentlich die Unabhängigkeit, aber ihre Eltern verdienten gut, und sie wollte sich auf ihr Studium konzentrieren und nicht ihre Zeit mit Kellern verschwenden.

Es war ihre erste eigene Wohnung, und sie war schon ein wenig stolz, endlich auf eigenen Beinen zu stehen. Manchmal hatte Alina das Gefühl, schon zu viel Zeit vertrödelt zu haben. Einige ihrer Mitschüler waren mit ihrem Bachelor schon fertig und standen kurz vor dem Master. Sie begann gerade erst mit dem Studium. Zwar hatte sie schon eine Ausbildung erfolgreich absolviert, aber andere waren eben schon weiter auf der Karriereleiter.

Es war nicht einfach gewesen, die Wohnung zu bekommen. Alina war es gewohnt, sich präzise Gedanken zu machen. Sie hatte eine lange Liste gemacht mit all den Kriterien, die ihre Wohnung zu erfüllen hatte. In erster Linie wollte sie allein wohnen, also kam eine WG nicht infrage. Die Untermiete bei einem immer präsenten Vermieter war auch keine Option. Sie hatte ihre Eltern lange genug ertragen, die eine ähnliche Rolle eingenommen hatten. Alina wollte zentral wohnen, also war die Vorstadt kein Thema. Auf der anderen Seite brauchte sie nicht viel Raum, konnte auch Treppen steigen und war auch bereit andere Einschränkungen hinzunehmen. So war sie zu der Altbauwohnung gekommen, um die sie aber noch hatte kämpfen müssen, denn offensichtlich gab es mehrere Bewerber. Alina war der festen Überzeugung, dass ihre strukturierte, nüchterne Art schließlich dazu geführt hatte, dass sie die Maklerin für sich hatte überzeugen können. Ihre penible Vorbereitung, präzisen Listen und gut durchdachten Entscheidungen hatten ihr schon häufig geholfen. Auch wenn man ihr vorwarf, nicht spontan genug zu sein und zu viel nachzudenken. Alina konnte gut damit leben, wenn am Ende der Erfolg stand, was kümmerte sie dann ihre mangelnde Spontanität? Es ging doch schließlich um das Ergebnis.

Nun stand sie also in der winzigen Dachgeschosswohnung mit ziemlich vielen Schrägen und zwei kleinen Erkern. 40 Quadratmeter, ein Zimmer, in das sie ihren Schreibtisch (ein Türblatt auf Stützen) und ihr Bett (ein Futon, das man zu einem Sofa zusammenfalten konnte). Dazu noch eine winzige Küchen und ein Bad packen sollte. Es war kein Platz für viele Möbel, und Alina hätte die auch nicht gehabt. Es war also quasi perfekt für sie. Eine typische Studentenwohnung. Früher hatte in dem Altbau vermutlich ein Butler oder eine Hausangestellte gewohnt, die für die Bewohner der unteren Etagen arbeitete. So stellte sie sich das zumindest vor. Nun lebte sie dort, und sie war zufrieden, auch wenn die vier Etagen ihr ein wenig Sorge bereiteten: Die Wasserkästen und Einkäufe, die sie immerzu würde hochwuchten müssen! Aber auch dem konnte sie etwas Positives abgewinnen. Regelmäßiges Treppensteigen würde ihr das Fitnessstudio ersparen.

Sie hatte das schon lange vorgehabt. Etwas Fitnesstraining zu machen, aber war bisher nicht dazu gekommen. Sie hatte gar eine Liste angefertigt mit Pro- und Kontraargumenten. Das war ihre Marotte. Listen mit Argumenten aufzustellen, die ihr dann bei der Abwägung halfen. Sie fertigte diese ständig an, für die kleinsten und banalsten Fragen. Es half ihr, sich zurecht zu finden, wenn sie die Dinge auf Papier vor sich sah und dann mit einem andersfarbigen Stift die Argumente kommentierte, bewertete und einordnete. In der Schule hatte ihre Grundschullehrerin ihnen das gezeigt. Die meisten Kinder hatten es doof gefunden, aber ihre Lehrerin hatte gemeint, dass ihnen Listen helfen würden, sinnvolle und informierte Entscheidungen zu treffen. Alina hatte das für sich übernommen. Sie musste vielfachen Spott ertragen, weil es sie so unflexibel und altbacken erscheinen ließ, aber sie konnte das ertragen. Sie hatte das beschlossen, nachdem sie eine Liste gemacht hatte zu der Frage, ob sie in der Öffentlichkeit Listen machen sollte oder nicht. Die Vorteile hatten klar überwogen.

Mit Michaels Hilfe war der Umzug schnell geschafft. Auch wenn der Alinas Meinung nach etwas zu wehleidig war. Als Alina Michaels Jammern zu viel wurde, wenn er sich mal bücken musste, machte sie sich ein paarmal über diese Geschichte mit der Domina lustig, und von da an war er still.

„Jetzt hör mal auf zu heulen!“, meinte sie, als er im Zimmer nebenan ächzte, weil er sich bücken musste. „Sonst lege ich dich noch übers Knie, und dann hast du wirklich einen Grund zum Jammern!“

Michael sah sie komisch an. Alina konnte seinen Blick nicht deuten. Es war so eine Mischung aus undefinierbar und unbeschreiblich. Später kam ihr der Verdacht, dass er ihren kleinen Scherz als Angebot aufgefasst haben könnte.

So war es aber nicht gedacht gewesen!!

+ + +

In der Tat gingen in Michael einige Gedanken im Kopf umher. Nicht nur dieses Anblaffen war bei ihm hängengeblieben, auch empfand er den generellen Ton von Alina, die ihm häufig knappe und klare Angaben machte, wo er welche Kiste hinstellen sollte, als auffällig, und er fragte sich, ob er in ihren Tonfall irgendetwas hineininterpretieren sollte.

„Pack das in die Küche!“, „Nein, dahinten hin!“, „Hol noch den großen grünen Karton!“ „Das war der falsche. Na egal! Dann musst du halt nochmal gehen!“

War das normal, dass man jemanden, den man gerade kennengelernt hatte, so herumkommandierte? Musste Michael sich das gefallen lassen? Zu beidem war die Antwort definitiv nein. Trotzdem sagte er nichts, sondern spielte mit. Es war auch interessant, in den Umzugskisten einer anderen Person zu kramen und da vielleicht das ein oder andere Geheimnis zu entdecken.

Michael erfuhr also, welche Bücher sie las. Ein paar klug aussehende BWL-Schinken, die typischen Bücher, die jeder las, und ein Haufen kitschiger Liebesgeschichten. Er bekam mit, was für einen Geschmack Alina hatte und was für Klamotten sie trug.

Einmal wühlte er auf der Treppe in einem Korb und hatte plötzlich ihre Unterwäsche in der Hand. Es waren nicht die Alltags-Oma-Unterhosen, sondern das kleine schwarze Höschen mit den Rüschen. Es war ihm nicht peinlich, und er hatte keine Skrupel, in der Unterwäsche dieser jungen Frau zu wühlen. Man hatte ihm schon immer attestiert, dass er in diesen Dingen unverfroren war. Selbstsucht, Egoismus, Egozentrik, das waren die Attribute, mit denen er immer wieder beschrieben worden war. Michael empfand das als ungerecht. So war er nicht.

Er war außerdem überzeugt davon, dass er sich mit seiner Hilfe beim Umzug ein wenig Indiskretion verdient hatte. Die junge Frau hatte ihn neugierig gemacht, und ihre Unterwäsche war doch ein guter Ansatz! Er rieb den weichen Stoff zwischen seinen Fingern und war in Gedanken versunken, bis er in der Wohnung angekommen war und durch eine weitere Order erinnert wurde:

„Stell die Kiste ins Schlafzimmer!“

Augenblicklich ließ er das Höschen fallen und schaute schuldbewusst, als sei er ertappt worden, als Alina aus der Küche kam. Aber sie war wohl zu beschäftigt und merkte es nicht.

„Okay!“ meinte er nur. „Mache ich!“

Sie sah ihn an, und er konnte ihren Blick nicht deuten, doch es erschien ihm, als hätte sie ihn durchschaut. Aber sie sagte dazu nichts weiter, sondern verlangte eine neue Kiste.

+ + +

Es war in Alinas Augen eine gute Arbeitsteilung, die sie gewählt hatten. Michael schleppte und Alina packte aus. Es war vollkommen unvorstellbar, dass er ihre Sachen auspackte. Sie wusste sehr genau, wo was hinkam. Man unterstellte Alina eine krankhafte Ordnungssucht. Aber das war natürlich Quatsch. Alina wollte nur gerne wissen, wo alles war. Deshalb hatte sie sich ein System entwickelt, nachdem sie die Dinge ordnete. Es machte ja auch Sinn. Wenn in der Küchenschublade ihrer alten Wohnung die Dinge alle in einer bestimmten Reihenfolge nebeneinander lagen, dann war es nur logisch, dass in der neuen Wohnung die Dinge in der gleichen Reihenfolge nebeneinander liegen sollten. Alina konnte blind in die Schublade greifen und das Küchenmesser herausnehmen. Was war daran nicht vorteilhaft?

So legte sich die Arbeitsverteilung automatisch fest. Alina bestimmte, was zu holen sei, und Michael holte es.

+ + +

Das erkannte auch Michael schnell, und er gehorchte brav, und meistens still, ächzte manchmal, gerne auch übertrieben, wenn er sich bücken musste, und sein Hintern schmerzte. Er verbrachte einen überraschend angenehmen Vormittag.

Bis eben zu diesem Satz: „Jetzt hör mal auf zu heulen! Sonst lege ich dich übers Knie, und dann hast du wirklich einen Grund zum Winseln!“ Der erinnerte ihn wieder an den Ursprung dieser ganzen Sache. Eigentlich hätte er sich ein Lob gewünscht für seine gewissenhafte Arbeit trotz der schrecklichen Pein, die er zu ertragen hatte.

Jetzt brachte sie diese Domina-Sache auch noch auf die Tapete!

Michael biss von da an die Zähne zusammen und sich auf die Zunge und vermied weitere Klagen, solange sie in der Nähe war.

+ + +

Sie hatte ihr Ziel also erreicht. Offensichtlich war ihm diese Sache so richtig peinlich. Mittlerweile fand Alina das amüsant. Je mehr er das Thema versuchte, unter den Teppich zu kehren, desto lächerlicher erschien ihr das alles. Sollte er sich doch von einer Frau vermöbeln lassen! Wenn das sein Ding war, in Ordnung! Sie konnte damit nichts anfangen, aber im Rheinland sagte man: „Jeder Jeck ist anders.“ Es war nicht ihre Sache, über andere Leute zu richten. Wo sie herkam, gab es genug Engstirnigkeit, und Alina hoffte, dass sie in der Stadt ein wenig mehr Freizügigkeit und neue Ideen finden würde. Es schien sich ja auch zu bewahrheiten.

Wenn man sich hier aus Spaß von Dominas verhauen ließ, dann war das in ihren Augen vollkommen in Ordnung. Es war nicht ihr Ding. Sie verstand es nicht. Es interessierte sie nicht sonderlich. Sie hatte sich nie mit dieser Sado-Maso-Sache beschäftigt, obwohl alle Welt 50 Shades of Grey gelesen hatten. Aber als die kleine, junge Studentin, die in die große Stadt gezogen war, um dem miefigen Kleinstadtleben in die intellektuelle Freiheit zu entfliehen, fand sie immer mehr Sympathie dafür, dass man hier scheinbar so etwas tun konnte.

Umso mehr fand sie, dass Michael offener damit umgehen könnte, anstatt sich so anzustellen. So peinlich musste ihm das alles nicht sein! Selbst wenn er insgeheim in Ketten und Latex und so einem Ball im Mund wie in Pulp Fiction auf dem Boden herumkroch, schien er in Ordnung zu sein.

Allein hätte sie sehr viel länger für den Umzug gebraucht. Zu zweit hatten sie die paar Möbel und das Bett schnell zusammengeschraubt. Es war erst früher Nachmittag, als Alina den Transporter, den sie sich von einem Freund geliehen hatte, durch den dichten Verkehr der Universitätsstadt zurück in das kleine Kaff brachte, dem sie entflohen war.

Kapitel 3 Rekapitulation und Evaluation

Nachdem Alina ihn entlassen hatte, ging Michael hinunter in seine Wohnung. Der Einzug in die winzige Dachgeschosswohnung war erstaunlich schnell vonstattengegangen. Michael hatte sich schon mit Grausen vorgestellt, dass sein ganzer Tag dahin sein könnte. Doch die Studentin hatte einen kleineren Hausstand, als er angenommen hatte. Sie hatte keine Knoblauchpresse, keinen Mörser, keinen Messerblock. Wie sollte man da kochen? Sie hatte Bücher, aber keine Bilder, keine Wohnaccessoires, keine Teppiche.

Was ihren Geschmack betraf, man konnte das nicht anders ausdrücken, war sie eine Barbarin. Ihre Ausstattung war nicht minimalistisch, sondern einfach nur spärlich. Oder erbärmlich. Die verschiedenen Stile ihrer wenigen Möbel waren eklektisch zusammengewürfelt. Michael konnte nicht verstehen, wie sich einige Leute so wenig über den Stil ihrer Wohnung Gedanken machen konnten. Wo man doch so viel Zeit darin verbrachte! Stattdessen hausten viele in stilistischer Anarchie mit Möbeln, die nicht zusammenpassten in Räumen, die unvorteilhaft eingerichtet waren und einfach keinen Stil hatten.

Michael konnte beim besten Willen kein Verständnis für solch unzivilisierte Menschen entwickeln, und er traf recht viele davon. Vor allem in seinem Beruf. Sie kamen zu ihm, um seinen Rat zu suchen und sich von ihm ihre Wohnung oder ihre Geschäftsräume einrichten zu lassen, und wenn er ihnen dann Ratschläge gab, dann wollten sie seine Expertise nicht annehmen und begannen zu diskutieren. Am Anfang hatte Michael das sehr gestört, und er hatte sich in seiner Ehre verletzt gefühlt. Wie konnte irgendwer seine Kompetenz anzweifeln? Michael konnte es einfach nicht ertragen, sich mit seinen Klienten herumzuschlagen. Wenn er merkte, dass jemand seine Kompetenz nicht anerkannte oder irgendwelche Schwierigkeiten machte, dann schob er diese Person einfach auf eine Warteliste oder fand eine Ausrede, um nicht mehr mir ihr zusammenzuarbeiten. Er hatte es nicht nötig, Kompromisse zu machen. Seine berufliche Integrität kam vor dem Profit. Dieses Prinzip führe er so konsequent zu Ende, dass er es immer noch nicht geschafft hatte, auf einen grünen Zweig zu kommen und schwarze Zahlen zu schreiben.  Sein Vater musste immer noch eine Menge zuschießen, damit er über die Runden kam.

Michael ging also eine Etage hinunter in sein Büro, das eigentlich eine Wohnung auf der Etage gegenüber seiner Wohnung war, und legte die Beine auf den Schreibtisch, vorher legte er sich aber noch ein weiches Kissen auf seinen Sessel und blätterte in den Fachzeitungen. Nach einem Bad war ihm nicht mehr.

Aber es gelang ihm nicht. Seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Das lag sicherlich nicht zuletzt an seinem schmerzenden Hintern. Immer wieder fand er seine Gedanken bei der Domina, die er am Tag zuvor besucht hatte.

Es war eine Schnapsidee gewesen. Das gab er gerne zu.

„Mistress Jasmin“, so nannte sie sich im Internet. Sie betrieb eine altmodisch anmutende Internetseite, die noch mit der Hand gemacht schien. Der Besucherzähler stand auf 218. Das war ihm irgendwie sympathisch. Offensichtlich hatte er es mit einer Anfängerin zu tun. Der Gedanke an eine sechzigjährige Oma mit Kriegserfahrung lag ihm überhaupt nicht. Er fühlte sich zu jüngeren Frauen hingezogen, und wenn diese Jasmin noch nicht so abgebrüht war, umso besser!

In seiner Stadt gab es eine Handvoll Dominas, aber er wollte seinen Ruf und die Familienehre nicht aufs Spiel setzen, und so suchte er ein wenig weiter weg. Mistress Jasmin lebte 50 Kilometer entfernt in einer kleinen Stadt, die er nur dem Namen nach kannte. Da er selbst auch Anfänger war, und er das alles nur einmal ausprobieren wollte, sagte ihm das Provinzielle zu. Eine Anfängerin würde mit ihm auch nur Anfänger-Sachen machen, so stellte er sich das zumindest vor. Keine Schweinereien wie all die ekelhaften Dinge, von denen er im Internet gelesen hatte. Er wollte quasi nur einmal schnuppern, und was konnte da schiefgehen mit jemandem, der bisher nur 218 Besucher auf seiner Internetseite verbuchen konnte? Er suchte ein Foto, fand aber nur eines, das ihre Beine zeigte. Sie steckten in langen Lederstiefeln mit sehr hohen Absätzen. Es musste unangenehm sein, in solchen Stiefeln den ganzen Tag zu laufen, hatte er noch gedacht. Ergonomie war sein Spezialgebiet an der Uni gewesen, als es in einem Seminar um die Einrichtung von Arbeitsplätzen ging. Ergonomie war wichtig. An gut eingerichteten Arbeitsplätzen arbeitete man effektiver, produktiver und man verringerte Ausfallzeiten wegen Krankheit um bis zu 20%. Das hatte er alles gelernt!

Er überlegte, wie es sein mochte, ein Studio für eine Domina einzurichten. Vielleicht konnte er ihr ja einige Tipps geben. Vielleicht konnten sie irgendeine Vereinbarung zur beiderseitigen Zufriedenheit schmieden. Er konnte sich das vorstellen.

Ihre Webseite war voller Rechtschreibfehler, aber gerade das Dilettantische daran zog ihn an und verleitete ihn dazu, ihr eine Mail zu schreiben.

„Sehr geehrte Frau Mistress Jasmin“, so hatte er begonnen. „Von ihrer Webseite habe ich erfahren, dass Sie eine strenge Domina sind. Gerne würde ich Ihre Dienste in Anspruch nehmen und mich von Ihnen dominieren lassen…“

Es war ihm nicht klar, wie man solch eine Nachricht am besten verfasste, und so dachte er sich, dass ein formelles, respektvolles Auftreten angemessen wäre. Er entschied sich für die Förmlichkeit und Distanz eines Bewerbungsschreibens.  

Sie hatte noch am gleichen Nachmittag geantwortet und einen Termin vorgeschlagen. Auch ihre Mail war voller Rechtschreibfehler, und die Komma-Taste an ihrer Tastatur, sowie die Hochstelltaste mussten kaputt sein, denn in ihrem kurzen Text fanden sich keine Satzzeichen und keine Großbuchstaben. Nein, das stimmte nicht ganz. Ihr Abschluss war komplett in Großbuchstaben (Allcaps, wie der Fachmann sagt) und mit zu vielen Ausrufezeichen versehen:

„UNTERWERF DICH MIR!!!!!“

Es hätte natürlich „unterwirf“ heißen müssen, aber er gestand ein, dass Imperative schwer zu handhaben waren. Der Gedanke, sich von einer Frau dominieren zu lassen, die ihm intellektuell unterlegen war, reizte ihn sogar noch mehr. Während er vor seinem Rechner saß, malte er sich aus, wie eine unvorteilhaft in Leggins mit Leopardenmuster gekleidete junge Frau, die so eben ihren Hauptschulabschluss gemacht hatte, mit zu viel Makeup in ihren unbequem hochhackigen Schuhen ihn zurechtwies und vor ihr knien ließe. Es erregte ihn, das konnte er nicht bestreiten. Er stellte sich vor, wie sie sich in ihrem geschmacklos eingerichteten Wohnzimmer über ihn lustig machte und ihn übel beschimpfte. Der Gedanke, dass jemand, der offensichtlich so weit unter ihm stand, die Kontrolle über ihn hatte, ihm sagte, was er zu tun hatte, machte ihn nun doch so geil, dass es angenehm unangenehm eng in seiner Hose wurde. Es bestätigte den Termin gleich, und achtete darauf, seinerseits ein paar Rechtschreibfehler in seine Mail einzubauen. Quasi als Test, ob es ihr auffiele und sie dies als Respektlosigkeit auffasste. Aber sie antwortete nicht mehr. Vielleicht war es ihr nicht aufgefallen, vielleicht war es ihr egal. Vermutlich hatte er zu viel von ihr erwartet.

Michael fuhr am nächsten Tag rechtzeitig los. Seinen Termin hatte er um 15:30 Uhr. Er fragte, sich, der wievielte Freier er an diesem Tag wohl sein würde. Doch die Antwort auf diese Frage erschien ihm umso unangenehmer, je länger er darüber nachdachte. Er wollte nicht wie am Fließband von einer kalten und anteilslosen Frau dominiert werden. Er wollte, dass sie ihn trotz allem, was sie mit ihm anstellte, irgendwie mochte und respektierte- auch wenn er das gerade von einer Prostituierten nicht erwarten konnte und es widersprüchlich schien Respekt zu wollen, wenn es eigentlich darum ging, diesen versagt zu bekommen.

Das Navi führte ihn über die Landstraße in eine heruntergekommene Ecke der Stadt zu einem Wohnblock mit vierstöckigen Mietskasernen. Es war kein schöner Ort.

Er stellte seinen SLK ab, der zwischen all den Rostlauben deplatziert wirkte, und steuerte auf die Hausnummer 8 zu. Mistress Jasmin hieß eigentlich Jasmin Schröder, wie er der Klingel entnahm. Was immer geschah, würde wohl in ihrer Wohnung stattfinden. Er klingelte, stellte sich über die Sprechanlage vor und glaubte, im Hintergrund das Geschrei eines Babys zu hören. Aber er konnte sich auch irren. Vielleicht war es das Radio oder das Fernsehen. Eine weibliche Stimme sagte ihm, er solle einen Moment warten, und er fragte sich, ob das schon Teil des Spiels wäre: Dass er dumm vor der Tür zu warten hatte. Da sie ihn recht lange warten ließ, beschloss er, es als Beginn ihrer Session aufzufassen. Mit dieser Entscheidung bemerkte er augenblicklich, wie es sich in seinem Schritt regte. Das also war der Beginn! Die Vorfreude bahnte sich ihren Raum in seiner Hose.

Doch als es länger und länger dauerte, seine Uhr dokumentierte fünf Minuten des Wartens, legte sich die Freude wieder. Er sah sich um. In einiger Entfernung standen drei Jugendliche in Jogginganzügen. Sie hatten Bierdosen in der Hand und sahen immer wieder zu ihm und dann zu seinem Wagen herüber. Michael wurde etwas mulmig, und als sie anfingen laut zu lachen, empfand er Peinlichkeit. Wussten sie, zu wem er wollte? War einer von diesen Typen vielleicht sogar Mistress Jasmins Zuhälter? Er hätte kein so großes Problem gehabt, wenn diese Männer geglaubt hätten, er würde zu einer normalen Prostituierten gehen. Aber eine Domina? Das war ihm peinlich, weil es als unmännlich galt. Seine ganze Neigung war ihm zutiefst peinlich. Es war einfach nicht männlich. Aber was konnte er tun? Starke Frauen machten ihn nun einmal an. Sie hatten es vielleicht schon immer getan, auch wenn es ihm erst kürzlich so richtig bewusst geworden war.

Er wusste auch nicht, wo das herkam. Irgendwo hatte er etwas davon gelesen, dass das etwas mit einer dominanten Mutter zu tun haben musste, aber Michael fand sich in dieser Theorie nicht wieder. Seine Mutter war alles andere als dominant gewesen. Sie war sogar ganz das Gegenteil gewesen. Zurückhaltend, vor allem im Vergleich zu seinem Vater, der immerzu unglaublich ambitioniert und ehrgeizig war, eine Charaktereigenschaft, die er selbst nicht geerbt hatte, und darüber war er auch ganz froh, denn sein Vater und auch sein Großvater waren für seine Begriffe zerfressen von Ehrgeiz und dem Streben nach Macht. Er selbst genoss lieber. Interessanter fand er in diesem Zusammenhang die Theorie, dass vor allem außerordentlich erfolgreiche Managertypen sich häufig von Frauen dominieren lassen wollten. Weil sie im Beruf so viel zu entscheiden hatten, mochten sie es, in ihrer Freizeit die Zügel aus der Hand zu geben. Aber wenn Michael ehrlich war, dann passte auch diese Theorie nicht so richtig auf ihn. Er musste zugeben, dass sein Job ihn nicht so sehr forderte, obwohl er natürlich ein Manager war. Ein Manager der Inneneinrichtung!

 Er vermittelte ihm nicht den Wunsch, die Zügel aus der Hand zu geben. Küchenpsychologie half ihm nicht weiter, und eigentlich akzeptierte er seine Neigung ja auch. So lange eben niemand sonst davon wusste. Schon gar keine Jugendlichen in Ballonseide mit Bierdosen, die in ihrer Bewerbung unter Hobbys auch das Ableisten von Sozialstunden aufführen konnten.

Michael wartete also. Nachdem zehn Minuten verstrichen waren, kam er sich allmählich dumm vor. War das ein Test? Erwartete sie etwas von ihm? Sollte er noch einmal klingeln? Hatte sie ihn gar vergessen? War sie noch mit einem weiteren Klienten beschäftigt? Würden die beiden sich begegnen, wenn der aus der Wohnung kam und er hineinginge? Das war genau das, worauf er keinen Bock hatte. Als die ersten Gedanken in ihm hinaufkrochen, das ganze abzublasen, zurück in seine Wohnung zu fahren, eine Pornoseite im Internet zu öffnen und es sich vor dem Rechner bequem zu machen, da ertönte die weibliche Stimme in der Gegensprechanlage wieder:

„Komm rauf!“

Der Summer wurde betätigt und Michael stieg durch das Treppenhaus, hinauf in den zweiten Stock. Schon bevor er die Wohnung erreichte, überdeckte der Gestank kalten Zigarettenrauchs den Mief des Treppenhauses.

„Mach schneller!“, blaffte die Stimme der Frau ihn an, bevor er sie überhaupt sehen konnte, und er beeilte sich, ihrem Befehl nachzukommen.

Schließlich stand er vor der Frau, die wie Ende zwanzig aussah. Sie lehnte im Türrahmen und schaute ihn abweisend an. Sie war relativ klein mit einer unvorteilhaften Lockenfrisur in Straßenköterblond. Sie trug eine schwarze Korsage, die ihre nicht sehr großen Brüste ein wenig anhoben. Ein kurzer Rock aus Kunstleder und eine schwarze Strumpfhose rundeten das Bild ab. Ihre Füße steckten in schwarzen Stiefeln, die bei weitem nicht so gefährlich aussahen wie die im Internet. Sie war sicherlich nicht seine Traumfrau, aber sie war auch nicht abstoßend anzusehen. Michael hatte sich schon auf ein billiges Erlebnis eingestellt, und er wurde offensichtlich nicht enttäuscht. Eine Prekariatsdomina. Der Begriff fiel ihm spontan ein, und ihm war auch bewusst, dass der nicht gerade politisch korrekt war. Aber er passte irgendwie.

„Komm rein, du perverse Sau!“, raunzte sie ihn an.

Sie machte ihm Platz, und er betrat den Flur der kleinen Wohnung, die penetrant nach kaltem Zigarettenrauch stank. Aber je abstoßender die Szenerie war, die vergilbte Tapete, der fleckige Teppich, die Nippesfiguren aus Pressglas auf der Kommode, desto mehr erregte es ihn auch. Er sollte sich dieser Frau unterwerfen? Er sollte sich von ihr sagen lassen, was er zu tun hatte? Er sollte sich ihr ausliefern? Der Gedanke beflügelte seine Phantasie. In seinem Kopf spielten sich großartige Szenarien ab.

„100 Vorkasse!“

Michael holte sein Portemonnaie heraus und gab ihr zwei Fünfziger, die sie sich wie in einem schlechten Western ins Dekolletee steckte. Das Klischee dieser Geste machte ihn nur noch schärfer. Es war alles so billig und stillos, so unter seinem Niveau, wenn das auch arrogant klingen mochte. Es machte ihn geil. Dass er, der Feinsinnige und Gebildete sich dieser billigen Frau auslieferte.

„Komm mit!“ Sie und ging vor, und er folgte ihr durch den engen und dunklen Flur.

Alle Türen waren verschlossen, sodass er nicht in die restlichen Zimmer schauen konnte. Aber es bestand kein Zweifel, dass er in einer Wohnung war. Als er hinter ihr herging, vermeinte er den ranzigen Geruch trockenen Schweißes zu riechen. Er stellte sich vor, wie sie sein Gesicht in ihre Achselhöhle pressen würde und er von diesem bitteren Geruch gepeinigt würde, der aber doch so erregend wäre, weil er ihre geronnenen Hormone verteilte.

Sie öffnete die Tür am Ende des Flurs und ging in das Zimmer. Er folgte ihr. Der Raum war vollkommen dunkel, die Rollläden waren heruntergelassen. Sie schloss die Tür hinter ihm, und für einen Moment standen sie beide in kompletter Dunkelheit.

Er stellte sich vor, dass sie sich auf ihn stürzen würde, vielleicht mit einem Tritt in die Kniekehle aus dem Selbstverteidigungskurs zu Boden bringen würde. Er stellte sich vor, wie sie sich auf ihn werfen würde, bevor er es sich versah, ihn irgendwie fixierte, vielleicht mit Handschellen, die sie ihm schnell umlegte. Wie sie sich auf seine Brust setzen würde, ihr Geschlecht nur wenige Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Er stellte sich vor, wie er sich gegen die Fesseln sträubte, worüber sie aber nur lachte. Denn er mochte eine Uni besucht haben, sie aber die Schule des Lebens, und die hatte sie gelehrt, wie man mit Männern umging, wie man sie überwältigen konnte.

Über ihn gebeugt schaute sie auf ihn herab, und er würde in ihren Augen für einen Moment eine Schönheit entdecken, der sie sich selbst nicht bewusst war. Es wäre vielleicht nur ein Aufblitzen eines Moments, während ihr schaler Atem auf ihn niedersank.

Aber nichts dergleichen geschah. Keine Überraschung, kein sexueller Überfall.

Sie kramte hinter ihm, und seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Ein wenig Licht fiel durch den Türspalt und die Rollläden. Doch bevor er die Umrisse identifizieren konnte, war ein Licht angeknipst worden. Mistress Jasmin saß in einem Ohrensessel. Später fiel Michael ein, dass er den aus dem Ikea-Katalog kannte. Aber in diesem Augenblick ließ er sich von seiner Phantasie leiten. Neben all dem Billigen, das die ganze Situation prägte, strahlte sie nun etwas Majestätisches aus, wie sie in ihrem Sessel saß mit übergeschlagenen Beinen, die lang und einladend wirkten. Er hätte gerne zu ihren Füßen die Schuhe abgeleckt, obwohl er bislang nie einen Fußfetisch gehegt hatte. All diese Eindrücke überraschten ihn, erwischten ihn auf dem falschen Fuß.

In ihrer Hand hielt sie eine Reitgerte, die sie spielerisch hin und her schwenkte. Auch diese Geste war zu klischeehaft.

Nebenbei nahm er die restliche Einrichtung des schwach beleuchteten Zimmers wahr. An den ansonsten leeren Wänden hingen Peitschen, Gerten, Ruten, Paddel und andere Schlaginstrumente. Er sah einige Utensilien, die er mit Namen nicht benennen konnte, aber aus Pornovideos kannte. Sie verfehlten ihre Wirkung nicht und machten ihn nervös wie die Folterwerkzeuge, die beiläufig auf einem kleinen Tisch ausgelegt waren wie in einem Horrorfilm. In der Ecke stand ein geschlossener Kleiderschrank, den er auf die früher Achtziger taxierte. Schließlich befand sich in dem Zimmer noch ein altes Bett mit einem Stahlgestell, an dessen Ecken Ledermanschetten zu finden waren.

„Zieh dich aus!“, blaffte die Frau ihn an und wedelte ungeduldig mit der Gerte hin und her.

Michael zögerte. Nun wurde es ernst.

„Mach schon!“, trieb sie ihn an. „Die Zeit läuft, du perverse Sau!“

Er schluckte, zog seine Jacke aus und ließ sie zu Boden fallen. Dann öffnete er langsam den obersten Knopf seines Hemdes. Die hinterher geschobene Beleidigung kam bei ihm nicht gut an. Er hätte darauf verzichten können, vor allem, weil er in ihren Worten eine ernst gemeinte Abneigung gegenüber seinen Wünschen festzustellen glaubte, und die wollte er nicht unter die Nase gerieben bekommen. Aber Michael redete sich ein, dass das wohl zu dem Spiel gehörte. Immerhin war sie so etwas wie ein Profi.

Sie sah ihn gelangweilt an, bedeutete mit der Gerte weiterzumachen, und er gehorchte. Seine Erregung war nun nicht mehr zu steigern. Er konnte sich nicht erinnern, wann er jemals so etwas gefühlt hatte, wann er jemals so geil gewesen war. Michael hatte das Gefühl, seiner Bestimmung nahe zu sein. Und es hatte noch nicht einmal richtig angefangen!

Er genoss diesen Augenblick. Die Arroganz dieser fremden Frau, die sich so plump verhielt, ihre abschätzigen und gelangweilten Blicke. Jeder Knopf, den er öffnete, entblößte ihn mehr und zeigte seine Unterlegenheit. Er gab sich ihr hin, lieferte sich ihr aus. Ihr, einer wildfremden Frau! Sie konnte befehlen, und er würde gehorchen, würde ihre Führung anerkennen.

Er ließ das Hemd von den Schultern gleiten und zog das T-Shirt aus. Nun stand er mit bloßem Oberkörper vor ihm.

„Schneller, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, du Wichser!“ Die letzten Worte spuckte sie aus. Sie lachte über ihre eigenen Worte, und da war wieder dieses Gefühl, dass er sich rechtfertigen musste.

Er öffnete den Gürtel seiner Jeans, dann den Knopf, stieg etwas ungelenk und sicher nicht sehr erotisch aus der engen Hose. Vorher kickte er noch die Slipper von den Füßen. Er hielt einen Moment inne und sah sie flehentlich an, als würde er sie mit den Augen bitten, nicht noch mehr von ihm zu fordern und Mitleid zu haben. Aber sie reagierte nicht darauf, sah ihn nicht an, und so konnte er diesen Augenblick der Erniedrigung nicht genießen. Gerade wollte er sich bücken, um die Socken auszuziehen, da unterbrach Mistress Jasmin ihn:

„Komm, reicht schon! Die Unterhose bleibt an, dass du kleiner Spinner scharf bist, kann ich sehen!“ Sie zeigte auf die Beule in seinen Shorts. „Ich will keine Schweinereien auf dem Bett! Wenn es dir zu viel wird, spritz mal schön in deine Unterhose!“  

Michael ließ die Bemerkungen über sich ergehen. Er hätte ihr gerne gesagt, dass er auf diese Art von verbaler Erniedrigung nicht stand. Aber durfte er das? Vermutlich gab es für so etwas Regeln. Er kannte sich da nicht aus, und so schwieg er lieber. Er wollte sich nicht auch noch als Anfänger outen, der keine Ahnung hatte.

Vielleicht hätte er es besser tun sollen. Denn von diesem Moment an ging so ziemlich alles schief, und der bis dahin fast gelungene Augenblick zerbrach. Im Nachhinein war ihm klar, dass er vorher hätte stutzig werden müssen. Er hätte vorher mit ihr absprechen sollen, was er wollte und was nicht, wo seine Grenzen lagen, worauf er stand. In seiner Internetrecherche hatte er gelesen, dass Dominas das eigentlich so machten.

Mistress Jasmin nicht.

In diesem Moment war der Großteil seines Blutes leider nicht in seinem Hirn, sondern damit beschäftigt, seinen kleinen Freund steif zu halten.