Babettes Gastmahl - Tania Blixen - E-Book

Babettes Gastmahl E-Book

Tania Blixen

0,0
7,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein exquisiter Leckerbissen der Weltliteratur

Eine literarische Feier der Genussfreude, der Gastfreundschaft und der Generosität wahren Künstlertums

Die Französin Babette hat es ins nordnorwegische Dörfchen Berlevaag verschlagen, wo sie ihren Dienst im Haushalt der Pfarrerstöchter Philippa und Martine tut und tagsaus, tagein Brotsuppe und Stockfisch zubereitet. Denn ihre Herrinnen ahnen nicht, welches Talent in ihr schlummert: Menschen mit ihren Kochkünsten glücklich zu machen. Babette war ehemals die gefeierte Meisterköchin eines Gourmettempels, des Pariser «Café Anglais». Doch für Schwelgereien und sublime Genüsse hat im hohen pietistischen Norden niemand einen Sinn. Bis Babette eines Tages in der Lotterie gewinnt und die Gemeinde zu einem echt französischen Festmahl lädt. Endlich kann sie beweisen, dass Gaumenfreuden Wunder wirken – und das selbst bei überzeugten Asketen und Kostverächtern.

PENGUIN EDITION. Zeitlos, kultig, bunt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 128

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Große Emotionen, große Dramen, große Abenteuer – von Austen bis Fitzgerald, von Flaubert bis Zweig. Ein Bücherregal ohne Klassiker ist wie eine Welt ohne Farbe.

Tania Blixen (1885–1962), eigentlich Karen von Blixen-Finecke, wurde nahe Kopenhagen geboren, studierte Kunst in Paris und Rom und ging 1914 mit ihrem Mann nach Kenia. Dort fand sie ihre zweite Heimat und blieb eineinhalb Jahrzehnte als Kaffeefarmerin. Ihr Memoirenband «Jenseits von Afrika» wurde zu einem Bestseller. Darüber hinaus bezauberte sie Leser in aller Welt mit einem reichen erzählerischen Werk, darunter «Babettes Gastmahl», nun in Erstübersetzung aus dem Dänischen.

«Eine ganz wunderbare kurze Geschichte der großen dänischen Autorin.» Elke Heidenreich

«Ein tolles, zeitloses Buch … tolle Übersetzung … lustig und gleichzeitig eine sehr klare, schöne und poetische Sprache.» Jenny Friedrich-Freksa

«Diese neue Version der Babette ist der deutlich reichere, opulentere und weitaus vollkommenere Text, der nun in Ulrich Sonnenbergs ebenso vollkommener und kongenialer Übersetzung vorliegt.» Erik Fosnes Hansen

Besuchen Sie uns auf www.penguin-verlag.de und Facebook.

Tania Blixen

BABETTES GASTMAHL

Erzählung

Aus dem Dänischen übersetzt von Ulrich Sonnenberg

Nachwort von Erik Fosnes Hansen

Die dänische Originalausgabe der Erzählung erschien 1958

unter dem Titel «Babettes gæstebud».

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

Copyright © 2022 der deutschsprachigen Ausgabe by Manesse Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: Regg Media in Adaption der traditionellen Penguin-Classics-Triband-Optik aus England

Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

ISBN 978-3-641-31482-8V001

www.penguin-verlag.de

Zwei Schwestern

In Norwegen gibt es einen langen, engen Fjord zwischen hohen Bergen, den Berlevaag Fjord. Am Fuß der Berge liegt Berlevaag wie das Spielzeugdorf eines Kindes aus kleinen Holzklötzchen, die in Grau, Gelb, Weiß, Rosa und vielen anderen Farben bemalt sind.

Vor fünfundsechzig Jahren lebten in einem der kleinen gelben Häuser zwei Schwestern, die ihre erste Jugend längst hinter sich gelassen hatten. Es gab zu dieser Zeit Damen in Berlevaag, die mit Tournüren ausgingen, und die beiden Schwestern hätten sie ebenso anmutig tragen können wie irgendeine dieser Damen, denn beide waren groß, schlank und graziös. Und doch hatten sie ihr Dasein in glücklicher Unwissenheit über die Gebote und die Tyrannei der Mode verbracht, ja, überhaupt über deren Existenz, und waren ehrbar und still in Grau und Schwarz durchs Leben gegangen. Getauft waren sie auf die Namen Martine und Philippa, nach Martin Luther und seinem Freund Philipp Melanchthon. Ihr Vater war Propst und ein Prophet gewesen, Gründer einer frommen und strengen kirchlichen Bewegung, die im ganzen Land bekannt und geachtet, wenngleich auch ein wenig gefürchtet war. Die Anhänger seiner Kirche entsagten den irdischen Freuden, der Welt und all dem, was ihr zugehörte. All dies schienen ihnen nur Trugbilder zu sein, und das wirkliche Wahre, dem sie aus tiefstem Herzen entgegenstrebten, war das Neue Jerusalem. Sie missbrauchten den Namen des Herrn nicht, ihre Rede war ja, ja und nein, nein, und sie nannten einander Brüder und Schwestern.

Der Propst hatte spät geheiratet und war nun schon lange glücklich heimberufen und heimgekehrt. Und seine Jünger wurden mit jedem Jahr weniger, schwerhöriger, weißhaariger oder kahler. Ja, es kam vor, dass sie auch ungeduldiger und aufbrausender wurden und es zu betrüblichem Streit und Unstimmigkeiten in der Gemeinde kam. Und doch trafen sie sich noch immer, um die Worte des Herrn zu lesen und auszulegen und sich an ihren Meister zu erinnern. Sie alle hatten die Töchter des Pastors von Geburt an gekannt und betrachteten sie noch immer als ihre kleinen Schwestern, die ihnen nicht nur um ihres Vaters Willen teuer und lieb waren. Bei ihnen, in dem kleinen gelben Haus, in dem unverändert Frieden und Eintracht herrschte, spürten die Alten den Geist ihres Meisters.

Die beiden Pastorentöchter hatten ein französisches Dienstmädchen mit dem Namen Babette. Dieser Umstand mag sonderbar erscheinen bei zwei sich der Welt entsagenden alten Jungfern in einem kleinen norwegischen Fjorddorf, sodass eine Erklärung erforderlich ist. Die Menschen in Berlevaag fanden diese Erklärung in der Herzensgüte und tiefen Frömmigkeit der Schwestern. Denn die alten Töchter des Propstes widmeten bedenkenlos und ohne sich dessen zu rühmen all ihre Zeit und ihre gesamten bescheidenen Renteneinkünfte den Armen und Unglückseligen dieser Welt; niemals klopfte eine bekümmerte oder notleidende Seele vergeblich an ihre Tür. Und Babette war vor vierzehn Jahren als ein gejagter Flüchtling an diese Tür gekommen, beinahe wahnsinnig vor Kummer und Angst.

Die tatsächliche und eigentliche Erklärung für Babettes Anwesenheit im Haus der beiden Schwestern lag indes mehr als vierzehn Jahre zurück und war weit tiefer in der verborgenen Welt des Herzens zu finden.

Martines Verehrer

Als junge Mädchen waren Martine und Philippa geradezu außergewöhnlich hübsch gewesen, von einer Schönheit der gleichsam leuchtenden, beinahe überirdischen Art wie die blühenden Obstbäume und der ewige Schnee. Man sah sie weder bei Festen noch Tanzvergnügungen, aber die Menschen drehten sich auf der Straße nach ihnen um, und die jungen Männer in Berlevaag besuchten den Gottesdienst, um zu sehen, wie die beiden durch die Kirche schritten. Die jüngere Schwester hatte zudem die hübscheste Stimme, die am Sonntag die Kirche mit Wohlklang erfüllte.

Die irdische Liebe wie auch die Ehe waren für die Gemeinde des Propstes Begriffe ohne größere Bedeutung, menschliche Illusionen. Und doch darf man getrost annehmen, dass mehr als einer der älteren Brüder diese Jungfrauen für weit wertvoller hielt als Perlen und Edelsteine, und bestimmt hatten sie es ihrem Vater auch zu verstehen gegeben. Der Propst jedoch hatte erklärt, seine Töchter würden ihm in seinem Amt die rechte und die linke Hand bedeuten, und wem könnte es wohl einfallen, ihn seiner Hände zu berauben? Die hübschen jungen Mädchen waren im Licht der himmlischen Liebe aufgewachsen und gänzlich davon erfüllt, ihnen bedeuteten die weltlichen Flammen nichts.

Und doch war es geschehen, dass sie zwei Herzen bewegt und beunruhigt hatten; sie hatten in zwei Schicksale aus der großen Welt außerhalb von Berlevaag eingegriffen.

Es gab einen jungen Offizier, der Lorens Löwenhielm hieß und in seiner Garnisonsstadt ein munteres Leben geführt hatte. Er hatte sich so tief verschuldet, dass er sich seinem Vater gegenüber offenbaren musste. Im Jahr 1854, als Martine achtzehn und Philippa siebzehn Jahre alt waren, schickte der aufgebrachte Vater ihn zu einem dreimonatigen Besuch zu seiner alten Tante auf ihr Gut Fossum in der Nähe von Berlevaag, wo er Zeit genug hätte, seinen Lebensstil zu überdenken und sich zu bessern.

Eines Tages ritt er in die Stadt und begegnete Martine auf dem Marktplatz. Er schaute auf die hübsche junge Frau herab, und sie sah zu dem kecken Reiter hinauf. Als sie an ihm vorbei durch die Tür des Propsthauses gegangen war, beschlich ihn das Gefühl, seinen Augen nicht mehr trauen zu können.

In der Familie Löwenhielm gab es die Überlieferung, dass ein männliches Mitglied der Familie vor einigen Hundert Jahren eine Elfe geheiratet hatte, einen weiblichen norwegischen Berggeist, die so hübsch war, dass die Luft um sie herum zitterte und bebte. Seither hatten die Mitglieder der Familie von Zeit zu Zeit Erscheinungen. Der junge Lorens hatte bisher allerdings keine besonderen seelischen Kräfte an sich bemerkt. Doch in diesem Moment stand vor seinem Blick plötzlich die machtvolle Offenbarung eines höheren und reineren Daseins, ohne Zahlungsaufforderungen oder väterliche Ermahnungen, ohne heimliche Schuld oder Gewissensqualen, sondern mit einem sanften Engel mit goldenen Haaren an seiner Seite, um ihn auf den rechten Pfad zu bringen und zu belohnen. Mithilfe seiner gottesfürchtigen Tante verschaffte er sich Zugang zum Haus des Propstes und sah, dass Martine ohne den großen Hut mit den Kinnbändern noch anmutiger war. Er folgte ihrer schlanken Gestalt mit anbetenden Blicken, verspürte aber eine unerwartete, nie zuvor erlebte Verachtung, geradezu einen Abscheu vor der Figur, die er selbst in ihrer Nähe abgab. Er war verblüfft, ja sprachlos bei dem Gefühl, dass ihm nichts einfiel, was er zu ihr sagen sollte, und das Glas Wasser, das ihm am Tisch des Propstes eingeschenkt wurde, lieferte keinerlei Inspiration.

«Barmherzigkeit und Wahrheit begegnen einander, liebe Brüder», sagte der Propst. «Gerechtigkeit und Freude sollten sich küssen.» Und die Gedanken des jungen Mannes verweilten bei dem Augenblick, wenn er und Martine sich küssen würden.

Er wiederholte seine Besuche wieder und wieder, und es schien ihm, als würde er mit jedem Mal kleiner, unbedeutender und elender. Wenn er am Abend zu seinem hübschen Zimmer auf Fossum heimgeritten war, trat er seine glänzenden Reitstiefel in die Ecke, ja es kam vor, dass er den Kopf auf den Tisch legte und weinte.

Am allerletzten Tag seiner Verbannung unternahm er einen allerletzten Versuch, Martine seine Gefühle zu offenbaren. Bisher war es ihm immer leicht gefallen, ein hübsches Mädchen davon zu überzeugen, dass er sie liebe, nun blieben ihm die glühenden Worte, die tiefer in seinem Herzen saßen als alle Liebeserklärungen jemals zuvor, im Halse stecken, als er in ihr jungfräuliches Gesicht sah.

Er hatte in der Stube des Propstes Lebewohl gesagt, und Martine begleitete ihn mit einer Kerze in der Hand zur Tür; der Schein fiel auf ihren Mund, und ihre langen Wimpern warfen Schatten auf ihre Stirn. Schon wollte er in stummer Verzweiflung aufbrechen, als er plötzlich allen Mut zusammennahm, ihre Hand zu ergreifen und an seine Lippen zu pressen.

«Ich gehe nun für immer fort», flüsterte er, «und ich werde Sie nie, niemals wiedersehen. Denn hier habe ich gelernt, dass das Schicksal hart und unerbittlich ist und es in dieser Welt Dinge gibt, die unmöglich sind.»

Als er in seine Garnisonsstadt zurückkehrte, änderte sich der Charakter seiner Abenteuer, und er bemerkte, dass ihm der Gedanke an seine früheren Ausschweifungen nicht behagte. Wenn die anderen jungen Offiziere sich über ihre Liebesaffären unterhielten, erzählte er nicht von seiner eigenen. Denn von der Offiziersmesse aus gesehen, sozusagen mit den Augen seiner Kameraden betrachtet, war es eine traurige Geschichte. Wie konnte es angehen, dass ein Leutnant der Husaren sich von einem kleinen, einfältigen, gottesfürchtigen Kreis rund um einen bescheidenen Abendbrottisch aus dem Felde hatte schlagen und vernichten lassen?

Der Gedanke beunruhigte ihn, Lorens wurde, als er ihm nicht aus dem Kopf gehen wollte, beinahe von Panik ergriffen. Gab es doch Wahnsinn in seiner Familie, durch den er fortwährend das Traumbild einer so holden Jungfrau mit sich herumschleppte, dass die Luft um sie herum vor Reinheit und Frömmigkeit zitterte? Er wollte kein Träumer, er wollte wie seine Offizierskameraden sein.

Lorens Löwenhielm riss sich zusammen und beschloss in der größten Anstrengung seines jungen Lebens, zu vergessen, was ihm in Berlevaag widerfahren war. Von nun an, so entschied er, wollte er nach vorn und nicht zurück blicken. Er wollte all seine Energie auf seine Karriere konzentrieren, und der Tag sollte kommen, an dem er in einer glänzenden Welt eine glänzende Figur abgeben würde.

Seine Mutter war zufrieden mit dem Resultat seines Besuches auf Fossum und drückte ihre Dankbarkeit in einem Brief an seine Tante aus. Sie ahnte nicht, auf welch merkwürdig gewundenen Pfaden ihr Sohn seinen hohen moralischen Standpunkt erreicht hatte.

Der ehrgeizige junge Offizier, der in der Dunkelheit der Nacht hin und wieder aufs Neue von seiner Furcht vor einem Traum getrieben wurde, erregte bald die Aufmerksamkeit seiner Vorgesetzten und kam ungewöhnlich rasch voran. Er wurde nach Frankreich und Russland entsandt, und nach seiner Heimkehr heiratete er eine der Hofdamen Königin Sophias. In den höheren Kreisen, in die sie ihn einführte, fühlte er sich zu Hause, zufrieden mit sich und seiner Umgebung. Im Laufe der Zeit kamen ihm sogar die Worte und Redewendungen aus dem Heim des Propstes zugute, denn der Ton bei Hofe war zu dieser Zeit sehr gottesfürchtig.

Im Haus des Propstes in Berlevaag kam Philippa bisweilen auf den strahlenden, merkwürdig wortkargen jungen Mann zu sprechen, der plötzlich aufgetaucht und ebenso plötzlich wieder verschwunden war. Ihre ältere Schwester antwortete ihr dann freundlich wie immer mit einem ruhigen und klaren Gesichtsausdruck und lenkte das Gespräch auf andere Themen.

Philippas Verehrer

Ein Jahr später kam eine noch bedeutendere Persönlichkeit als Leutnant Löwenhielm nach Berlevaag.

Der große Sänger Achille Papin aus Paris hatte ein vierzehntägiges Gastspiel an der Königlichen Oper in Stockholm gegeben und dort wie überall sein Publikum begeistert. Eines Abends hatte eine der Damen des Hofes, deren tiefste romantische Gefühle der Künstler geweckt hatte, ihm Norwegens wilde, großartige Natur beschrieben. Seine eigene romantische Seele entflammte bei ihrer Beschreibung, und er entschloss sich auf der Heimreise nach Frankreich zu einem Umweg über die norwegische Küste. Allerdings fühlte er sich, unerwartet, ganz klein in dieser mächtigen Umgebung, und er hatte niemanden, mit dem er darüber sprechen konnte, was ihn ergriff und bewegte. So etwas hatte er noch nie erlebt. Er versank in Melancholie und sah sich selbst mit fürchterlicher Klarheit als einen alten Mann am Ende seiner künstlerischen Laufbahn – bis er eines Sonntags, als ihm nichts anderes einfallen wollte, in die Kirche ging und dort Philippa singen hörte.

Da, in einem einzigen Moment, wusste und verstand er alles. Denn hier wurden die schneebedeckten Gipfel, die wilden Blumen und die helle nordische Sommernacht übersetzt in seine eigene Sprache: die Musik – und dargebracht von einer jungen Frauenstimme. Wie Lorens Löwenhielm wurde ihm eine Offenbarung zuteil.

«Allmächtiger Gott», dachte er. «Deine Barmherzigkeit reicht bis in den Himmel, und deine Gerechtigkeit bis in die Tiefen der Meere! Hier ist eine Diva, der Paris zu Füßen liegen wird.»

Achille Papin war zu dieser Zeit ein ansehnlicher Mann von vierzig Jahren, mit schwarz gelockten Haaren und einem roten Mund. Die Verehrung von ganz Europa hatte ihm nicht geschadet, er war ein empfindsamer und sich selbst gegenüber ehrlicher Mensch geblieben.

Er ging direkt zum Haus des Propstes, präsentierte seine große hübsche Visitenkarte – der Name sagte dem alten Pastor überhaupt nichts – und erklärte, er würde sich seiner Gesundheit wegen eine Zeit lang in Berlevaag aufhalten und wäre glücklich, wenn er die junge Dame solange als seine Schülerin unterrichten dürfe. Die Große Oper in Paris erwähnte er nicht, sondern hielt sich lange mit der Beschreibung auf, wie hübsch Philippa in der Kirche zu Ehren des guten Gottes singen würde.

Es gab einen gefährlichen Augenblick in dem Gespräch, denn als der Propst ihn fragte, ob er Papist sei, antwortete er rasch und freimütig und wahrheitsgetreu, ja. Und der alte Mann, der noch nie einen lebendigen Papisten gesehen hatte, wurde bleich. Und doch setzte er die Unterhaltung fort, denn dem Propst bot sich die willkommene Gelegenheit, Französisch sprechen zu können; er hatte es in seiner Jugend gelernt, als er die Werke des großen protestantischen französischen Schriftstellers Lefèvre d’Etaples studiert hatte. Und da niemand Achille Papin lange widerstehen konnte, wenn er sich ernsthaft entschlossen hatte, jemanden zu betören und zu siegen, erteilte der Vater dem Vorhaben schließlich seinen Segen. «Die Wege des Herrn», sagte er zu seiner Tochter, «gehen über die Wogen des Meeres und über die schneebedeckten Berge, auf denen ein menschliches Auge keinen Pfad erkennen kann.»

So kam es, dass der große französische Sänger und das mit der Welt so unbekannte Mädchen in Berlevaag miteinander arbeiteten. Achilles Hoffnung wurde zur Gewissheit und seine Gewissheit zur Seligkeit. Er dachte: «Ich irrte, als ich dachte, ich würde allmählich alt. Meine größten Triumphe liegen noch vor mir. Die Welt wird noch einmal das Wunder erkennen, wenn sie und ich zusammen singen.»