Baby, Schokolade und Karriere - Isis Simona Nora Schabana - E-Book

Baby, Schokolade und Karriere E-Book

Isis Simona Nora Schabana

4,8

Beschreibung

Simone Hagenbuch 38, ehemals erfolgreiche Moderatorin mit Migrationshintergrund. Weiß aber nicht so recht, was das bedeutet. Sie findet sich durch einen nicht freiwilligen, aber nötigen Umzug aus der Großstadt mit Baby, viel Schokolade, ohne Job und ohne Mann in der Provinz wieder. In einem kleinen Vorort vor einem größeren Ort, der wiederum vor einer kleinen Stadt liegt, ist nun der Zeitpunkt gekommen, dem Leben wieder etwas Glück, Freude und Erfolg einzuhauchen. Mit nichts weiter als einem kleinen Sohn, den schönen Bildern der Vergangenheit und dem längst vergessenen Dialekt in der Provinz muss nun dringend ein neues Leben her. Vor Allem ein neuer Vollzeitjob, der vereinbar ist mit dem momentanen Vollzeitjob als Mutter. Humorvoll, kritisch und ehrlich wird eine neue Frauengeneration in Extremkonflikten mit fehlenden Vätern skizziert. Eine humorvoll-kritische Lebensbetrachtung, eingebunden in eine heimlich sich leise steigernde Liebeserklärung an das wiedergewonnene Leben.

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Ob du die Zeit lachend oder weinend verbringst die Zeit bleibt die gleiche

(Mama )

Inhaltsverzeichnis

Ankunft in der Provinz

Fremd

Alles wegtanzen

Oh Gott schwanger

Ein gut bezahlter Auftrag

Nochmal von vorne

Das Seminar

Der Elternabend

Das Dinner

Die to do Liste

1%

Das Gebet

Der Anruf

Die Einladung

Die Auszeichnung

Herz auf

Die Party

Rosarot

Loggia

Immer öfter bekomme ich diese Flash-Backs aus diesem Leben vor dem Kind. Schöne Bilder. Bunte Bilder mit viel Sonnenschein.

Zärtlichen Küssen beim Mantra Singen. Schwebend in Los Angeles. Bildern, in denen ich fröhlich bin. Lachend, in denen ich einfach nur glücklich bin. Untermalt mit Musik, die einem diese gewisse, etwas erhabene, charismatische und coole Ausstrahlung verleiht. Alles strahlt. Das Leben ist eine Party. Begehrt, mit Rosen überhäuft. Schmeicheleien und charmante Blicke von interessanten Menschen kann ich fühlen...dies entspricht natürlich nicht 100% der Wahrheit. Aber an der Kasse in einem der Provinzsupermärkte kommen diese Bilder immer häufiger.

Ich frage mich ernsthaft, ob das an der beruhigenden Ausstrahlung der Apfelbaumfelder oder an der ach so erfüllenden Aufgabe als Mutter liegt. Während ich gerade so auf einem Mantra Flash-Back in einem Raum mit goldenem Licht, weißen Bettlaken, Musik, die in Seele geht und einem Mann wie aus meinen liebsten Träumen schwebe, klingelt das Amt für Kinder und Familie auf meinem Handy. "Grüß Gottle Frau Hagenbuch-Rahib" - den grüß ich bestimmt nicht, nicht jetzt! denke ich entschlossen.

"Erstmal die gute Nachricht: wir haben es geschafft, dass jedes 3. Kind einen Ganztagesplatz bekommt. Leider hat es für ihr Kind noch nicht gereicht, obwohl wir wissen, dass Sie allein-erziehend sind". Single mom klingt irgendwie besser, nicht so behaftet wie eine Krankheit, obwohl man echt krank werden kann bei diesem Job, der ja gar nicht als Job anerkannt wird.

Es fragt ein jeder: "Wann gehst du wieder arbeiten?"

"Wie bitte?!"

Frau Bundeskanzlerin, erzählen Sie uns doch mal, Sie sind Tag und Nacht um das Wohl unseres Landes bemüht, aber wann gehen Sie wieder arbeiten?

Keiner würde eine solche Frage stellen - geschweige denn verstehen!

Ich hatte schon viele herausfordernde Jobs, aber keiner war so herausfordernd, erschöpfend und teilweise übermenschlich, dafür waren diese anderen Jobs richtig gut bezahlt!

Warum es zu wenig Kinder gibt? Darüber wundern sich im Grunde nur diejenigen, die noch keine alleine großgezogen haben.

"O.K hat nicht geklappt, aber natürlich super, dass es für jedes 3. Kind hier in der Provinz geklappt hat".

Ich muss unbedingt wieder an meiner buddhistischen Haltung arbeiten. Von Ironie war da bestimmt keine Rede.

Ankunft in der Provinz

Dieses herrliche Mantra-Flash-Back ist mit einem Mal verschwunden, auch das weiche Licht und das goldene Glitzern, dieses zufriedene, glückliche Lächeln sowie die Hoffnung, dass das Morgen noch schöner wird als das Heute. Unbeschwertheit, Optimismus, Begeisterung...weg...weg..weg!! Wieder kein Platz in der Kita. Aus und vorbei! Was nun? Zurück in der Realität. "Mami guck mal, warum hat der Mann keine Haare?"

"Nicht so laut. Erstens ist das kein Mann, sondern eine Frau, zweitens sind das schon Haare, nur eben sehr wenige."

Da sitzt ich nun mit meiner so herausragenden Lebensgeschichte und einmaligen Abenteuern in meinem bisherigen Leben. Ganz zu schweigen von den Liebschaften, bei denen mir kürzlich doch tatsächlich aufgefallen ist daß mir von zweien der Name einfach entfallen ist. Irgendwo im Nirwana. Wie aus einem anderen Leben.

So was. Immer aufrecht bleiben, denke ich noch, bevor ich stolpere und plötzlich vor einem riesigen Gebäude stehe mit der Aufschrift: "Hier findest Du alles"!

Tatsächlich gibt es hier wohl fast alles für das materielle Wohl. Inmitten wunderschöner Apfelbäume und kitschigen Feldern. Der Vorhof zum Paradies? Wenn da nicht nur immer diese Müdigkeit, dieses latente Unwohlseins wäre. Mit Sternzeichen und Aszendent im Sternzeichen Zwilling habe ich mich sonst eher in den Metropolen dieser wunderschönen Erde aufgehalten.

Fremd

Es gibt bestimmte Punkte im Leben an denen ich mir ganz sicher bin, dass jetzt definitiv etwas in die falsche Richtung läuft.

Es sind die Momente, wenn man ein Unwohlsein zu lange mit sich herum getragen hat. Letztens als mein Sohn aus dem Kindergarten nach Hause kam und sagte: "Hat jeder Mensch einen Papa? Warum ich nicht?"

Da wurde das Band des lang vorausgegangen Unwohlseins zerschnitten.

Die letzten Jahre lief so einiges schief.

Schnell ein Stück Schokolade oder Brezel.

Irgendetwas für die Nerven. Ich weiß dass das nicht der richtige Weg ist.

"Guten Tag ich suche Pampers, extra dry. Wo kann ich die finden?"

Das die Verkäufer immer weg gucken, wenn man sie etwas fragt.

Sprachlos rauscht die Verkäuferin hinweg, um irgendwann hinter 2 Ecken zu rufen:

" Hier send se!"

Mit meinem Kind hinterher hechelnd, bedanke ich mich noch, obwohl ich mir denke: schon mal was von Service gehört?

"Scho recht" und schon ist sie wieder im luftleeren Raum verschwunden, obwohl ich doch noch eine Frage habe.

Die haben doch eine Schulung gemacht für schnelles Verschwinden im luftleeren Raum sobald ein Kunde gesichtet wird.

Ich gehe zur Kasse. Es wird so schnell kassiert, dass es eigentlich keiner schafft mit der Geschwindigkeit des Scanners mitzukommen. Nicht mal jemand der jung, dynamisch und trainiert ist. Die Oma kommt ins Schwitzen, sagt aber nix, die Mamas mit bettelnden Kindern um einen Schokoriegel bekommen ihren vierten Nervenzusammenbruch, sagen aber nix. Die Verkäuferin:"19.95 bidde" Gehetzt, versuche ich irgendwo einen kleinen Platz zu erhaschen, um keine Karambolage an der Kasse zu inszenieren.

Der Nächste geht einfach weiter. Bumms! und ein gemurmeltes:"Oh Entschuldigung hab Sie gar nicht gesehen." Denke noch verblüfft: aber ich stehe doch genau vor Ihnen. Ich sage schmunzelnd "Schon gut, ich lebe ja noch."

Wohin frage ich mich, während ich den Einkauf und die Mega Packung Windeln einpacke, nachdem ich endlich herausgefunden habe, dass nur eine Sorte Windeln wirklich dicht hält. Das ist also nun von dem teilweise brillanten und witzigen Geist übrig geblieben: das schnelle Erfassen der Windelleistung.

Das Kind sitzt sicher. Die Fahrt kann losgehen. Die Richtung ist offen, aber das Ziel ist klar: die Milch mit Schokolade am Abend muss im eigenen Bettchen sein.

Ich denke daran, wie golden die Sonne glitzerte, als ich den Sunset heruntergefahren bin, mir einen Chai Tee holte, und der festen Überzeugung war, dass es für das Leben keine Grenzen gibt. Alle Richtungen standen mir offen, und alles, was jetzt noch passieren wird, wird großartiger bunter als alles je zuvor sein. Die "Lieben" werden immer besser, davon bin ich überzeugt - bis ich eines Tages in einem Haus am Meer mit Kamin ein leckeres Abendessen zaubere mit einem Mann - groß und stark- mit dem Herzen eines Helden: integer, intelligent und einfach umwerfend.

Als ich gerade in meinen zehn Jahre alten Flitzer einsteigen möchte, höre ich von links außen: "Passetse bloß uff"(Passen Sie bloß auf), dass se ned meu Jaguar berühred (dass sie nicht meinen Jaguar berühren) Ich konzentriere mich und übersetze schnell ins Hochdeutsche, damit mir bewusst wird: das war eine Anmache allerdings nicht von der Sorte: willst Du mit mir bei Sonnenuntergang den Sand auf deinen Füßen spüren?- sondern der anderen Art.

Klein, Glatze und grimmig, in der Fachsprache würde man Pykniker sagen, doch der da aus meinem Traum sah ganz anders aus. Das Kind auf dem Rücksitz: "Mama ist das ein doofer Mann?"

"Ich pass schon auf! Habe Ihren Jaguar nicht mal gestreift, höchstens mit meiner Jacke" "Mama ist der Mann da doof?"

Pykniker: "I sag bloß passet se ufff desch isch meu Jaguarle" (ich sag bloß passen sie auf, dass ist mein Jaguar!"

"Mama is der Mann da doof?

"Es ist ja nix passiert!"

"Mama der Mann ist doch doof, oder?"

"Nein natürlich nicht, kleines Kerlchen" dann schließe ich die Autotür.

"Super doof, mein Kleiner"

Diese Grundeinstellung dem Leben gegenüber muss gründlich überdacht werden, Frau Hagenbuch-Rahib, mit Migrationshintergrund. Jeder Mensch ist Gott, wenn auch nur sehr gut verkleidet! O.k, wo ist mein geliebter Chai Tea.

Strahlend bekomme ich vom Kind auf der Rückbank den Bio Karotten Saft, ungesüsst, angeboten.

"Nein, mein Kleiner, Mami hat keinen Durst, keinen Durst auf Karottensaft, nur Durst auf Leben."

Auf Sandstrand mit einem Haus, dahinter Wellen die rauschen, einem Mann, doppelt so groß wie der Pykniker, interessant und humorvoll.

Auf, los gehts, aber was riecht denn da so, kleiner Mann? Wieder zurück auf den Parkplatz. Der pyknische Jaguar Besitzer denkt ich komme wegen ihm zurück. Schnell auf dem Rücksitz Windeln wechseln - wenigstens die richtige Marke. Während ich noch denke, sprich mich bloß nicht an, kümmere dich um dein Leben, deinen Jaguar, Du Pykniker, höre ich :"Immer de Ausländer"(Immer diese Ausländer) Ohnmächtig wechsle ich die Windel.

Ohnmächtig im eigenen Land mit der eigenen Sprache mit dem eigenen Kind und der stinkenden Windel, suche ich einen Mülleimer. Natürlich würde ich gerne etwas sagen, wie: "Sie absoluter Blödian" - oder eben so etwas Ähnliches. Die Nächte der letzten Jahre waren kurz. Kein Schutz, kein "Papa", kein Partner, der schützend da war.

Tränen steigen mir in die Augen. Es ist Morgens, der Tag ist noch nicht mal halb um.

Halb zehn in Deutschland steige ich in mein Auto und versuche die Tränen wegzuwischen. Tränen bringen nichts, ich weiß, außer ein bisschen Erleichterung fürs Herz.

Das ist doch etwas ein bisschen Erleichterung fürs Herz.

"Mama und was machen wir jetzt?" Wir fahren zu Mc Donald dort ist das Essen eine Katastrophe aber die sind super kinderlieb" "Jeiii Mami, ich hab Dir lieb."

"Ich Dich auch, mein Kleiner!"

Es gibt bestimmte Momente im Leben, in denen man sich im Nichts zurecht finden muss, obwohl da dieses innere Vibrieren eines Unwohlseins laut ruft. Nur die Lösung ist noch nicht da. Sei nicht so hart zu dir höre ich mich zu mir selbst sagen. Sei nicht traurig, geh einfach weiter. Die Richtung ist nur im Moment unklar.

Alles weg tanzen

Wenn man nicht mehr zurückkehren kann, woher man kam und noch nicht weiß wohin man gehen kann, entsteht eine Lücke, eine Lücke, die ich mit Wein, Fernsehen, Telefonieren füllen könnte, doch dann würde sich die Lücke schließen und ich wäre noch am selben Ort. Um zu Entspannen und den Schokoladen und Brezel Nerventröstern adieu zu sagen, habe ich mich in einem Fitnesscenter in der Provinz angemeldet.