Backstage - Jenna Summers - E-Book

Backstage E-Book

Jenna Summers

4,8

Beschreibung

Megan ist eine junge Frau mit amerikanischen Wurzeln. Bei ihrem Au-Pair-Jahr in den Staaten trifft sie auf den jungen Rockstar und ältesten Sohn der Familie. Er ist Vollblutmusiker und lebt für seine Musik. In seiner Welt ist er es gewöhnt, dass alle nett zu ihm sind und ihm Honig um den Mund schmieren. Doch da Megan ihn als Menschen wahrnimmt und nicht als Rockstar, verwirrt und fasziniert ihn zugleich. Er ist es nicht gewohnt, dass eine Frau ihm widerspricht, Späße macht und ihn veralbert. Aber genau das gefällt ihm. Nicht nur das, sondern auch ihre bildschöne Erscheinung. Bei seinem Videodreh zum neuen Musikvideo verlieben sie sich ineinander. Dank ihr lernt Jared, dass es Wichtigeres außer Arbeit gibt. Aber das bringt ihn auch zum Nachdenken, ob sein Leben, so wie es im Moment ist, das richtige ist. Wird er seine Musikkarriere an den Nagel hängen? Was wird mit ihnen nach den Au-Pair-Jahr? Werden sie zusammen bleiben?

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Seitenzahl: 346

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

MEGAN

JARED

KAPITEL 2

MEGAN

JARED

KAPITEL 3

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 4

JARED

MEGAN

JARED

KAPITEL 5

MEGAN

JARED

KAPITEL 6

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 7

JARED

MEGAN

KAPITEL 8

JARED

MEGAN

KAPITEL 9

JARED

MEGAN

KAPITEL 10

JARED

MEGAN

JARED

KAPITEL 11

JARED

MEGAN

JARED

KAPITEL 12

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 13

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 14

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 15

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 16

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 17

JARED

MEGAN

JARED

MEGAN

KAPITEL 1

MEGAN

Hoch über den Wolken versuche ich, mir bei einigen Filmen die Zeit zu vertreiben. Wir fliegen seit acht Stunden und haben noch einige vor uns. Meine Eltern und meine drei Geschwister haben sich in München am Flughafen von mir verabschiedet. Was mir doch schwerer fiel, als ich dachte. Ich habe mich für das Au-pair-Jahr in den USA entschieden, weil ich etwas Abstand zu meinem Vater brauche. Ich liebe meine Eltern, aber bei Dad werde ich wahnsinnig. Er verbietet alles. Ob ich ein kurzes Kleid anziehe oder vorhabe, mit Freunden in einem Club zu feiern. Alles ist tabu. Dabei bin ich achtzehn und volljährig. Doch jetzt vermisse ich sie. Vor allem meine Zwillingsschwester Holly. Denn sie versteht meine Gedanken und Gefühle. Sie hilft mir oft, die Sachen realistisch zu betrachten. Wenn ich mich Hals über Kopf in etwas stürze oder zu emotional werde. Ebenso meine kleinen Geschwister, Kate und Anthony. Sie sind zwölf Jahre alt und immer in Action. Ob wir Inlineskaten, Tischtennis spielen oder eine Schnitzeljagd veranstalten. Mit ihnen kommt nie Langeweile auf.

Auf einmal fragt mich die ältere Dame neben mir freundlich: »Reist du ganz alleine?« und reißt mich damit aus meinen Gedanken. Überrascht sehe ich sie an. Ihre dunklen Haare sind grau meliert und ihr Gesicht ist gezeichnet von der Zeit.

»Ja, ich absolviere ein Au-pair-Jahr in Los Angeles«, berichte ich ihr.

Sie sieht mich beeindruckt an. »Das finde ich mutig, so weit weg von daheim. Warst du schon öfter alleine weg?«

»Nein, das ist das erste Mal. Aber ich bin achtzehn und ich möchte endlich meine eigenen Entscheidungen treffen. Und ein paar Auslandserfahrungen machen sich gut fürs Studium«, erzähle ich ihr und sehe sie prüfend an. Wird sie mich wegen meiner Pläne verurteilen?

»Was wirst du denn studieren?«, fragt sie mich interessiert und ich atme erleichtert durch.

»Erst einmal Wirtschaft und dann schaue ich, was mich noch reizt. Und Sie fliegen in den Urlaub?«, frage ich sie und genieße es, mich ein wenig zu unterhalten. So vergeht wenigstens etwas Zeit.

»So in etwa. Ich besuche meine Tochter. Sie lebt mit ihrem Mann und den beiden Söhnen in Pasedena. Ich bin zwar nicht begeistert davon, dass sie so weit weg lebt. Aber es ist ihr Leben, sie muss damit glücklich sein«, sagt sie etwas traurig, lächelt mich dann aber an.

Ich lache sarkastisch, »Könnten Sie das bitte mal meinem Vater erklären? Er hängt sich in alles rein, vor allem beim Thema Jungs.«

Sie lacht ebenfalls. »So schlimm?«

»Oh, Sie wissen gar nicht, wie schlimm. Dad sagte mal zu mir, Megan, Männer sind nichts für dich. Sie bringen nur Ärger«, erkläre ich ihr. Ich weiß nicht, warum ich ihr das erzähle. Sie ist eine völlig fremde Person für mich. Wohl deshalb, weil sie mich nicht kennt.

Mit gerunzelter Stirn sieht sie mich an. »Megan? Ein ungewöhnlicher Name für eine junge deutsche Dame,«, lächelt sie freundlich und nippt von ihrem Kaffee.

Ich schmunzle verlegen. »So ungewöhnlich eigentlich auch wieder nicht. Mein Vater ist Amerikaner und bei der US Army. Er und meine Mutter haben sich damals in Ansbach kennen-gelernt, als er dort für drei Jahre stationiert war. Danach begleitete meine Mutter ihn nach Amerika. Dort lebten sie in Victorville, wo meine Zwillingsschwester und ich geboren wurden. Als er dann ein paar Jahre später ein einmaliges Angebot für den deutschen Stützpunkt in Grafenwöhr bekam, zogen wir um. Seitdem leben wir da in Falkenberg. Und so kam ich zu meinem nichtdeutschen Namen.«

»Das ist ja praktisch, wenn du in Los Angeles dein Au-pair-Jahr absolvierst. Es ist nicht weit von Victorville entfernt«, nickt sie mir zu.

»Das stimmt, aber in erster Linie bin ich dort, um Erfahrungen zu sammeln und frei zu sein. Natürlich habe ich auch vor, meinen Geburtsort zu besuchen. Denn dieses Kapitel in meinem Leben ist so unwirklich. Ich erinnere mich lediglich an die Veranda vor dem Haus und dass es blau war.« Sie hat recht, da ich in Los Angeles bin, ist das wie ein Sechser im Lotto. Es ist nicht weit weg von Victorville und Barstow.

Der letzte Snack dieses Fluges wird serviert. Es gibt Baguettes, Wurst, Marmelade und Käsekuchen. Mit meiner Sitznachbarin, deren Name Marina ist, unterhalte ich mich über das Land und die Leute und übers Essen. Sie empfiehlt mir, einmal einen Ramen Burrito zu probieren, Meeresfrüchte sind ebenfalls gefragt in Kalifornien. Die restliche Zeit vergeht schnell. Wir landen und ich begleite Marina durch die Passkontrolle bis hin zur Gepäckausgabe. Schmerzlich verabschiede ich mich von ihr. »Ich wünsche Ihnen eine tolle Zeit bei Ihren Enkelkindern. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen. Vielen Dank für die schönen Stunden über den Wolken.«

Sie drückt mich herzlich. »Komm her, mein Herz. Deine Au-pair-Familie wird dich lieben. Denn ich möchte dich am liebsten mit mir mitnehmen. Du wirst deinen Weg gehen und dein Vater wird dich bestimmt noch überraschen. Hab eine wunderschöne Zeit, es war mir eine Ehre.«

Am Terminal werde ich von der Agentur abgeholt und in ein Hotel gebracht. Hier erhalte ich und zehn weitere Mädchen zwei Tage lang ein Seminar für das richtige Verhalten. Während man bei anderen Agenturen die Familien vorab aussucht und schon erste Kontakte knüpft, weiß ich noch nicht, wohin ich komme. Mir ist lediglich bekannt, dass sie Prominent sind. Jeden Tag, den wir länger hier sind, brenne ich darauf, meine Familie kennenzulernen. Dann endlich werden wir zugeteilt. Meine Familie heißt Johnson. Wir steigen in einen Kleinbus und werden zu den Familien gefahren. Bei jedem Stopp bin ich aufgeregter und gespannt, wann ich aussteige. Denn die Villen, an denen wir halten, sind beeindruckend. Aber bisher sind die anderen dran. Zum Schluss sitzen wir nur zu zweit im Bus.

Als ich gebeten werde, auszusteigen, traue ich meinen Augen nicht. Außen vor den Toren sehe ich nur Palmen, Bäume, eine große weiße Mauer und dunkle Eisentore. Kein Haus, nichts. Ich steige aus und hole meinen Koffer aus dem Kofferraum. Das Tor öffnet sich und ein Mann im Anzug nimmt mich in Empfang. »Sind Sie Miss Dearing?«

Verwirrt sehe ich ihn an. »Ja, das bin ich.«

»Wenn Sie mir bitte folgen?«, sagt er, nimmt mir meinen Koffer ab und führt mich zu einem Caddy.

Ich steige ein und wir fahren los. Neben dem gepflasterten Weg stehen grüne Palmen und andere Pflanzen. Dahinter entdecke ich einen Tennisplatz, einen Spielplatz und eine imponierende Grünanlage. Plötzlich erstreckt sich vor mir ein regelrechter Palast über drei Etagen. Er ist komplett aus Glas und schimmert in der Sonne. Hä? Schon wieder ein Hotel? Wo bin ich hier? Mein Herz hämmert in der Brust. Mir schwant Böses, bei solch einem Palast wird hoffentlich nicht eine Horde Kinder auf mich warten. An der Tür werde ich von einem Haushälter erwartet. Eine weiße Wendeltreppe mit Geländer aus Glas schlängelt sich hinter ihm um einen Kronleuchter, der vom Boden wie eine Säule zum Himmel reicht. Alles ist hell und edel.

»Bitte folgen Sie mir, ich bringe Sie zu Mrs. Johnson. Ihr Gepäck wird dann auf Ihr Zimmer gebracht«, sagt er und ich folge ihm in einen weiteren Raum in Weiß. Hier stehen weiße Sofas um schwarze kleine Designertische. Hinter dem Fenster zeigt sich mir ein sensationeller Blick auf den Ozean. Dazu große Palmen und ein Sonnenuntergang wie auf einem Gemälde. Ich bin völlig überwältigt, doch gleichzeitig fühle ich mich fehl am Platz. Ich bin definitiv in einer anderen Welt angekommen. Es ist, als hätte nie jemand auf den Sofas gesessen. Aber braucht man das alles? Klar ist es nett anzusehen. Doch wenn es steril geputzt wird, was ist das für ein Leben? Mrs. Johnson nimmt mich in Empfang, sie ist eine wunderhübsche Frau. Schlank, lange Beine, eine braune Mähne und eine selbstbewusste Ausstrahlung. Da fühle ich mich gleich kleiner als ein Zwerg. Obwohl wir beide gleich groß sind. Ich starre sie an. Sie sieht so jung aus und hübsch wie ein Model. Mrs. Johnson, die mir erlaubt, sie Danielle zu nennen, zeigt mir alles. Sie erklärt mir meine Aufgaben. Kaum dass die Sonne den Horizont berührt, gehe ich schlafen. Selbst nach zwei Tagen leide ich anhaltend am Jetlag.

Nach ein paar Tagen habe ich mich eingelebt und fühle mich, als gehöre ich dazu. Hier habe ich einen absoluten Volltreffer gelandet. Denn wenn ich die anderen Mädchen so höre, die ich bei dem Verhaltensseminar kennengelernt habe, dann brauche ich mich nicht zu beschweren. Denn ihre Familien haben drei und mehr kleine Kinder, um die sie sich Vollzeit, sogar 24 h am Tag kümmern. Und sie werden meist wie Angestellte behandelt und nicht wie ich, als ein weiteres Familienmitglied. Da habe ich Glück bei der Familie Johnson. Hier betreue ich die siebenjährige Cheyenne. Ihre großen Brüder brauchen mich nicht. Der dreizehnjährige Josh wird von den Leibwächtern und Chauffeuren durch die Gegend gefahren. Und den einundzwanzig Jahre alten JC habe ich bisher nur auf Fotos in der Villa gesehen. Von Cheyenne weiß ich, dass er Musiker ist und mit der Band auf Tournee ist. Wer weiß, ob ich ihn in der Zeit hier überhaupt mal treffe.

Ich bin bei einer der reichsten Familien Amerikas gelandet. Mister Johnson leitet ein Imperium in den USA, keine Ahnung, was er da genau macht. Denn egal, wie oft ich es mir erklären lasse, ich kapiere es nicht. Wie es scheint, hat er überall seine Finger mit im Spiel. Sicher ist, dass sie Unmengen an Geld besitzen. Sie haben mindestens zwanzig Leibwächter, die uns überall hin folgen. Und dazu einen Stab an Angestellten, die sich im riesigen Haus um alles kümmern. Personal wie Putzfrauen, Gärtner, Köche und sogar einen Butler. Anfangs habe ich mir gedacht, dass es übertrieben ist, so viele Bodyguards zu haben. Mittlerweile bin ich eines Besseren belehrt worden. Denn um das Anwesen herum lauern überall Reporter, die alles und jeden fotografieren. Manchmal habe ich sogar welche auf Bäumen sitzen sehen.

Warten sie echt auf den Musiker JC? Denn Mister Johnson kommt abends immer erst spät nach Hause oder ist manchmal wochenlang auf Geschäftsreise. Mrs. Johnson arbeitet nicht mehr, soweit ich mitbekommen habe. Was sie nicht nötig hat bei dem Geld, was ihr Mann scheffelt. Schon nach wenigen Tagen hier ist mir klar, dass ich mich in einer ungewöhnlichen Welt befinde. Hier ticken die Uhren anders. Es gibt nichts Normales, es zählt nur, wenn alles exquisit und edel ist. Obwohl wenn ich es recht bedenke, ist dieses exklusive Leben für sie normal.

Aber nicht für mich. Wenn ich durstig bin, dann gehe ich zum Kühlschrank und nehme mir ein Getränk daraus. Ich rufe nicht den Butler an, damit er mir etwas zu trinken bringt. Oder ich fülle mir ein Glas Wasser aus dem Hahn ab. Ich brauche kein Schmelzwasser aus den Anden. Deswegen versuche ich, solange ich hier bin, für Cheyenne so viel Normalität wie möglich in den Alltag einzubauen. Sie soll einfach nur Kind sein, die Welt entdecken und ihre Kindheit genießen. Ohne ständig abgeschirmt zu werden. Oder nach Preisen zu schauen, wer das teuerste Spielzeug hat oder die kostspieligsten Sachen am Leib trägt. Jeden Tag zeige ich ihr völlig bodenständige Spiele, wie Verstecken, Verkleiden, Teeparty, und male Bilder mit ihr. Wir klettern auf Bäume, beobachten Fische, erraten Geräusche oder wir bauen am Strand große Sandburgen. So wie heute. Da sind wir am Privatstrand, der direkt vor der Haustür der riesigen Villa ist. Über ein paar Treppenstufen ist er leicht zu erreichen und liegt in einer kleinen Bucht. Das Anwesen erstreckt sich über drei Etagen. Es hat acht Schlafzimmer, sechs Bäder, einen Konferenzraum, einen Fitnessraum, ein Kino, einen Pool mit Poolhaus und sie haben eine Garage, die so groß ist wie das Wohnhaus meiner Eltern. Darin stehen mindestens zehn Luxusautos, von denen jemand wie ich nur träumt.

Am goldigen Strand baue ich mit Cheyenne eine Sandburg. Doch plötzlich kommt sie darauf zu und macht sie mit ihren Füßen dem Erdboden gleich.

Dabei grinst sie mich an und macht sich so groß sie kann. »Ich bin Godzilla!«

»Na warte, Godzilla, dir werde ich zeigen, was ich mit solch bösen Drachen mache!« Ich jage sie über den Sand und im seichten Wasser entlang. Sie kreischt vor Freude, was an Lautstärke zunimmt, als ich sie erwische und sie kitzle. Und alles wird aufmerksam von drei Leibwächtern verfolgt, tagein, tagaus. Doch mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt und beachte sie gar nicht mehr.

JARED

Meine Fresse, der Tag verläuft jetzt schon total beschissen. Ich hätte im Bett bleiben, meinem Rockstarimage gerecht werden und diesen verfickten Termin sausen lassen sollen. Aber NEIN, der liebe JC ist um sieben Uhr aufgestanden, nachdem er um drei den Club ohne ein Mädchen verlassen hat. Und sitzt jetzt brav beim Meeting. Warum habe ich mir nicht ein Girl mitgenommen? Es waren genug da. Dann hätte ich wenigstens in der Nacht etwas Spaß gehabt.

Wir sind seit einem Tag von der Tour zurück, die mir gewaltig in den Knochen steckt. Bisher hatten wir im Anschluss daran für eine kurze Zeit Urlaub. Wenn der ausfällt, werden wir auf die Barrikaden gehen, denn wir brauchen alle eine Auszeit. Nach meiner morgendlichen Dusche sitze ich jetzt im klimatisierten Besprechungsraum von der Plattenfirma »Sunshine Records«. Sie ist eine der renommiertesten Plattenfirmen der Westküste. Mit meiner Band »Shark of Lawn« stehe ich seit über achtzehn Monaten bei ihnen unter Vertrag. Ich wurde mit vierzehn bei einem Bandcontest entdeckt. Da träumte man vom großen Ruhm. Zwei Jahre lang spielte ich bei den »Velvet Heros« Popsongs auf dem Schlagzeug. Mann, war das frustrierend. Obwohl ich gerne Schlagzeuger bin und es mag, mich auszupowern, liebe ich es doch mehr, im Rampenlicht zu stehen. Zumal ich tausendmal besser an der Gitarre war als der Gitarrist Peter Watson. Nach einigen privaten Problemen verließ ich die Band. Nach all dem habe ich nicht mehr daran geglaubt, jemals hier zu sitzen. Dass wir jetzt hier stehen, habe ich meinen besten Freunden und Bandkollegen David und Jacob zu verdanken. Denn ohne ihre Hartnäckigkeit hätte ich nach dem Ausstieg die Musik an den Nagel gehängt. Gemeinsam haben wir unzählige Demo-Tapes im Land versendet. Als wir den Vertrag erhielten, habe ich mir eine Menge aus diesem Bündnis versprochen. Doch dass wir einen solchen Durchbruch erzielen, hätte ich mir bei der Unterzeichnung niemals träumen lassen. Innerhalb von nur wenigen Monaten wechselten wir von der Vor-Band zur Haupt-Band und füllen seither die größten Stadien. Jetzt sind wir selbst in kleinen Provinzen bekannt. Dabei bin ich erst einundzwanzig.

Obwohl mein Dad eine Menge Einfluss und Kontakte hat, habe ich ihm verboten, sich in meine Karriere einzumischen. Denn woher weiß ich, was ich drauf habe, wenn der Geldbeutel meines Vaters mir die Türen öffnet? Dann werde ich doch nicht nach meinen Leistungen bemessen. Umso besser fühlt es sich jetzt an, wo wir es aus eigener Kraft unter die Top Ten geschafft haben.

Alleine sitze ich auf der schwarzen Ledercouch und warte auf den Beginn der Besprechung für den Videodreh. Das Besprechungszimmer ist ein freundlicher, heller, großer Raum. Hier haben mindestens 15 Leute an einem schwarzen Holztisch Platz. Es nervt mich, wieso ich alleine hier bin. Wir sind vier Leute in der Band. Klar bin ich deren Sänger, Songwriter und der Bandleader, trotzdem kommen die Songs nicht immer allein aus meinem Kopf.

Müde lümmle ich auf dem Sofa, das am Ende des großen Raumes steht, und versuche, die Zeit bei einer Zigarette und einem Glas eisgekühlter Cola totzuschlagen. Was die anderen jetzt machen? Vermutlich sind sie vor einer Stunde aus dem Club raus und haben sich ein paar Schnecken angelacht. David wird bei seiner Freundin sein, oder sie sind alle am Strand und genießen den freien Tag. Und ich werde dazu genötigt, mir diesen Quatsch anzuhören.

Ich stiere mein Colaglas an und beobachte, wie die Wassertropfen an der Außenseite herunterlaufen. Die Tür öffnet sich, doch mir ist scheißegal, wer hereinkommt. Denn tief in mir drin will ich heute nicht hier sein. Schon allein der Gedanke, den Tag mit diesem aufgeblasenen Arschloch Steve Miller zu verbringen, lässt mir die Galle überlaufen. Ich habe seinen grünen Sportwagen vor der Tür stehen sehen. Und er wird es sich mit Sicherheit nicht entgehen lassen, bei den besten Schäfchen im Stall seinen Senf dazuzugeben. Ich kenne seine Berufsbezeichnung nicht, aber ein Manager ist er nicht. Fest steht, dass die Bosse viel von ihm halten. Ich dagegen gar nichts. Genervt ziehe ich an meiner Zigarette und sehe weiter den Wassertropfen zu, wie sie spielerisch tänzelnd das Glas hinabkullern. »Eine Hommage an den Wassertropfen«, denke ich, grinse und schon fallen mir tausende Sachen für einen Song dazu ein.

»OH Scheiße, so siehst du also aus, wenn du ohne uns unterwegs bist?«, ertönt eine mir nur allzu bekannte Stimme. Es ist Jacob, die zweite Stimme und Gitarre der Band. Er ist mein engster Vertrauter, der mich oftmals liest wie ein offenes Buch. Ich sehe auf und er grinst mich sofort an. Seine kurzen kastanienbraunen Haare sind strubbelig zerzaust und er trägt Surfershorts wie ich. Cody und David betreten ebenfalls in lässigen Sommersachen das Besprechungszimmer. »Hey, was macht ihr denn hier?«, frage ich sie überrascht, stehe auf und begrüße sie mit einer freundschaftlichen Umarmung. Ich bin froh, dass sie da sind. Jacob und David waren schon damals, vor sieben Jahren, bei den »Velvet Heros« mit dabei. Jetzt sind wir nicht nur Bandkollegen, sondern enge Freunde. »Ja, was denn? Wir sind doch eine Band! Oder?«, lacht Cody. »Und was sie mit dir zu besprechen haben, das haben sie auch mit uns zu besprechen.« Cody ist ein Surferboy, blonde, kinnlange, lockige Haare und ein athletischer Körper. Aber sein Aussehen hilft ihm nicht über seine Schüchternheit hinweg und so versteckt sich Cody gern hinter dem Schlagzeug. Interviews gibt er selten und auf Partys ist er eher der introvertierte Typ. Da bin ich das ganze Gegenteil von ihm. Ich verstecke mich nicht, experimentiere gerne mit dem Aussehen, liebe Tattoos und Piercings und nehme kein Blatt vor den Mund. Im Moment sind meine Haare strohblond gefärbt, kurz und zu einem Irokesen gestylt. Ich trainiere täglich, so dass ich schon für GQ und Hugo Boss vor der Kamera stand. Meine Frisur wechselt je nach Laune. Mal etwas länger und wild zerzaust, mal blau oder grün, mal schulterlang oder bis zur Hüfte, mal Rebellenlook oder 50er-Jahre-Tolle. Ich habe vieles schon ausprobiert. Das Einzige, was immer konstant bleibt, sind meine mit Kajal tiefschwarz geschminkten Augen, wenn ich auf die Bühne gehe. Durch das Schwarz leuchten meine himmelblauen Augen mehr und ich fühle mich damit mysteriös und sexy. Alle denken, ich würde Kontaktlinsen tragen, um solch eine Farbe hervorzurufen, doch sie sind echt und ich bin stolz darauf.

Gemeinsam mit den Jungs lümmel ich auf der Couch und warte darauf, dass es endlich losgeht.

»Also, was weißt du?« David sieht mich an, dessen schwarze, lange Haare über seine Schulter nach vorne fallen, als er sich auf den Oberschenkeln abstützt. Er ist ein Bulle von Mann und sein Gesicht würde man eher einem Boxer zuordnen. Es ist ein kompletter Kontrast zu seinen weichen, glatten Haaren.

»Nicht viel. Roxana hat mich gestern Nachmittag angerufen und gebeten, heute herzukommen. Angeblich geht es um die Drehbesprechung vom Video. Mehr weiß ich auch nicht«, sage ich.

»Hä? Wieso Drehbesprechung? Ich dachte, es ist die Tourbesprechung und danach gehen wir in den verdienten Urlaub?«, knurrt David.

»Wo ist eigentlich Roxana?«, erkundigt sich Cody bei mir, lehnt sich zurück und legt seinen linken Fuß auf sein rechtes Knie. Ich weiß nicht, doch ich denke, er steht auf sie. Oder hat er gar ein Verhältnis mit ihr? Ich blicke bei den beiden nicht durch. Sie sehen sich oft eigenartig an. Solange es sich nicht auf unseren Job auswirkt, ist es mir ehrlich gesagt egal, was die beiden treiben.

Roxana ist, seit wir hier unter Vertrag stehen, unsere Managerin. Sie ist vollbusig, schlank und hat lange, lockige, blonde Haare. Falls Pamela Anderson mal ein Double braucht, wäre Roxana genau die Richtige. Obwohl sie ihren Job blendend macht, mischt sich ständig dieses aufgeblasene Arschloch Miller in ihre Angelegenheiten ein. Als ich sie einmal darauf ansprach: »Lass dir doch nicht von ihm in deine Arbeit reinreden. Du machst einen super Job und Miller hat keinen Plan von der Materie«, seufzte Roxana: »Wenn das so einfach wäre. Mir ist es auch lieber, wenn ich in Ruhe arbeite, aber Mister Miller steht in der Hierarchie nun einmal einige Positionen über mir.«

Ich antworte Cody: »Ich weiß nicht, wo sie ist, Bro. Sag mal, kann das sein, dass du auf sie abfährst?« Genüsslich ziehe ich an meiner Zigarette und grinse ihn an.

»Ich?«, wird seine Stimme höher, für mich ein Zeichen, dass er sich ertappt fühlt.

»Ja klar, wer sonst«, übe ich etwas Druck auf ihn aus.

»So ein Quatsch! Ich doch nicht«, verteidigt sich Cody, doch das überzeugt mich nicht.

Neckend grinse ich ihn an: »Ach, also starrst du ihr nicht in den Ausschnitt, wenn sie sich am Tisch nach vorne beugt? Oder glotzt ihr auf den Arsch?«

Jacob lacht herzlich los und verteidigt Cody: »Komm schon, JJ, bei den Hammertitten haben wir alle schon mal hingeschaut und uns vorgestellt, unsere Schwänze dazwischen zu schieben!«

»Ich nicht! Ich habe eine Freundin!«, verteidigt sich David, was uns zum Lachen bringt. Klar ist er in einer festen Beziehung und ist ihr stets treu, dennoch ist er derjenige von uns mit den versautesten Gedanken. Die er uns oft und gerne preisgibt.

So nach und nach wird meine Zigarette kürzer, bis ich den Stummel im Aschenbecher auf dem kleinen Tisch vor mir ausdrücke. Ich leere mein Glas Cola, stehe auf und trete ans Fenster. Mein Blick wandert aus dem zehnten Stock hinunter auf den gefüllten Parkplatz, aber nichts zu sehen von Roxanas kirschrotem Käfer. Stattdessen fällt mir wieder der froschgrüne Sportwagen von diesem Wichser Miller ins Auge.

Die Tür öffnet sich und Conny, Roxanas Assistentin, betritt mit einem beladenen Tablett den Raum. Wassergläser, Flaschen, Kaffeetassen und Kaffeekannen sind darauf. Sie stellt das Tablett ab und deckt den Tisch ein. Die Tassen klappern laut, was mir sagt, dass sie nervös ist und ihre Hände zittern. Conny arbeitet erst seit wenigen Wochen für Roxana. Sie ist ihre Praktikantin. Womöglich hat sie den Job, weil sie so einmal ein paar Stars trifft. Wir wurden uns nicht persönlich vorgestellt. Aber Roxana hat mir am Telefon erzählt, dass Conny alles für das Treffen vorbereiten wird. Demzufolge wird sie es sein. Außerdem habe ich sie vorhin bei meiner Ankunft aus Roxanas Büro kommen sehen. Conny sieht jung aus, kaum älter als 18 oder 19. Ihre hellbraunen Haare hat sie zu einem festen Dutt gebunden und ihr normaler Frauenkörper steckt in einem dunkelblauen Kostüm. Man sieht ihr an, dass sie sich darin nicht wohlfühlt. Im knielangen Rock und der weißen Bluse wirkt sie unscheinbar und total unschuldig.

»Mensch, das sieht aber mehr als wichtig aus.« David steht auf und geht, mit einem Schmunzeln auf den Lippen, zu ihr an den Tisch. Er baggert sie sogar etwas an. »Hi, du bist neu hier, oder?«

»Ja, ähm, ja, ich helfe Miss Baker«, erklingt piepsend und verängstigt ihre Stimme.

»Miss Baker?«, fragt Cody verwundert und ich stelle mir vor, wie er seine Stirn runzelt. So wie immer, wenn er etwas nicht versteht. Ich drehe mich kurz zu ihm um und meine flüchtig: »Roxana.«

»Was, sie heißt Baker? Woher weißt du das?«, sieht mich Cody an, als hätte ich ein Verhältnis mit ihr. Mir war nicht bewusst, dass er in der Lage ist, derart böse zu schauen.

Ich schmunzle und zucke mit meinen Schultern. »Ich verbringe wohl zu viel Zeit hier.«

»Also Süße, wie heißt du und wie alt bist du?«, wendet sich David kopfschüttelnd wieder der Kleinen zu, die sogleich nervöser wird und eine Tasse umwirft. Zum Glück ist diese leer.

»Ich, ähm, ich ... Ich heiße Conny«, stottert sie mit zitternder Stimme.

»Hallo Conny, ich bin David, der Bassist von Shark of Lawn. Du musst keine Angst vor uns haben, wir beißen nicht. Außer du stehst darauf und willst es«, sagt er und lacht.

Die Tassen klappern noch lauter und ich denke, Connys Kopf leuchtet hochrot vor Scham. David kann es mal wieder nicht lassen, die Mädchen aus der Reserve zu locken.

Jacob lacht herzlich los. »Lass gut sein, David, sie ist viel zu jung für dich.« »18 wird sie ja wohl schon sein. Jetzt hast du sie vergrault, Jake«, knurrt David, gefolgt von dem Gelächter der anderen.

»So viel zu: Ich habe eine Freundin!«, lästert Cody lachend, was mich zum Schmunzeln bringt.

Kopfschüttelnd sehe ich beide an. »Ihr seid wie ein altes Ehepaar.«

Mein Blick wandert wieder hinaus in die Ferne, da hinten, da liegt der Ozean, da ist der Strand. Dort sind die Wellen, die ich jetzt imstande wäre zu reiten. Ich stelle mir vor, wie ich im Wasser bin, auf meinem Board, und eine perfekte Welle erwische. Es wird laut hinter mir, aber ich habe keine Lust, mich umzudrehen.

Bis jemand seine Hand auf meine Schulter legt. Es ist Roxana mit ihrer blonden Lockenmähne, sie sieht mich mit ihren grünen Katzenaugen an. »Schön, dass du da bist, JJ.« Sie drückt mich und ich bin so froh, dass sie uns managet. Ich finde sie sympathisch. Sie ist wie eine große Schwester, freundschaftlich, verständnisvoll und vertritt unsere Interessen. »Welche Überraschung. Jungs, ich kann euch gar nicht sagen, wie glücklich ich bin, dass ihr alle hier seid. Dann nehmt doch bitte am Tisch Platz. Conny, bring bitte noch drei weitere Gedecke!«, weist sie ihre Assistentin an.

»Das habe ich bereits, Miss Baker!«, kommt ein seichtes Stimmchen aus ihrem Hals.

»Wunderbar, Danke schön. Wenn der Kaffee durch ist, bringst du bitte die Kannen herein, dann schnappst du dir Block und Stift und führst Protokoll. Also Jungs, der Regisseur und sein Team sind auch gerade eingetroffen. Sie werden euch dann gleich erklären, wie wir uns das Video vorstellen. Sie haben das Storyboard und Drehbuch dabei und gehen dann alles genau mit euch durch«, berichtet sie uns.

»Jetzt sag aber nicht, dass unser Urlaub gestrichen wurde«, knurrt David im Hintergrund.

»Nein, nur würden wir gerne gleich nach eurem Urlaub das Video drehen. Da seid ihr alle erholt. Deshalb besprechen wir das jetzt schon alles«, sehe ich Roxana im Augenwinkel lächeln.

Ich höre, wie die Stuhlbeine über den Holzfußboden schaben, und denke mir, dass die Jungs sich setzen. Doch ich bleibe nach wie vor am Fenster stehen. Wie gern wäre ich da hinten, bei dem kleinen bisschen Ozean, was zwischen den Wolkenkratzern hervorschaut. Innerlich brodelt es in mir. Ich hasse es, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Deshalb die Sehnsucht, hier auszubrechen. Ich drehe mich um, verschränke die Arme vor meiner Brust und bleibe am Fenster lehnend stehen. Eine Handvoll unbekannter Gesichter betritt den Raum.

Sie bringen einen Haufen Papier, Mappen und alles mögliche Zeugs mit. Der Raum füllt sich, dann nehme ich ebenfalls meinen Platz ein. Der wie immer an der Fensterseite ist und auf dem ein Tischkärtchen steht, mit meinem Namen darauf.

Roxana und Conny kommen mit dem Kaffee zurück und Conny schließt die Tür. Roxana stellt sie uns alle der Reihe nach vor, während Conny die Namensschilder der restlichen Bandmitglieder auf den Tisch stellt. »Okay Leute, besprecht das bitte alles. Ich muss noch zum Flughafen jemanden abholen. In einer Stunde bin ich wieder da. Also bis gleich«, verabschiedet sich Roxana und Conny setzt sich mit dem Block und Stift, wie ihr aufgetragen wurde, ans andere Ende des Tisches. Weit weg von David, der sich ein Grinsen nicht verkneift. Genauso wenig wie ich.

»Siehst du? Du bist ihr unheimlich!«, lästert Jacob und erntet dafür nur ein verächtliches Schnaufen von David. Ich liebe diese Jungs, sie sind wie Brüder für mich und bringen mich stets zum Lachen.

»Gut, dann legen wir los«, meint Paul, der Regisseur, und rollt einen Riesenplan mit Zeichnungen an der Magnettafelwand hinter sich aus. Sein Assistent Mark reicht jedem von uns ein Manuskript und ich überfliege es. Na spitze. Jetzt fangen wir an, dass wir selber spielen? Mist! Wieso engagieren wir nicht, wie bei den letzten Videos, Schauspieler und wir spielen nur unsere Musik? Was für eine abgefuckte Scheiße.

Da uns eh nichts anderes als Alternative bleibt, höre ich mir erst einmal an, was er zu sagen hat.

Paul erklärt in Ruhe: »Also geplant ist, dass wir es dieses Mal ein bisschen anders aufziehen. Und zwar werden wir das komplette Video mit euch drehen. JJ wird eine Liebesgeschichte mit einem Mädchen drehen, aber da die Schauspielerin noch nicht da ist, werden wir das alles erst mal grob besprechen. Ins Detail gehen wir dann, wenn alle anwesend sind. Geplant ist, dass wir auch ein paar Bandaufnahmen hier in den Hollywood Hills machen.« »Wow, wow, wow. Moment, Moment, Moment«, unterbreche ich ihn. »Was soll das heißen, ich drehe mit einem Mädchen?«

»Das Management hat sich vorgestellt, dass Sie für den Song »Don’t leave me« das, was Sie singen, mit einem Mädchen spielen. Außerdem wird jedes Girl da draußen sich wünschen, an der Stelle des Mädchens im Video zu sein«, erklärt der Regisseur.

Genervt verdrehe ich meine Augen. »Na wunderbar! Danke, dass ich gefragt wurde!« Ich habe jetzt schon keinen Bock mehr auf den Scheiß. Und meine Bandkollegen haben nichts Besseres zu tun, als sich herzlich darüber auszuschütten.

»Ach komm, JJ! Sei doch ehrlich, du freust dich darauf!«, spottet Cody und ich sehe ihn beeindruckt an, denn das hätte ich hier vor der versammelten Mannschaft nicht von ihm erwartet.

»Na, zum Glück drehen wir nicht für Secrets«, lästert David, dessen lange, rabenschwarze Haare glatt über seine Schultern hängen. Er grinst mich breit an. Den Song, den er anspricht, ist einer, in dem wir die unterschiedlichen Sexpraktiken miteinander vergleichen. Da wäre das Video eher ein Porno. Trotzdem erhellt es meine Stimmung nicht. Denn ich weiß nicht, welches Mädchen Roxana und die Plattenfirma für den Dreh engagiert haben. Ich hasse solche Überraschungen.

In der Hinsicht bin ich ein Kontrollfreak. Wenn es mein Leben betrifft, will ich die Kontrolle darüber haben. Ich habe kein Problem damit, auf unerwartete Sachen zu reagieren, dafür bin ich spontan genug. Doch bei solchen wie eine Partnerin für einen Videodreh hätte ich gerne Mitspracherecht und nicht, dass man mich vor vollendete Tatsachen stellt. Denn ich bin derjenige, der sie laut Drehbuch küsst. Ich seufze und lümmle mich in meinen Stuhl. »Los, weiter!«

Wir besprechen jedes kleine Detail, Kameraanfahrten, Licht und unsere Kleidung. Er zeigt uns im Storyboard, wie die Aufnahmen ablaufen werden, und ich gestehe, dass die Besprechung doch aufschlussreich ist. Wir nennen unsere Einwände und Vorstellungen, es ist angenehm, dass sie es akzeptieren. Es ist jetzt doch nicht so, dass man uns alles vorschreibt, sie bringen Vorschläge und fragen uns, ob diese in Ordnung sind. So gefällt mir das. Eine Stunde später betritt Roxana in ihrem hellen Kostüm und ihren hochhackigen Schuhen den Raum. Sie lächelt zufrieden, »Die Herren, darf ich euch eure Video-Partnerin vorstellen?«

Da kommt eine Blondine herein, die eher in den Playboy passen würde als in mein Musikvideo. Klar ist sie ansehnlich, aber sie passt weder von der Größe her zu mir noch vom Aussehen. Außerdem habe ich mir meine Partnerin anders vorgestellt. Natürlicher, jünger, heißer. Aber das da ist nichts für mich. Wobei Roxana genau weiß, dass ich nicht auf Blondinen stehe. Und schon bin ich auf 180.

»Soll das ein Scherz sein?«, fauche ich Roxana an und erhebe mich so schnell, dass mein Stuhl umfällt.

Doch sie bleibt gelassen. »Nein«, schüttelt sie mit ihrem Kopf.

Wütend gehe ich zu ihr herüber und stelle mich vor meine angebliche Videopartnerin. Dann knurre ich, um Fassung bemüht, Roxana an: »Willst du mich verarschen? Ich bin einen Meter dreiundneunzig groß und sie ist wie groß? Eins sechzig?«

»Ich kann es nicht ändern, JJ, Miller und Baldwin haben das entschieden. Du wirst mit ihr drehen müssen.« Roxana sieht mich entschuldigend an.

»Was soll die Scheiße?«, werde ich laut und mein innerer Vulkan ist am Brodeln. Die Blondine sieht mich verängstigt an, genauso wie Roxana. Ich habe bisher nie meine Stimme gegen sie erhoben, aber das hier, das ist nicht auf ihrem Mist gewachsen. Dass es von Miller kommt, macht mich erst recht wütend. »Hast du dich von ihm ficken lassen, damit er so einen abgefuckten Scheiß abziehen darf?«, baue ich mich bedrohlich vor Roxana auf und es ist mir scheißegal, dass ich nicht alleine im Raum bin.

»JJ, lass mich doch erklären«, fleht sie mich an, doch ich bin zu aufgebracht, um mich zu beruhigen. »Es ist mir scheißegal, was du mir jetzt erzählen willst«, schreie ich sie wütend an. »Du weißt genau, was ich davon halte, wenn Sachen, die mich betreffen, hinter meinem Rücken entschieden werden.«

»JJ, bitte!«, versucht sie meinen Arm festzuhalten, doch ich entziehe mich ihr und werfe ihr einen alles vernichtenden Blick zu.

»Dreh dein beschissenes Video ohne mich!«, fauche ich sie an und verlasse wütend den Raum. Am liebsten würde ich die Tür zuknallen, so dass sie samt Rahmen aus der Wand fällt. Doch lasse ich sie offen und gehe. Ungeduldig drücke ich auf den Knopf für den Aufzug. Doch dieses beschissene Ding kommt nicht!

Hat sich denn heute alles gegen mich verschworen? Mann, jetzt komm schon! Ich muss hier raus! Meine Gedanken kochen ebenso wie ich. Erneut hämmere ich auf den Knopf, doch es scheint, als wolle man nicht, dass ich das verfluchte Gebäude verlasse.

»Komm, lass uns eine rauchen gehen!«, ertönt eine mir bekannte Stimme neben mir, es ist Jacob.

»Hat sie dich geschickt?«, knurre ich enttäuscht.

»Lass uns aufs Dach fahren«, weicht Jacob meiner Frage aus und ich weiß Bescheid.

Ich atme tief durch. Obwohl ich es zutiefst hasse, wenn er die Fragen nicht beantwortet, bleibe ich gelassen. Und als ob es ein Zeichen wäre, kommt jetzt der beschissene Aufzug. Mit dem typischen Gong öffnen sich die Türen und der Spiegel im Fahrstuhl zeigt mir mein wütendes Gesicht. Knurrend betrete ich diesen und fahre mit Jacob hinauf aufs Dach, wo wir uns eine Zigarette anzünden und ich erst einmal meinen Frust hinausschreie.

»Geht’s wieder?«, erkundigt sich Jacob gleich darauf besorgt bei mir.

»Was soll der Scheiß? Denken die echt, ich drehe mit so einem Zwerg? Wie stellen die sich das vor? Warum fragt mich niemand? Was denkt sich dieses Arschloch eigentlich?«, lasse ich meiner Wut über Miller freien Lauf. Dieser Kerl ist ein rotes Tuch für mich. Sobald ich ihn sehe, werde ich zum Stier und möchte meine Hörner in sein Fleisch bohren.

»Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich hat er gar kein Hirn. Aber findest du nicht, dass du etwas zu hart zu Roxana warst?«, redet er mir ins Gewissen. Ich setze mich zu ihm und lehne mich ebenfalls mit meinem Rücken gegen die Wand.

»Vielleicht, Jake, aber sie hat immer mit mir über alles gesprochen und dann schleppt sie dieses Püppchen da an, ohne ein Wort zu sagen. Bin ich etwa Hugh Hefner?«, frage ich ihn in derselben entspannten Tonlage wie Jacob. Ich bin mir sicher, dass Roxana ihn geschickt hat. Denn sie weiß genau wie die anderen Jungs, dass wenn es hart auf hart kommt, Jacob der Einzige ist, der mich wieder runterbringt. Keine Ahnung, wieso das so ist, aber er hat etwas in seiner Ausstrahlung, was mich beruhigt.

Jacob lacht. »So viele Mädels wie der hattest du allemal!«

Damit ringt er mir ebenfalls ein Lächeln ab. »Mit der drehe ich auf keinen Fall dieses Video!«

»Was wäre denn so schlimm daran?«, fragt er mich und mustert mich prüfend.

»Schau sie dir doch an! Sie ist ein Standgebläse«, knurre ich und Jacob lacht herzlich und aus voller Kehle laut los. »Wenn ich schon nackt mit einer im Bett liegen soll, dann suche ich mir die Frau auch selber aus!«, seufze ich und gönne mir einen tiefen Zug von meiner Zigarette.

»Was? Wovon redest du?«, fragt Jacob und sieht mich entsetzt an.

»Hast du das Drehbuch nicht gelesen?«, sehe ich ihn an und frage mich, wieso er so erstaunt ist. Er kennt mich doch.

»Hast du es etwa schon vorher bekommen?«, sieht mich Jacob verwirrt an und runzelt die Stirn.

»Nein. Vorhin, als Mark die Sachen ausgeteilt hat, war doch genug Zeit, es zu lesen«, sage ich und zucke mit meinen Schultern.

Jacob schüttelt seinen Kopf. »Alter, das waren zehn Minuten und das Buch ist mindestens hundert Seiten dick. Fuck«, schlägt er seine Hand vor die Stirn, »Ich vergesse jedes Mal, dass du in der Hinsicht doch etwas anders bist als wir!«, lacht er erneut aus tiefster Kehle los.

Ich mag sein Lachen. Es ist herzlich und jedes Mal aufs Neue ansteckend. Wenn er lacht, geht für mich die Sonne auf. Deshalb bin ich so gerne mit ihm zusammen. Jacob lässt keine Gelegenheit aus, mich zum Lachen zu bringen. Außerdem bringt er mich dazu, die Dinge von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten und nicht alles zu ernst zu nehmen. Er sorgt bei all dem Stress, den wir haben, dafür, dass ich mal abschalte. Blödsinn mache und mich meinem Alter entsprechend verhalte und nicht wie ein fünfzigjähriger Geschäftsmann bin wie mein Dad.

»Vielen Dank! Sag doch gleich, dass ich verrückt bin«, knurre ich sarkastisch und spiele den Beleidigten. Locker und lässig schnipse ich den ausgedrückten Zigarettenstummel von mir weg.

»Ach, du weißt doch, wie ich es meine. Dein Hirn arbeitet eben tausendmal schneller als unsere. Wenn ich all die Sachen gleichzeitig machen würde, die du machst, könntest du mich einweisen lassen. Aber sind wir doch mal ehrlich. Es ist nur ein Video, du musst sie nicht heiraten. Nun komm, du Genie, lass uns runtergehen!« Jacob steht auf, reicht mir seine Hand und ich lasse mich von ihm auf die Füße ziehen. Zurück im Raum komme ich sofort auf das Thema zu sprechen, ohne mich für meinen Ausraster zu entschuldigen.

»Okay Roxana, ich drehe das Video, so wie du es gerne haben willst. Es läuft aber nur, wenn ich das Mädchen aussuche, mit dem ich spielen soll!«, sage ich und stecke meine Hände in die Hosentaschen.

Sie lächelt mich zufrieden an und nickt. »Gut, dann gib mir Bescheid, sobald du eines gefunden hast.«

»Sind wir dann fertig?«, knurre ich ein wenig beleidigt und genervt.

»Wolltest du ihr nicht noch etwas sagen, JJ?«, grinst mich Jacob an und gibt mir mit seinen Händen zu verstehen, dass ich endlich loslege.

Einen Moment lang sehe ich ihn tadelnd an. Denn ich habe keinen Bock darauf, mich zu entschuldigen, ich fühle mich weiterhin im Recht. Aber Jacobs Augen sagen mir, dass die Höflichkeit es gebietet und dass mir keine andere Wahl bleibt. Ich seufze, stecke die Hände wieder in meine Hosentaschen und sehe Roxana an. »Verzeih mir, dass ich ausgerastet bin!«

»Ist schon vergeben. Also, wann wollt ihr mit dem Dreh starten?«, fragt sie mich.

»In vier Wochen. Wenn ich bis dahin keine gefunden habe«, fällt es mir schwer, zuzugeben, »drehe ich mit deiner kleinen aufgebrezelten Maus. Nichts gegen dich!«, wende ich mich entschuldigend an die engagierte Braut.

»Kein Problem. Job ist Job«, gibt sie mir schulterzuckend zurück.

»Das ist ein Deal«, lächelt Roxana zufrieden und freundlich. Das gefällt mir ebenso an ihr, sie ist nicht nachtragend. Wir bekräftigen dies durch einen Handschlag und dann begebe ich mich mit den Jungs nach Hause. Wir haben uns den Urlaub redlich verdient. Dennoch habe ich diese beiden Songs im Kopf, wobei ich die Unterstützung der Band brauche.

KAPITEL 2

MEGAN

Ich bereite das Pausenbrot für Cheyenne zu und stecke es in ihre Schultasche. Wie an jedem Schultag begleite ich sie dorthin. Sobald ich wieder zurück im Haus bin, räume ich Cheyennes Zimmer auf und lege die Kleidung für den nächsten Tag heraus. Danach erhalte ich von Mrs. Johnson eine Liste, auf der alle Sachen notiert sind, die Cheyenne für die Schule benötigt. Sie reicht mir einige hundert Dollar und weist den Bodyguard an, mich ins Einkaufszentrum zu bringen.

Hier arbeite ich die Liste ab und da ich Zeit habe, bis ich wieder abgeholt werde, gehe ich etwas shoppen. Ich habe mein Taschengeld dabei. Gerade als ich an einem Schaufenster vorbeikomme, fällt mir ein Sommerkleid ins Auge. Es ist weiß, mit großen exotischen Blumen darauf. Schnell betrete ich den Laden, probiere es an und verliebe mich in dieses Kleid. Sechzig Dollar sind ein Haufen Geld für mich, doch das ist es mir wert. Und so habe ich gleich ein traumhaft schönes Souvenir von meiner Zeit hier. Zurück in der Villa räume ich die gekauften Sachen in Cheyennes Schrank. Dann habe ich frei, bis mein Au-pair-Kind von der Schule kommt. Diese Zeit hasse ich, denn wenn ich keine Arbeit habe, dann ereilt mich das Heimweh. So wie jetzt. Traurig verlasse ich mein Zimmer, steige die Treppen herunter und gehe hinaus auf die Terrasse. Hier finde ich Danielle, die mich sogleich fragt: »Alles in Ordnung, Liebes? Du siehst traurig aus.«