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Nach dem großen Streit führt Jared sein Weg zurück in die Betty Ford Klinik, um sein Leben und seine Gefühlswelt wieder in die richtigen Bahnen zu lenken. Dafür muss er aber Megan zurücklassen. Sie kämpft sich unterdessen durch ihren Liebeskummer und wird von Weko, dem Typen bedroht, der für die Trennung verantwortlich ist. Dabei wird er immer unberechenbarer und es kommt zu einem schlimmen Vorfall. Nach seiner Rückkehr aus der Klinik bauen sich Jared und Megan ein gemeinsames neues Leben auf. Sie zieht bei ihm ein und gibt ihm die Kraft, für ein Comeback. Ihre Beziehung erreicht eine neue Ebene und wird intensiver. Doch die Neider sind groß und fordern von beiden Seiten ihren Tribut. Werden sie stark genug sein, um diese Hürden zu meistern? Oder wird es ihrer Beziehung schaden? Wird Jared weiterhin clean bleiben?
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Seitenzahl: 682
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Kapitel 1
MEGAN
JARED
Kapitel 2
MEGAN
JARED
Kapitel 3
MEGAN
Kapitel 4
JARED
Kapitel 5
MEGAN
Kapitel 6
MEGAN
Kapitel 7
JARED
MEGAN
Kapitel 8
JARED
MEGAN
Kapitel 9
JARED
MEGAN
Kapitel 10
JARED
MEGAN
Kapitel 11
JARED
MEGAN
Kapitel 12
JARED
Kapitel 13
MEGAN
JARED
MEGAN
Kapitel 14
JARED
MEGAN
JARED
Kapitel 15
MEGAN
JARED
MEGAN
Kapitel 16
JARED
MEGAN
JARED
Kapitel 17
MEGAN
Kapitel 18
JARED
MEGAN
Kapitel 19
JARED
MEGAN
JARED
Kapitel 20
JARED
MEGAN
JARED
Kapitel 21
MEGAN
Kapitel 22
MEGAN
JARED
Kapitel 23
MEGAN
JARED
Kapitel 24
MEGAN
JARED
Kapitel 25
MEGAN
JARED
MEGAN
Kapitel 26
JARED
MEGAN
JARED
Kapitel 27
MEGAN
JARED
Kapitel 28
MEGAN
JARED
Kapitel 29
MEGAN
JARED
MEGAN
Kapitel 30
JARED
MEGAN
Kapitel 31
JARED
MEGAN
Vorschau auf Band 4
MEGAN
Danke
Ich hätte die Nacht doch bei Jared im Hotel übernachten sollen. Am Morgen haben wir uns noch aufeinander gefreut. Während meiner Prüfung vom Wochenendseminar konnte ich an nichts anderes denken, als dass ich meinen Freund schnell wiedersehe. Ich bin gerne mit ihm zusammen, er ist charmant, humorvoll, einfach ein Sonnenschein. Doch jetzt liege ich allein in meinem Bett. Es ist stockdunkel außen, was im Sommer heißt, dass es tief in der Nacht ist. Ein Blick auf die Uhr reicht, um zu sehen, dass ich nur eine Stunde geschlafen habe. Mit einem Seufzer drehe ich mich auf die Seite, meine Hand streicht über die Stelle, wo sonst Jared liegt. Aber jetzt ist es leer und kalt. Ich schließe die Augen, um wieder in den Schlaf zu sinken. Doch meine Gedanken jagen einander. Ich hasse es. Ich bin müde und möchte schlafen, doch mein Kopf hält mich wach.
Was Jared wohl macht? Schläft er oder kotzt er sich die Seele aus dem Hals? Ob es ihm gut geht? Ich hätte ihn nicht allein lassen sollen. Aber es war doch sein Wunsch. Ich sollte ihn allein lassen. Er wollte mich nicht bei sich haben. Aber warum fühlt es sich dann jetzt so an, als hätte ich jetzt einen riesigen Fehler begangen?
Ich habe ihn noch nie so erlebt. Jared ist ein fröhlicher Mensch, aber das war nicht er. Er war stinksauer, hat den Fitnessraum des Hotels zerlegt und sich vor Wut zwei Flaschen Whisky hinter gekippt. Doch was macht das mit ihm? Vor allem, weil er erst vor sechs Wochen die Betty Ford Klinik verlassen hat. Ich vergesse immer wieder, dass der Kampf gegen die Drogen noch nicht ausgestanden ist. Er hat mich so angeschrien, dass ich es für das Beste hielt, wenn wir etwas Abstand voneinander haben, um nicht mit Wut im Bauch miteinander zu sprechen. Aber jetzt liege ich wach in meinem Bett und bin mir nicht mehr so sicher, ob das eine so gute Idee war. Was, wenn er die Nacht nicht überlebt?
Mit einem frustrierten Murren drehe ich mich auf die andere Seite. Oh, bitte Kopf, halt doch die Klappe! Ich will nur schlafen. Ich sehe auf den Wecker, es ist zwei Uhr nachts, seit einer Stunde liege ich wach. Was habe ich falsch gemacht? Ich hatte nicht vor Jared nie weh tun, noch wollte ich ihn enttäuschen. Das war unser erster großer Streit. Dabei war er so banal, jedenfalls für mich. Denn das waren pure Lügen, die verbreitet wurden und das von diesem Typen namens Weko. Der Mistkerl ist mir schon länger ein Dorn im Auge. Seit ich ihm auf der abgewiesen habe und er mir dennoch, wie ein Schatten hinterherläuft. Wie mache ich ihm klar, dass ich nichts von ihm will? Dass er nicht mein Typ ist. Ich habe ihm gesagt, dass ich vergeben bin, doch das interessiert ihn nicht. Er ist immer wieder da und verbreitet er Lügen über mich. Er ist der Grund, warum Jared und ich uns gestritten haben. Von Jared weiß ich, dass er behauptet hat mit mir Sex gehabt zu haben und hat ihm Nacktfotos von mir gezeigt. Doch wo hat er die her? Ich habe nie welche von mir aufgenommen. Sind die Fotos der Grund, weshalb mein Freund an meiner Treue zu ihm zweifelt? Warum er mir nicht glaubt?
Gott, Jared ich hoffe, es geht dir gut. Obwohl es warm ist, ziehe ich mir die Decke bis zur Nasenspitze und hoffe, dadurch endlich den nötigen Schlaf zu finden. Totenstille durchflutet den Raum, man könnte die besagte Stecknadel fallen hören. Eine Straßenbahn fährt mit quietschenden Rädern am Haus vorbei. Ein paar Vögel zwitschern. Komisch, dabei dachte ich, dass Singvögel in der Nacht ebenso schlafen wie wir.
Ich schrecke hoch, der Wecker klingelt. Tief atme ich durch, jetzt habe ich doch noch ein paar Stunden geschlafen. Gähnend strecke ich mich und schwinge die Beine aus dem Bett. Ich habe mir extra den Wecker gestellt, damit ich vor den Vorlesungen noch mit Jared spreche. Ich möchte das geklärt haben.
Nach einer heißen Dusche suche ich mir Tanktop und kurze Hosen aus meinem Schrank und ziehe mich an. Ich bin hin und her gerissen. Trinke ich erst einen Kaffee oder fahre ich gleich zu Jared? Aber was, wenn er noch schläft? Dann bereue ich es, dass ich keinen getrunken habe. Denn einen Tag, ohne Kaffee zu beginnen, ist für mich wie ein Sonnenaufgang ohne sein herrliches rotes Leuchten. Natürlich hindert nichts an ihrem Aufgehen, es ist aber eindruckslos und fade. In der Küche lasse ich mir eine Tasse des schwarzen Golds aus dem Automaten. Meine obligatorischen vier Löffel Zucker löffle ich hinein und rühre um. Ich setze mich an den Küchentisch, doch ist es heute kein Genuss. Ständig wandert mein Blick herüber zur Uhr, deren Zeiger sich gefühlt langsamer bewegen. Fast wie in Zeitlupe. Es ist, als wolle sie mich auf die Probe stellen. Sogar ihr Ticken ist langsamer und lauter. Es reicht! Ich kippe mir den Rest des Kaffees hinter und schreibe Laura einen Zettel, dass ich mit dem Auto zu Jared fahre.
Die Sonne ist aus ihrem Schlaf erwacht und hat zu der frühen Stunde schon viel kraft. Das wird wieder ein heißer Tag. Am Hotel finde ich einen Parkplatz am Straßenrand zwischen den ganzen Autos. Die Stadt ist im geschäftigen Treiben, alles hetzt zur Bahn, viele Menschen kreuzen meinen Weg. Ein typischer Montagmorgen, den keiner haben will. Auf dem gepflasterten Fußweg zum Hotel kommen mir unzählige Menschen entgegen. Viele im Anzug andere sind leger gekleidet. Mein Herz hämmert gegen meine Brust. Ich habe Angst vor dem, was mich erwartet. Gestern war Jared so sauer auf mich, dass er mich zum Teufel jagte. Jetzt habe ich Angst davor, dass er mich noch immer nicht sehen will. Vor der großen Glastür atme ich tief durch und trete ein. An der Rezeption begrüße ich den älteren Herren mit einem »Guten Morgen« und begebe mich zum Aufzug hinüber. Meine Schuhe klappern auf den Fließen und hallen im Raum.
»Entschuldigen Sie junge Dame, wo wollen Sie denn hin?«, hält mich der grauhaarige Mann auf. Ich schätze, dass er nicht mehr lange bis zur Rente hat.
»Zu Mister Johnson«, sehe ich ihn grummelig an, da er mich aufhält, und gehe zu ihm an den Tresen.
»Ach und Sie denken, dass Sie hier einfach ein- und ausgehen können, wie Sie wollen?«, sieht er mich prüfend an und kommt mir etwas eingebildet vor. Ob alle Menschen im Alter so grummelig werden? Das ist ja kaum auszuhalten. Dabei sollte doch der Kunde König sein. Der Mann ist kleiner als ich und hat einen ordentlichen Bierbauch angesetzt, den er in dem weißen Hemd versucht zu kaschieren. Dabei sehen die Knöpfe aus, als hätten sie ihre Schwierigkeiten das Hemd zusammen zu halten. Dann setzt er die Brille auf, die an einem Band um seinen Hals hängt und blickt andächtig auf den Monitor vor ihm.
Mein Geduldsfaden wird immer dünner. Ich sehe ihn genervt an und ziehe die Luft ein. »Würden Sie ihn dann bitte anrufen, dass er Ihnen bestätigt, dass ich seine Freundin bin«, quengle ich nach Fassung ringend und sehe meine Selbstbeherrschung schwinden. Wo ist das Problem, dass man den Hörer in die Hand nimmt und die Nummer der Suite wählt? Das ist zum aus der Haut fahren. Ich bin so schon kein geduldiger Mensch und jetzt, wo ich es eilig habe und er mich aufhält, macht es das nicht besser. Heute habe ich erst mittags Vorlesungen und mag davor noch mit Jared sprechen.
Er tippt auf seiner Tastatur herum und schaut nachdenklich auf den Bildschirm. Dazu gibt er murmelnde Geräusche von sich, klickt er mit der Maus und es zieht sich endlos in die Länge.
Ich tippe mit meinem Zeigefinger auf die Holzplatte und werde wahnsinnig, wenn es noch länger dauert. Ich komme mir vor wie das Häschen Office Hobbs aus dem Film Zoomania, als sie auf die Informationen vom Faultier Flash wartet. Unruhe breitet sich in mir aus, wie die siedenden Bläschen im Wassertopf. Am liebsten würde ich laut losschreien.
»Gibt es ein Problem? Würden Sie ihn jetzt bitte anrufen? Er ist oben in der Suite«, seufze ich und verzweifle gleich.
Der alte Mann sieht mich verlegen an: »Es tut mir leid, aber hier steht, dass Herr Johnson heute Morgen ausgecheckt hat.«
Mir wird heiß und kalt zur selben Zeit und ich habe das Gefühl gleich umzukippen. Wie ein Tornado fegt diese Information über mich hinweg und legt meine Hoffnungen in Trümmer. Die Worte hallen im Kopf nach. Doch ich verstehe sie nicht. Er hat ausgecheckt. Warum? Wieso läuft er weg? Warum spricht er nicht mit mir? Was ist gestern noch passiert? Wäre ich doch nur bei ihm geblieben. Jared ist weg. Hat er die Stadt verlassen? Kommt er wieder zurück? Wo ist er hin?
Ich bin fest davon ausgegangen, dass er schlafend in seinem Bett liegt. Und wir nach einem klärenden Gespräch zusammen frühstücken. Doch jetzt stehe ich da wie ein Trottel, den Tränen nah und er ist weg.
»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«, erkundigt sich der Mann bei mir und sieht mich mitfühlend an.
»Nein danke«, verlasse ich geschockt das Hotel und gehe zurück zum Auto, was ich von Jared geschenkt bekommen habe. Wieso lässt er mich hier? Warum hat er nichts gesagt? Ich wäre doch mit ihm gegangen. Oder hat er mich verlassen? Unter Schock stehend fahre ich nach Hause.
Hier lasse ich mich auf die Couch fallen und stiere einen Moment lang den schwarzen Fernseher an. Dann ziehe ich mein Handy hervor und entdecke eine Nachricht auf der Mailbox, die ich gleich abhöre. Eine raue tiefe Männerstimme erklingt, meine Lieblingsstimme. Es ist Jared: »Hey Babe, ich bin gut angekommen. Sorry, dass ich dir nichts gesagt habe. Aber ich brauche etwas Zeit. Das ist alles zu viel. Ich melde mich bei dir, sobald ich kann. Bitte sei mir nicht böse.«
Er ist gut angekommen? Nur wo ist er? Ich rufe ihn an, denn ich verstehe seine Nachricht nicht. Doch sobald es klingelt, höre ich eine nette Dame sagen, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht erreichbar ist. Er hat sein Telefon ausgeschaltet. Warum?
Ich begreife nicht, was er mir damit zu sagen vermag. Er braucht mehr Zeit. Aber wofür? Ich grüble erfolglos vor mich hin.
»Hey Süße, bist du schon lange wach? Was ist gestern Abend noch passiert?«, fragt Laura hinter mir, dann setzt sie neben mich aufs Sofa. »Was ist los! Jetzt sag aber nicht, dass JC wegen diesem Lügner Schluss gemacht hat!« Sieht sie mich mit ihren katzenhaften grünen Augen entsetzt an und streicht ihre blonden schulterlangen Haare hinters Ohr.
Ich zucke mit den Schultern und vermeide es, sie anzusehen. »Ich denke nicht.«
»Was meinst du damit?«, runzelt sie verwirrt die Stirn.
Ich atme tief durch und versuche, nicht daran zu denken, dass er mich verlassen haben könnte. »Ich war heute Morgen am Hotel und wollte mit ihm darüber reden. Doch er hat ausgecheckt. Ich habe eine Nachricht von ihm bekommen. Da sagt er, dass er noch Zeit braucht. Und dass er gut angekommen ist und sich meldet, sobald er kann. Nur habe ich keine Ahnung, wo er ist.«
»Hast du ihn mal angerufen?«
»Ja, aber sein Telefon ist ausgeschaltet«, meine ich traurig. »Wir hatten zu wenig Zeit miteinander, nicht mal fünf Wochen.«
»Hey guten Morgen, hat er sich gestern wieder eingekriegt?«, fragt mich Nick, Laura ihr Freund, sobald er sich zu uns auf die Couch setzt. Seine kinnlangen kastanienbraunen Haare sehen zerzaust aus. Er streckt sich müde und gähnt.
»Ja, er war dann recht brav, nachdem ich ihm eine Ansage gemacht habe. Dann hat er sich sogar von mir ins Bett bringen lassen«, berichte ich ihm und versuche, zu lächeln, was mir gerade sehr schwerfällt. Denn ich wäre gerne bei Jared, um mich in seine Arme zu kuscheln.
Nick lacht herzlich los. Ich sehe ihn entsetzt an und er erklärt mir: »Du bist die erste Frau, nach seiner Mutter, die ihn zur Sau gemacht hat.«
»Hä? Haben sich die Frauen sonst nicht getraut ehrlich zu ihm zu sein?«, runzelt Laura verwirrt ihre Stirn und sieht zwischen Nick und mir hin und her. Logisch, dass sie es nicht versteht, denn sie kennt Jared nicht so, wie wir ihn kennen.
»Die Frauen wollten ihm gefallen, mehr nicht. Er ist der Star. Die Trophäe, die alle haben wollen«, erklärt ihr Nick und legt seine Hand auf ihr Knie. Was Laura gleich die Röte ins Gesicht treibt. »Kommt er dann später noch her?«, wendet sich Nick an mich.
Ich atme tief durch und unterdrücke die Tränen. »Nein. Er hat ausgecheckt.«
»Okay, das ist mir neu. Aber mach dir keine Gedanken, Megan. Das wird schon wieder. Der Kerl ist bis über beide Ohren in dich verliebt. Gib ihm einfach die Zeit, die er braucht. Die Situation war für ihn neu. Bisher war er nie eifersüchtig«, spricht Nick mir gut zu.
Da wird mir schlagartig klar, dass Jared vorher nie ernsthafte Beziehungen hatte. Sie hatten ihren Spaß und gingen dann getrennte Wege. Da war nie Platz für Eifersucht.
»Danke dir für deine aufmunternden Worte«, seufze ich dennoch leise und gebe mir die Schuld für seine Flucht. Denn ich hätte etwas gegen diese Lügen unternehmen müssen und sie nicht ignorieren.
»Er macht eine schwere Zeit durch. Bitte gib ihn nicht auf. Er braucht dich!«, nickt mir Nick bestimmend zu. Was weiß er, was ich nicht weiß?
Am Abend, nach den Vorlesungen, versuche ich erneut Jared zu erreichen. Obwohl ich weiß, dass es nichts bringen wird. Doch er fehlt mir und ich leide. Kaum, dass es klingelt, höre ich wieder diese nette Dame sagen, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht zu erreichen ist. Jared, wo bist du? Ich brauche dich! Ich möchte, dass du herkommst und mich in deine Arme nimmst. Traurig lege ich mein Telefon weg und gehe zu Bett. Mich beschleicht das unheimliche Gefühl, ihn nie wieder zu sehen.
In der Nacht plagen mich Alpträume:
Ich bin überglücklich, denn ich habe Jared zurück. Wir küssen uns, Jared streichelt meine Wange, lächelt mich zufrieden an und haucht mir zu »Wir sehen uns am Altar, Babe! Ich bin der im schwarzen Anzug.«
Aufgeregt stehe ich in der Garderobe und betrachte das pompöse weiße Brautkleid, was meiner Figur schmeichelt. Dabei steckt mir Laura eine weitere Strähne meiner Haare mit einer Nadel fest, dann reicht sie mir den Brautstrauß aus pinken und weißen Lilien und ich schreite mit klopfenden Herzen zum Altar. Wo ein großer Mann mit dem Rücken zu mir steht und wartet. Von der Statur her weiß ich, dass es Jared ist. Erleichtert gehe ich zu ihm, nehme seine Hand und als er sich zu mir umdreht, ist es auf einmal Weko. Der mich fies angrinst und sagt: »Du gehörst mir und wirst ihn nie wiedersehen!«
»Was? NEIN!«, schreie ich und reiße mich los. Am anderen Ende des langen Ganges entdecke ich Jared, er trägt einen Anzug, wie er sagte und sieht mich traurig an. Dann dreht er sich um und geht. Ich laufe los, um ihn zu erreichen, doch je schneller ich laufe, desto weiter wird der Weg zu ihm. »Jared! Warte!«, schreie ich und die Tränen laufen unaufhörlich, „Lass mich nicht bei ihm!“ Doch er ist zu weit weg, um mich zu hören, und egal wie schnell ich laufe, ich hole ihn nicht ein. Hinter mir höre ich nur Weko gehässig lachen: »Finde dich damit ab!«
Ich schrecke hoch und fühle mich alleingelassen. Die Leere in meinem Herzen saugt mich ein, wie ein schwarzes Loch. Dieser Schmerz ist unerträglich, Tränen kullern meinen Wangen hinunter und ich wünsche mir nichts mehr, als dass Jared neben mir liegt. Doch das Bett ist kalt und leer. Ich bin allein im Dunkeln. Fest klopft mein Herz gegen meinen Brustkorb, so als wolle es ausbrechen. Schluchzend drehe ich mich zur Seite, lege meine Hand auf die leere Fläche und stelle mir vor, er wäre hier. Ich schließe die Augen und versuche zu schlafen. Aber der Traum spukt mir im Kopf herum. Ich drehe mich hin und her. Es dauert fast zwei Stunden, bis ich mich beruhigt habe und die nötige Schwere erreiche, um erneut einzuschlafen.
Der Wecker klingelt, ich schalte ihn auf meinem Handy aus und erhebe mich schwerfällig. Ich bin total gerädert, gerade jetzt, wo ich endlich tief und fest schlief, werde ich geweckt. Ich ziehe mich an und sehe zu, dass ich bis zu den Semesterferien in vier Wochen, die restliche Zeit rumbringe. Außerdem lenke ich mich damit ab für die Prüfungen zu lernen und zwei Hausarbeiten habe ich auch noch zu schreiben.
Nach der Vorlesung wartet Weko vor dem Gebäude auf mich. »Na Puppe, bist du wieder Single?«
»Verpiss dich«, fauche ich ihn an und lasse ihn stehen. Woher weiß er, dass Jared weg ist? Verfolgt er uns? Nein. Warum sollte er sowas machen? Womöglich schlussfolgert er nur, weil ich ohne ihn unterwegs bin. Denn bisher hat er mich fast immer zur Hochschule begleitet.
Er folgt mir und grinst fies. »Du bist schon eine richtig heiße Braut. Vor allem in der sexy Unterwäsche.«
»Was? Wovon redest du?«, frage ich ihn, bleibe stehen und sehe ihn stirnrunzelnd an. Noch nie habe ich ein Foto von mir in Unterwäsche aufgenommen, geschweige eines veröffentlicht.
Weko zieht sein Handy hervor und zeigt mir stolz die Fotos. Ob das die Fotos sind, die er Jared gezeigt hat? Mit Sicherheit. Ich halte die Luft an, als ich mich nackt im Bett liegen sehe.
»Wo hast du die her?!«, fauche ich wütend und wünsche mir, dass er im Erdboden versinkt oder sein Handy in Flammen aufgeht, damit nie wieder jemand diese Bilder sieht. Ich beobachte die Vorbeigehenden und bin erleichtert, dass niemand von denen auf Wekos Handy schaut. Einige junge Männer sehen mich an und lächeln höflich.
Aber Weko grinst dreckig. »Ich habe da einen sehr guten Freund in Berlin. Er hat mir die Fotos von dir schon letztes Jahr geschickt. Ich hätte nur nie gedacht, dass meine Wichsvorlage mal vor mir stehen würde.«
Mir entgleisen die Gesichtszüge, das habe ich nicht erwartet. Doch endlich fügen sich die Puzzleteile zusammen und es wundert mich nicht, dass mein Ex Andreas mit Weko befreundet ist. Sie sind beide vom selben Schlag. Fies, hinterhältig und völlig respektlos den Frauen gegenüber. Zu Beginn war Andreas nett und hilfsbereit, bis wir Sex hatten. Da stellte sich heraus, dass ich eine Wette war und er mich an seine Kumpels vermieten wollte. Ständig haben sie mich verfolgt und in der UNI aufgelauert. Daher habe ich Berlin verlassen. Für diese Aussage scheuere ich Weko eine, die sich gewaschen hat.
Er schnappt kurz nach Luft und Fassung. Dann verzieht sich sein Gesicht zu einer fiesen Fratze. »Ach ja, ich vergaß. Du stehst auf eine härtere Nummer.«
»Ich warne dich. Halt dich fern von mir. Ich will weder was mit dir, noch mit Andreas zu tun haben«, fauche ich ihn an und drücke ihm sein Handy heftig gegen seine Brust.
»Ach Mäuschen, jetzt hab dich doch nicht so. Ich könnte dich echt glücklich machen. Ich habe einen sehr reichen Onkel in Amerika, der würde mir alles kaufen, was ich will«, flirtet er mit mir und zwinkert mir zu.
»Ich sage es dir jetzt ein allerletztes Mal. Lass mich in Ruhe!«, schreie ich, drehe auf dem Absatz um und gehe so schnell mich meine Füße tragen. Bloß weg von ihm, denn dieser lüsterne Blick gleicht dem eines Psychopaten und verschafft mir eine Gänsehaut. Er sah aus wie einer der Serienkiller aus den Kriminalserien, die ich so gerne im Fernsehen ansehe. Bisher habe ich gut verdrängt, dass die Fälle vom FBI real sind. Aber jetzt, wo er so vor mir steht, ruft es mir alle Folgen in Erinnerung. Ich glaub, ich spinne. Geht das jetzt wieder alles von vorne los? Das ertrage ich nicht. Ich bin keine Ware, die für den meistbietenden über den Ladentisch geschoben wird.
Ich bin dankbar, dass Joe die Entscheidung bezüglich der Klinik getroffen hat. Denn mir war es nicht möglich, Megan zurückzulassen. Die Frau, die mein Herz erwärmt, allein durch ein Lächeln von ihr. Die Frau, die mich alles um mich herum vergessen lässt, nur mit einem Blick ihrer rehbraunen Augen. Die Frau, an die ich andauernd denke, seit unserem ersten Treffen damals vor drei Jahren in L.A., wo sie als Au-Pair bei meinen Eltern war. In ihrer Nähe fühle ich mich stark, wie ein Superheld und hilflos wie ein kleines Baby zur selben Zeit.
Doch der Gedanke, dass dieser Kerl was mit meiner Freundin hatte, lässt mir die Galle überlaufen. Obwohl Megan versichert, nicht mit ihm gevögelt zu haben, fällt es mir schwer, ihr Glauben zu schenken. Dieser ganze abgefuckte Scheiß bringt mich dazu, wieder in alte Muster zu verfallen. Die Flucht in die Drogen anzutreten. Das versetzt mich in Panik. Dabei hatte ich doch alles so gut im Griff.
Meine Hände zittern, wie die eines alten Mannes. Innere Unruhe breitet sich aus und mein Herzschlag viel zu schnell. Darum versuche ich auf der Fahrt etwas zu schlafen. Ich lehne mich zurück und schließe die Augen. Dank des Katers und der kurzen Nacht bin ich schnell eingeschlafen. Sanft berührt mich jemand an der Schulter. Mein Herz macht einen Sprung. Ich reiße die Augen auf und blicke ich in die sanften grauen Augen von Joe. Meinem persönlichen Assistenten und Bodyguard, der seit vielen Jahren an meiner Seite ist. Schade, ich habe gehofft, Megan zu sehen.
»Verzeihen sie bitte Sir, dass ich sie geweckt habe. Wir sind angekommen«, sagt er mit ruhiger Stimme entspannt zu mir. Ich danke ihm dafür, dass er mich, egal was ist, nie verurteilt.
»Danke«, klingt meine Stimme schlaftrunken, dann brauche ich einen Moment, um mich zu sammeln und auszusteigen. Die Sonne scheint, es ist drückend heiß und mein Schädel brummt wie eine Bass Box.
Doch bevor ich die Klinik betrete und alle meine Sachen abgebe, nehme ich mein Telefon und suche aus dem Speicher Megan ihre neue Nummer heraus. Ich rufe sie an. Es klingelt. Inständig hoffe ich, dass sie abnimmt. Doch die Mailbox meldet sich, wo ihre herrliche Stimme mich darauf hinweist eine Nachricht zu hinterlassen.
Ich bin hin und her gerissen. Auflegen? Auf die Mailbox sprechen? Ich höre ihre Stimme und beschließe, ihr eine Nachricht zu hinterlassen.
Gleich darauf schalte ich das Telefon aus und gebe es bei der Aufnahme in der Klinik ab. Den Laptop und meine anderen elektronischen Gegenstände nimmt Joe mit in die Pension. Frau Doktor Becker holt mich an der Anmeldung ab und begleitet mich zum Zimmer. Sie ist eine schlanke Frau, mittleren Alters, die ihre blonden Haare zu einem festen Dutt gebunden hat. Über der weißen Bluse und dem braunen knielangen Rock trägt sie ihren Arztkittel offen. Bei jedem Schritt flattert er, als würde Wind wehen. »Sie heißen jetzt Berger und nicht mehr Becker?«, lese ich auf ihrem Namensschild.
Sie lächelt mich verlegen an und rückt etwas verlegen ihre runde Brille auf der Nase zurecht. »Ja, ich habe geheiratet und einen Doppelnamen fand ich komisch«, lacht sie und ich stimme ihr nickend zu.
»Herzlichen Glückwunsch«, versuche ich fröhlich zu wirken. Denn das, was sie hat, wünsche ich mir mit Megan, aber im Moment sind wir Lichtjahre davon entfernt. Ich weiß nicht, ob ich eine erneute Trennung überstehen würde. Die letzte nach ihrem Au-Pair Jahr hat mich zu den Drogen gebracht und fast mein Leben gefordert. Ich kann und will nicht ohne Megan sein.
»Dankeschön. Ich finde es sehr gut von Ihnen, dass Sie weiterkämpfen, JC. Viele schämen sich, wieder her zu kommen und erleiden dann einen Rückfall. Wenn Sie möchten, können wir mit der Ersten Sitzung starten, sobald Sie ausgepackt haben«, sagt sie und legt ihre Hand auf meine Schulter.
»Danke«, schnaufe ich und betrachte flüchtig meine zitternden Hände. Ich balle sie sofort zu Fäusten, um das Zittern zu unterdrücken. Aber ich spüre es noch deutlich.
Wie bei meinem letzten Aufenthalt im Januar habe ich das de luxe Zimmer bezogen. Es ist ein Großes, warm Gestaltetes. Es hat einen Schreibtisch, eine Sofaecke und ein Kingsize Bett. Das Bad hat eine bodengleiche Dusche, Toilette und Waschbecken. Zudem verfügt mein Zimmer über eine Fußbodenheizung und Klimaanlage. Nachdem ich die Sachen in den Schrank einsortiert habe, gehe ich den langen Flur entlang. Der Fußboden ziert einen dunklen Laminatboden und Grünpflanzen sorgen überall für eine gemütliche Atmosphäre. So dass man nicht mehr das Gefühl hat, in einer Klinik zu sein. Ich begebe mich zur Treppe und steige die Stufen hinab, um in die Etage unter meiner zu gelangen. Hier hat Frau Dr. Berger ihr Büro, in dem ich beim letzten Aufenthalt viele Stunden zugebracht habe.
Mit zitternden Händen klopfe ich an und trete nach ihrer Erlaubnis ein. Sie sieht mich freundlich an: »Hallo JC, wie geht es Ihnen?«
Ich atme tief durch und setze mich auf den Sessel ihr gegenüber. »Um ehrlich zu sein, geht es mir gerade richtig beschissen. Mein Herz rast immer schneller und in meinem Kopf kreisen nur noch Gedanken darum, wo ich Koks herbekomme.«
»Brauchen Sie Unterstützung?«
Ich atme tief durch. »Nein, ich will es so schaffen. Denn es werden bestimmt noch Situationen kommen, die mich an Grenzen bringen. Und da will ich nicht ständig Tabletten nehmen«, gestehe ich ihr. Ich habe den Willen es durchzuziehen.
»Was denken Sie, hat diese Gedanken ausgelöst?«, fragt sie mit ruhiger Stimme.
Ich betrachte meine zitternden Hände und erzähle ihr von Megan, wie glücklich ich mit ihr war. »Doch dann tauchte dieser Kerl auf und behauptete mit meiner Freundin Sex gehabt zu haben. Er zeigte mir dann auch noch Nacktfotos von ihr auf seinem Handy.«
»Haben Sie ihre Freundin darauf angesprochen?«, spricht sie mit gedämpfter Stimme. Die hat mir damals schon die nötige Entspannung gebracht.
»Ja das habe ich. Sie hat abgestritten, dass sie etwas mit ihm hatte. Doch wo hat der dann die Fotos von ihr her?«, ich lege eine Pause ein und reibe mir die zitternden Hände. »Ich ärgere mich darüber, dass ich es nicht mal einen Monat lang geschafft habe, nicht an diese beschissenen Drogen zu denken.«
»Es war richtig, dass Sie hergekommen sind. Mit etwas Abstand erhalten Sie einen neuen Blick auf die Situation«, sagt sie. »Wie ergeht es Ihnen im Moment?«
»Es tut so scheiße weh. Sie ist das Licht in dem dunkelsten Tunnel. Was wenn es erlischt? Was bleibt dann noch?«, ich schlucke den Kloß im Hals hinunter und hasse es, wenn sie mich dazu bringt, solche Dinge auszusprechen. Das macht mich angreifbar und das darf ich mir nicht leisten. Dennoch hat sie recht, es ist gut Abstand von Megan zu haben. Obwohl ich weiß, dass sie mir weiter im Kopf herumspuken wird.
Mich macht es fertig nicht zu wissen, mit wem Megan zusammen ist. »Fuck! Was wenn ich sie durch mein Verhalten verloren habe? Wenn ich sie erst recht in seine Arme getrieben habe? Verflucht, ich will sie nicht verlieren. Aber ich kann nicht bei ihr sein, solange ich wieder nach Kokain lechze«, spreche ich meine Gedanken laut aus.
Dr. Berger sieht mich zuversichtlich an und nickt. »Und genau aus dem Grund sind Sie hier. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf?« Wartet sie und als ich nicke, spricht sie weiter. »Megan wird Sie nicht verurteilen, wenn Sie ihr Ihre Gefühle zeigen. Bei ihr kommen Sie nur mit Ehrlichkeit weiter.«
Nach dem einstündigen Gespräch gehe ich hinunter in die Cafeteria. Sie ist geräumig und hell, mit großen Fenstern, die viel Tageslicht hineinlassen. Hier bin ich mit Joe verabredet, doch er ist noch nicht da. Ich sitze am Tisch und betrachte nachdenklich, wie die Eiswürfel im Wasserglas tanzen und leise bei der Raumtemperatur knacken. Wassertropfen bilden sich an der Außenseite und laufen rollend zum Glasboden hinab. Hier werden sie von der Serviette aufgesaugt. Das erinnert mich an den Tag der Videodrehbesprechung. An dem Tag haben wir den Song »Homage to water drop« geschrieben und da habe ich Megan zum ersten Mal getroffen.
»Alles in Ordnung Sir?«, reißt mich Joe aus den Gedanken. Er setzt sich zu mir an den Tisch und spürt meine betrübte Stimmung.
»Was? Ja, es wird schon«, sage ich und sehe in Joe seine besorgten grauen Augen. Ich hasse es, wenn er mich so ansieht. Da komme ich mir vor, als wäre ich wieder acht Jahre alt. »Wie wird es jetzt ablaufen?«, lenke ich unser Gespräch bewusst in eine andere Richtung.
»Ich habe mir ein Zimmer in der kleinen Pension hier im Ort genommen. Wenn Sie mich brauchen, bin ich hier. Sie bestimmen die Dauer Ihres Aufenthalts«, berichtet mir Joe mit fester und fast militärischer Stimme. Dann legt er seine Hände auf meine. »Ich bin stolz auf dich JC! Darauf, dass du alles dafür tust clean zu bleiben.«
Sprachlos sehe ich ihn an. Das ist das erste Mal, dass er mich beim Namen nennt und duzt. Das Gespräch ist wie vom Vater zum Sohn. Es hilft mir, zu wissen, dass er für mich da ist. Dass es kein Job für ihn ist.
»Danke, das bedeutet mir unendlich viel«, nicke ich und schlucke den dicken Kloß im Hals herunter. Wir kennen uns schon seit 16 Jahren und ich verbringe mit ihm bedeutend mehr Zeit, wie mit meinem Dad. Er hat mir das Kickboxen beigebracht, genauso wie Techniken zur Selbstverteidigung. Wir trainieren noch heute regelmäßig miteinander. Zudem hat er mich oft genug aus irgendwelchen Bars oder Puffs betrunken und zugedröhnt abgeholt. Und er hat dafür gesorgt, dass niemand davon erfährt. Er hat mich nie verurteilt deswegen. Ich vertraue Joe mein Leben an und er weiß genau, wie er es am besten beschützt. Mein Kampf hat für ihn einen großen Wert. Denn nach unserem letzten Gespräch hat er sich geweigert, mich beim Vornamen zu nennen. Manchmal ist er wie ein zweiter Vater für mich, nachdem mein Leiblicher ja keiner ist. Der sich lieber an seinem Camper volllaufen lässt und mich um Unterhalt anbettelte.
Vielleicht sollten wir doch nach all den Jahren einmal eine Pause voneinander einlegen. Denn ich sehe, dass ihm meine momentane Lage an die Nieren geht.
»Fliegen Sie ruhig nach Hause zu ihren Kindern. Ich bin hier in guten Händen. Schalten Sie mal von all dem ab. Die nächsten zwei Wochen darf ich sowieso keinen Besuch haben«, sage ich zu ihm und Joe sieht mich mit weit aufgerissenen Augen an. Er hat nicht damit gerechnet, aber er braucht nicht hier auf mich zu warten.
Ich sitze vor meinen Büchern und arbeite an meiner Hausarbeit für Psychologie. Das sind die seltenen Momente an denen ich nicht an Jareds freche Lächeln, seine lockere Art, seine Wärme und oder sein herzliches Lachen denke. Jared ist ein Mensch, der einen sofort mit seinen Charme in den Bann zieht. Die Tage ohne ihn sind die Höchststrafe. Ich kann kaum atmen, geschweige essen oder schlafen.
Nachdem ich die fünfzehn Seiten gedruckt und in einen Schnellhefter verstaut habe, hole ich eine Flasche Rotwein aus der Kammer. Auf leeren Magen trinke ich sie, nur um einmal wieder ohne Alpträume zu schlafen. Aber es hilft nichts.
Erneut träume ich von Jared: Er ist über mich gebeugt und bewegt sie langsam in mir. Mein gesamter Körper prickelt. Genüsslich stöhne ich und streichle seine muskulösen Arme. Seine Haut ist weich und warm. Ich sehe ihm dabei in seine himmelblauen Augen, die mich prompt fesseln. Sanft küssen wir uns. Kurz vor meinem Höhepunkt sehe ich ihn an: »Ich liebe dich so sehr.« Dann schließe ich die Augen und genieße den Gipfel meiner Lust. Ich öffne sie wieder, doch jetzt sehen mich dunklen Augen eines Fremden an. Panisch sehe ich mich um, aber ich liege noch unter ihm und kann nicht weg. Es ist Weko, der mich gleich fies angrinst und sagt: »Das wurde ja auch Zeit, dass du es kapierst.«
Schrillend ertönt mein Wecker und reißt mich aus diesem skurrilen Traum. Erleichtert atme ich tief durch und blicke mich vorsichtshalber im Zimmer um. Nur um sicherzugehen, dass ich wirklich allein bin. Erneut weine ich, denn ich wünsche mir so sehr, dass der Anfang meines Traumes wahr wäre und Jared hier bei mir ist. Obwohl Jared nichts dergleichen gesagt hat, fühlt es sich an, als hat Schluss gemacht.
In all den Liebesfilmen gibt es ein Happy End. Warum darf ich keins haben? Warum bleibt bei mir nur der Schmerz? Ich weiß, dass er vorübergeht. Ich habe es schon einmal durchgestanden. Aber da war ich der Meinung, er liebt mich nicht. Jetzt weiß ich, dass er mich liebt. Ich ertrage es nicht, ohne ihn zu sein. In der Nacht wache ich auf, weil ich ihn neben mir suche. Am Tag vermisse ich sein Lachen, seine frechen Sprüche und seine neckenden Nachrichten. Ich weiß nicht, wo er ist. Ich habe Angst um ihn. Bestimmt ist Mister Mitchell bei ihm, was er eigentlich immer ist. Aber nachdem der Betrunkene Jared ihn zum Teufel gejagt hat, und ihm drohte ihm zu kündigen, wenn er ihn anfasst, bin ich mir da nicht mehr sicher. Jared ist fort und hat alles mitgenommen. Die Wärme, mein Lächeln und die Zukunft. Es ist, als hätte jemand all die leuchtenden Farben des Frühlings gelöscht.
Langsam stehe ich auf und genehmige mir eine heiße Dusche. Dann trinke ich einen Kaffee und fahre mit dem Auto zur Hochschule. Laura hat heute schon seit acht Uhr Vorlesung, mein Modul startet erst um halb zehn. Ununterbrochen denke ich an Jared und sehe immer wieder auf mein Handy, in der Hoffnung er würde mir schreiben oder anrufen. Ich bin nur noch ein Schatten meiner selbst.
Im Hörsaal angekommen, steige ich die Stufen hinauf in die letzte Reihe, da wo wir seit zwei Semestern unseren Platz haben. Gabriella und Laura unterhalten sich neben mir. Ich bekomme von ihrem Gespräch nichts mit. Traurig starre ich Löcher in die Luft und frage mich: Ist es das gewesen? Wie viel Zeit wird jetzt vergehen, bis wir uns wiedersehen? Werden wir uns überhaupt wiedersehen? Wäre ich doch die Nacht bei ihm geblieben. Hätte ich das alles dann verhindert?
Ich habe mir eine gemeinsame Zukunft mit ihm vorgestellt. Ja, sogar über Hochzeit und Kinder nachgedacht. Auch darüber, mit ihm nach Amerika zu ziehen. Und jetzt zerplatzt diese Seifenblase, die so schön bunt geglänzt hat, wie ein Regenbogen? Dennoch versuche ich, den Alltag zu bewältigen. Obwohl es nicht leicht ist. Doch die Semesterferien stehen vor der Tür und das heißt, dass wir in den ersten beiden Juli Wochen viele Klausuren schreiben werden. Dafür brauche ich einen klaren Kopf und habe nur noch zwei Wochen Zeit bis dahin.
Am Nachmittag klopft es zaghaft an meine Zimmertür und Laura tritt herein: »Wie geht es dir?« Setzt sie sich zu mir aufs Bett.
»Es geht schon«, lüge ich und zwinge mich, zu lächeln. Ich habe meinen Ordner auf dem Schoß und versuche, den trockenen Stoff in Wirtschaft in den Kopf zu bekommen.
»Du, Nick und ich, wir wollen Pizza bestellen und uns einen Film ansehen. Kommst du mit zu uns?«, fragt sie mich und ich erkenne ihre Sorge in ihrem Blick deutlich.
»Danke das ist lieb von dir, aber ich habe noch eine Menge zu lernen«, sehe ich sie entschuldigend an.
»Das verstehe ich. Doch sitze hier nicht allein herum. Komm«, reicht sie mir ihre Hand und lässt nicht locker. Also bleibt mir nichts anderes übrig, ich ergreife sie und begleite Laura ins Wohnzimmer. Ich bin dankbar für ihre Hartnäckigkeit, denn der Film lenkt mit tatsächlich ab und ich denke eine Weile nicht an die aktuelle Lage. Es ist schön.
Es ist nicht leicht, aber ich kämpfe mich von Tag zu Tag. Im Hinterkopf habe ich die Hoffnung, dass Jared zu mir zurückkehren wird. Die hält alles am Laufen, denn ohne diesen Gedanken, würde ich daran zerbrechen.
Dennoch ärgere ich mich über mich selbst. Hätte ich doch bloß dieses scheiß Au-pair-Jahr nicht absolviert. Dann wäre ich Jared niemals begegnet und hätte darauf nie was mit Andreas angefangen. So wäre Weko nie an die Fotos gelangt und wir würden jetzt nicht so leiden. Doch was wäre das für eine Welt, in der Jared nicht existiert. Es wäre nicht meine.
Meine Tante hat immer gesagt, dass nichts ohne Grund geschieht und das Universum einen Plan für jeden von uns hat. Hoffentlich wird dieser für mich mit Jared sein. Ich habe große Sorgen um ihn und hoffe jeden Tag, dass mein Telefon klingelt und er sich meldet.
So vergehen Tag um Tag.
Ich komme von der Hochschule nach Hause. Da steht Weko im Treppenhaus und wartet auf mich.
»Was willst du?«, frage ich ihn genervt, schiebe mich zwischen ihm und dem Geländer vorbei und verdrehe die Augen.
Aber er hält meinen Arm fest und hindert mich am Fortgehen. »Halt die Fresse! Denkst du echt du kannst mich verschmähen, wegen so einem Möchtegern Musiker? Ich habe dich sehr lange beobachtet du Schlampe«, faucht Weko mich an und schlägt zu. Seine Faust trifft meine Wange mit einer erschreckenden Stärke, dass ich zu Boden gehe. Solch eine Kraft habe ich ihm gar nicht zugetraut, denn er wirkt nicht wie ein Schlägertyp mit seinen dünnen Ärmchen. Dennoch hat er wahnsinnig viel Kraft dahinter. Der metallische Geschmack von Blut erfüllt meinen Mund. Tränen schießen mir vor Schmerz in die Augen. Leicht benommen versuche ich, mich zu orientieren. Der Boden ist kalt und glatt. Welche Optionen habe ich? Krabble ich davon? Schreie ich laut los? Würde mich überhaupt jemand hören?
Zu nichts von all dem komme ich, denn er beugt sich über mich. »Wo ist denn dein Freund? Er hat sich aus dem Staub gemacht! Du gehörst jetzt mir!«
»Ich werde dir niemals gehören«, fauche ich und versuche, aufzustehen, und mich unter seinen Beinen vorzuschieben. Doch bin ich nicht schnell genug. Seine Faust saust erneut auf mich nieder. Ich fühle die kalten Fliesen unter mir. Schützend rolle ich mich zusammen wie ein Igel, solange er weiter auf mich einprügelt. Ich denke nur, das ist mein Ende. Er wird nicht von mir ablassen. Denn wenn er mich nicht haben kann, soll mich niemand haben. Ohne einen Ausweg rolle ich mich so klein zusammen, wie es mir möglich ist. Alles Wichtige versuche ich damit vor seinen Schlägen und Tritten zu schützen. In Gedanken verabschiede ich mich von meiner Familie und meinen Freunden. Jede Sekunde fühlt sich wie die Ewigkeit an und der Schmerz ist allgegenwärtig. Meine Arme pochen, mein Kopf dröhnt. Meine letzten Gedanken gehören Jared.
Ich erwarte den nächsten Tritt und den daraus resultierenden brennenden Schmerz, doch er bleibt aus. Vorsichtig riskiere ich einen Blick. Weko ist weg. All die Anspannung und das Adrenalin fallen ab, mein Körper zittert wie Espenlaub und Tränen laufen unaufhörlich. Er lässt mich hier blutend und weinend liegen. Weggeworfen wie Müll. Ich halte meinen Bauch, schleppe mich die wenigen Stufen nach oben in die Wohnung. Etwas Warmes läuft meine Wange hinunter. Meine Tasche lasse ich im Flur zu Boden fallen und gehe ins Bad. Hier reinige ich die Wunden. Dafür nehme ich das Handtuch, was auf dem Trocknen über der Heizung hängt, mache eine Ecke davon nass und wische mir das Blut aus dem Gesicht. Die Lippe ist aufgeplatzt, mein Haaransatz ist blutverschmiert, mein linkes Auge hat auch etwas abbekommen. Es schaut aus, als wäre es zu sehr mit lila Lidschatten geschminkt. Aus der Wunde am Kopf läuft unaufhörlich Blut. Rasch nehme ich ein neues Handtuch aus dem Regal und presse es mir drauf. Es brennt. Dabei entdecke ich die grünen und blauen Flecken, die meine Unterarme zieren. An manchen Stellen ist sogar die Haut abgeschürft. Sie schmerzen und haben die meisten Schläge abgefangen, genau wie meine Oberschenkel. Erschöpft sacke ich zusammen und lehne mich mit dem Rücken gegen die Badewanne. Unser schöner Badteppich hat jetzt rotbraune Flecken von meinem Blut. Erneut frage ich mich: Warum? Doch die Antwort werde ich nie erfahren.
Die Haustür höre ich gedämpft ins Schloss fallen. Aber ich bin nicht imstande die Augen zu öffnen, geschweige aufzustehen. »Oh mein Gott. Megan. Was ist passiert?«, fragt Laura entsetzt. Sie kniet sich zu mir und streichelt mir sanft über den Kopf.
Ich sehe mich um. Überall am Boden ist Blut wie an einem Tatort. Der Anblick ist schrecklich. Schluchzend berichte ich Laura von dem Vorfall und halte ein weiteres Badetuch auf meine Kopfwunde gepresst. Halb in Panik springt Laura vom Fußboden auf und ruft die Polizei. Doch die schießen nur Fotos von allen Verletzungen. Dass es sich so demütigend anfühlt, habe ich nicht gedacht. In den Serien wirkte es distanziert. Aber jetzt stehe ich hier, drehe mich auf deren Befehl hin und fühle mich, als stünde ich nackt vor ihnen. Obwohl dem nicht so ist. Dann nehmen sie kurz und knapp meine Aussage auf und fahren wieder. Die Sanitäter versorgen meine Wunden und nehmen mich mit ins Krankenhaus. Hier wird die Wunde an der Stirn mit vielen Stichen genäht und ich werde auf Vergewaltigung getestet. Egal ob ich hundertmal sage, dass ich nichts mit ihm hatte.
Kurze Zeit später ist Laura bei mir. Sie hat mir ein paar Sachen mitgebracht und sitzt an meinem Bett. »Diesen Weko habe ich angezeigt. Und bis etwas passiert, gehst du nirgendwo mehr ohne uns hin«, sagt Laura voller Wut, dass ich mich nicht traue, ihr zu widersprechen. Sie streicht mit ihren Fingern sanft über meine Hand und lächelt mich mitfühlend an. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Das Mitleid der Freunde oder die erlittenen Verletzungen.
»Danke, Laura«, seufze ich und lächle sie an. »Ich muss über Nacht hierbleiben. Sie wollen ausschließen, dass ich mir eine Gehirnerschütterung oder Schlimmeres zugezogen habe.«
Doch in der Nacht plagen mich weiterhin Alpträume:
Ich erwache im Krankenhausbett und bin an die Liege fixiert. Ich hebe meine Arme und rüttle an den ledernen Manschetten. Ich habe keine Chance, sie zu lösen. Vor taucht Weko auf, gekleidet in einem weißen Kittel und einer Spritze in der Hand.
»Hilfe! Hört mich denn keiner? Hilfe«, schreie ich und reiße an meinen Fesseln. Ich will hier raus. Sein fieses Grinsen versetzt mich in Panik. Machtlos sehe ich dabei zu, wie er eine Flüssigkeit aus der Spritze in meinen Tropf injiziert. Mein Körper zuckt so sehr, dass das ganze Bett wackelt. Ich bekomme keine Luft mehr und höre Weko lachen, ...
Schweißgebadet schrecke ich hoch und sehe mich um. Kein Weko ist zu sehen. Meine Atmung und mein Puls rasen. Ich habe Angst. Das hat sich so echt angefühlt. Der Zugang in meiner Hand ist geschlossen, auch neben meinem Bett ist kein Tropf. Ich atme tief durch. Meine Bettnachbarin schläft seelenruhig und ich bin hellwach. Es ist stockfinster außen, es mitten in der Nacht ist. Erneut sehe ich mich um, jede Ecke und bin froh, dass ich mit der Frau neben mir allein bin. Es dauert, bis ich mich beruhige und wieder Schlaf finde. Jedoch werde ich erst nach zwei Tagen entlassen. Es wäre nur zur Sicherheit, so wurde es mir mitgeteilt. Zurück in meiner Wohnung kümmern sich Laura, Gabriella und Marie rührend um mich. Sie erlauben mir nur, zum Pieseln vom Sofa aufzustehen. Sonst bringen sie mir alles, was ich brauche. Ich mag Laura und meine Wohnung, sie ist neu, hell und offen gestaltet. Links vom Eingang, gegenüber der Garderobe ist das Badezimmer. Darin haben wir eine Dusche, Waschbecken und WC alles, was man braucht. Dahinter ist linker Hand ein Türbogen, der in den Wohnbereich führt. Der größte Raum der Wohnung. Den haben wir in drei Teile unterteilt. Links sind eine kleine Küchenzeile und ein Esstisch für vier Personen. Im Zentrum ist der Wohnbereich mit Sofa, Sessel und Fernseher. Wir haben sogar einen Balkon. Rechts unter dem Gauben Fenster haben Laura und ich unsere Schreibtische gegenüber stehen. Unser Flur sieht wie ein »L« aus, an dessen Ende ein bodentiefes Fenster viel Licht hereinlässt. Unsere Schlafzimmer sind auf derselben Seite, wie die Schreibtische. Da dort das Dach verläuft, haben sie Dachschrägen und Dachfenster.
Weiter Tage ziehen ins Land, in denen sich meine Freundinnen sich rührend um mich kümmern. Sie übertreiben es natürlich gerne. Pünktlich zu den Klausuren darf ich wieder zur Hochschule. Dafür hatte ich ja jetzt genug Zeit zuhause, um zu lernen. Im Moment lässt mich Weko in Frieden. Doch kaum kehrt etwas Ruhe ein, wird er wieder mutiger.
Mittlerweile sind es 28 Tage, die Jared weg ist und ich weiß nicht, wann er zurückkommt. Denn ich habe noch immer kein Lebenszeichen von ihm.
Heute erhalten wir die Ergebnisse der Klausuren, diese hängen wie letztes Semester auch, am Sekretariat meines Studiengangs aus. Eine Traube hat sich vor dem schwarzen Brett versammelt. Die Liste zeigt keine Namen, was gut ist, denn wenn man mal eine Klausur verhaut, sieht das nicht gleich jeder. Dafür stehen die Studentennummern, die wir zur Immatrikulation erhalten haben, drauf und dahinter sind die Noten und die einzelnen Fächer. Ich dränge mich jetzt nicht zwischen die anderen. Wir haben keine Vorlesungen mehr, daher habe ich genug Zeit und warte, bis ich an der Reihe bin. Meine Freundinnen und ich, wir warten etwas abseits von den anderen. Ich lehne am Fenster und denke mal wieder an Jared. Es wäre so schön, wenn er hier wäre. Er hätte mit Sicherheit einen lustigen Spruch auf den Lippen, so dass wir uns nicht anschweigen. Und am Abend könnten wir dann die Korken knallen lassen, wenn das Semester bestanden ist.
»Na haben dir die Stöckelschuhe gefallen? Du dumme Pute«, ertönt eine höhere Männerstimme und reißt mich aus meinen Gedanken. Ich blicke auf und sehe in Weko sein kantiges Gesicht. Seine braunen Haare haben schwarze Strähnchen und fallen ihm fettig auf die Schultern. Erneut trägt er eine Stoffhose und ein weißes kurzes Hemd. Die oberen Knöpfe sind offen und die dunklen Haare auf seiner Brust lugen drunter hervor. Mich schüttelt es. Denn ich hasse Körperbehaarung, vor allem wenn sie lang sind und sich kräuseln, daher rasiere ich mich immer komplett. Ich bin heilfroh, dass Jareds Brust unbehaart ist und er alle anderen an seinem Körper ebenfalls rasiert. Nur der Dreitage-Bart, der darf bleiben, den finde ich total sexy an ihm. Weko seine dunklen Augen, die von buschigen Brauen umrandet sind, mustern mich gierig. Seine Lippen verziehen sich zu einem fiesen Grinsen.
»Verschwinde«, fauchen Laura und Gabriella ihn gleichzeitig an.
Fassungslos sehe ich ihn an. In meinem Kopf setzen sich blitzschnell alle Puzzleteile zusammen. Er war das! Er hat letzten Monat das Paket vor meine Wohnungstür abgestellt? Es war ohne Absender und da ich ständig unheimliche Nachrichten aufs Handy erhalten hatte, habe ich angenommen, dass das Päckchen vom Absender der Nachrichten ist. Meine Haare stellen sich am ganzen Körper auf, allein bei der Erinnerung an den Inhalt. Abgehackte, blutige Hühnerfüße waren in Backpapier eingewickelt. Obendrauf lag eine kleine Karte mit dem Gruß, dass ich jetzt die passenden Stöckelschuhe habe. Diese war mit dem Computer geschrieben.
Weko grinst nur und setzt seinen Weg fort. Ich wette um all mein Geld, dass er mir diese Nachrichten geschickt hat und nicht der, den sie damals verhaftet haben. Aber wen hat er seine Taten in die Schuhe geschoben? Was bringt einen dazu die Strafe, für etwas einzustecken, was man nicht begangen hat? Das wirft alles nur noch mehr Fragen auf.
Und die Ungewissheit über Jareds Verbleib quält mich. Unentwegt grüble ich, wo er ist und wie es ihm geht. Ohne ihn weiterzuleben, ist schwer. Im Augenblick ist mein Leben ein nicht enden wollender Alptraum. Immer neue Horrordetails kommen ans Tageslicht und dennoch tappen wir im Dunkeln und Weko freut sich über unsere Naivität. Ohne meinen Fels in der Brandung bin ich wie ein Blatt im Wind.
Er ist jetzt schon einen ganzen Monat weg und ich komme mir vor wie eine Süchtige auf Entzug. Von der Droge namens JC Johnson. Keinem Menschen habe ich mich je verbundener gefühlt. Niemals war ich so verliebt. Mit ihm ist der Himmel blauer, die Blumen bunter und die Sonne heller. Er fehlt mir. Seine himmelblauen Augen, die mich leuchtend und verliebt ansehen. Sein verschmitztes Lächeln, wenn er Blödsinn in seinem Kopf ausheckt. Seine Arme, die mir Sicherheit und Geborgenheit geben. Er fehlt mir.
Es ist Freitag, wieder eine Woche, ohne etwas von Jared zu hören. Ich habe Nick und Laura ins Kino geschickt. Sie brauchen eine Pause und ich auch. Es klingelt an der Tür und ich öffne: »Na Laura, hast du wieder mal deinen Schlüssel...«
Doch da steht Weko vor der Tür. Sofort sind die Erinnerungen von unserem letzten Treffen da. Mir ist eiskalt. Mein Körper zittert und mein Herz pocht so stark in meiner Brust, dass man es klopfen sehen kann. Ich knall ihm die Tür vor der Nase zu, doch ich bin zu langsam. Er schiebt seinen Fuß dazwischen und betritt die Wohnung. Meine Atmung ist unregelmäßig, während meine Augen einen Fluchtweg suchen. Jeden Schritt, den er auf mich zukommt, weiche ich zurück. Bis hinter mir die Wand ist. Er legt seine Hände auf meine Schultern und drückt mich mit all seinem Gewicht dagegen. Wekos Mund wirkt zu klein für seinen Kopf und diesen presst er fest auf meinen. Ich spüre seine Zunge an meinen Lippen, die sich dazwischenschiebt. Darum presse ich die Zähne aufeinander, um ihm keinen Zugang zu gewähren. Ich ekle mich vor ihm. Doch dann ist es, als würde jemand im Kopf einen Schalter umlegen. Urplötzlich bin ich wütend und dies gibt mir die Kraft mich ihm zu stellen. Wegen ihm habe ich Jared verloren! Wegen ihm leide ich! Wegen ihm bin ich jemand, der ich nicht sein will! Wegen ihm hat Jared die Stadt verlassen! Ich habe nichts mehr zu verlieren und beschließe zum Angriff überzugehen.
Mit ganzer Kraft schubse ich ihn von mir weg. »Fass mich nicht an«, schreie ich ihn mit aller Verzweiflung an. »Wenn du mir noch einmal zu nah kommst, rufen alle hier im Haus die Polizei. Sie wissen alle Bescheid, was du getan hast, und die Kameras haben alles aufgezeichnet«, drohe ich ihm und lüge wie gedruckt.
Weko sieht mich geschockt und mit weit aufgerissenem Mund an: »Was Kameras? Hast du echt die Polizei gerufen?« Das ist das Einzige, was er kleinlaut sagt.
Wütend fauche ich ihn an: »Das habe ich und jetzt verschwinde!«
Erleichtert atme ich aus, als er gehorcht und mich ohne Widerworte verlässt. Ich schließe die Tür und gleite tief durchatmend an ihr zu Boden. Erst jetzt merke ich, dass mein Körper zittert wie Espenlaub. Die Erinnerungen an die letzten Wunden, die er mir zugefügt hat, sind noch frisch. Mein Herz klopft fest gegen den Brustkorb und lässt mich tief durchatmen. Nach einigen Minuten erhebe ich mich und gehe Zähneputzen. Das war so widerlich. Ich schrubbe wie besessen und versuche, damit das Ekelgefühl loszuwerden. Da werde ich bald eine Ekel-Blase an der Lippe bekommen. Denn die erscheint immer, wenn ich mich vor etwas so heftig ekle.
Im Anschluss gehe ich zum Couchtisch, nehme mein Telefon und wähle neuen Mutes Jareds Nummer. Doch, es ist wieder mit demselben Ergebnis. Die nette Dame am anderen Ende sagt mir, dass der Teilnehmer vorübergehend nicht zu erreichen ist. Ich lasse mich auf die Couch fallen, lese unsere WhatsApps und blättere durch meine Fotos von ihm. Eins, wo er hier im Sessel sitzt und mich sanft anlächelt. Auf dem Nächsten steht er gedankenverloren am Fenster. Da trägt er nichts weiter als Boxershorts und sein muskulöser nackter Oberkörper wird vom Mondlicht angestrahlt. Ich habe so viele schöne Fotos von ihm, sogar Nacktfotos. Wird das etwa das Einzige sein, was mir von ihm bleibt? Traurig darüber, lege ich das Handy auf den Tisch.
Seufzend gehe ich in mein Zimmer und ziehe mich um. Ich öffne das obere Fenster ein Stück, damit in der Nacht etwas kühle Luft hereinweht. Dann ziehe ich die Vorhänge zu und begebe mich ins Bett. Diese Nacht ist die Erste, seit einer gefühlten Ewigkeit, die ich ohne Alpträume erlebe.
In den nächsten Wochen spreche ich täglich mit Dr. Berger. Es hilft und der Drang, mir eine Line zu ziehen, wird weniger. Dennoch beschließe ich, länger zu bleiben. Ich bin ein Sturkopf und ziehe durch, was ich mir in den Kopf setze, egal wie. Darum ebne ich mir jetzt den Weg dafür, dass ich nie wieder hier sein muss. Auch wenn das bedeutet, dass ich Megan für weitere 20 Tage nicht sehen und hören werde. Es ist komisch ohne sie. Nachts bin ich oft wach und vermisse meine kleine Schmusekatze, die sich immer an mich kuschelt. Mit ihr im Bett schlafe ich am besten.
In dieser Nacht träume ich sogar von ihr. Megan reitet mich zu wie einen wilden Hengst. Somit wache ich schwer atmend und mit einer Morgenlatte auf. Wow, das hat sich so real angefühlt. Und jetzt bin ich allein. Meine Hand gleitet automatisch in meine Hose und beginnt, mir einen runterzuholen. Es ist lange her, dass ich selbst mal Hand angelegt habe. Aber ich brauche es jetzt. So pumpe ich mich mit kleinen Bewegungen dem Höhepunkt entgegen. Meine Gedanken sind bei Megan, wie ihr Mund sich über mich stülpt und kräftig an mir saugt. Meine linke Hand gleitet meinem Schaft kreisend auf und ab. Die andere schiebt das T-Shirt beiseite und augenblicklich spritze ich laut stöhnend ab. Fuck, jetzt habe ich trotzdem mein T-Shirt getroffen. Ich ziehe es mir über den Kopf, lasse es zu Boden fallen, dann gehe ich duschen. Danach ziehe ich mir ein frisches T-Shirt an und eine kurze Hose. Es ist ziemlich heiß heute.
Nach dem Frühstück klopfe ich höflich an die weiße Tür mit dem Namensschild von Dr. Berger und trete ein. Braune Sessel und Grünpflanzen zusammen mit den Wandbildern sorgen für ein gemütliches Flair. Wie in den letzten Wochen nehme ich in dem rechten Sessel platz und warte, dass sie sich zu mir setzt.
»JC ich sehe bei Ihnen großes Potential. Sie sind stark. Sie wissen, was Sie wollen, und das wird Ihnen helfen dem Verlangen nicht nachzugeben. Wir haben ja in den letzten Sitzungen darüber gesprochen, wie Sie sich selbst kanalisieren. Wie kommen Sie damit klar?«
»Ich brauche noch etwas Training, aber es wird von Tag zu Tag besser. Ich träume auch nicht mehr davon«, bin ich erleichtert. Denn in den ersten Wochen bin ich jede Nacht schweißgebadet aufgewacht und habe davon geträumt zu koksen. Mein Körper zitterte, denn ich erinnerte mich gut daran, wie es ist auf Koks zu sein. Aber inzwischen ist es besser und ich habe andere Träume. Jeden Abend sitze ich an den Atemübungen.
»Das ist ein gutes Zeichen. Wie waren die ersten Wochen nach der Entlassung?«, öffnet sie meine Akte auf ihrem Schoß. Wie jedes Mal hat sie ihren goldenen Kugelschreiber in der Hand und schreibt Notizen in die Akte.
Ich atme tief durch und hasse es, wenn ich an Kokain denke, denn ich will nie wieder anhängig sein. Wenn man nicht mehr Herr über seine Gedanken und seinen Körper ist. Sondern sich alles nur um den nächsten Schuss dreht. Oder sich ständig verstecken zu müssen, damit niemand mitbekommt, wie abgefuckt man ist. »Mir ging es überraschenderweise sehr gut. Es ging jeden Tag besser und es fühlte sich endlich wieder normal an.«
»Wieso überraschenderweise?«, runzelt sie die Stirn und leget dabei nachdenklich ihre Hand ans Kinn. Was hat sie erwartet?
»Ich bin nach all den Gesprächen davon ausgegangen, dass ich mehr mit mir zu kämpfen habe. Dass ich, sobald ich allein bin, wieder in alte Muster verfalle. Und ich bin davon ausgegangen, dass ich viel öfter an Koks denken würde«, seufze ich und denke daran, wie sehr ich Blut und Wasser geschwitzt habe. Wie sehr mein Körper gezittert hat und wie dünn ich war. Hätte ich keine Kleidung getragen, hätte man meine Knochen gesehen. Erst als es mir besser ging, habe ich wieder gegessen und mit dem Krafttraining begonnen.
»Das ist doch gut. Oder sehen Sie das anders?«, fragt sie verwundert.
»Nein, natürlich nicht. Natürlich ist es gut. So ist es viel angenehmer«, versuche ich zu lächeln.
»Wie ist es Ihnen bei Ihrem Schulfreund ergangen?«, fragt Dr. Berger weiter und schreibt sich etwas auf.
»Bei Nick konnte ich einmal komplett abschalten. Keine Sau interessiert sich dort für mich. Zu Beginn war es beängstigend und eine große Umstellung. Und nachdem ich gelernt habe damit umzugehen, genieße ich es«, berichte ich ihr mit einem Lächeln auf den Lippen. Erst jetzt wird mir bewusst, wie angenehm es ist und dass ich es um nichts auf der Welt mehr hergeben werde.
»Sie hatten in den ersten Gesprächen, Megan erwähnt. Wie sieht es aus? Sind Sie jetzt bereit darüber zu sprechen?«, fragt Dr. Berger mich und ich überlege einen Moment. Dr. Berger ist eine Frau, die tief in deinem Bewusstsein gräbt und vieles hervorholt, was man glaubt, überwunden zu haben. So dachte ich immer, den Tod meines Cousins verarbeitet zu haben. Wir sind wie Brüder aufgewachsen und waren jede Ferien zusammen. Ich fand ihn erhängt in der Scheune. Da war ich zwölf Jahre alt und er sechszehn. Seitdem war ich nicht mehr bei meiner Tante. Oder auch die Suche nach meinem biologischen Vater, die mich zu einem Alkoholiker führte, der mich erpresste und Unterhalt verlangte. All das brachte mich hier her.
Ich atme tief durch und antworte ihr. »Sie kennen ja die Geschichte, dass ich Megan damals zuhause in L.A. kennengelernt habe und wie es endete. Ich traf sie hier in einer Bar wieder, wo sie arbeitet. Da stellte es sich heraus, dass diese Nachricht, in der sie die Beziehung beendete, nicht von ihr war. Und irgendwie haben wir da weiter gemacht, wo wir damals unterbrochen wurden.«
Ich höre auf, von Megan zu erzählen. Frau Dr. Berger wartet einen Moment und fragt mich: »Megan hat Ihnen damals schon gutgetan und es hat sich scheinbar nichts daran geändert.«
Ich seufze und fühle das Loch in meinem Herzen. So als ob Lava es eingebrannt hat. »Ich habe gedacht, die Welt gehört uns allein. Zusammen könnte uns nichts passieren. Alles war genau so, wie es sein sollte. Bis so ein Typ mir Nacktfotos auf seinem Handy von ihr zeigte. Ich verstand die Welt nicht mehr. Megan soll mich betrogen haben?«
»Es entspricht ja nicht der Wahrheit«, sagt sie in einem beruhigenden Ton.
»Ich bin mir nicht sicher. Sie sagte, es gab keinen anderen. Aber mich hat es völlig verrückt gemacht. Allein der Gedanken daran, dass der mit ihr«, fluche ich und balle meine plötzlich zitternden Hände.
»Atmen sie erst einmal tief durch! Sie schaffen das«, spricht sie mir Mut zu.
»Aber wie? Was soll das für eine rosige Zukunft sein, wenn ich bei den ersten privaten Problemen rückfällig werde? Dabei war das völlig lächerlich. Ich weiß nicht, warum ich so durchgedreht bin«, maule ich und schüttle den Kopf.
»Rückfällig waren Sie nicht. Sie waren standhaft und zudem noch mutig her zu kommen. Bestrafen Sie sich nicht wegen Ihrer Gefühle. Das ist völlig in Ordnung. Denn Gefühle machen uns als Menschen aus.«
»Das ist mir schon klar«, schaue ich aus dem Fenster und hasse mich dafür, ein Hitzkopf zu sein. Denn oft schreie ich zuerst, bevor ich nachdenke. Bisher war Jacob für mich da und hat mir die Augen geöffnet, doch jetzt bin ich auf mich gestellt. Ich muss für mich lernen, damit umzugehen.