Bad Romeo - Ich werde immer bei dir sein - Leisa Rayven - E-Book

Bad Romeo - Ich werde immer bei dir sein E-Book

Leisa Rayven

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Beschreibung

Love is dangerous! Monatelang hat Cassie Taylor versucht, eine ganz normale Beziehung mit Ethan Holt zu führen. Ein Gefühlschaos der Sonderklasse. Jetzt, zutiefst gedemütigt und verletzt hat sie jeden Kontakt zu dem unnahbaren Schauspieltalent abgebrochen. Wenn ihr Herz schon in Scherben liegt, soll er wenigstens nicht auch noch darauf herumtrampeln. Doch dem Bad Boy nicht wieder gefährlich nah zu kommen, ist schwer. Vor allem, wenn man an derselben Schauspielakademie ist und für dieselben Inszenierungen gecastet wird. Und Ethan Holt ist und bleibt so attraktiv und begehrenswert, dass es Cassie den Atem verschlägt. Doch er ist auch unberechenbar. Wird sie ihm widerstehen können? Band 2 der prickelnden Erfolgsserie aus den USA: mitreißend, sexy, verhängnisvoll!

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Seitenzahl: 432

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Leisa Rayven

Bad Romeo und Broken JulietIch werde immer bei dir sein

Roman

Aus dem Amerikanischen von Tanja Hamer

FISCHER E-Books

Inhalt

Motto1 Wunderschöner Makel2 Verhasste Verletzlichkeit3 Masken4 Halt dich an mir fest5 Perfekte Verkleidung6 Aufgelöst7 Stärker8 Eine Nacht9 Schleusen10 Alles geht vorbei11 Ein offenes Buch12 Hoffnungsvolle Gleichgültigkeit13 Vermeidung14 Leidenschaft15 Nur Sex16 Kleiner Schmerz17 Kollisionskurs18 Machtspiele19 Emotionale Evolution20 Dann und wann21 Premiere22 Anfang vom Ende23 Sinken oder schwimmen24 Zugabe25 Letzte VerbeugungDanksagungInterview mit der Autorin Leisa Rayven

»Und stirbt er einst, …

Nimm ihn, zerteil in kleine Sterne ihn:

Er wird des Himmels Antlitz so verschönen,

Daß alle Welt sich in die Nacht verliebt

Und niemand mehr der eitlen Sonne huldigt.«

 

– Julia, wie sie Romeo beschreibt

 

William Shakespeare, Romeo und Julia

1Wunderschöner Makel

Gegenwart

New York City

Wohnung von Cassandra Taylor

In Japan gibt es etwas, das Kintsugi genannt wird – eine Handwerkskunst, bei der man wertvolles Porzellangeschirr mit Gold repariert. Das Ergebnis ist ein Stück, das offensichtlich zerbrochen war, aber nun noch schöner ist als zuvor.

Das Konzept hat mich schon immer fasziniert.

Die Menschen versuchen oft, ihre Narben zu verstecken. So, als würde schon das kleinste Anzeichen eines Schadens beweisen, dass sie schwach sind. Sie setzen ihre Narben mit Fehlern gleich und diese Fehler mit Schande. Alle streben nach Perfektion.

Kintsugi ist das Gegenteil. Diese Kunst lehrt: »Schönheit entsteht aus Tragödien. Seht euch diese wunderbaren Bruchstellen an, die für Fehler und Lebenserfahrung stehen.«

Während ich in meinem Flur stehe und die Eingangstür anstarre, an die gerade meine verflossene Liebe geklopft hat, wird mir bewusst, dass Kintsugi zwar ein nobles Konzept ist, aber nichts an den Tatsachen ändert. Was einmal zerbrochen ist, kann nie wieder so sein wie zuvor. Egal wie schön und elegant die Reparatur auch sein mag. Es bleibt eine Ansammlung von Einzelteilen, die die frühere Form nachbildet.

Seiner aufgewühlten E-Mail zufolge, die eine Liebeserklärung epischen Ausmaßes enthielt, nehme ich an, dass Ethan vorhat, mich beziehungsweise uns zu reparieren. Was ironisch ist, da er derjenige ist, der alles kaputtgemacht hat. Aus uns einen Scherbenhaufen gemacht hat.

Ich weiß, du denkst, ich hab dich verlassen, weil ich dich nicht geliebt habe, aber das ist nicht richtig. Ich habe dich immer geliebt, vom ersten Moment an. Ich hab lange mit mir gerungen deswegen, weil ich das Konzept der Liebe eigentlich für ziemlich lächerlich halte. Aber am ersten Tag der Aufnahmeprüfungen an der Grove ist es passiert, und ich wollte dich am liebsten sofort in den Arm nehmen.

Von diesem Moment an, wusste ich, dass du für mich bestimmt bist, aber ich war so ein blöder Dickkopf, der das einfach nicht akzeptieren konnte.

Ich habe wirklich keine Ahnung, wie du mich lieben konntest. Ich war ein Arschloch, immer so sehr mit meinen eigenen Gefühlen beschäftigt, dass ich nicht bemerkt habe, was für ein Geschenk du bist. Ich konnte nicht verstehen, dass ich nur aufhören musste, ein unsicherer Idiot zu sein, und dich dann vielleicht … nur vielleicht … wirklich behalten könnte.

Ich will dich behalten, Cassie.

Deshalb bin ich zurückgekommen. Auch wenn ich die ganze Zeit dachte, du bist ohne mich besser dran – so ist es nicht. Du brauchst mich genauso wie ich dich. Ohne den anderen sind wir beide verloren, und es hat lange Zeit gebraucht, bis ich das verstanden habe.

Es klopft wieder an der Tür, diesmal lauter. Ich weiß, ich muss aufmachen, aber ich wünschte, ich hätte irgendeine Ahnung, was ich ihm sagen soll.

Er hat recht. Ohne ihn fühle ich mich verloren und innerlich leer. Das war die ganze Zeit so. Jetzt habe ich nicht mehr zu bieten als die Hülle der Frau, in die er sich damals verliebt hat.

Mach jetzt bitte nicht denselben Fehler wie ich, und lass deine Unsicherheit die Oberhand gewinnen. Denn ich weiß, du denkst, mich wieder zu lieben wäre ein Spiel mit unsicherem Ausgang. Lass uns gewinnen. Und lass mich dir eines sagen: Ich bin mir sicher. Ich könnte nicht aufhören, dich zu lieben, selbst, wenn ich es wollte.

Hah! Er kann mich lieben und trotzdem verlassen – das hat er mir mehr als einmal bewiesen.

Ob ich noch Angst habe, dass du mich verletzen könntest? Natürlich. Aber ich bin mittlerweile mutig genug, um zu wissen, dass es das Risiko absolut wert ist.

Lass uns mutig sein.

Mutig ist ein Wort, das ich schon länger nicht mehr benutzt habe, um mich selbst zu beschreiben.

Mein Handy vibriert. Ich habe eine Nachricht.

Hey. Ich steh vor deiner Tür. Bist du da?

Aufregung und Angst durchrieseln mich und lähmen mein Gehirn. Als ich vorhin seine Mail zu Ende gelesen hatte, wollte ich ihn unbedingt sehen. Aber jetzt, wo er hier ist, weiß ich nicht, was ich tun soll.

Ich gehe auf die Tür zu, bewege mich wie in einem Traum. So, als wären die vergangenen drei Jahre nur ein Albtraum gewesen, aus dem ich gerade aufwache. Alles fühlt sich verlangsamt an. Als ich bei der Wohnungstür ankomme, ziehe ich meinen Bademantel fester um mich und atme tief durch, um meine Nerven zu beruhigen.

Dann öffne ich mit zitternden Händen die Tür.

Mir stockt der Atem. Ethan steht direkt vor mir und hat das Handy noch in der Hand. Er sieht so gut aus, aber unendlich müde. Und nervös. Es ist dieselbe Nervosität, die auch ich fühle.

»Hey«, sagt er vorsichtig, als hätte er Angst, ich könnte ihn wegschicken.

»Du bist hier.«

»Ja.«

»Wie … ich meine, ich hab dir doch gerade erst geschrieben. Warst du schon hier?«

»Äh … ja. Ich … naja, ich bin schon ’ne Weile hier.«

»’Ne Weile?«

»Nachdem ich dir die E-Mail geschrieben hatte, konnte ich nicht mehr schlafen.« Er schielt auf sein Handy und steckt es dann ein. »Ich wollte in deiner Nähe sein, nur für den Fall, dass du …« Er lächelt und schüttelt den Kopf. »Ich wollte hier sein. Bei dir.«

Seine Jacke liegt auf dem Treppenabsatz neben einem Kaffeebecher aus Pappe.

»Ethan, wie lang bist du schon hier draußen?«

»Ich hab doch gesagt, ’ne Weile …«

»Wie lang genau?«

Sein schwaches Lächeln ist ein Versuch, die eigene Verlegenheit zu überspielen. »Ein paar Stunden, aber irgendwie …« Er senkt den Blick und schüttelt wieder den Kopf. »Ich hab irgendwie das Gefühl, seit drei Jahren hier draußen zu warten. Drei Jahre hat es gebraucht, den Mut aufzubringen, an deine Tür zu klopfen. Ich schätze, die Mail war meine Art, das zu tun.« Als er schließlich wieder aufschaut, entdecke ich Furcht in seinem Blick. »Die entscheidende Frage ist jetzt nur, ob du mich auch reinlässt?«

Ich bemerke, dass meine rechte Hand immer noch die Türklinke umklammert hält. Meine Körpersprache wirkt nicht gerade einladend. Ethans Weg ist verstellt. Es ist so, als würde mein Körper ihn unterbewusst am Reinkommen hindern wollen.

Er beugt sich vorsichtig etwas näher zu mir. »Ich meine, du hast die Mail doch gelesen, oder?«

Die Verringerung des Abstandes zwischen uns hat einen enormen Effekt. Ich keuche.

Keine Luft.

Ein paar Sekunden spätere stammele ich: »Ja.«

Er steckt die Hände in die Hosentaschen. »Und, hat es etwas gebracht?«

Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Erwartet er jetzt auch eine Art Liebeserklärung von mir? Etwas, das an sein tausendfaches »Ich liebe dich« rankommt?

Das kann ich nicht.

»Ethan, diese E-Mail war … wundervoll.«

Er schnappt das letzte Wort begierig auf. Sein Gesicht hellt sich auf. »Sie hat dir gefallen?«

»Ich fand sie total schön.« Ich spüre, wie ich einen Kloß im Hals bekomme. »Hast du wirklich … jeden Satz einzeln geschrieben?«

»Ja.«

»Wie lang hat das gedauert?«

»Ich hab nicht auf die Uhr geschaut. Wichtig war nur, dass du weißt, was ich fühle.«

Ich kralle mich noch stärker an der Türklinke fest. Es ist gerade das Einzige, das ich tun kann, um mit der Absurdität der Situation zurechtzukommen.

Ich weiß, wir sollten dieses Gespräch nicht im Hausflur führen, aber wenn ich Ethan reinlasse … Er wird mich berühren und damit das letzte bisschen Widerstandskraft brechen, das ich noch in mir habe.

»Also … wie geht es jetzt weiter?« Er kommt auf mich zu. »Ich meine, ich weiß, was ich will.« Er steht so dicht vor mir, dass sich unsere Füße fast berühren. »Ich glaube, das hab ich ziemlich deutlich gemacht. Aber was ist mit dir?«

Meine Schultern verspannen sich, ich bin fluchtbereit wie eine misstrauische Katze.

Dieser Mann ist mein Untergang. Er war mein erster richtiger Freund. Meine erste Liebe. Mein erster Liebhaber. Er hat mir Freuden beschert, von denen ich vorher nicht mal wusste, dass sie existieren. Er hat mir aber auch mehrfach das Herz gebrochen und mich so unerträglich leiden lassen, dass es mich fast um den Verstand gebracht hat.

Es scheint fast unmöglich, diese ganzen Eindrücke alle in dem einen Ethan zusammenzufassen.

Und jetzt will er nur eine Sache für mich sein? Mein Freund?

»Cassie …« Er berührt meine Hand und lässt die Finger über mein Handgelenk und meinen Unterarm gleiten. »Was willst du?«

Ich bekomme sofort eine Gänsehaut.

Bekannte Gefühlsabfolgen spulen sich in mir ab: Ich will ihn. Darf ihn nicht wollen. Ich brauche ihn. Hasse es, dass ich ihn brauche.

»Ich weiß nicht, was ich tun soll«, flüstere ich.

Ich weiß nicht, ich weiß nicht, ich weiß nicht.

»Lass mich rein. Ich verspreche dir, dass ich dieses Mal nicht davonlaufen werde.«

2Verhasste Verletzlichkeit

Sechs Jahre zuvor

Westchester, New York

The Grove

Als ich aufwache und mich ausstrecke, dauert es einen Moment, bis ich mich erinnere.

Ich hatte Sex. Unglaublich leidenschaftlichen, unfassbar tollen Sex. Mit Ethan.

Ich lächle unwillkürlich.

Ethan Holt hat mir die Unschuld genommen.

Szenen der letzten Nacht tauchen vor meinem inneren Auge auf und verursachen ein Kribbeln in meinem Bauch.

Sicher sehe ich jetzt anders aus. Ich fühle mich anders. Wundervoll. Reifer. Als hätte sich mir eine völlig neue Welt erschlossen. Und ich kann es kaum erwarten, diese Welt weiterzuerkunden.

Mit ihm.

Ich seufze zufrieden und rolle mich auf die andere Seite, nur um festzustellen, dass dort niemand liegt.

Ich reiße die Augen auf. »Ethan?«

Ich stehe hastig auf und gehe durch die Wohnung. Leer. Ich checke mein Handy. Keine Nachrichten. Ich schaue sogar unter dem Bett nach, ob nicht vielleicht eine Notiz daruntergefallen ist.

Nichts.

Na super!

Ich bin mir ziemlich sicher, dass es kein gutes Zeichen ist, wenn ein Mann dein Bett mitten in der Nacht fluchtartig verlässt.

Später am Vormittag wippe ich ungeduldig mit den Beinen hin und her, während ich darauf warte, dass der Schauspielunterricht beginnt.

Holt ist zu spät. Das ist noch nie vorgekommen.

Ich kann es immer noch nicht fassen, dass er einfach abgehauen ist. Ich meine, wenn man das erste Mal mit einem Mädchen schläft, kann man ihr doch wenigstens eine Nachricht hinterlassen, oder? Ein Anruf wäre auch nett gewesen. Irgendeine Art der Aufmerksamkeit. Es hätte ja nicht gleich ein »Hey, danke, dass ich dich entjungfern durfte. Es war toll« sein müssen. Aber irgendein Zeichen …

Ich weiß, dass es ihm schwerfällt, offen seine Gefühle zu zeigen. Aber merkt er denn nicht, dass er nicht der Einzige ist, der Bestätigung braucht?

Erika rauscht herein, und ich versuche, die Gedanken an Ethan zu verdrängen und mich auf den Unterricht zu konzentrieren.

»Willkommen zurück, meine Damen und Herren. Ich gehe davon aus, dass Sie erholsame Thanksgiving-Ferien hatten.« Bestätigendes Gemurmel bricht aus, und sie lächelt. »Gut, denn die nächsten Wochen werde ich Sie härter fordern als je zuvor. In diesem Semester werden wir mit Masken arbeiten, was eine der anspruchsvollsten und traditionellsten Kunstformen des Theaters ist.«

Die Tür geht auf, und Erika runzelt missbilligend die Stirn, als Holt hereingeschlurft kommt und sich auf seinen Platz setzt. Er sieht müde aus.

»Schön, dass Sie uns auch beehren, Mr Holt.«

Er nickt. »Gern geschehen.«

»Kann ich Ihnen etwas bringen? Eine Uhr vielleicht?«

Er senkt den Blick. »Ja, tut mir leid, dass ich zu spät bin.«

Sie schaut ihn tadelnd an und fährt dann fort. »Wie gesagt, die Arbeit mit Masken ist schwierig. Alles muss noch deutlicher werden. Es ist eine Kunstform, die keine emotionalen Blockaden oder Unsicherheiten verzeiht. Bereiten Sie sich auf einen handfesten Seelenstriptease vor.«

Holt wirft mir einen kurzen Blick zu und lächelt zaghaft.

Erika geht zu ihrem Pult und zieht eine Kiste mit Masken hervor, die sie auf dem Boden verteilt. »Diese Masken drücken verschiedene emotionale Zustände aus. Ich will, dass Sie sich ein paar Minuten Zeit nehmen und sich eine aussuchen, die Ihnen zusagt.«

Alle stehen auf und gehen zu den Masken. Während die anderen lachen und plaudern, hält sich Ethan im Hintergrund und wartet ab, bis die anderen sich eine Maske ausgesucht haben. Ich stelle mich neben ihn.

»Hey.«

»Hey.« Er schaut mich kaum an.

»Du bist heute Morgen einfach abgehauen.«

Er steckt die Hände in die Hosentaschen und presst die Lippen aufeinander.

Ich versuche es noch mal. »Bist du … sauer auf mich? Wegen gestern Abend? Ich meine, ich weiß, dass wir eigentlich warten wollten und ich dich gedrängt habe, aber –«

»Nein.« Er zuckt mit den Schultern. »Ich bin nicht sauer auf dich. Ich war nur … Ich hatte was zu erledigen und wollte dich nicht wecken. Sonst alles in Ordnung.«

Seine Worte hätten mir Sicherheit geben sollen, aber sie tun es nicht. »Also … hat es dir gefallen?«, flüstere ich.

Ich sehe den Anflug eines Lächelns, als er sich zu mir runterneigt und mir ins Ohr flüstert: »Cassie! Das kann auch nur dir einfallen, mitten im Schauspielunterricht über Sex reden zu wollen. Können wir das bitte später machen?«

»Oh. Klar. Natürlich. Später.« Ich weiß, er hat recht, aber mein Ego schrumpft mit jeder Sekunde. »Was heißt später?«

Er seufzt, und als er antwortet, berühren seine Lippen leicht mein Ohr. »Natürlich hat es mir gefallen. Sehr sogar. Das war zweifellos der beste Sex, den ich je hatte. Aber ich kann jetzt echt nicht darüber nachdenken. Also, bitte, wenn ich nicht gleich mit ’nem peinlichen Ständer in der Hose rumlaufen soll, sei besser still.«

Sein Geständnis lässt mich strahlen. Es entschuldigt zwar nicht, dass er einfach abgehauen ist, aber wenigstens fühle ich mich jetzt nicht wie der totale Loser.

Erika winkt uns zu. »Mr Hold, Miss Taylor … ein bisschen weniger quatschen und mehr Masken-Aussuchen, bitte. Ich würde gern anfangen.«

Es gibt nur noch zwei Masken: eine mit einer großen Nase und dichten, gerunzelten Augenbrauen und eine, die aussieht wie ein Kindergesicht – mit großen Kulleraugen und rosigen Bäckchen.

»Aggression und Verletzlichkeit«, erklärt Erika. Als ich zu der kindlichen Maske greifen will und Holt zu der anderen, schnalzt sie mit der Zunge und nimmt sie uns aus den Händen. Dann reicht sie uns jeweils die andere. »Das war eine viel zu offensichtliche Wahl für Sie beide, finden Sie nicht?«

Holt grummelt etwas, und ich rechne schon fast damit, dass er anfängt zu diskutieren, aber Erikas strenger Blick lässt keine Widerworte zu.

Kurz darauf ruft Erika die Studenten paarweise nach vorn. Sie gibt eine knappe Einweisung in das improvisierte Spiel ohne Worte, das nur über die Körpersprache funktioniert. Es ist nicht einfach, und alle tun sich schwer, aber Erika lässt nicht locker und treibt uns unerbittlich an. Heute macht sie mir irgendwie Angst, und während Holt und ich warten, bis wir an der Reihe sind, bekomme ich schwitzige Hände vor Nervosität.

»Miss Taylor, Sie stellen Kraft dar, aber in einem negativen Kontext. Dominant, herumkommandierend, kompromisslos. Mr Holt, Sie repräsentieren das Gegenteil. Sind sensibel, offen, vertrauensvoll. Sie können jederzeit anfangen, wenn Sie so weit sind.«

Ich ziehe meine Maske an. Sie ist eng, und das Atmen fällt mir schwer. Mein Blickfeld ist durch die schmalen Augenschlitze stark eingeschränkt, ich muss den Kopf drehen, um Holt zu sehen. Er mustert mich einen kurzen Moment lang komisch, ehe er seine eigene Maske überstülpt.

Ich nehme mir kurz Zeit, um mich zu konzentrieren, dann gehe ich auf ihn zu und verhalte mich so dominant wie möglich. Was nicht so einfach ist, da er mich um einen Kopf überragt. Trotzdem versuche ich, aggressiv und einschüchternd zu wirken.

»Fühlen Sie, was Sie tun, Miss Taylor. Sie müssen die Emotionen der Maske ausleben.« Ich packe Holt am Shirt und befehle ihm leise, sich auf den Boden zu setzen. Er weicht aus, wobei er Furcht andeutet, aber seine Bewegungen wirken unbeholfen.

»Mr Holt, Ihre Maske steht für Unterwürfigkeit und Verletzlichkeit. Sie müssen diese Eigenschaften zum Ausdruck bringen.«

Holt versucht zu tun, was sie sagt, aber als ich erneut auf ihn losgehe, ist es noch schlimmer. Seine Bewegungen sind unglaubwürdig und linkisch, als wäre er ein schlechter Schauspieler in einem alten Stummfilm. Man merkt, dass er seine eigene Rolle lächerlich findet, was ihn noch weniger verletzlich wirken lässt.

Ich sehe Erika ihre Enttäuschung über unsere Darbietung an. Ein paar Minuten später ruft sie »Halt«.

Holt reißt sich sofort die Maske vom Gesicht und stürmt zurück zu seinem Platz.

Erika sammelt die Masken wieder ein und verstaut sie in der Kiste. »Ich weiß, dass das heute sehr schwierig für Sie alle war, aber die abschließende Prüfung in diesem Kurs wird 50 Prozent ihrer Note in Schauspiel ausmachen.«

Holt meldet sich.

»Ja, Mr Holt?«

»Ich hätte nächstes Mal gerne eine andere Maske. Eine, mit der ich auch arbeiten kann.«

»Nein. Die Maske, die Sie heute hatten, wird Sie das ganze Semester begleiten. Sie müssen lernen, sich mit Ihrer verletzlichen Seite anzufreunden, Mr Holt.«

Holts Gesichtsausdruck ist so gequält, dass es schon fast wieder lustig ist.

3Masken

Die Schauspielausbildung an der Grove ist die angesehenste im ganzen Land, daher ist der Anspruch hier natürlich extrem hoch. Obwohl wir das alle wissen, glaube ich nicht, dass auch nur einer von uns damit gerechnet hätte, wie schwierig manche Kurse tatsächlich werden würden. Besonders jetzt der mit Masken.

Entgegen Erikas Ankündigung, dass es mit der Zeit einfacher werden würde, haben wir alle noch immer arg zu kämpfen. Ethan ist mit Abstand am schlechtesten. Erika treibt ihn mehr an als alle anderen, was bedeutet, dass er immer miesere Laune bekommt.

Er verhält sich mir gegenüber distanziert, und obwohl ich ihm deutlich gemacht habe, dass ich gern mehr Kontakt hätte, entwischt er mir wie ein Fisch. Wir halten nie Händchen, außer ich lege es darauf an – was ich so oft wie möglich tue. Wenn ich schon nicht den Rest seines Körpers haben kann, dann will ich, verdammt nochmal, wenigstens seine Hand halten.

»Erika hasst mich«, mault er, während wir gemeinsam zur Büchse, dem Campus-Hauptgebäude, rübergehen, um unsere Freunde zum Mittagessen zu treffen.

»Das stimmt nicht.«

»Wieso zwingt sie mich dann dazu, mit dieser bescheuerten Maske zu arbeiten? Wut, Traurigkeit, Aggression; das wären alles Emotionen, die ich brillant abliefern könnte.«

»Ja, aber sie weiß, dass du ein Problem mit Verletzlichkeit hast. Du solltest dich dieser Herausforderung stellen. Überleg mal, wie toll es wäre, wenn du den Durchbruch schaffst. Dann wärst du bestimmt der Beste der Klasse.« Und könntest endlich ein aufmerksamerer Freund sein.

Er schüttelt den Kopf. »Die Wahrscheinlichkeit, dass das passiert, geht gegen Null. Ich kann das einfach nicht, Cassie. Genaugenommen, weiß ich nichts über Verletzlichkeit.«

Ich ziehe mein Smartphone aus der Tasche und google den Begriff. »Verletzlich. Adjektiv, bedeutet, empfänglich dafür zu sein, verletzt oder verwundet zu werden; offen für moralische Angriffe, Kritik, Versuchung. O wow! Neben der Definition ist ein Bild von dir.«

»Sehr lustig.«

»Danke. Ich geb mir Mühe.«

Wir sind schon fast bei der Büchse angekommen, als ich eine Gruppe Zweitsemester neben der Eingangstür bemerke. Ich erkenne Olivia, Ethans mehr als nur ein bisschen verbitterte Exfreundin. Sie runzelt die Stirn, als sie sieht, dass Ethan meine Hand hält.

»Kaum zu glauben«, sagt sie, als wir näher kommen. »Ich dachte, die Geschichten, dass du eine Freundin hast, wären alle erfunden. Aber jetzt sehe ich dich hier mit demselben Mädchen wie Anfang des Jahres. Du gibst dir wirklich Mühe, sie richtig zu verkorksen, ehe du sie fallenlässt, hm? Ich meine, was du mir angetan hast, war ja schon schlimm, aber das mit ihr? Sie wird dich noch jahrelang verfluchen. Dafür leg ich meine Hand ins Feuer.«

Ethan fasst meine Hand fester und murmelt: »Und der Tag wird immer besser.« Er zieht mich weiter, und wir gehen durch die Eingangstür. Dabei spüre ich die ganze Zeit Olivias Blick auf uns.

»Sie hasst dich wirklich, oder?«

Er nickt. »Ja, naja. Sie hat auch guten Grund dazu.« Dann murmelt er noch, dass er dringend was zu essen braucht, und verschwindet in der Menge.

Ich schlage mich zur anderen Seite der Cafeteria durch, wo ich Jack, Lucas, Connor, Aiyah, Miranda und Zoe an unserem üblichen Tisch in der Ecke entdecke.

Jack schaut sich angewidert um. »Verdammt, dieser Ort ist echt frustrierend. Ich meine, hat der Studentenrat denn nichts Besseres zu tun, als alles zu dekorieren? Hier drinnen sieht’s aus, als wäre eine riesige Glitzerfee explodiert.«

»Es ist immerhin bald Dezember«, entgegnet Aiyah. »Das ist doch festlich.«

»Festlich?« Jack macht eine ausladende Bewegung über den Tsunami aus Lametta und Christbaumkugeln, der über den Raum hereingebrochen zu sein scheint. »Das grenzt an Psycho-Terror. Gestern hing hier noch die Thanksgiving-Deko, und heute laden sie diese Tonnen an Glitter-Weihnachts-Zeug hier ab. Niemand braucht dieses beschissene Lametta! Wenn ich heute Nachmittag mit Glitter in den Haaren beim Rugby-Training auftauche, beschwere ich mich persönlich beim Direktor. Ich werde nicht als lebende Discokugel in die Geschichte der Grove eingehen – auch wenn es mir vermutlich phantastisch stehen würde.«

Alle lachen ausgelassen. Nach einer Weile fragt Lucas: »Und, was macht ihr so am Wochenende? Jack, hast du die rothaarige Tanz-Studentin endlich überreden können, mit dir auszugehen?«

Jack grinst triumphierend. »Ja, Mann, hab ich. Ich führe sie in dieses neue italienische Restaurant aus. Ein bisschen Wein, ein bisschen Pasta. Und danach lasse ich den berüchtigten Avery-Charme spielen, so dass am Ende des Abends die Ballett-Strumpfhosen runtergelassen werden.«

Miranda zieht missbilligend die Augenbrauen zusammen. »Dir ist schon klar, dass eine Einladung zum Essen nicht bedeutet, dass du sie auch flachlegen darfst, oder?«

Jack schnaubt verächtlich. »’Türlich ist mir das klar. Außerdem mag ich sie wirklich. Wenn es mir nur um Sex gehen würde, müsste ich mir doch gar nicht so viel Mühe mit dem Ausgehen machen, oder? Ich würde sie einfach zu mir einladen, ein bisschen YouPorn mit ihr schauen und hoffen, dass sie in Stimmung kommt.«

Connor stupst Lucas mit dem Ellenbogen an. »Und bei dir, Kumpel? Triffst du dich mit dieser Braut aus der Kunstklasse? Die mit den Dreadlocks?«

Lucas lehnt sich zurück und legt demonstrativ die Hände an die Brust. »Ach, süße, süße Mariah. Ich fahre übers Wochenende mit ihr weg. Wir machen eine Weintour mit Bed and Breakfast. Das volle Programm.«

Jack runzelt fragend die Stirn. »Mann, das ging aber schnell. Geht ihr nicht erst seit zwei Wochen miteinander aus?«

»Was soll ich sagen, Alter? Wenn es passt, passt es. Sie ist toll. Ich vergeige sicher so einiges, aber wenn es darum geht, mich um die Bedürfnisse einer Frau zu kümmern, geb ich Vollgas.«

Ich zucke innerlich zusammen, als ich die anderen so reden höre, weil es mich daran erinnert, dass Ethan mich noch kein einziges Mal zu einem richtigen Date ausgeführt hat, obwohl wir jetzt offiziell schon über einen Monat zusammen sind. Meistens treffen wir uns bei mir oder bei ihm zu Hause und hängen auf der Couch rum. Fernsehen. Lesen. Lernen. Wenn ich Glück habe, machen wir ein bisschen rum, aber das ist dann auch schon alles.

Wirklich ziemlich frustrierend.

»Was ist mit Holt und dir?«, fragt Connor und schiebt sich ein paar Pommes in den Mund. »Irgendwelche hochromantischen Pläne fürs Wochenende?« Sein Tonfall lässt erahnen, dass er die Antwort bereits kennt.

Ich schaue zu Ethan rüber, der vor der Kasse in der Schlange steht. »Äh, ich weiß es nicht genau. Wir haben noch nicht drüber gesprochen, ehrlich gesagt.«

»Ah ja.« Connor konzentriert sich wieder auf sein Essen, und ich ärgere mich ein wenig, dass er überhaupt gefragt hat.

Ist es wirklich so offensichtlich?

Sieht hier jeder, wie unromantisch Ethan ist?

Wenn ich den anderen erzählen würde, dass er sich am Morgen, nachdem wir das erste Mal Sex hatten, klammheimlich aus dem Staub gemacht hat, würde es niemanden wirklich überraschen.

Es ist so, als wäre unsere Beziehung wie diese vertrackten Logik-Paradoxien.

Wann ist ein Freund kein Freund?

Wenn es Ethan Holt ist.

Während die anderen weiter über ihre Wochenendpläne plaudern, entschuldige ich mich und schiebe mich zu den Toiletten durch. Ich habe immer gewusst, dass Ethan es nicht so damit hat, seine Zuneigung in der Öffentlichkeit zu zeigen. Aber ich dachte immer, dass sich das ändern würde, sobald wir offiziell ein Paar wären.

Offensichtlich nicht.

Als ich die Kabine verlasse, steht Olivia am Waschbecken. Sie ist vornübergebeugt und zieht sich offenbar gerade irgendwas in die Nase. Als sie sich aufrichtet, entdeckt sie mich und wischt sich schnell über die Nase. »Hey.«

Ich atme tief durch und schiebe mich an ihr vorbei, um mir die Hände zu waschen. »Vielleicht solltest du das irgendwo machen, wo dich nicht alle sehen können.«

»Mach ich normalerweise auch, aber es ist ja nicht verkehrt, wenn du gleich mal siehst, was dich erwartet, wenn Holt mit dir fertig ist. Das wird nicht schön.«

Ich schüttle nur den Kopf und wasche mir so schnell wie möglich die Hände. »Ich nehm keine Drogen.«

»Noch nicht. Wart nur ab.«

Ich trockne mir die Hände mit einem Papiertuch und versuche, nicht darauf zu achten, dass sie sich eine weitere Line reinzieht.

Als ich Olivia vor ein paar Monaten das erste Mal getroffen habe, ist mir gleich aufgefallen, wie hübsch sie war. Ihr gegenüber fühle ich mich irgendwie minderwertig. Meine Haare waren langweilig straßenköterbraun, ihre leuchteten schwarz und geschmeidig. Meine Figur war eher kurvig und normal proportioniert, sie hingegen war mindestens zehn Zentimeter größer als ich und hatte diese zerbrechliche Eleganz, die ich schon immer an dünnen Frauen bewundert habe. Ich kann mir vorstellen, dass sie neben Ethan phantastisch ausgesehen haben muss. Beide perfekt und schön.

Traurigerweise sieht die Frau, die jetzt vor mir steht, ganz anders aus. Ihre Haare sind irgendwie fettig und ungepflegt, ihre Haut glänzt rotfleckig, und aus der zerbrechlichen Eleganz sind eingefallene Wangen und herausstehende Knochen geworden. Was auch immer es für Dämonen sind, die sie aus ihrer Zeit mit Ethan verfolgen, sie scheinen sie von innen aufzufressen.

Als ich mich zum Gehen wende, verspüre ich einen Anflug von Mitgefühl. »Pass auf dich auf, Olivia, okay?«

Bevor ich die Tür öffnen kann, berührt sie mich am Arm. »Hör zu, ich will dich echt nicht nerven. Ich will nur sichergehen, dass dir bewusst ist, worauf du dich bei Ethan einlässt.«

»Das bin ich, danke.«

»Ach, wirklich? Denn soweit ich das beurteilen kann, ist der Ethan Holt, der mir das Herz gebrochen hat, deinem Lover verdammt ähnlich. Woher willst du wissen, dass dir nicht dasselbe blüht?«

»Er hat sich seitdem verändert.«

Sie lehnt sich mit der Hüfte ans Waschbecken und verschränkt die Arme. »Lass mich raten, wie das gelaufen ist.«

Ich weiß jetzt schon, dass es mir nicht gefallen wird, was sie mir zu sagen hat.

»Er hat nur widerstrebend eingewilligt, dass ihr offiziell zusammen seid. Trotzdem verhält er sich immer noch nicht wie ein richtiger Freund. Keine Dates, keine öffentlichen Bekundungen von Zuneigung. Und ihn dazu zu bringen, über seine Gefühle oder seine schwankenden Launen zu reden, ist in etwa so einfach, wie jemandem einen Zahn zu ziehen. Kommt dir das irgendwie bekannt vor?«

Ich versuche, mir nichts anmerken zu lassen, auch wenn mir das Adrenalin durch die Adern rauscht. »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll. Ich mag ihn. Sehr sogar. Ich bin bereit, ihm eine Chance zu geben.«

Olivia schüttelt den Kopf. »Du checkst es einfach nicht, oder? Du denkst bestimmt, dass es dir nicht passieren wird, weil du anders oder etwas Besonderes bist, und vielleicht hast du ja sogar recht. Aber das ist nicht das Problem. Du bist vielleicht anders, aber er ist es, der dich zerstören wird. Und er hat sich nicht geändert. Pass auf, wo du hintrittst. Dieser Typ ist wie eine Mine, die jederzeit hochgehen kann.«

 

»Stalkt die Tussi dich jetzt, oder was?«, fragt meine Mitbewohnerin Ruby, während sie umständlich versucht, eine Dose Tomatensuppe zu öffnen.

»Irgendwie schon, aber ich hab das Gefühl, sie will mich nur beschützen.«

»Ja, alles klar. Das kann sie schön bleibenlassen, das ist nämlich mein Job.« Sie leert die Dose in einen Topf. »Andererseits hat sie auch irgendwie recht. Schon unfassbar, dass er dich noch nie richtig ausgeführt hat. Sieht echt so aus, als hätte der Typ keinen Funken Romantik in sich.«

»So schlimm ist er auch nicht.«

»Cassie, wir haben den Wie-romantisch-ist-dein Freund-Test in der Cosmopolitan gemacht, und Holt’s Ergebnis lautete: ›Dieser Mann weiß nicht, dass er dein Freund ist.‹ Es ist einfach lächerlich.«

Ich werfe einen Blick in den Ofen, aber die Aufbackbrötchen sind noch leichenblass. »Er ist eben mal verletzt worden. Er kann seine Zuneigung daher nicht so zeigen wie normale Typen.«

»Und wie kann er seine Zuneigung zeigen? Er küsst oder umarmt dich nicht zur Begrüßung, ihr haltet fast nie Händchen, und Sex hattet ihr auch nur einmal. Es gibt weder Geschenke, noch Dates, noch kitschige Liebesgedichte, die er geschrieben hat, während er bekifft war.«

Ich runzle fragend die Stirn. »Was war das Letzte?«

»Egal. Lange Geschichte. Was ich sagen will: Der Kerl ist null romantisch, und du bist es, die darunter leidet. Ich kann nicht fassen, dass du dich nicht mehr aufregst.«

»Naja, ich bin nicht gerade glücklich darüber, aber was soll ich machen?«

»Okay, hier ist mein Rat. Du bist ein Fußabtreter.«

»Das ist kein Rat. Das ist eine Feststellung. Und eine beleidigende noch dazu.«

»Verdammt, Cassie. Hab doch mal ein bisschen Stolz!« Sie rührt vehement in der Suppe. »Er behandelt dich wie Scheiße, weil er irgendwelche Probleme hat oder was auch immer. Aber das ist keine Entschuldigung.« Sie gibt einen Schuss Milch in den Topf. »Konfrontier ihn mit seinem Verhalten oder lass dir gleich WILLKOMMEN auf die Brüste tätowieren. Du hast die Wahl. Fußabtreter oder emanzipierte Frau?«

Ich weiß zwar, dass sie recht hat, aber ich habe trotzdem das Gefühl, dass bei Ethan eine falsche Bewegung desaströse Folgen haben kann.

»Ach, verdammt.« Ruby starrt in den Topf und nimmt dann stirnrunzelnd die Dose in die Hand.

»Was denn?«

»Ich glaub, das hab ich vermasselt.«

»Wie hast du das denn geschafft? Das ist Suppe. Aus der Dose.«

»Ich hab zu viel Milch rein, glaub ich. Die hätte man wohl abmessen sollen oder so.« Sie taucht einen Löffel in den Topf und probiert die Suppe.

»Wie schmeckt es?«

Sie zuckt mit den Achseln. »Wie Milch mit Tomatengeschmack.«

Ich lehne mich seufzend zurück. »Naja, du hast schon schlimmere Sachen gekocht.«

»Okay. Wenigstens haben wir noch Brötchen.«

»Ach, Mist!« Ich reiße die Ofentür auf, und Rauch schlägt mir entgegen. Die Brötchen auf dem Blech sind kohlschwarz. »Verdammt!«

»Und, wer ist hier jetzt die schlechte Köchin, hm? Deine Aufgabe bestand nur aus Aufbacken, um Himmels willen.«

Wir stehen ein paar Sekunden schweigend da und starren die furchtbaren Überreste unseres Abendessens an. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Ich unterdrücke den Reflex, Holt anzurufen, damit er rüberkommt und uns was zu essen kocht. Wenn er reden oder Zeit mit mir verbringen wollte, hätte er sich schon gemeldet.

»Wein?«, schlage ich achselzuckend vor.

Ruby seufzt. »Auf jeden Fall. Ich glaube, den können nicht mal wir vermasseln.«

»Darauf trinken wir!«

 

O Gott. Autsch.

Ich kneife die Augen zusammen, ehe ich sie vorsichtig öffne. Das Sonnenlicht, das durchs Fenster fällt, verursacht mir pochende Kopfschmerzen.

Ich liege auf dem Fußboden, umgeben von leeren Weinflaschen und Pizzaschachteln. Dem Geschmack in meinem Mund nach zu urteilen, hab ich gestern Abend nicht nur viel zu viel getrunken, sondern auch päckchenweise Zigaretten geraucht. Mein Mund fühlt sich an wie ein erkalteter Vulkan. Als ich mich vorsichtig strecke und mit der Zunge über die Zähne lecke, entdecke ich Ruby auf der Couch, die mit dem Arm über den Augen schläft.

Ich hoffe wirklich, dass sie sich genauso mies fühlt wie ich, wenn sie aufwacht. Das ist alles ihre Schuld!

Mit krampfendem Magen setze ich mich vorsichtig auf, dabei fällt mein Blick auf meine Hand. Über die Knöchel steht mit schwarzem Eyeliner das Wort HOLT geschrieben.

Was zur …?

Auf der anderen Hand steht IST EIN ARSCH.

Ich höre ein Stöhnen von der Couch.

»Das war ich nicht«, sagt Ruby, ohne den Arm vom Gesicht zu nehmen. »Naja, gut, ich war es schon, aber du wolltest es so.«

»Du erinnerst dich an gestern Abend?«

»Du nicht?«

»Nicht wirklich.«

»Naja, ich hab ’ne Weile rumgeschimpft, was für ein Arsch Holt ist, bis du mir irgendwann zugestimmt hast. Dann hast du das mit mir gemacht.« Sie hebt den Arm, worunter sich das schlimmste Make-up aller Zeiten verbirgt. Ihre Augenbrauen sind dick nachgezogen, ihre Kinnpartie ist umrandet und ihre Wangen mit dicken Rouge-Schatten versehen.

»Du hast versucht, mich wie Holt aussehen zu lassen, damit du ihm eine reinschlagen kannst.«

»O mein Gott, Ruby, hab ich dich geschlagen?!« Mit all dem Make-up ist es schwer zu sagen, ob ich in meiner Trunkenheit meine Mitbewohnerin vermöbelt habe.

»Nee, aber du hast so um zwei Holt angerufen und ihn ziemlich angeschrien.«

»Was?! Was hab ich gesagt?«

Sie richtet sich mühsam auf und fast sich stöhnend an den Kopf. »Du hast alles Mögliche gesagt. Ich hab, glaub ich, im Hintergrund betrunken rumgegrölt. Am Ende hat er mir fast ein bisschen leidgetan. Du hast ihn echt fertiggemacht. Dann hast du aufgelegt und bist da auf dem Boden eingeschlafen.«

»O Gott.« Mir ist schlecht. Und zwar nicht vom Alkohol. Ich stehe auf und durchforste den Müll auf dem Boden nach meinem Handy. »Was hab ich gesagt, Ruby?! Wieso hast du mich nicht aufgehalten?!«

»Süße, ich war noch betrunkener als du. Außerdem hatte er es so was von verdient. Und für eine Betrunkene hattest du noch eine ziemlich gute Wortwahl – naja, bis auf den Teil, als du geheult hast.«

Ich halte inne. »Bitte sag mir, dass das nicht wahr ist.«

»Doch. Nach etwa zehn Minuten hast du angefangen zu weinen und ihm vorgeheult, dass er dein erster Freund ist und dass du dich verliebt und gut fühlen solltest. Dass du dich aber nur verwirrt und einsam fühlst, weil er nie richtig da ist, nicht mal, wenn ihr zusammen seid.«

»O Mann.«

»Dann hast du so was in der Art gesagt wie: ›Wieso lässt du nicht zu, dass ich dich liebe? Verstehst du nicht, wie gut wir zusammenpassen?‹ Und, naja, zu dem Zeitpunkt hab ich auch geheult, also …«

Ich reibe mir über die Augen. »Ach, Ruby, das ist nicht gut. Gar nicht gut.«

»Ja, wir dürfen echt nie wieder so viel trinken.«

Auf der Suche nach meinem Handy schiebe ich verzweifelt eine Ladung Krimskrams vom Couchtisch. Schließlich entdecke ich das Telefon unter einem Pizzakarton. Es ist ausgeschaltet, das Display schimmert fettig. Als ich es anschalte, habe ich acht verpasste Anrufe und zwei neue Nachrichten.

»Mist, Mist, Mist …«

Ich öffne die erste Nachricht.

Ruf mich zurück. Sofort!

Ich drücke mir das Telefon an die pochende Stirn.

Ich will die zweite Nachricht gar nicht lesen, aber ich weiß, dass es sein muss. Er hat sie mir eine Stunde nach der ersten geschrieben.

Ich hasse es, dass ich dich zum Weinen gebracht habe. Ruf mich an, wenn du das liest. Ist mir egal, wie verkatert du bist. Wir müssen reden. 

Ich starre das Display an.

»Cassie? Alles in Ordnung?«

»Keine Ahnung. Er hat geschrieben ›Wir müssen reden‹.«

»O verdammt.«

»Das hab ich auch gedacht.«

Ich wähle seine Nummer. Die Mailbox geht dran. »Hey, hier ist Ethan. Hinterlasst mir ’ne Nachricht. Oder auch nicht. Egal.«

Ich lege auf. »Scheiße!«

»Es ist doch erst sieben«, meint Ruby, »und du hast ihn mit deiner betrunkenen Verbalattacke immerhin ziemlich lang wachgehalten. Vielleicht solltest du ihn ausschlafen lassen.«

»Ich brauch dein Auto.«

»Äh … meinst du nicht, dass du noch zu betrunken bist, um zu fahren? Ich meine das nämlich schon.«

»Ich muss zu ihm, Ruby.«

Sie reibt sich die Augen. »Na schön. Der Autoschlüssel liegt auf meinem Schreibtisch. Du hast übrigens Pizzaflecken auf der Brust.«

Ich schaue an mir runter und bin nicht überrascht, dass sie recht hat. »Ruby, wir trinken nie wieder so viel.«

»Ehrenwort.«

 

Eine halbe Stunde später klopfe ich an Holts Tür. Mir ist so schlecht, dass ich Angst habe, gleich kotzen zu müssen. Als er nicht sofort aufmacht, steigt meine Panik ins Unermessliche. Ich klopfe wieder.

Nach ein paar Sekunden höre ich schlurfende Schritte, dann geht die Tür auf, und Elissa schaut mich verschlafen an.

»Cassie?«

»Hey, Lissa.«

»Es ist 7.30 Uhr.«

»Ich weiß.«

»An einem Samstag.«

»Tut mir leid. Ist dein Bruder zu Hause?«

»Ich glaub nicht. Er hat vor ’ner Stunde irgendwas gebrüllt, dass er laufen geht oder so. Ich hoffe, er wird von ’nem Auto angefahren. Der Idiot hat voll den Lärm gemacht heut Nacht. Um drei hat er angefangen zu putzen.«

»Er hat … geputzt?«

»Yep. Das tut er nur, wenn er total aufgebracht ist. Um vier hat er gesaugt. Ist irgendwas zwischen euch vorgefallen gestern Abend?«

»Äh … die Sache ist die, ich war betrunken, und ich … naja, ich glaub, ich hab ihn am Telefon ziemlich angeschrien.«

»Du hast ihn betrunken angerufen?«

Ich verziehe das Gesicht. »Offenbar schon.«

»Naja, das erklärt so einiges.« Sie gähnt. »Willst du reinkommen und auf ihn warten?«

»Gern, wenn das okay ist?«

»Klar.« Sie lässt mich rein und trottet zurück in ihr Zimmer. »Er ist bestimmt bald wieder da. Mach’s dir bequem. Ich geh wieder ins Bett. Wenn er zurückkommt, gib ihm ’ne Kopfnuss von mir, okay?«

»Okay. Danke. Sorry, dass ich dich geweckt hab.«

»Kein Ding.« Sie schließt ihre Zimmertür hinter sich, und ich schaue mich im Wohnzimmer um. Es ist blitzsauber.

Mein Kopf schmerzt, also lasse ich mich auf die Couch fallen und blättere eine herumliegende Zeitschrift durch, bis mir auffällt, dass ich rein gar nichts aufnehme. Ich lege das Heft zurück auf den Couchtisch und gehe in Holts Zimmer. Sein Bett ist mit schon fast militärischer Präzision gemacht. Auf der Bettdecke liegt ein aufgeschlagenes Buch … O Gott.

Ist das etwa sein Tagebuch?

Seine ordentliche Schrift bedeckt beide Seiten, und ein Stift liegt in der Mitte.

Versuchung, dein Name ist Holts Tagebuch.

Der Drang, es zu lesen, ist beinahe übermächtig, aber ich weiß, wie furchtbar es sich anfühlt, wenn jemand unerlaubt in die eigene Privatsphäre eindringt. Und obwohl ich meinen linken Arm geben würde, um einen kurzen Blick in Holts Gedankenwelt werfen zu können, wäre der Vertrauensbruch enorm.

Ich klappe das Buch schnell zu, ohne dass ich etwas lesen kann, und lege es zusammen mit dem Stift auf den Nachttisch. Dann krabble ich in sein Bett und drücke das Gesicht in sein Kissen.

Hmmm. Riecht das gut.

Bitte, lass ihn nicht sauer auf mich sein.

Bitte.

 

Etwas streift meinen Hals.

Lippen. Warmer Atem.

Ich drehe mich um.

»Cassie?«

Psst, du verscheuchst noch die Lippen.

»Hey … bist du wach?«

»Nein. Pssst. Mein Freund kommt bald zurück.«

Die Lippen kehren zurück. Irgendwie fühlen sie sich anders an. Lächelt der Mund? Er bewegt sich über meinen Hals und mein Kinn. So zärtlich, aber auch ein wenig rau. Sein Kinn. Seine Wange.

»Wer glaubst du, küsst dich da gerade?«

»Hmm. Orlando Bloom?«

Die Lippen halten mitten im Kuss inne.

»Bloom? Ernsthaft? Dein Freund würde diesen verweichlichten Engländer gnadenlos fertigmachen.«

»Willst du damit andeuten, dass du mein Freund bist?«

Mehr Küsse überziehen meinen Hals, einer landet auf meinem Ohr. »Ich will gar nichts andeuten. Ich stelle etwas fest.«

»Unmöglich. Mein Freund hat es nicht so mit Zärtlichkeit.«

Die Lippen verschwinden. Seufzen.

Ich schlucke mit geschlossenen Augen. »Tut mir leid.«

»Was denn?«

»Was ich gerade gesagt hab. Und was ich gestern Nacht gesagt hab. Bitte sei nicht sauer auf mich. Daran war nur der Wein schuld.«

»Nein, war er nicht.«

»Okay, du hast recht. Ich kann es nicht gänzlich darauf schieben.«

Er nimmt mein Gesicht in seine Hände. »Cassie, es war weder der Wein schuld noch Ruby – obwohl ich gehört hab, wie sie dich im Hintergrund angefeuert hat. Wenn hier irgendjemand an was schuld ist, dann bin ich es.«

Die Entschuldigung, die ich mir schon zurechtgelegt hatte, bleibt mir im Hals stecken. Ich öffne vorsichtig ein Auge. »Äh … was?«

»Du hast mich einen verfickten Arschloch-Freund genannt, und du hattest recht.«

Jetzt sind beide Augen offen. »Hab ich tatsächlich diese Worte benutzt?«

»Ja.«

»Sogar das F-Wort?«

»Ja. Ich muss gestehen, dass es mich ein bisschen angeturnt hat.«

Ich schiebe mich auf die Ellenbogen hoch und mustere ihn. Er muss gerade geduscht haben, weil er nur in Boxershorts neben mir liegt. Der Anblick irritiert mich. Was allerdings noch irritierender ist – er windet sich nicht wie sonst unter meinem Blick.

Ich schüttle den Kopf. »Sorry, was hast du gerade gesagt?«

Er lässt sich nach hinten fallen und schließt die Augen. »O Gott. Alles, was du gesagt hast. Die ganzen Vorwürfe … Du hast ja recht. Ich hab dich auf Distanz gehalten.«

»Wieso?«

Als er zögert, streiche ich ihm über den Arm, will ihn ermutigen weiterzureden. Nach ein paar Sekunden öffnet er die Augen wieder und starrt an die Decke. »Weißt du, was mein erster Gedanke war, als ich hier reingekommen bin und dich in meinem Bett gesehen hab?«

»Was?«

»Dass du mein Tagebuch gelesen hast?«

»Hab ich aber nicht. Ich schwöre es –«

Er reibt sich die Augen. »Ich weiß. Als ich kurz darüber nachgedacht habe, wusste ich, dass du das nie tun würdest. Und trotzdem hab ich zuerst das Schlimmste von dir angenommen, weil das meine Art ist … mit Leuten. Ich rechne immer mit dem Schlimmsten, und wenn es dann passiert, überrascht es mich nicht. Und enttäuscht mich nicht. Also – deshalb war ich so.«

»Ethan –«

Er öffnet die Augen und setzt sich abrupt auf. »Ich war gestern Nacht ziemlich wütend auf dich. Ich meine, wirklich richtig wütend. Und zwar nicht deswegen, weil du mir das alles gesagt hast, sondern weil es die Wahrheit ist. Du hast die ganzen Dinge, die ich an mir hasse, auf den Punkt gebracht. Die ganze Scheiße aus meiner Vergangenheit, die nichts mit dir zu tun hat, aber trotzdem Auswirkungen auf dich hat.« Er schüttelt den Kopf. »Ich werde mich noch mehr bemühen. Ich weiß, das klingt ziemlich lahm, aber mehr kann ich nicht tun, oder?«

Ich bin mir nicht sicher, ob er versucht, mich zu überzeugen oder sich selbst.

»Bei was wirst du dich denn bemühen?«

»Insgesamt … es … besser zu machen.« Er nimmt mein Gesicht in die Hände und küsst mich. Die Geste hat etwas Verzweifeltes. »Ich kann das. Ich kann der Freund sein, den du verdienst.«

»Ich glaube dir.« Noch während ich es ausspreche, weiß ich, dass es eine Lüge ist.

 

Am nächsten Morgen packe ich gerade meine Bücher ein und schiebe mir schnell eine Scheibe Toastbrot in den Mund, als es an der Wohnungstür klopft.

Davor steht Ethan und streckt mir lächelnd einen Pappbecher entgegen.

»Ich-bin-ein-Arsch-Macchiato?«, frage ich besorgt.

»Nö, einfach ’ne normale heiße Schokolade. Mit extra Marshmallows.« Er grinst und gibt mir einen Kuss.

Er ist frischrasiert und trägt ausgewaschene Jeans und ein blaues Sweatshirt. Einen Moment lang bin ich baff. Er ist nicht wie sonst ganz in Schwarz gekleidet wie ein grimmiger Grufti. Und er ist hier. Zuvorkommend. Lächelnd.

Das passt nicht in mein Bild.

Sein Lächeln erstirbt. »Wieso zur Hölle starrst du mich so an, als wäre ich irgendein Serienkiller? Die Schokolade ist nicht vergiftet.«

Okay, das ist schon normaler.

»Es ist nur …« Es irritiert mich, wie gutgelaunt und … unbelastet er wirkt. »Äh, was machst du hier?«

Er schiebt sich an mir vorbei in die Wohnung und stellt den Becher auf den Tisch. »Ich versuche, ein besserer Freund zu sein, erinnerst du dich? Ein guter Freund bringt seine Freundin zum Unterricht. Also, hier bin ich.« Er nimmt meine Tasche, wirft sie sich lässig über die Schulter und stöhnt. »Fuck, was hast du denn da drin, bitte?«

»Bücher.«

»Bücher aus Blei?«

»Ich denke, ein guter Freund würde sich nicht beschweren.«

»Ich … beschwere mich nicht.«

Ich schnaube. »Na gut.«

Er legt mir den Arm um die Taille und zieht mich an sich, dann küsst er mich auf eine Art, dass meine Hormone von Null auf Hundert schießen.

Er sieht mich triumphierend an. »Das war ja wohl nett, oder?«

Ich nicke. Das ist zwar keine richtige Antwort, aber mehr bekomme ich nicht hin.

»Bist du so weit?«

»Yep.«

Er nimmt meine Hand und zieht die Tür hinter uns zu.

Ich glaube, ich mag meinen neuen Freund.

4Halt dich an mir fest

Gegenwart

New York City

Wohnung von Cassandra Taylor

»Lass mich rein, Cassie. Bitte.« Er ist echt überzeugend. Zärtlich fährt er mit den Fingern meinen Arm hoch bis zu meinem Hals und legt dann seine Hand an mein Gesicht. Er neigt den Kopf, und sein Mund ist weich an meiner Wange.

Ich umklammere die Türklinke noch fester und schließe gleichzeitig die Augen.

»Lass einfach die Tür los.« Seine Stimme ist ruhig, aber entschlossen. Hypnotisierend. »Ich weiß, dass diese E-Mail nicht alles wiedergutmachen kann, was ich getan habe –«

»Nein, das kann sie nicht.«

»– aber ich habe jedes Wort genau so gemeint. Und wenn du mich reinlässt, in dein Leben, werde ich es dir beweisen. Bitte …«

Sein Mund streift mein Ohr, und ich erzittere unter der sanften Berührung. Meine Hand schmerzt, weil ich die Klinke so fest drücke.

Er schaut auf meine Hand und löst langsam meine Finger. »Du willst Halt?«, fragt er leise. »Dann halt dich an mir fest.« Er legt meine Hand an seine Schulter.

»Ethan, ich weiß nicht, ob ich das kann.«

»Ich weiß. Aber lass mich dir helfen.«

»Du selbst hast früher nie zugelassen, dass ich dir helfe.«

»Ich weiß. Das hätte ich aber tun sollen. Mach nicht dieselben Fehler, die ich gemacht habe. Bitte. Lass mich dir zeigen, dass es nicht zu spät ist für uns.«

Ich schließe die Augen, als er meine Hand an seine Brust drückt und meine Finger streichelt. Es fühlt sich richtig an, aber trotzdem bleibt ein schaler Beigeschmack.

Tue ich das wirklich gerade? Denke ich wirklich darüber nach, es noch mal mit ihm zu versuchen?

»Rede mit mir, Cassie. Bitte.«

Ich starre seine Brust an. Sein Shirt ist blau. Wenn ich ihm jetzt in die Augen schauen würde, hätten sie dieselbe Farbe.  

»Woran denkst du?«, fragt er leise.

»Ich weiß nicht.«

Er drückt meine Hand. »Dann sag ich es dir. Du denkst, dass du die letzte Zeit wie betäubt warst und dass du jetzt nicht mehr zurückfindest. Und dass alle diese verworrenen Gefühle, die ich in dir hervorrufe, dich Dinge wünschen lassen, die du nicht haben kannst. Dieser Teil von dir wünscht sich sogar, du hättest mich nie getroffen, weil ich verantwortlich bin für das ganze Chaos in deinem Leben. Hab ich recht?«

Ich seufze. »So ungefähr.«

Er hält kurz inne, ehe er weiterspricht. »So hab ich mich auch gefühlt. Als es mit uns ernst wurde. Ich hatte das Gefühl, dass alles zu groß ist. Und dann war da diese leise, paranoide Stimme in meinem Kopf, die mir fortwährend zugeflüstert hat, dass du mich zerstören wirst. Ich bin mir ziemlich sicher, dass du in deinem Kopf eine ähnliche Stimme hast.«

Das stimmt. Der Unterschied ist nur, dass ich nie Probleme hatte, jemandem zu vertrauen. Bis er kam.

»Aber du hast mir das schon zweimal gesagt«, wende ich ein. »Und zweimal hat es nicht geklappt. Zweimal hast du mir das Herz gebrochen.«

Er streichelt wieder meine Hand. »Ich weiß. Und genau deswegen wird es nicht leicht, dir zu beweisen, dass es dieses Mal anders ist. Aber Cassie, schau mich an.«

Ich hebe zögernd den Kopf. Als sich unsere Blicke treffen, fixiert er mich.

»In der Vergangenheit fühlte es sich gut an, wenn wir Zeit miteinander verbrachten. Aber wir wussten nicht, ob wir uns auch guttun. Fühlen und wissen sind zwei unterschiedliche Dinge. Jetzt weiß ich es. Wir sind füreinander bestimmt. Lass mich die paranoide Stimme zum Verstummen bringen, die immer am Zweifeln ist.«

Ich dachte auch immer, dass wir füreinander bestimmt sind. Dass unsere Verbindung besonders ist. Aber er hat mir mehrfach das Gegenteil bewiesen.

Wenn er mich dieses Mal wieder enttäuscht, wird nichts mehr von mir übrig bleiben.

5Perfekte Verkleidung

Sechs Jahre zuvor

Westchester, New York

The Grove

Seit zwei Wochen ist Ethan jetzt schon so, wie ich ihn mir immer gewünscht hatte. Er ist aufmerksam und zärtlich, und wir haben jeden Freitag und Samstag feste Dates. Er hat mir sogar Blumen mitgebracht. Schon zweimal.

Ich kann es nicht fassen, wie er sich verändert hat. Genauso wenig wie die anderen aus unserer Clique.

»Was zum Teufel hast du nur mit Holt gemacht?«, fragt Jack, als Ethan mir etwas zu trinken kauft. »Das ist ein bisschen so wie in dem Film, wo Aliens in die Körper von den Leuten schlüpfen und auf einmal alle ganz anders sind. Er hat mir seit Wochen nicht mehr gesagt, dass ich das Maul halten soll. Das ist unnatürlich und falsch.«

Connor zuckt mit den Achseln. »Vielleicht hat ihn die Liebe einer guten Frau verändert.« Er lächelt mir zu. »Ich persönlich bin ja froh, dass er nicht mehr so ein arrogantes Sackgesicht ist.«

Zoe zieht ihren Puder aus der Tasche und bearbeitet damit ihre Nase. »Also, ich kauf ihm das nicht ab. Niemand, der so ein Arschloch ist wie Holt, verändert sich über Nacht. Habt ihr gesehen, wie böse er Erika heute beim Masken-Unterricht angeschaut hat? Wenn Blicke töten könnten. Ich sage euch, der wahre Holt steckt noch in ihm.«

Ich blende ihre Stimmen aus. Es ist mir egal, was sie sagen. Ethan war in letzter Zeit einfach wunderbar, und ich habe vor, es so lange wie möglich zu genießen.

Als Ethan zum Tisch zurückkommt, gibt er mir einen langen Kuss. Die anderen verstummen. Jack steht auf und betrachtet Ethans Nacken.

»Was zur Hölle tust du da?«

»Nichts, nichts«, meint Jack und stellt sich auf die Zehenspitzen. »Ich suche nach den Alien-Tentakeln, die sich in dein Gehirn gefressen haben.«

Ethans Miene verfinstert sich, und er schubst ihn weg. »Halt’s Maul, Avery.«

Die anderen grölen und applaudieren. Ethan sieht mich fragend an. Ich schüttle nur den Kopf und ziehe ihn neben mich auf den freien Stuhl. Als ich verstohlen zu Ethan schaue, lächelt er, aber seine Augen sagen etwas anderes. Es wirkt so, als würde ihn diese neue Version seiner selbst anstrengen.

So gern ich die Wahrheit auch leugnen würde, mit jedem Tag wird es deutlicher, dass er nur eine Rolle spielt.

 

Immer wenn ich versuche, mit Ethan darüber zu reden, wechselt er entweder das Thema, ignoriert mich oder benutzt seinen Sexappeal als Ablenkungsmanöver.

So wie jetzt.

Er liegt zwischen meinen Beinen und bewegt sich so, dass es mich ganz verrückt macht. »Ich hab noch ’ne bessere Idee«, murmelt er und knöpft meine Jeans auf. Meine Jeans sind schon halb heruntergezogen, als mir klar wird, was er gesagt hat.

»Äh … was, jetzt?«

Er zieht mir die Hose ganz aus und wirft sie auf den Boden. Dann kniet er sich zwischen meine Beine und streichelt meine Oberschenkel. Mir bleibt die Luft weg, ich kann nicht mehr reden. Wahrscheinlich hatte er genau das bezweckt.

Er senkt den Blick auf meine Unterhose. Seine Augen sind dunkel und hungrig. Als seine Finger zum Saum meiner Unterhose gleiten, ziehe ich scharf die Luft ein.

»Bist du nervös?«, fragt er. Ich nicke. »Musst du nicht sein. Genieß es einfach.«

Ganz langsam zieht er mir die Unterwäsche aus und senkt dann seinen Mund. Ich kann die Geräusche nicht unterdrücken, die ich von mir gebe, egal, wie peinlich sie mir sind. Als ich zusammenzucke, umfasst er meine Hüfte und saugt noch fester. Ich habe noch nie so etwas gespürt. Dann nimmt er den Zeigefinger dazu, und ich werde beinahe ohnmächtig.

In dieser Nacht explodiere ich vor Lust. Mehrfach.

Wir reden nicht über ihn. Oder darüber, wie es mit uns weitergehen soll.

Morgen, nehme ich mir vor, als er die Wohnung verlässt. Wir reden morgen darüber.

 

Ruby reißt entsetzt die Augen auf. »Warum habt ihr keinen Sex mehr?«

»Pssst!«