Balanceakt Familiengründung (Leben Lernen, Bd. 266) - Eva Tillmetz - E-Book

Balanceakt Familiengründung (Leben Lernen, Bd. 266) E-Book

Eva Tillmetz

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Beschreibung

Das "Regensburger Familienentwicklungsmodell" unterstützt junge Paare in der ersten Familienphase, die oft als überfordernd und besonders konfliktträchtig erlebt wird. FamilienberaterInnen und -therapeutInnen können auf ein differenziertes Modell zurückgreifen, um individuelle Lösungen mit Paaren zu erarbeiten. Mit der Geburt des ersten Kindes entsteht ein neues Familiensystem, das junge Eltern häufig einer großen Belastungsprobe aussetzt. Zeit wird zum knappen Gut, der Einsatz für Beruf und Familie muss neu ausgehandelt werden; Finanzen, Haushalt, Hobbys, Paarbeziehung, Sex und Erziehungsstil bieten reichen Konfliktstoff. Das von Eva Tillmetz entwickelte »Regensburger Familienentwicklungsmodell« unterstützt junge Familien darin, für sie die maßgeschneiderte stimmige Balance zu finden. Sämtliche Lebensbereiche, Aufgaben, Wünsche und Ziele werden mit visuellen Mitteln verdeutlicht, Probleme werden in ihrem strukturellen Zusammenhang sichtbar. Das hier erstmals dargestellte Beratungsmodell verhilft verlässlich zu alltagstauglichen Problemlösungen. - Erprobtes und bewährtes Konzept - Breit einsetzbar in Paarseminaren, Eltern-Kind-Gruppen, Beratung und Familientherapie

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Seitenzahl: 334

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Eva Tillmetz

Balanceakt Familiengründung

Paare begleiten mit dem »Regensburger Familienentwicklungsmodell«

Impressum

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Klett-Cotta

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© 2014 by J. G. Cotta’sche Buchhandlung

Nachfolger GmbH, gegr. 1659, Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Hemm & Mader, Stuttgart

Illustrationen: Tony Kobler

Fotos: Klaus Kurz

Datenkonvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Printausgabe: ISBN 978-3-608-89143-0

E-Book: ISBN 978-3-608-10656-5

PDF-E-Book: ISBN 978-3-608-20236-6

Dieses E-Book entspricht der 1. Auflage 2014 der Printausgabe

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Julius und Hannah

Inhalt

Vorwort von Gabriele Grabl

Einleitung – Familie ist mehr!

1 Familiengründung heute

1.1 »Willst du mal Kinder?« Lebenserwartungen und Lebenserfahrungen vor der Familiengründung

1.2 »Wie stellst du es dir vor?« Entscheidungen während der Schwangerschaft

1.3 »Wer steht heute Nacht auf?« – Lebenswirklichkeiten nach der Familiengründung

1.4 Wer wirkt auf wen? – Familiengründung aus systemischer Sicht

1.5 Wie arbeiten Eltern zusammen? – Auf der Suche nach einem ausbalancierten Kooperationsstil

2 Die Entstehung des Regensburger Familienentwicklungsmodells

3 Die Elemente des Regensburger Familienentwicklungsmodells

3.1 Lebensfelder – worauf die Familie gründet

MEINS – die persönlichen Lebensfelder beider Partner

MEIN BERUF – die Berufsfelder beider Partner

ICH&DU – das Paarfeld

FAMILIENMANAGEMENT – das Elternteam-Feld

MUTTER-KIND-/VATER-KIND-WELT – das Feld der Mutter-Kind- und Vater-Kind-Beziehung

MEINE HERKUNFTSFAMILIE – die Felder der Elternhäuser

UNTERSTÜTZUNG – das Feld familiennaher Unterstützungssysteme

3.2 Ressourcenpool – wer und was das Leben reich macht

Personen, die die Familie begleiten und beeinflussen

Themen, die die Eltern erfüllen

Gefühle, die die Familienmitglieder bewegen

Geld und Zeit – Ressourcen, die Eltern verteilen

3.3 Die Achsen des Regensburger Familienentwicklungsmodells

Die Achse der individuellen Lebensfelder

Die Achse der gemeinsamen Lebensfelder

Die Achse der Regenerationsfelder

Die Achse der Arbeitsfelder

Die Achse der Unterstützungsfelder

Die Achse der Zukunftsfelder

3.4 Horizontale und vertikale Achsen: Ist die Familie in Balance?

4 Das Regensburger Familienentwicklungsmodell in der Praxis

4.1 Anwendungsfelder des Regensburger Familienentwicklungsmodells

Familienbildung: Seminare, Workshops, Vorträge

Paartherapie und Elternberatung

Hypothesenbildung und Supervision

4.2 Modellaufbau in Seminaren

Lebensfelder vor der Familiengründung

Lebensfelder nach der Familiengründung

4.3 Individualisierter Aufbau in Therapie und Beratung

Phase 1: So leben wir. – Aktuelle Ist-Situation

Phase 2: Davon träumen wir … – Wünsche und Lösungsideen

Phase 3: Das schaffen wir! – Realistische Veränderungen

5 Visualisierung repräsentativer Themen in der Paartherapie und Elternberatung

5.1 Keine Zeit! – Überblick eröffnet Spielräume

5.2 Brennpunkte entschärfen – umgebende Ressourcen nutzen

5.3 Sprache wiederfinden

5.4 Paardynamik entschlüsseln

5.5 Wo hat sich nur die Lust versteckt?

5.6 Die Familie wächst – Vorbereitung auf den Neuzugang

5.7 Binationale Paare – zwei Welten begegnen sich

5.8 Für den Fall, wir trennen uns – was dann?

5.9 Allein lebend, aber nicht alleinerziehend

5.10 Patchwork-Familien – Beziehungsmanagement auf höchstem Niveau

6 Vom Regensburger Familienentwicklungsmodell zum Familienentwicklungsspiel FIB – FAMILIE IN BALANCE

6.1 Das Beziehungsnetz spielend entdecken

6.2 FIB – ein Spiel und viele Variationen

6.3 Das Spielmaterial

6.4 FIB-Impressionen aus dem Kurs »Eltern werden – Partner bleiben«

Neu in der Stadt – Unterstützung gesucht

Fest verwurzelt – Neues wagen

Doppelt berufstätig – Burnout-Gefahr bannen

7 Elternteamwork durch die gesamte Familienphase

Hinweis zum Download der Arbeitsblätter

8 AnhangMaterialien aus dem Seminar »Eltern werden – Partner bleiben«

Danksagung

9 Literatur

Vorwort

Entscheidungen sind die einzigen uns noch verbliebenen Zukunftsbeschreibungen.

Und deshalb mag es sich empfehlen, Entscheidungen im Probierstil zu entwerfen,

sie an Lernmöglichkeiten auszurichten oder sie so zu wählen, dass sie mehr Wahlmöglichkeiten erzeugen als vernichten.

Niklas Luhmann1

Die Entscheidung, das System Familie in Subsysteme zu unterteilen, ist eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen. Wenn Beobachtungen anders eingeordnet werden, entstehen neue Einsichten und Sichtweisen und diese verändern die Kommunikation von Zukunfts- und Lebensentwürfen. Welche Entwicklungen ergeben sich, wenn unterschiedliche Subsysteme im Familiensystem als solche wahrgenommen und Unterscheidungen und Abgrenzungen eingeführt werden? Es lohnt sich sicherlich, welche zu entwerfen, mit ihnen spielerisch umzugehen und sie auszuprobieren, um zu entdecken, welche neuen Wahlmöglichkeiten dadurch entstehen.

In einer Gesellschaft, in der die Familie – Familie als System betrachtet – in einem immer größer werdenden Spannungsverhältnis zu anderen Systemen, wie z.B. dem Wirtschaftssystem, steht, wird es, um den Weiterbestand des Familiensystems zu sichern, unabdingbar sein, ein Bewusstsein für diese sich aktuell vollziehenden Entwicklungen zu schaffen, und so dieses System von innen heraus zu stärken.

Jedes System schafft sich die Voraussetzungen für seinen Weiterbestand selbst. Viele junge Eltern sind aktuell dabei, dies zu tun, sie sind bereits auf der Suche nach Unterstützung. Sie haben das Bedürfnis, oft zusammen mit TherapeutInnen und BeraterInnen, auf ihr Familiensystem zu schauen, und schaffen sich dadurch die Chance, neue Wahlmöglichkeiten zu entdecken. Eltern spüren, dass sie innerhalb dieses Systems lebend, ihren blinden Fleck verrücken müssen, dass sie Distanz benötigen, um ihr ganz persönliches Familiensystem zu sichern. Sie spüren den permanenten Wandel und Druck, dem ihr Familiensystem unterliegt und sie möchten sich Kompetenzen aneignen, die es ihnen ermöglicht, auf diesen Prozess einzuwirken. Sie sorgen damit für ihre Bedürfnisse, doch noch weit mehr: Sie streben danach, dieses System zu erhalten.

Dazu bedarf es Kompetenzen, die in vorangegangenen Gesellschaften in diesem Maße nicht notwendig waren. Mit steigender Komplexität wird es notwendig, feinere Unterscheidungen zu machen und diese auch im Alltag umzusetzen. Diese gelebten neuen Ordnungen entlasten und schaffen Freiräume, die wiederum den gelebten Beziehungen zu Gute kommen. Gelebte Beziehung ist eines unserer wertvollsten Güter, denn der Mensch kann nur in Beziehung leben und überleben.

Das Werk von Eva Tillmetz setzt genau an dieser Stelle an. Seit über zehn Jahren ermöglicht sie Eltern, ihr Familiensystem und die Wechselwirkungen mit anderen Systemen mit Distanz zu betrachten. Sie führt mit dem »Regensburger Familienentwicklungsmodell« Subsysteme ein und schafft damit die Möglichkeit von Beobachtungen zweiter Ordnung. Das gilt für TherapeutInnen ebenso wie für die Eltern.

Jedes dieser Subsysteme hat Grenzen und unterscheidet sich in der Art und Weise der Kommunikation, welche es zu erkennen und zu erlernen gilt. Mit dem Erwerb dieser Kompetenzen wird das Familiensystem ein zukunftsfähiges Projekt, aus dem die darin lebenden Mitglieder gestärkt hervorgehen und das Familiensystem neben anderen Systemen bestehen kann.

Gabriele Grabl M.A.

EinleitungFamilie ist mehr!

»Damit haben wir nicht gerechnet!!« – Wer mit jungen Eltern arbeitet, hört diesen Satz regelmäßig. Mütter wie Väter sind völlig überrascht, wie sehr sich ihr Leben auf den Kopf stellt. Ihr Kind betritt die Bühne des Lebens – und schlagartig, von einem Tag auf den anderen verändert sich nahezu alles. Die Tage unplanbar, die Nachtruhe unterbrochen – jeder Tag hält Überraschungen bereit und erfordert Entscheidungen. Eine Familie in Balance zu halten bzw. eine erste Balance überhaupt erst zu finden, bedeutet weit mehr als nur die einfache »work-life-balance«.

Viele Forschungen haben sich in den vergangenen 30 Jahren mit den großen Veränderungen im Familienleben, vor allem in der Phase der Familiengründung, beschäftigt. Sie haben die Problematik von verschiedenen Seiten beleuchtet und die Belastungen dezidiert herausgearbeitet. Bei meinen Recherchen hatte ich manchmal den Eindruck, so schwierig wie das alles ist, würde ich heute keine Familie mehr gründen. Daher gleich zu Beginn: Auch wenn ich die Rahmenbedingungen der Familiengründung beleuchten werde, geht es mir vor allem darum, jungen Paaren Mut zu machen und werdende und junge Eltern zu bestärken, dass sie das Abenteuer Familie meistern können.

Als ich vor fünfzehn Jahren mit der Paarberatung begann, spürte ich jedes Mal, wenn ich mit jungen Eltern arbeitete, welch eine Faszination von dieser schrecklich-schönen Lebensphase ausgeht. Wirklich, nichts ist so umwerfend wie dieses erste Kind! Junge Eltern erleben Momente, in denen sie unendlich glücklich, zu Tränen gerührt und stolz vor ihrem Neugeborenen stehen. Doch schon wenige Augenblicke später werden der Blick ängstlich und die Hände unsicher, wenn das Baby erwacht und herzzerreißend weint. Mal sind Mutter und Vater überglücklich über ihre eigene, kleine Familie. Mal sind sie verärgert über die fehlende Unterstützung oder auch traurig, weil gewohnte Freiheiten und Lebensziele zumindest vorerst verabschiedet werden müssen. Eltern-werden – ein Gefühlskarussell voll ungeahnter Emotionen.

Das Leben mit Kind kann so unterschiedlich starten. Ein Baby, das viel schreit, oder ein krankes Neugeborenes fordert Eltern ganz anders heraus als ein schnell gedeihender Wonneproppen. Doch selbst ein »pflegeleichter« Säugling wirbelt alle Lebensbereiche der Eltern durcheinander. Persönliche Freiheiten und Zeiten für die Liebe brechen weg, stattdessen dreht sich fast alles um das neugeborene Kind und um das ebenso neue Familienmanagement.

Eine Vielzahl von Fragen taucht auf, die Antworten und Entscheidungen erfordern. Vieles wird unter Zeitdruck gelöst. Entscheidungen, bei denen sich die meisten Eltern vor der Geburt vorgenommen hatten, sie gemeinsam zu fällen, werden oft, meist aus praktischen Gründen, eines Tages von der Frau allein getroffen. Vor allem wenn beide Eltern berufstätig bleiben, wird Zeitmanagement zum Familienthema Nr.1. Wunschvorstellungen und gelebte Realität klaffen oft weit auseinander, was Paare in den ersten Familienjahren besonders schmerzlich erleben. Wie kommt es, dass zwischen Wunsch und Wirklichkeit solch eine Kluft liegt?

In dieser Situation kommen Eltern in die Eheberatung oder Paartherapie. Oft können sie noch gar nicht konkret benennen, was ihnen fehlt. Sie sagen: »Wir können nicht mehr miteinander reden« oder wie es in der Dokumentation »Erklär mir Liebe. Warum trennen sich so viele Eltern?« (Aigner, 2010) heißt: »Wir haben uns entliebt.« Zunächst erleben sie sich in einem Gefühlschaos allgemeiner Überforderung, das sich häufig in Vorwürfen gegen den Partner oder die Partnerin ausdrückt. Erst im Beratungsprozess lässt sich sortieren, welche Wünsche und Bedürfnisse sich an wen richten, ob es darum geht, Halt und Perspektive für sich, für die Partnerschaft, für die Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit, für das Zusammenspiel als Eltern und für das Leben mit dem Kind zu erhalten. Dann erst kann sinnvoll eruiert werden, wo Ressourcen ungenutzt schlummern. Damit eine Familie in Balance bleibt bzw. wieder kommt, sollten alle Lebensbereiche berührt und in den Blick genommen werden.

In einem ersten Abschnitt wird im vorliegenden Buch dargestellt, welche Veränderungen bei der Familiengründung zu erwarten sind, welche Voraussetzungen Eltern heute bei der Familiengründung vorfinden und welche neuen Herausforderungen sich dadurch ergeben.

Wer heute eine Familie gründet, kennt kaum, was auf ihn zukommt, denn junge Eltern stammen zunehmend aus Kleinstfamilien – vielfach aus Ein- und Zwei-Kind-Familien der 80er-Jahre. Die Lebenswelt, in der Familie sich heute bewegt, stellt an Paare ganz andere Forderungen, die vorangegangene Generationen so noch nicht zu bewältigen hatten.

Wir wissen heute sowohl aus der Bindungspsychologie als auch aus der Familientherapie, dass ein Kind die feinfühlige Zuwendung beider Eltern braucht. Es benötigt ihre unterschiedlichen Fähigkeiten, um mit voller Kraft ins Leben zu starten. Diese Erkenntnis fordert Eltern auf eine ganz neue Weise heraus: Mütter wie Väter strengen sich heute in ganz besonderem Maße an, gut für ihr Kind zu sorgen. Dadurch entsteht allerdings auch ein neues Thema in der Kindererziehung: Eltern müssen lernen, gut zusammenzuspielen.

Zu einer fruchtbaren Kooperation gehört nicht nur, dass sie sich beide in der Erziehung einbringen, sondern auch, dass sie ihre unterschiedlichen Erziehungsqualitäten gegenseitig kennenlernen, respektieren, wertschätzen und einander Raum lassen, damit ihre Kinder vor Loyalitätskonflikten geschützt bleiben. Wie dieses Zusammenspiel aussehen kann, darum wird es in diesem Buch gehen.

Angesichts der Erfahrung von Trennungen und Scheidungen suchen Frauen, und zunehmend auch Männer, heute schon früh Hilfe für ihre Beziehung, um die Hürde des Anfangs zu nehmen. Das ist klug und weitblickend gedacht, denn je zerbrechlicher Paarbeziehungen werden, desto früher sollten Eltern unterstützt werden, eine stabile Elternbeziehung aufzubauen, auf die sie selbst im Falle der Trennung zurückgreifen können. Elternteamwork wird die neue Herausforderung für Familien im 21.Jahrhundert.

Nach einem Kapitel zur Entstehung des Regensburger Familienentwicklungsmodells werden im dritten Abschnitt alle Elemente und die innere Logik des Modells vorgestellt. Die zentrale Frage lautet: Wie steht es um die Familienbalance? Mithilfe des Modells setzen Eltern sich sowohl mit den Lebensbereichen auseinander, die bereits vor der Familiengründung bedeutsam waren, als auch mit denjenigen, die nach der Familiengründung hinzukommen und dadurch das gesamte Mobile der Lebensfelder aufwirbeln. Erfahrungsgemäß dauert es mehrere Jahre, bis sich das Mobile der Lebensfelder neu ausbalanciert hat.

Viele Regensburger Paare haben in den vergangenen fünfzehn Jahren daran mitgewirkt, dass dieses Modell, das die Fülle des Familienlebens abbildet und den vielfältigen Aufgaben, die Eltern leisten, Respekt erweist, entstehen konnte. Daher trägt es nun den Namen: das Regensburger Familienentwicklungsmodell.

Im vierten Abschnitt des Buches werden die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten des Modells vorgestellt. Die Arbeit mit dem Regensburger Familienentwicklungsmodell eignet sich für alle, die Eltern in der ersten Familienphase begleiten, denn es kann je nach Setting, ob Elternbildung, Eheberatung oder Paartherapie, in der Intensität der Arbeit variiert werden.

Das Regensburger Familienentwicklungsmodell unterstützt Eltern dabei, sich in der Familiengründungsphase Überblick zu verschaffen und mittels Visualisierung ins Gespräch zu kommen. Die Partner können einander zeigen, wie sie ihre jetzige Lebenssituation erleben, was sie sich wünschen und wie sie sich ein passendes Zusammenleben vorstellen. Dazu bestücken sie alle Lebensfelder mit den für sie relevanten Personen und Lebensthemen. Mit Seilen können sie die Fülle ihres tägliches Lebens zeigen und gleichzeitig die veränderten Überschneidungsbereiche erkennen. Aus unterschiedlichen Perspektiven blicken sie so auf die Familie, die sie gerade neu erschaffen. Dabei wird durch die mehrgenerationale Perspektive beispielsweise eine Auseinandersetzung mit traditionellen versus modernen Denk- und Verhaltensmustern möglich.

Abbildung 1: Das Regensburger Familienentwicklungsmodell: Seminaraufbau: Vor und nach der Familiengründung

Der strukturierte Modellaufbau ermöglicht über die unterschiedlichen Achsen des Modells Verantwortlichkeiten zu verdeutlichen: Was gehört in den Einflussbereich jedes Einzelnen? Wofür sind beide gemeinsam zuständig? Wie steht es um die Balance zwischen Arbeit und Regeneration und welche Unterstützungssysteme stehen den Eltern zur Verfügung?

Ob Hobbys, Haushalt oder Herzenswünsche, im begleiteten Dialog erfahren sie voneinander ihre Ziele und Sehnsüchte und überlegen miteinander – Schritt für Schritt – alltagstaugliche Lösungen, wie sie aus der Überforderung herausfinden.

Alle Bestandteile des Modells sind beweglich. Sie lassen sich verschieben, verkleinern, vergrößern, verändern. Sie bewegen die Vorstellungen, die Wirklichkeitskonstruktionen, das Wahrnehmen, Denken und Fühlen, lösen Emotionen aus und vertiefen das Verständnis und die Beziehung zueinander.

Das Regensburger Familienentwicklungsmodell fokussiert sowohl auf bestehende als auch auf noch erschließbare Ressourcen. Es eröffnet aufgrund des Perspektivwechsels neue Handlungsoptionen und inspiriert, das gemeinsame Leben mit Kind(ern) stressärmer und lustvoller zu gestalten. Paare lernen, wie sie sich aktiv für ihre Familienbalance einsetzen können, sodass jeder genügend Zeit und Raum für sich, seine Gefühle und Bedürfnisse erhält. Auf seinem veränderbaren Spielfeld stößt das Regensburger Familienentwicklungsmodell Ideen für ein neues Zusammenleben als Familie an und vermittelt den Eltern die Erfahrung, selbstwirksam in ihrer Familie tätig zu sein: Wir beide gestalten unsere Familie!

Der fünfte Abschnitt beschreibt, wie mit dem Regensburger Familienentwicklungsmodell spezielle Themen in der Paartherapie und Elternberatung erarbeitet werden können. Ursprünglich wurde das Regensburger Familienentwicklungsmodell für die ersten Jahre eines Paares als Eltern entwickelt, in denen sie in das »Lebensprojekt Familie« hineinwachsen. Im Laufe der Jahre stellte ich allerdings fest, dass nicht nur mit frischgebackenen Eltern, sondern auch mit Eltern, die mehrere Kinder haben, getrennt oder in einer Patchworkfamilie leben, das Modell gewinnbringend einsetzbar ist. Insbesondere größere Familiensysteme, Mehrgenerationenhaushalte oder Patchworkfamilien erkennen es als Chance, sich auf diesem Weg Überblick über ihr vielfältiges Beziehungsnetz zu verschaffen. Wenn ein Neugeborenes für beide Eltern die zweite Familiengründung ist, müssen mehr als doppelt so viele Lebensfelder im Blick behalten werden. Sich dabei als Paar noch im Blick zu halten, verlangt abenteuerlichen Einsatz.

Das Regensburger Familienentwicklungsmodell ist über viele Jahre gewachsen. Für die Arbeitsfelder Beratung, Therapie und Supervision lernen Sie sowohl die früheren Arbeitsmaterialien kennen als auch die neuen, die durch die Weiterentwicklung zum systemischen Familienentwicklungsspiel FIB – FAMILIE IN BALANCE entstanden sind. Dieses Lern- und Lebensspiel für die Elternbildung, Paarberatung und Familientherapie werde ich im letzten Teil des Buches vorstellen und anhand ausgewählter Beispiele Spielmöglichkeiten darstellen. Alle Praxisbeispiele aus der Beratung und Therapie, die mit den Materialien des Regensburger Familienentwicklungsmodells vorgestellt werden, können genauso gut mit dem Spiel FIB – FAMILIE IN BALANCE erarbeitet werden. Es ist mit platzsparenden und mobilen Personen-, Themen- und Gefühlskarten ausgestattet, was insbesondere in der aufsuchenden Familientherapie oder für die sozialpädagogische Familienhilfe hilfreich ist.

FIB – FAMILIE IN BALANCE eignet sich insbesondere für binationale Paare, da die Lebensfelder in fünf bedeutende Sprachen der in Deutschland lebenden Migranten und Migrantinnen übersetzt wurden. Auf den Rückseiten stehen die Namen der Lebensfelder in Englisch, Französisch, Polnisch, Russisch und Türkisch.

FIB – FAMILIE IN BALANCE nutzt alle Varianten des Regensburger Familienentwicklungsmodells und beinhaltet Anleitungen für zehn Spielvariationen. Von der Kurzintervention bis zum ausgiebigen Gruppenspiel soll es unterschiedlichsten Ansprüchen gerecht werden. Mit Ihrer Hilfe, liebe Kolleginnen und Kollegen, und allen Eltern, die sie begleiten, werden es sicherlich noch mehr Spiel- und Arbeitsmöglichkeiten werden.

1 Familiengründung heute

Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen rund um die Familiengründung haben sich seit der Mitte des letzten Jahrhunderts so grundlegend geändert, dass wir sie von verschiedenen Seiten beleuchten sollten, um Paare besser zu verstehen. Eine besondere Spannung ergibt sich daraus, dass die äußere Familienrealität zu den verinnerlichten Familienbildern, die unbewusst oder aber auch als bewusst greifbare Vorbilder dienen, nicht mehr passen. Die Jahre vor der Familiengründung nehmen heute einen großen Zeitraum ein und haben einen lebenslaufbestimmenden Stellenwert bekommen. Daher sollen sie eigens betrachtet werden.

1.1 »Willst du mal Kinder?« Lebenserwartungen und Lebenserfahrungen vor der Familiengründung

»Mädchen, muss das denn sein, dass du jetzt hochschwanger nach China fliegst?« – »Oma, wenn Mia ihren Papa kennenlernen möchte, müssen wir jetzt fliegen«, antwortet die Enkelin, die zwei Jahre als Ingenieurin in China gearbeitet hat und dort mit einem Amerikaner liiert ist. Solche Herausforderungen kannten unsere Großeltern nicht.

Frei und ungebunden – über viele Jahre haben heute Männer und Frauen die Möglichkeit, sich individuell zu entfalten. Sie lernen, sich ihre Zeit einzuteilen, ihren Alltag autonom zu organisieren, entscheiden selbständig, mit welchen Personen sie sich umgeben. Sie studieren im Ausland oder arbeiten in weltweit agierenden Konzernen und lernen dort Menschen aus allen Kulturen der Welt kennen. Anders wie noch die Großeltern, die meist unmittelbar aus dem Elternhaus in die Ehe wechselten, haben heutige Erwachsene zumindest in ihrer eigenen Wahrnehmung viele Jahre vor der Familiengründung selbstbestimmt gelebt. Dieser große Freiheitsgrad wird später wichtiges Thema werden. Die in diesen Jahren erworbene Selbständigkeit wird eines Tages ein wichtiger Schutzfaktor für die Paarbeziehung und die Beziehung zum Kind sein, auch wenn diese Selbständigkeit gerade in der frühen Familienphase herbe Einbußen erfahren wird (Graf, 2002, S.119).

Als Single vollzieht sich das Leben in der Regel zwischen zwei großen Lebensbereichen: zwischen Privatleben und Beruf. Singles wägen zwischen persönlichen und beruflichen Bedürfnissen ab und entscheiden, wie viel Zeit und Energie sie in diese beiden Lebensbereiche einbringen. Während der Beruf der Lebensraum ist, in dem Männer wie Frauen ihren Unterhalt verdienen, Verantwortung übernehmen und ihre Talente entfalten, hat der persönliche Lebensbereich in unseren Breiten vor allem Freizeitcharakter und wird mit Kontakt zu Freunden, Ausüben von Hobbys, Entdecken der Welt in Verbindung gebracht. Arbeit und Anstrengung beschränken sich für die meisten auf den Beruf, während in dieser Lebensphase das Privatleben in erster Linie der Regeneration dient. Wer lange Ausbildungs- und Studienjahre hinter sich hat, möchte, dass sich all die Mühe gelohnt hat, wodurch der berufliche Erfolg einen hohen Stellenwert erhält und sich die Familiengründung nach hinten verschiebt. Nicht nur in der Berufseinstiegsphase, sondern auch noch später stellt die sogenannte work-life-Balance für Männer und Frauen eine echte Herausforderung dar. Dabei sind, aus der Elternperspektive betrachtet, bislang »nur« zwei Lebensbereiche zu koordinieren.

Die Herkunftsfamilie, das Elternhaus, spielt als dritter Lebensbereich im frühen Erwachsenenalter meist eine nachgeordnete Rolle, gilt es doch in dieser Lebensphase, sich von ihnen abzulösen und eigene Lebenswege auszuprobieren. Wo die Eltern selbst noch aktiv im Leben stehen, können beide Generationen weitgehend unabhängig voneinander leben. Für die spätere Familiengründung ist diese Ablösung von entscheidender Bedeutung. Manche Familienforscher gehen sogar davon aus, dass junge Eltern von ihren Eltern bereits abgelöst sein sollten, bevor sie eine eigene Familie gründen (Wallerstein & Blakeslee, 1998). In meiner Beobachtung ist nur ein Teil der Ablösung vor der Familiengründung möglich, eine zweite Ablösung von den Eltern erfolgt gerade erst durch das eigene Elternwerden.

Frisch verliebt verschieben sich die Prioritäten: Die Partnerschaft nimmt plötzlich einen zeitlich wie emotional großen Raum im Leben von Mann und Frau ein, während individuelle oder auch berufliche Anliegen vorerst in den Hintergrund treten. Zumindest in den ersten Monaten gewinnt das Liebesleben Oberhand über alles andere. Nächtelange Gespräche, Zärtlichkeiten, Sex bestimmen das Leben, gemeinsame Urlaube lassen die Welt rundum vergessen, und eines Tages stellt sich die Frage: Wollen wir zusammenziehen? Vor 100 Jahren wäre diese Frage ohne vorherige Heirat undenkbar gewesen. Heute heiraten in Westdeutschland immerhin noch knapp 20% der Paare unmittelbar vor dem Zusammenziehen, während in Ostdeutschland der Trauschein praktisch keine Rolle mehr spielt (Goldstein, Kreyenfeld, Huinink, Konietzka & Trappe, 2010).

Für die große Mehrheit ist eine »endgültige« Entscheidung füreinander, so wie das früher mit einer kirchlichen Trauung öffentlich deklariert wurde, noch in weiter Ferne. Vielmehr möchten Paare heute erst das Zusammenleben miteinander erproben, bzw. sie legen weniger Wert auf die Institution der Ehe, da das unverheiratete Zusammenleben heute nicht mehr sanktioniert wird.

So leben zwei Erwachsene weitgehend autonom zusammen, die sich ihre beiden bisherigen Lebensbereiche, den persönlichen Freundeskreis, die Hobbys und Interessen, aber auch die (Vollzeit-)Berufstätigkeit erhalten. Darüber hinaus steht ihnen die Paarbeziehung als zweites Regenerationsfeld zur Verfügung, in dem sie sich über die tagsüber gemachten Erfahrungen austauschen, miteinander entspannen und Lust erleben können. Sie haben Zeit, einander kennenzulernen, und finden heraus, ob sie einander vertrauen und sich gegenseitig unterstützen können. Wo dies gelingt, vertieft es die Beziehung zueinander. Zeitlich versetzt, doch nicht minder wichtig ist, dass sie lernen, ihre unterschiedlichen Ansichten, Werte und Vorlieben zu respektieren und sich einander individuelle Freiräume zuzugestehen.

Das eigene Elternhaus rückt meist noch ein Stück weiter weg, denn Rückversicherung, Trost und Nestwärme bietet jetzt der Partner bzw. die Partnerin.

In längeren Beziehungen mögen sich schon erste Auseinandersetzungen mit dem Elternhaus ergeben. Fragen, ob man nicht doch das eine oder andere Beziehungsmuster oder gar große Teile des Partnerschaftskonzepts der eigenen Eltern verinnerlicht hat, werden in Konfliktgesprächen Thema, doch längst nicht mit der Brisanz, die nach der Familiengründung ins Spiel kommen wird, wenn ein Paar gemeinsam Kinder erzieht.

Viele Erwachsene gestalten heute über viele Jahre ihr Leben im Dreieck zwischen persönlichem Freiraum, Beruf und Paarbeziehung. Mal gewollt, mal eher unfreiwillig unterbrechen partnerschaftsfreie Zeiten diese Lebensphase. Die langen Jahre der Paarbeziehung ohne Familiengründung finden nicht zwangsläufig mit ein und demselben Partner bzw. ein und derselben Partnerin statt. Nicht selten brechen Beziehungen genau zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kinderwunsch Thema und von beiden Partnern gegensätzlich beantwortet wird.

Familiengründung ist heute nicht mehr selbstverständlich. Double income no kids – vor hundert Jahren noch war diese Lebensform so gut wie unbekannt. Sie war Paaren »vorbehalten«, die keine Kinder bekommen konnten. Entweder war jemand alleinstehend und blieb dann im Elternhaus, oder aber mit der Paarbeziehung ergab sich fast automatisch die Familiengründung, der die Eheschließung voranging – oder möglichst schnell folgte. Die Zahl der Kinderlosen hat sich in den letzten dreißig Jahren mehr als verdoppelt. Während in der Altersgruppe der heute 50- bis 75-Jährigen nur 12% kinderlos geblieben sind, haben derzeit in der Gruppe der 35- bis 39-Jährigen 26% keine Kinder. Von den über 40-jährigen Frauen mit hoher Bildung ist sogar knapp ein Drittel kinderlos (Pötzsch, 2011).

Was sich zunächst als nüchterne Zahlen darstellt, hat vielfältige gesellschaftliche Auswirkungen. Es beeinflusst den Lebensalltag, verändert gesellschaftliche Werte und spiegelt sich in Wirklichkeitskonstruktionen wider. Dazu ein Beispiel:

In der Zeitschrift »managerseminare«, einem Magazin für Führungskräfte und Selbstständige, widmete sich 2001 eine ganze Ausgabe der sogenannten work-life-balance. Das Heft trug den Titel: »Die Bausteine des Lebens«. Auf der Titelseite sind aus Buchstaben des Scrabble-Spiels bereits vier Worte gelegt: KARRIERE, FREIZEIT, BERUF, LIEBE. Einzelne Buchstaben liegen noch lose, ein fünftes Wort soll als weiterer »Baustein des Lebens« gebildet werden, der mit dem F des Wortes BERUF beginnt. F wie …? Was vermuten Sie? F wie FREUNDE wird gerade aus den restlichen Buchstaben gebildet! Die Bausteine des Lebens sind hier wie auch im Leitartikel des Magazins (Stoessel, 2001) die Lebensbereiche des Singles bzw. der sogenannten Dinkies (double income no kids) FAMILIE, KINDER, ZUKUNFT, Begriffe, die sich genauso ins Wörterspiel hätten einfügen lassen, fehlen! Ob diese über zehn Jahre alte Zeitschrift schon veraltet ist? Wohl kaum. Nach wie vor liegt die Geburtenrate bei knapp 1,4 – was zur Folge hat, dass jede nachfolgende Generation um etwa ein Drittel kleiner ist als ihre Elterngeneration (Seiffke-Krenke & Schneider, 2012). 1960 lag die Geburtenrate noch bei 2,5 Kindern.

Angesichts des demografischen Wandels unternimmt der Staat viel, um Anreize zur Familiengründung zu schaffen. Die Auslegung der Statistik des Familienministeriums klingt wie ein Hoffungsschimmer für alle, die sich nach mehr Kindern von gebildeten Frauen sehnen: »So ist in Westdeutschland der Anteil der Geburten der über 35-jährigen Akademikerinnen zwischen 2000 bis 2011 um 32,4 Prozent deutlich angestiegen. Die geschätzte Geburtenrate bei Akademikerinnen lag 2005 bei 1,24 und 2011 bei 1,34.« (BMFSFJ 2012, Familienreport 2012) Solche »Erfolgsmeldungen« können aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich Familie nach wie vor nur schwer ins Lebenskonzept vieler Männer und Frauen integrieren lässt. Die Berufswelt bringt den Anstrengungen, die Eltern leisten, wenig Wertschätzung entgegen. In welchem Maße der Beruf eine Hürde für die Familiengründung darstellt, zeigt beispielsweise eine Umfrage der Fachhochschule Frankfurt (Ziegler & Graml, 2011). Von 1800 befragten Müttern sagten 72% (!), dass ihnen die Schwangerschaft beruflich geschadet habe. Sie monieren, dass anstehende Karriereschritte gecancelt, bevorstehende Gehaltserhöhungen gestrichen wurden und ihre Stellung im Team gelitten habe.

Mit diesen oder ähnlichen gesellschaftlichen Schwierigkeiten wird ein Paar, das den Schritt der Familiengründung wagt, umgehen müssen. Wo landet der Ärger über solch eine erlebte Ungerechtigkeit? Sicherlich schnell beim bislang engsten Vertrauten: dem Partner oder der Partnerin. Umso diffiziler, wenn der oder die womöglich gerade beruflich erfolgreich ist.

Der hohe Anteil kinderloser Berufstätiger wirkt sich auch unmittelbar auf das Paar aus, das eine Familie gründen will. Nicht nur ihre Karrieren stehen auf dem Spiel, sondern auch die persönlichen Beziehungen stehen zur Disposition. Hobbys, Chillen, spontane Freizeitaktivitäten, all das, was man mit den anderen Kinderlosen unternommen hat, wird womöglich wegfallen und die kinderlosen Freunde damit auch. Das fürchten vor allem junge Männer, weswegen sie davor zurückschrecken, Vater zu werden (Allensbach, 2005).

So attraktive Werte wie Freiheit und Spontaneität, freie Liebe und freie berufliche Entfaltung stehen der Familiengründung entgegen – sie tauchen als Tagträume zwischen Windeln und Wäsche garantiert wieder auf – und trotzdem ist die Sehnsucht nach Familie ungebrochen. Die Frage, ob man eine Familie brauche, um glücklich zu sein, wird seit den 80er-Jahren von jungen Erwachsenen (18–30 J.) mit steigender (!) Zustimmung mit Ja beantwortet. Waren es Mitte der 80er-Jahre knapp die Hälfte, sind es 2010 bereits Dreiviertel aller jungen Erwachsenen (Weick, 2011).

Vermutlich wird diese Sehnsucht ja gerade dadurch verstärkt, dass junge Menschen heute einen weiten Weg zurücklegen müssen, bis sie sich in der Lage fühlen, selbst eine Familie zu gründen. Lange Ausbildungs- und Studienzeiten, unsicherer bzw. verspäteter Einstieg ins Berufsleben durch Praktika und befristete Arbeitsverträge lassen Paare zögern, für Kinder Verantwortung zu übernehmen. Anfänglich reizen internationale Arbeitsaufträge und Traineeprogramme in Asien oder den USA, doch nach Jahren wechselnder Wohnungen und wechselnder Partnerschaften wächst bei vielen wieder die Sehnsucht nach einem beständigen Zuhause. »Heimat« ist ein Wort, das in den vergangenen zehn Jahren wieder modern geworden ist.

Wenn die Sehnsucht nach Familie sich Bahn bricht, konkurrieren berufliche Entwicklung und Realisierung des Kinderwunsches miteinander in einem eng definierten zeitlichen Fenster. Besonders für höher gebildete Frauen und Männer wird der Zeitraum zwischen sicherem Berufseinstieg und noch möglicher Familiengründung immer kleiner (Schmitt, 2007). Mittlerweile ist eine Frau durchschnittlich 30 Jahre alt, wenn sie das erste Mal Mutter wird, durchschnittlich sieben Jahre älter als noch ihre Mütter. Jedes vierte Erstgeborene hat inzwischen eine über 35-jährige Mutter (BMFSFJ 2010, Familienreport 2010).

So augenfällig berufliche und freizeitbezogene Argumente als Gründe für die späte Familiengründung sein mögen, in einer repräsentativen Umfrage zur Kinderlosigkeit stehen zwei ganz andere Antworten weit vorne an der Spitze: »Ich habe bisher noch nicht den passenden Partner/die passende Partnerin gefunden«, sagt knapp die Hälfte der über 1600 befragten Frauen und Männer, und fast genauso viele kreuzen an: »Ich fühle mich noch zu jung für ein Kind« (Allensbach, Monitor Familienleben 2012). – Man könnte das so auslegen: Junge Erwachsene gehen heute mit großer Vorsicht an die Familiengründung heran. Sie erwarten von sich und vom Partner eine gewisse Reife, bevor sie sich zutrauen, selbst Eltern zu werden. Sie spüren, dass zwanzig Jahre Familienverantwortung ein extrem langer Zeitraum ist in einer sich immer schneller entwickelnden technischen Welt. Kritisch gelesen, könnte man aber auch einen leistungsbezogenen Perfektionismus vermuten, eine Haltung, die durch die Studien- und Berufswelt viele Jahre gefördert wurde. Ein selbst auferlegter Numerus clausus zum Elternwerden.

Ein weiterer Aspekt, der ebenfalls mit der späten Familiengründung in Verbindung steht und in der Paarberatung vergleichsweise häufig auftritt, ist die ungewollte Kinderlosigkeit. Zunehmend mehr Paare bekommen keine Kinder, obwohl sie sich welche wünschen. Früher oder später unterziehen sich viele einer Kinderwunschbehandlung – ein mühsamer Weg, denn nur 18% dieser Paare werden mithilfe von In-vitro-Fertilisation (IVF) oder Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) Eltern. In Deutschland verdankt circa jedes hundertste Neugeborene seine Existenz einer Befruchtung außerhalb des Körpers (Sütterlin, 2013). Erfahrungen, die die Frau und der Mann während einer Hormonbehandlung machen, haben oft gravierende Auswirkungen auf deren Paarbeziehung, insbesondere auf ihr sexuelles Leben. Hoffen und Bangen, Enttäuschungen und Selbstzweifel, Gefühlsschwankungen, die durch die Hormonbehandlung oft extrem verstärkt werden, verlangen von jedem Einzelnen und dem Paar ein hohes Maß an psychischer Stabilität. Sie sollten über gute Kommunikationsfertigkeiten und hohe Konfliktfähigkeit verfügen, damit ihre Beziehung die Behandlung überlebt. Zum Glück gibt es mittlerweile ganzheitliche Konzepte, die Paare auf diesem Weg begleiten (de Jong & Thurmann, 2008). Wird die psychische Begleitung des Paares vernachlässigt, spüren Eltern die Nachwehen dieser Behandlung noch manche Jahre, während ihr Kind heranwächst. Wie gut sich die Frau vom Mann und umgekehrt unterstützt fühlte und wie gut jeder für seine eigene psychische Stabilität sorgen konnte, wird sich auch auf die Beziehung zum Kind auswirken.

Was für diese Eltern das größte Glück bedeutet, stürzt andere gleich zu Beginn ihrer Elternschaft in Panik. Frauen, die vom Partner allein gelassen werden oder sich dieser Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt in dieser Partnerschaft nicht gewachsen fühlen, müssen bereits in kürzester Zeit eine tief greifende Entscheidung treffen. Sieht die Frau Abtreibung als einzigen Ausweg oder findet sie kompetente Unterstützung, die die Partnerschaft scheinbar nicht zu leisten vermag? Wo beispielsweise mithilfe einer Schwangerenberatungsstelle die Frau Perspektiven erhält, wie ein sicherheitgebendes Netzwerk aufgebaut werden kann, ermöglicht ihr das, sich für ihr Kind zu entscheiden. Manchmal wird mithilfe einer Beratung sogar möglich, mit einem zunächst geschockten Partner wieder ins Gespräch zu kommen und gemeinsam eine Zukunft zu entwerfen.

Männer in Panik können sich der Situation leichter entziehen. Ein Teil der Väter wird nie in der Beratung auftauchen. Womöglich wird erst viele Jahre später ihr erwachsenes Kind in die Familienberatung kommen und auf diesem Wege Kind und Vater einander kennenlernen. Ein Teil der werdenden Väter hat aber auch schon heute den Mut, sich in der prekären Lage Hilfe zu holen. Seit vielen Jahren arbeite ich in Kooperation mit einer Schwangerenberatungsstelle und unterstütze Paare während der Schwangerschaft. Viele dieser Paare, deren Beziehung anfänglich auf wackeligen Beinen steht, lernen früh zwischen Partnerschaft und Elternschaft zu unterscheiden, und manchen gelingt es, sich beides zu erhalten.

1.2 »Wie stellst du es dir vor?« Entscheidungen während der Schwangerschaft

Ist erst einmal die Entscheidung für das Kind gefallen, freuen sich die allermeisten werdenden Eltern auf ihr Kind – Mütter wie Väter gleichermaßen (!) haben Fthenakis und Minsel in ihrer Untersuchung erfahren, besonders dann, wenn ihre Partnerschaft schon einige Jahre, genauer gesagt im Durchschnitt acht Jahre, Bestand hatte (Fthenakis & Minsel, 2001). Der Kinderwunsch braucht also Zeit zu reifen, und die Paarbeziehung hat Zeit, sich zu entwickeln.

Paare machen sich bereits im Vorfeld viele Gedanken, wie sie einmal als Familie leben wollen. Noch nie zuvor haben so viele werdende Eltern wie heute die Aufgabe der Kindererziehung als gemeinsame Aufgabe verstanden. Gut 70% der Väter wollen heute nicht mehr nur Ernährer der Familie sein, sondern sich aktiv an der Kindererziehung beteiligen (Fthenakis & Minsel, 2001), und ich vermute aufgrund meiner Beobachtungen in der Beratung wie in der Elternbildung, dass dieser Anteil in den letzten zehn Jahren nochmals gestiegen ist.

Gerade wenn Eltern lange Jahre überlegten, wann der richtige Zeitpunkt für die Familiengründung ist, wie sie sich das Familienleben eines Tages wünschen und dann endlich den Eindruck haben: »Ja, das ist der richtige Partner/die richtige Partnerin! Mit dem/der kann ich mir Familie vorstellen«, dann wünschen sie sich in dieser intensiven Phase des Familienstarts ausreichenden Raum und Zeit, um ihre Familienvorstellungen zu verwirklichen (Bertram & Spieß, 2010) – Raum und Zeit werden aber, das werden sie später feststellen, oft fehlen.

Eine zweite Entscheidung, die die geplante bzw. bevorstehende Familiengründung auslöst, ist vielfach die Eheschließung. Jetzt soll die Verbindung öffentlich gemacht, die Verbindlichkeit von beiden unterzeichnet werden. Dreiviertel aller westdeutschen Eltern sind zum Zeitpunkt der Geburt des ersten Kindes verheiratet. Das Heiratsalter der Frauen ist mit dem Elternwerden mitgewandert: Während es 1970 noch bei 23 Jahren lag, heirateten Frauen im Jahre 2011 mit durchschnittlich 30,5 Jahren (BMFSFJ 2012, Familienreport 2012). Auch wenn aus christlich-theologischer Sicht die Eheschließung als Band zwischen Mann und Frau verstanden wird und sie nach katholischen Vorstellungen dann vollzogen werden sollte, wenn Mann und Frau eine Lebensgemeinschaft eingehen, wird sie von der Mehrzahl der Paare – auch der katholischen – heute genau dann vollzogen, wenn der systemische Wandel stattfindet: zum Zeitpunkt der Familiengründung, wenn sich zur Paarbeziehung die Elternbeziehung gesellt. In dieser Hinsicht unterscheiden sich westdeutsche Paare von den vorherigen Generationen nur wenig.

In den neuen Bundesländern, mehr staatlich als kirchlich geprägt, hat sich eine andere Tradition durchgesetzt. Da zu DDR-Zeiten ledige Mütter besser unterstützt wurden als Verheiratete – eine verheiratete Frau konnte damals erst beim zweiten Kind ein Babyjahr nehmen, eine ledige bereits beim ersten Kind –, verzichteten Paare seit den 70er-Jahren zunehmend auf die Eheschließung. Auch heute noch kommen Dreiviertel der Erstgeborenen in Ostdeutschland bei nicht verheirateten Eltern zur Welt, wobei die meisten ledigen Frauen in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft leben und ein Drittel später doch noch heiratet (Goldstein, Kreyenfeld, Huinink, Konietzka & Trappe, 2010, S.8).

Werden Paare auf ihre Motive hin befragt, weswegen sie heiraten, so nennen sie an erster Stelle, dass sie ihrer Partnerschaft einen festen Rahmen geben wollen. Für Frauen ist vor allem wichtig, dass die Heirat für sie eine klare Verbindlichkeit bedeutet, auf die sie sich verlassen können. Interessanterweise sagen mehr Männer als Frauen, dass sie meinen, dass Kinder in einer Ehe besser aufgehoben sind (Wippermann, 2010). Vielleicht könnte man das auch so formulieren: Männer fühlen sich sicherer, wenn sie ihre Kinder in einer Ehe wissen.

Noch weitere Entscheidungen stehen während der Schwangerschaft an. Im neu entstehenden Lebensfeld der Elternbeziehung werden die Partner jetzt bereits entscheiden, wie die zukünftige Arbeitsverteilung aussehen soll. Wer wird wie viel Erwerbstätigkeit und wie viel Familienmanagement übernehmen? Die Erwerbstätigkeit muss früher entschieden werden als die Hausarbeit, denn die Arbeitsgeber wollen informiert werden. Die Auswirkungen dieser Reihenfolge spüren Paare, vor allem Mütter, erst später.

Wunsch und Wirklichkeit klaffen hier nach wie vor weit auseinander. Auch wenn Dreiviertel aller werdenden Eltern sich wünschen, ihre Familie gemeinsam zu organisieren, entscheiden sie sich bezüglich der Verteilung der Erwerbstätigkeit anders. Nach wie vor ist die Vollzeitberufstätigkeit des Mannes für fast alle Paare Selbstverständlichkeit. 95% aller Väter arbeiten Vollzeit mit im Schnitt 44 Wochenstunden. Ein Viertel von ihnen verbringt sogar über 50 Stunden in der Woche im Betrieb – da sind noch keine Fahrwege eingerechnet! (Allensbach, Monitor Familienleben 2012. Paradoxerweise arbeiten Väter sogar mehr als ihre kinderlosen Kollegen – durchschnittlich 2 Stunden länger pro Woche! (Krack-Roberg, Krieger & Weinmann, 2011)

Einzig die zwei Vätermonate, die in Deutschland seit 2007 als bezahlte Elternzeit angeboten werden, können als Verbesserung und als ein emotionaler Einstieg ins Familienleben angesehen werden. Mittlerweile entscheiden sich 27% der Väter, diese Auszeit für die Familie zu nehmen (Statistisches Bundesamt, 2013). Während Frauen für ihren Kinderwunsch eher ihren Beruf zur Disposition stellen, machen Männer, die ihre Kinder aktiv erziehen wollen, eher Abstriche in ihrer Freizeit, als dass sie ihre Berufstätigkeit reduzieren.

Ganz anders entwickelt sich die Erwerbstätigkeit bei den meisten Frauen. Vierfünftel der Frauen verabschieden sich von der bisherigen Vollzeit-Berufstätigkeit (Krack-Roberg, Krieger & Weinmann, 2011). Bis noch vor wenigen Jahren planten Frauen in den alten Bundesländern selten ihre Rückkehr in den Beruf konkret. Angesichts fehlender faktischer wie emotionaler und mentaler Unterstützung wurde die Weiterführung des Berufs als nicht einschätzbare Größe angesehen und in die Ferne geschoben. Geschlechtstypische Verdienstunterschiede (Gender Pay Gap) und steuerrechtliche Regelungen spielen in diesem Zusammenhang immer noch eine entscheidende Rolle und führen dazu, dass unter einer Kosten-Nutzen-Abwägung die traditionelle Rollenverteilung sinnvoller erscheint (Bujard & Schiefer, 2012).

So wurde und wird, meist kaum diskutiert, eine berufliche Entscheidung getroffen, die für den Mann bedeutet, dass er auf nicht absehbare Zeit das Familieneinkommen zu schultern hat. Dagegen bildet besonders für höher qualifizierte Frauen eine ausbildungsgemäße Wiedereingliederung in den Beruf ein nicht kalkulierbares Risiko.

Seit Einführung des Elterngeldes und dem Ausbau der Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren kehren vor allem höher qualifizierte Mütter früher in den Beruf zurück – häufig unter Ächzen und Stöhnen, da diese Entscheidung eine ungeheure Mehrbelastung für sie und die ganze Familie darstellt, die nicht allein mit Kinderbetreuung ausgeglichen werden kann. Zusätzlich braucht es in der Regel noch Haushaltsunterstützung und vor allem ein gutes Zeitmanagement beider Eltern. Trotz der früheren Rückkehr in den Beruf erlebt die Frau häufig einen Positionsverlust im Team und muss oft Karriereziele aufgeben, selbst wenn sie Vollzeit weiterarbeitet.

Neben der Erwerbstätigkeit ist das Familienmanagement das zweite Aufgabenfeld, für das werdende Eltern Absprache treffen müssen. Die meisten Paare haben bereits vor dem ersten Kind zusammengelebt. Sie hatten einen kleinen Haushalt, den sie mehr nebenbei und vielleicht sogar paritätisch verteilt organisierten. Dementsprechend vereinbaren viele Paare vor der Familiengründung noch, dass sie sich auch zukünftig die Haushaltsarbeit teilen wollen. Doch meist kommt es anders. Die Befunde der Vorwerk-Familienstudie 2012 belegen, dass zwar der überwiegende Teil der Väter (63%) eine egalitäre Verteilung der Haus- und Familienarbeit befürwortet, tatsächlich übernehmen aber nur 25% der Väter die Hälfte der zu erledigenden Arbeiten (Vorwerk-Familienstudie, 2012). Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie die übernommenen Arbeiten kommuniziert werden. Bleiben sie unsichtbare Selbstverständlichkeiten, oder fordern sich die Partner gegenseitig auf, die zu Hause erbrachten Leistungen, sei es Abwasch oder Fenster putzen, mit Wertschätzung zu honorieren? Im Regensburger Familienentwicklungsmodell werden gerade die sonst unsichtbaren Tätigkeiten im Familienmanagement sichtbar.

Bis heute wird die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Öffentlichkeit vor allem als Frauenfrage diskutiert2, doch wenn die Zufriedenheit von Paaren in der frühen Familienphase steigen und die Scheidungshäufigkeit sinken sollen, dann wird dieses gesellschaftspolitisch brisante Thema von beiden Geschlechtern auf mehreren Ebenen diskutiert werden müssen. Bis dahin wird jedes Paar im Innenverhältnis eigene Lösungen finden müssen: Wie wollen wir beide es halten? Hier sind Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten gefragt, die das Paar oft erst lernen muss. In der Paarberatung kommt diese Frage häufig als retrospektiv nicht ausreichend diskutiertes Thema auf den Tisch. »Ich dachte, du wolltest zu Hause bleiben« – »Ich dachte, für dich kam keine andere Möglichkeit infrage«. Das Regensburger Familienentwicklungsmodell bietet sich als flexible Diskussionsgrundlage an, mit der werdende und junge Eltern die verschiedensten Varianten anschaulich durchdiskutieren können und immer wieder die Wechselwirkungen mit den umliegenden Lebensfeldern abgleichen. Auf diese Weise probieren Paare neue Wege aus, die manchmal aufgrund der eingeschlagenen Pfade nur mit Mühe umzusetzen sind. Gleichzeitig lernen sie, dass es perfekte Lösungen nicht gibt, wohl aber gute Lösungen, die für eine begrenzte Zeitdauer für beide tragfähig sind.

Ein weiteres großes Thema, das das zukünftige Elternteam zu klären hat, ist die Wohnungsfrage. Eine Entscheidung zum Hauskauf oder der Wechsel des Wohnorts können sich nachhaltig auf die Zukunft der ganzen Familie auswirken. Alle bisherigen Lebensbereiche: Persönliches, Beruf, Paarbeziehung und Herkunftsfamilie, aber auch die neuen Lebensbereiche des Familienmanagements und der Eltern-Kind-Beziehung werden von der Entscheidung der Wohnungsfrage betroffen sein. Sei es, dass die Fahrwege sich verändern, dass soziale Netzwerke wegfallen oder dazukommen, dass finanzielle Belastungen durch Eigentumserwerb entstehen, die beispielsweise Urlaube schmälern. Diese Wechselwirkungen, die mit einem Hauskauf oder Wohnungswechsel verbunden sind, können mit dem Regensburger Familienentwicklungsmodell anschaulich diskutiert werden. So werden mögliche Stressoren frühzeitig sichtbar, und Lösungsstrategien können erarbeitet werden.

Nicht nur die Wohnung, auch das Kinderzimmer wird, zumindest in Deutschland, üblicherweise vor der Geburt eingerichtet. Anders beispielsweise in Russland, wo man traditionell erst nach der Geburt des Kindes die Erstlingsausstattung für das Neugeborene anschafft (vgl. Sitten & Bräuche in Russland, 2008–