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Genussvolle und nachhaltige Reisereportage
Bali, wo die Götter auf dem Vulkan wohnen, die Regenwälder und Reisfelder vor Fruchtbarkeit strotzen, wo das Erbe der Vergangenheit breitverwurzelt bis in die Gegenwart reicht und die Menschen mit derart viel Hingabe leben – an diesem Ort sind Spiritualität und Essen untrennbar miteinander verknüpft. Die beiden Autorinnen haben sich auf den Weg gemacht, dieses Netz von Glauben, Aberglauben, Symbolik, Ritualen, Handwerk und gutem Essen zu entdecken. Sie möchten dazu beitragen, den Bali-Spirit zu verbreiten: Ein genussvolles Leben im Einklang mit der eigenen Spiritualität, der Natur und den Mitmenschen – eng verbunden mit gutem Essen.
Gesammelt haben die Fotografin Vivi D'Angelo und die Foodexpertin Antje de Vries begeisterte, neugierige und genussvolle Blicke auf die enge Verknüpfung von Spiritualität und Essen auf Bali, im Alltag und an den Feiertagen. Ergänzt durch Rezepte, die den authentischen Geschmack, aber auch persönlichen Spielraum eröffnen und erzählt in einem sehr persönlichen Reisebericht, der weit hinter die Kulissen der Urlaubsinsel reicht.
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Seitenzahl: 163
Veröffentlichungsjahr: 2021
Vivi D‘Angelo Antje de Vries
BALI
Essen mit den Göttern
Impressum
© 2021 by Südwest Verlag, einem Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München
Hinweis
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Gesamtkonzept: Vivi D’Angelo, Antje de Vries, Eva M. Salzgeber Fotografie: Vivi D’Angelo, Photography & Foodphotography – Visual concepts for food & beverage Rezepte:Antje de Vries, Köchin, Culinary Identity Texte:Antje de Vries & Vivi D‘Angelo, Projektleitung:Eva M. Salzgeber Korrektorat:Julia Feldbaum, Augsburg Layout und Umschlaggestaltung:Eva M. Salzgeber Das Covermotiv ›Bali Jungle‹ wurde freundlicherweise von der Firma Masureel, Kantstraat 1, 8531 Hulste – Belgium zur Verfügung gestellt www.masureel.com
Herstellung: Elke Cramer Redaktion und Satz: Dr. Alex Klubertanz, Haßfurt Reproduktion: Mohn Media Mohndruck GmbH, Gütersloh
ISBN 978-3-641-26165-8V002 www.suedwest-verlag.de
Inhalt
Vorwort
PURA – Tempel für die Götter
Tanah Lot und der sonntägliche Tempelausflug
Rujak Gula, Tahu Isi Goreng, Sate Babi, Sambal School, Pisang Goreng
OTONAN – Babi fürs Baby
Schlachtfest, Megibung und ground setting ceremony
Bumbu Basics, Lawar, Tum, Urutan
BANJAR – Gemeinschaft & Genuss
Zeremonien in der Nachbarschaft, Jajan Bali
Steamed Brownies, Klepon Hijau, Bantal, Gula Merah Cakes
PASAR – Markt der Farben
Einkauf für die Zeremonien – Rezepte für die Opfergaben
Lak Lak, Perkedel Jagung, Nasi Campur, Jamu
PANTAI – Magie des Meeres
Der Strand, der Seafood-Markt und die Meeresgötter
Jimbaran Style BBQ, Otak Otak, Fish Head Curry, Nasi Ikan, Sate Lilit Ikan
MELASPAS – Die Hausweihung
Opfertiere für die Ruhe im Haus, Wolkenschieber für gutes Wetter
Nasi Kuning, Babi Guling
NGABEN – Im Bullen verbrannt
Der Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt
Es Campur, Es Kelapa Muda, Es Kuwut, Apokat & Coklat Juice
MAKAN – Gastronomie, spirituell
Tempel in der Küche, Opfergaben auf der Espressomaschine
Pindang Basa Gede, Sayur Urab, Soto Ayam, Gado Gado
Danksagung
Rezeptregister
Impressum
Das Glück oder vielleicht doch der Gott des Meeres, hat uns nach Bali und mitten in den gastronomischen Alltag der Insel gespült. Fasziniert von der bunten, facettenreichen Kultur und der herzlichen Offenheit der Menschen haben wir uns mitreißen lassen in das Unbekannte, in eine lebendige Art von Spiritualität, in traditionelle Zeremonien und an die spannendsten und genussvollsten Orte der Insel. Vieles war ungewohnt, einiges haben wir nicht ganz verstanden, manchmal haben wir gehadert. Doch zu spüren, wie viel Gutes passiert, wenn man vertraut und Dinge einfach mal geschehen lässt, und zu erfahren, wie unmittelbar Menschen durch gutes Essen miteinander verbunden sein können, waren zwei der großen Geschenke und Überraschungen dieser Reise.
Überraschungen, ja, denn so langfristig geplant war dieses Abenteuer nun wirklich nicht. Doch schon ein paar aufregende Erzählungen von Antje, bei unserer allerersten Begegnung während der Fotoproduktion einer Rezeptstrecke, reichten, um Vivi große Augen zu machen. Tagträumereien davon, wie schön es doch wäre, all die versteckten, ja, fast sich bescheiden zurückhaltenden Aspekte des Balinesischen Alltags einfangen zu können – jenseits der westlichen Touristenbespaßung jene Insel zu zeigen, wo das Leben in schillernd bunten Farben und berauschenden Düften und Geschmäckern im Einklang mit der Natur, den Mitmenschen, den Göttern fließt. Das erleben und davon berichten, was die Balinesen wirklich machen. Das, was sie wirklich kochen, zelebrieren, essen. Wir kannten uns noch keine zwei Tage, und das Feuer für diese gemeinsame Mission war entfacht.
Von all den Begegnungen, den Zufällen und den Geschichten, mit denen die Insel uns beschenkt hat und von denen wir so viel lernen durften, möchten wir erzählen. In einer persönlichen Chronik, die keine Chronologie hat, und vielleicht auch keine Logik in ihrer Reihenfolge außer der, dass wir das so, eben gut fanden. Auch das haben wir von unseren Freunden auf Bali gelernt. Regeln hat man ja sonst schon genug. Und genau so müssen auch Sie, liebe Leser*Innen, auch nicht der Reihe nach gehen, und überhaupt müssen Sie gar nix, sondern können einfach im Text dort eintauchen, wo die Welle Sie erwischt.
Dabei berichten wir mit offenen Augen, voller Demut, mit uns bestmöglichem Verständnis, genießendem Blick und dem Herzen auf der Zunge.
Vivi D’Angelo und Antje de Vries
Tanah Lot und der sonntägliche Tempelausflug
Die Zeitrechnung auf Bali, der Insel der Götter, ist einfach anders – nicht nur gefühlt, sondern auch gemessen. Das Jahr in diesem tropischen Paradies orientiert sich an zwei Kalendern – natürlich ganz nah am Mond, an den hinduistischen Feiertagen und an inseltypischen, animistisch inspirierten Varianten. Nehmen wir den internationalen Kalender dazu, sind es drei. Der erste Kalender heißt Saka, der sich am Gregorianischen Kalender orientiert, jedes Jahr mit Nyepi, dem Tag der Stille, und jeden Monat mit dem Neumond beginnen lässt. Um ihn mit dem Sonnenrhythmus zu synchronisieren, kommen Extramonate quasi als Zugabe hinzu. Der exklusivere Pawukon-Kalender ist aus dem Zyklus der Reisernte entstanden und umfasst 210 Tage, unterteilt in sechs Monate à 35 Tage, aber mit unterschiedlich langen Wochen. Große Inselfeiertage, Zeremonien in den Ortstempeln und Familienfeiern, Hochzeiten, Kremierungen und Geburtstage werden an dieser Zeitrechnung ausgelegt und gemessen. Wunderschön kompliziert.
Trotz dieser spannenden Zeitrechnungen und der durch sie bedingten Unwahrscheinlichkeit verstärkt sich jede Woche wieder mein Gefühl, dass es sonntags die höchste Dichte an Zeremonien gibt. Dies mag daran liegen, dass natürlich auch auf Bali der dem westlichen Rhythmus angepasste Arbeitsalltag mehr und mehr die Zeitabläufe beeinflusst und damit der Sonntag halt die meisten Freiheiten lässt. Ob diese These nun stimmt oder nicht, für mich ist der Sonntag auf der Insel einer der magischsten Tage – und Bali ist der schönste Ort auf der Welt für einen Sonntag. Ich liebe es zwar, zusammen mit meinen Kollegen hier in den Alltag der Woche einzutauchen, zudem nimmt das Grundrauschen des unaufhörlich tosenden Verkehrs inzwischen praktisch nicht mehr ab – und doch ist sonntags alles magischer und festlicher.
Unser Ziel für heute Mittag ist Tanah Lot, der Meerestempel – neben Karangasem und Uluwatu einer der wichtigsten Tempel der Insel und definitiv einer der spektakulärsten. Je nach Tide kann er entspannt über den trockengefallenen Strand erreicht werden. Läuft aber die Flut auf, wird er durch die stürmische Brandung der Westküste unerreichbar und noch geheimnisvoller.
Weit kommen wir nicht. Zwei Kilometer nach unserem Start in Sanur brausen uns zahlreiche Zweierteams wunderschöner Balinesinnen auf dem Roller entgegen. Die Fahrerin vorne lenkt geschickt durch den Sonntagmorgenverkehr, während die zweite, ihre in einen festlich-bunten Sarong geschlungenen Beine im Damensitz seitlich vom Roller streckend, einen großen bunten Turm in den Armen hält. Mit schlafwandlerischer Sicherheit bugsieren die beiden ihre farbenfrohe Fracht vor den Eingang einer Tempelanlage. Beim folgenden Manöver des Absteigens wird klar, welche Akrobatik die Damen vollbringen. Ihre bunten Türme sind große Skulpturen aus wunderschönen frischen Früchten und süßen Naschereien. Diese sind als Pyramiden auf Dulans – eine Art Tortenplatten aus buntem Holz – arrangiert und wiegen sicher mindestens sieben, acht Kilo. Konzentriert hilft die Fahrerin ihrer Beifahrerin, die Fruchtfracht nun auf deren Kopf zu wuchten. In angespannter Anmut, einen halben Meter Fruchtturm einhändig auf dem Haupt ausbalancierend, wird die letzte Etappe in den Tempel zu Fuß bewältigt, durch Tore und niedrige Türen bis ins Innere. Hier füllen sich pavillonartige Gebäude auf diese Weise zügig mit zahlreichen bunten Pyramiden. Äpfel, Mangos, Drachenfrüchte, sortenrein etagenweise auf die bunten Dulans drapiert, zwischendrin blitzt eine Reihe an Plastikflaschen von Indonesiens beliebtestem Energydrink – »alles, was einem lieb ist«, so die Charakterisierung der Güter. Obst, Candy, bunte Reiscracker … Dazwischen thront eine Art Gesteck aus langen Bambusspießen und hautfarbenem, nicht klar erkennbarem, organischem Material. Der gastfreundliche Priester, der uns vorhin in die Tempelanlage eintreten ließ und jetzt gerade bei einer Nelkenzigarette ein wenig entspannt, sieht meinen fragenden Blick: Dies sei eine Opfergabe aus Schweinehaut – gekocht, dekorativ zugeschnitten und zu filigranen Ornamenten aufgesteckt. Von jeder Seite des Schweines wird ein Stück Schwarte genommen, um die verschiedenen Teile der Erde zu symbolisieren – so sagt’s der paffende Priester. Wir unterhalten uns noch ein wenig, der Tempel füllt sich weiter mit den besonderen Opfergaben, es wird gebetet, gesegnet, getratscht. Nebenan auf einem anderen Teil des Tempelgeländes qualmen inzwischen Sate-Grills, an kleinen Büdchen werden Knabbereien und kühle Getränke angeboten, und das Spanferkel im Mini-Warung wird angeschnitten (Warung heißen die allgegenwärtigen mobilen Essensverkaufsstände, also hier Imbissstände zur Stärkung der Gläubigen). Auch mein Magen meldet sich bei dem mundwässernden Anblick.
Beim Verlassen des Tempels fällt mein Blick sofort auf eine Rauchwolke auf der anderen Straßenseite. In einem kleinen Warung raucht und zischt es. Angelockt husche ich rüber. Eine nett aussehende Dame macht ihre letzten Vorbereitungen und füllt die Auslage: Sate Babi – gegrillte Schweinefleischspieße und jede Menge Sambal, der röstaromatisch-süße Geruch betört mich. Zum Glück kann Vivi sich noch nicht ganz von dem Schwarm fotogener Damen mit Obstpyramiden auf Rollern lösen und kann mich somit auch nicht an meiner spontan-impulsiven Essensbestellung hindern. Ungesehen ordere ich schnell eine Portion von beiden Speisen, probiere erst mal ausgiebig und biete dann Vivi etwas an – eigentlich mag sie kein herzhaftes Frühstück …
»Vivi, Anni!«, ruft es von der anderen Straßenseite. Wayan, mein Kollege vom Catering Service, entdeckt uns und kommt grinsend zu uns rübergelaufen. Er fragt, ob uns die Sate schmecken, wir nicken selig, worauf er uns zu verstehen gibt, dass es seine Mutter war, die diese Spieße zubereitet und uns verkauft hat – schöne kleine Inselwelt.
HIMMELSRICHTUNGEN
Im spirituellen und, sehr großzügig gesehen, auch im geografischen Zentrum der Insel liegt der Vulkan Gunung Agung, der Sitz der Götter. Die Wichtigkeit dieses Ortes wird unter anderem dadurch deutlich, dass auf der Insel die Richtung nicht in Nord oder Süd angegeben wird, sondern in kaja, zum Vulkan hin, und kelod, vom Vulkan weg beziehungsweise zum Meer hin. Kaja bezeichnet damit auch den heiligsten und kelod den am wenigsten heiligen Ort, was nicht nur für Gunug Agung und das Meer gilt, sondern auch für die Verortung von wichtigen Elementen innerhalb einer Wohnhausansammlung – Haustempel befinden sich auf der Kaja-Seite des Grundstücks und Waschräume auf der Kelod-Seite, die natürlich auch wieder direkt an die Kaja-Seite des nächsten Grundstücks anschließt. Osten wird pragmatisch mit kauh, Sonnenaufgang, und Westen mit kangin, Sonnenuntergang, beschrieben.
Wir schlagen uns durch den wilden Verkehr in Denpasar – Umleitungen und Sperrungen wegen verschiedenster Zeremonien, verstopfte Straßennadelöhre, eine kurze Strecke als Geisterfahrer (Linksverkehr!), bis wir langsam in ruhigeres Fahrwasser Richtung Tanah Lot an die westliche, »kangin«, Küste der Insel kommen. »Ruhig« ist auch hier heute relativ – es ist derzeit Hochsaison für Drachen. Minitransporter mit den Ladeflächen voll mit jungen Männern, die große selbst gebaute Riesendrachen von einem Spot, einem Wettbewerb auf der Insel, zum nächsten transportieren. Welcher Drachen ist schöner, welcher fliegt höher, bleibt länger in der Luft? Es geht um die Ehre und den Spaß, wie man hört, wenn die kindlich aufgeregten, vom Wettbewerb angeheizten Gruppen in den Trucks an einem vorbeibrausen.
Der Pura Tanah Lot im kleinen Küstenort Tabanan ist Tempelpilgerort für Einheimische aus Bali und Java, Touristenattraktion und Naturschauplatz zugleich – und so fühlt sich die lange, schmale Zufahrtstraße, die in einen großen Parkplatz mündet, oft wie die Zufahrt eines Freizeitparks an: Touri-Busse, klimatisierte SUVs, Kolonnen an Scootern. Die Balinesen alle in Sarongs, den bunten Wickeltüchern, Kebaya, den festlichen Blusen für die Damen, und Udeng, dem Kopfschmuck balinesischer Männer.
Um die hungrige Pilgerschar zu versorgen, erhöht sich die Dichte der kleinen Warungs und mobiler Verkaufsstände deutlich, je mehr man sich der Tempelanlage nähert. Es fällt mir schwer, all diesen Versuchungen entlang des Weges zu widerstehen, und irgendwann muss ich links rüberfahren, als ich einen Stand mit einem großen Schild »Es Kelapa muda« entdecke – Eis mit junger Kokosnuss, bunte Gelees, gummiartige Drops, frisches Obst. »Es« ist hier und in den meisten Teilen Asiens pures Wassereis, meist schneeartig vom Block geschabt und auf verschiedenste Arten verfeinert. Hier mit junger Kokosnuss und Kokosnussgelee, als Es Kuwut mit balinesischer Limette, Melone und Basilikumsamen, oder als Es Campur, gemischtes Eis mit noch mehr bunten Gelees (Weizengras, Tapiokaperlen, Fruchtgelees) und mit Sirups und gesüßter Kondensmilch übergossen.
Während ich die gebackenen Bananen – Pisang Goreng – entdecke, entdeckt Vivi interessante Perspektiven im Reisfeld nebenan und verschwindet bis auf Weiteres darin. Ich folge ihr, da ich glaube, es ist für das Vivi-perfekte Reisfeldbild besser, wenn ich jetzt das Umfeld für sie scanne und erst nach Verlassen des Feldes vor den Schlangen, die oft die Reisfelder bewohnen, warne.
Bei der Tempelanlage Tanah Lot angekommen ist die Aufgabenteilung für mich klar: Vivi bekommt all die Zeit, die sie braucht, um die optimale Welle-Wolke-Tempel-Konstellation zu fotografieren, und ich erkunde die Streetfood-Verkäufer auf dem Tempelgelände – alles fürs Projekt! Von Klepon, den kleinen Reismehlküchlein mit Pandan und Palmzuckerfüllung, hab ich jetzt schon Monate fantasiert und kann mich kaum zügeln, der netten Verkäuferin, die gerade noch die Kokosnuss frisch reibt, nicht direkt die Tagesproduktion abzukaufen. Dieses Gefühl, wenn man erst die leicht salzige Kokosnuss schmeckt, dann die sanfte Pandan-Note freigesetzt wird und beim Beißen die flüssige, würzigsüße Füllung aus Gula Merah, dem balinesischen roten Zucker, den Mund einnimmt, hat eindeutig Suchtpotenzial. Ich reiße mich zusammen, kaufe nur eine Portion und bereue dies mindestens den Rest des Tages.
RELIGION
Bali ist als kleines Eiland im Inselstaat Indonesien, dem größten islamischen Staat der Welt, eine exklusive, bunte Enklave. »Agama Hindu Dharma« oder auch »Agama Tirtha«,die Religion des heiligen Wassers, ist die Religion, die im Hinduismus wurzelt, buddhistische Elemente trägt und von dem inseltypischen animistischen Glauben an die Kräfte der Natur und ihre vielen Gottheiten geprägt ist. Der Glaube an eine Welt in unterschiedlichen Ebenen, der Einklang des Individuums mit all diesen Welten und die Verehrung der Ahnen charakterisieren mit ihren zahlreichen Ritualen und Festen den Alltag. So vergeht kein Tag, keine Stunde, ohne dass mögliche böse Geister und Dämonen besänftigt, guten Göttern gehuldigt, Opfergaben dargebracht und Gebete gesprochen werden. Eine friedvolle, sanfte, bunte Spiritualität, die der Insel der Götter ihren Zauber verleiht.
Gut achtzig festlich in Weiß gekleidete Balinesen wandeln mit ihren Keben, den Korbschatullen für Opfergaben, zu einem Gebetsort mit Blick auf den Wassertempel. Die Opfergaben werden nach vorn gebracht, gemeinsam wird gebetet, dann werden sie wieder vorn abgeholt. Kurzes Selfie-Posing – weiter geht’s zum nächsten Tempel.
Für uns geht es zur Stärkung zu einer herzlich lächelnden Dame, die, auf einem gefliesten Sockel sitzend, Obst schneidet. Hinter ihr entspannen sich fünf Männer beim Verzehr von Rujak – beste Werbung! –, wir bestellen auch direkt eine Portion. Als die Dame beim Mörsern der würzig-süßen Sauce fragt, ob es »spicy« sein darf, entgegne ich: »Pedas sekali!« – »Sehr scharf!« Die Herren im Hintergrund werden hellhörig. Eine Buleh mag es spicy? Einer von ihnen schnappt sich eine verdammt scharf aussehende Chili, nickt mir zu, zerkaut die Chili und schaut mich herausfordernd an – die Chili Battle beginnt! Nach vier Chilis abwechselnd für jeden – ich darf mir bloß nicht anmerken lassen, wie mir die Schärfe fast die Tränen in die Augen treibt – interveniert die Rujak-Dame aus Angst um ihren Zutatenbestand. Sie drückt mir meine Portion Rujak in die Hand, ich koste und erfrische mich mit den süßsauren Früchten. Jetzt noch ein tapferes Selfie mit der Chili-Bande, und ich kann mit Vivi und meinem Rujak zum Lockermachen um die Ecke eilen. Puh!
OPFERGABEN
Das spirituelle Leben auf Bali unterliegt grundsätzlich der Dualität aus Gut und Böse. Es gibt Orte, die tendenziell eher gut sind (so wie Berge, Quellen und die Sonne), genauso wie es Orte gibt, die mit dem Bösen behaftet sind – das Meer beispielsweise.
So lebt man in dem ständigen Versuch, sich zwischen diesen Ebenen zu bewegen, ohne auf größere Probleme zu stoßen, was sich im Verhalten der Inselbewohner selbst widerspiegelt – gegenüber der Natur, den Mitmenschen, aber auch den Ahnen, Göttern und Dämonen.
Die Opfergabe wird zur alltäglichen Tätigkeit, eben aus dieser Notwendigkeit heraus, die Mächte zu beschwichtigen oder ihnen eine Freude zu bereiten. Je nach Ausmaß des Anlasses können sich diese Opfer sehr unterschiedlich darstellen – wobei Opfern hier nicht so sehr im Sinne von »ein Opfer bringen« zu verstehen ist, sondern eher als das vom Lateinischen abstammende »offere«, also »überreichen« oder »darbieten«. Man bietet den jeweiligen Mächten etwas an und erhofft sich dafür eine Gegenleistung.Eine Opfergabe, das kann schon einfach ein Schälchen mit ein paar Reiskörnern sein – kleine Gaben, die in den Haustempel, in bestimmte Schreine oder einfach den Dämonen auf den Boden vor die Haustür gestellt werden. An den offiziellen Feiertagen des Wuku-Kalenders kommt es auch zu größeren Opfergaben, in Form von üppig befüllten Etageren etwa, die in den Tempel getragen werden.
Die Bestandteile einer Opfergabe auf Bali sind im Grunde genommen Feuer, Wasser und Blumen. Die meisten Balinesen bauen dies allerdings aus und fügen alles hinzu, was sie so aufbringen können, entsprechend ihren Verhältnissen. So kommt es nicht selten zu ausgesprochen individuellen Mischungen und – für uns Außenstehende – auch zu oft skurrilen Anblicken, wenn sich auf den golden verzierten Etageren auf den mächtigen steinernen Altären eben auch bunte Chipstüten, Bonbons, Energydrinks oder Zigaretten türmen.
Auch die Bauart des jeweiligen Opfers unterscheidet sich von Anlass zu Anlass – manchmal werden sogar professionelle Hersteller für Opfergaben hinzugezogen, die dann Reisverzierungen formen und zu großen Kompositionen zusammenstecken, Dekorationen aus pflanzlichen Fasern flechten und, und, und …
Was allen Opfergaben jedoch gemein ist: Die Ausgangsmaterialien müssen auf ehrlichem Wege beschafft und vor der Gabe spirituell gereinigt werden. Nach der Zeremonie, wenn die Götter die Essenz daraus aufgenommen haben, ist es den Balinesen erlaubt, die essbaren Teile bei der nächsten Mahlzeit zu verzehren.
Rujak Gula ist die süß-scharfe Variante des erfrischenden Fruchtsalats – mit einem Teelöffel gerösteter Garnelenpaste.
Zutaten für 4 Personen | Zubereitungszeit ca. 40 Minuten
2 kleine rote Chilischoten
5 EL Gula Merah (Palmzucker)
3 EL Tamarindenmus (ggf. 2 EL Tamarindenpaste in 2 EL Wasser auflösen und dann die Kerne entfernen)
1 EL Ketjap Manis
1 Prise Meersalz
600 g gewaschene und geputzte Früchte (Ananas, Papaya, Java Apfel oder normaler Apfel oder Nashi, Sternfrucht, Drachenfrucht, Rambutan, Zitrusfrüchte nach Belieben, Melone; gern auch erfrischende Gemüse wie Gurke, Staudensellerie, Radieschen oder Rettich)
2 Handvoll Krupuk (Cracker)
Kleine grüne Chilischoten nach Gusto
Für die Rujak-Sauce die Chilischoten putzen und fein hacken. Zusammen mit Zucker, tamarindenmus, Ketjap Manis und Salz in einem Topf mit 2 Esslöffeln Wasser langsam erwärmen, bis sich der Zucker gelöst hat, abkühlen lassen.
Das Obst und ggf. das Gemüse je nach Bedarf schälen bzw. putzen und in mundgerechte Stücke schneiden. Mit der Rujak-Sauce begießen. Krupuk und nach Wunsch kleine grüne Chilischoten dazureichen.
Hinweis: Dies ist die süß-scharfe Variante. Mit einem Teelöffel gerösteter Garnelenpaste (Terasi) in der Sauce wird es herzhafter.
Ein typischer Street Food Snack, den man am besten am Strand genießt.
Zutaten für 4 Personen | Zubereitungszeit ca. 40 Minuten
50 g Reisfadennudeln
150 g Gemüse nach Geschmack (Karotten, Zwiebeln, Chinakohl, Lauchzwiebeln, Mungbohnensprossen)
1 TL Meersalz
4 EL Kokosmilch
2 EL Kokosraspel
2 TL Sesamöl
12 Scheiben fester Tofu à ca. 50 g, ca. 3 cm dick
Pflanzenöl zum Frittieren
Kleine grüne Chilischoten nach Geschmack
Teig:
½ TL Koriandersaat
1 Knoblauchzehe
1 halbdaumengroßes Stück Galgant
250 g Reismehl
1 TL Meersalz
50 g Speisestärke