Bärendienst - Robert Pucher - E-Book

Bärendienst E-Book

Robert Pucher

3,9

Beschreibung

Bezirksinspektor Doppler, Dr. Simone Reichenbach und Mag. Thomas Kleist kehren zurück. Ein brisanter Mordfall ruft das legendäre Ermittlerteam der Kriminaldirektion 1 auf den Plan. Bert Kellermeister, der erfolgreiche Aufdeckungsjournalist ist tot. Er wird erschossen in seinem Bett aufgefunden. Doch nicht nur er. Neben ihm liegt auch die Leiche seiner Putzfrau. Kein Wunder, dass sich die polizeilichen Ermittlungen anfangs auf Kellermeisters Ehefrau Hannelore konzentrieren, deren Reha-Aufenthalt ganz anders verlaufen ist, als aus medizinischer Sicht indiziert gewesen wäre. Erst ein unerwarteter Hinweis führt die Kriminalbeamten auf die richtige Spur. Simone, die sich mit ihrer neuen Rolle als Mutter ebenso wenig anfreunden kann wie Doppler mit dem Hund seines Nachbarn, muss erkennen, dass sie es mit einem übermächtigen Gegner zu tun bekommt. Eine bislang unbekannte Geheimorganisation gewinnt zunehmend an Einfluss. Ihre Mitglieder haben es sich zur Aufgabe gemacht, in den höchsten Kreisen von Politik und Wirtschaft gründlich aufzuräumen. Eine Situation, die den Machtkampf zwischen der neuen Innenministerin und dem Polizeipräsidenten in einem besonders schiefen Licht erscheinen lässt. In dieser bitterbösen Satire enthüllt Robert Pucher all jene Details aus dem Wirken von Geheimlogen, die Dan Brown bislang schuldig geblieben ist.

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Robert Pucher

Bärendienst

Kriminalroman

Leykam

In einer Welt, die verrückt spielt,

ist nur ein Irrsinniger wahrhaft geisteskrank.

(Homer Jay Simpson)

Prolog

Adrian Milosz war ehrlich erstaunt, nicht vor dem Himmelstor zu stehen. Aufgrund seines vorbildlichen Lebenswandels und den ausgezeichneten Beziehungen, die er als katholischer Pfarrer zu den Entscheidungsträgern dort oben pflegte, hatte er für den Fall seines Ablebens fix damit gerechnet. Der Glaube an ein Jenseits war für ihn so etwas wie eine Lebensversicherung gewesen. Jetzt, im Nachhinein betrachtet, hätte er sich die Beiträge in Form von Gebeten, Frömmigkeit und gelebter Nächstenliebe sparen können.

Auch heute hatte er, der Kälte trotzend, einen riesigen Kessel Gemüsesuppe in seinen Fiat geladen und war damit jene ihm wohlvertrauten Plätze abgefahren, an denen die Ärmsten der Armen, die unterste Schicht im Sozialgefüge, ihre Winterquartiere bezogen hatten. Das leer stehende Objekt in der Baumgartenstraße, ein verkommener Altbau, war eines davon.

Als er das Haus betrat, fiel ihm zuerst nichts Außer­gewöhnliches auf. Na gut, der üble, säuerliche Geruch vielleicht. Aber so außergewöhnlich war der nicht, wusste man, wer hier in letzter Zeit Zuflucht suchte.

„Zahn?“, rief er ins düstere Treppenhaus. „Schiffer?“, setzte er nach, als sich nichts rührte.

Langsam stieg er in den ersten Stock hinauf. Die Tür zu der Wohnung, in der sich die beiden Obdachlosen gewöhnlich aufhielten, war nur angelehnt. Sie knarrte, als er sie aufdrückte. Milosz tastete sich in der Dunkelheit voran, durchquerte den Vorraum und inspizierte die Küche.

„Ist jemand zu Hause?“, probierte er es nochmals. „Unten im Wagen wartet eine warme Mahlzeit.“

Nichts. Stille. Seine Klientel war ausgeflogen. Er hätte sie längst hören müssen. Vor allem Zahn, der sogar im Schlaf redete.

Eine Weile verharrte er und blickte nachdenklich aus dem Fenster. Im fahlen Licht des Mondes bot der Gleiskörper der Westbahn mit seinen funkelnden Schienen und Oberleitungen einen gespenstischen Anblick. Milosz schlang die Arme um seinen Leib. Ihn fröstelte. Er würde morgen wiederkommen, beschloss er. Die Zeit drängte. Andernorts gab es noch etliche hungrige Mäuler zu stopfen.

Ein Geräusch aus dem Wohnzimmer ließ ihn aufhorchen. So eine Art Schaben. Zu laut für eine Ratte, doch zu leise für einen Obdachlosen. Als er sich umdrehte, stand plötzlich diese Gestalt vor ihm. Wie aus dem Nichts war sie gekommen, nicht mehr als ein undeutlicher Schemen und im selben Moment spürte er einen kurzen, aber heftigen Schmerz in seiner Brust. Kurz deshalb, weil er sofort tot war.

Kein Harfe spielender Engel, keine flauschigen Wölkchen, niemand, der ihn im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes willkommen hieß, ihn für seine irdischen Taten pries und ihm jenen Platz im immerwährenden Paradies zuwies, den er zweifellos verdient hätte.

Hm … Es musste ein Missverständnis vorliegen, spekulierte Milosz. Wahrscheinlich war eine himmlische Akte verwechselt worden oder so. Göttliches Versagen. Und dann, im letzten Bruchteil einer Sekunde, der ihm zum Denken blieb, an der hauchdünnen Schwelle zwischen Leben und Tod, erkannte er, dass es kein wie immer geartetes Leben nach dem Tod gab. Milosz stürzte in ein Nichts, dunkler als absolute Finsternis, lautloser als vollkommene Stille. Seine Wahrnehmung erlosch.

***

Das Saubere Haus war alles andere als sauber. Und sicher war es nun auch nicht mehr. Unreine hatten es in Beschlag genommen und entweiht. Der Abschaum von der Straße, die unterste Kaste. Überall hatten sie ihre Spuren hinterlassen. Wohin man blickte, nur Unrat. Konservendosen, verschimmeltes Brot, Weinflaschen, Einkaufssäcke, vollgestopft mit müffelnder, dreckiger Kleidung.

WC-Ente hatte alles darangesetzt, die Unordnung so gut es ging zu beseitigen. In aller Eile hatte sie den Müll eingesammelt und hinter dem Plastikvorhang, der die Besenkammer von der Küche trennte, verstaut. Und mit dem Müll auch gleich den Toten. Die Reinen Schwestern brauchten von dem Vorfall nichts zu erfahren. Schließlich gehörte man keiner Geheimloge an, um eine solche Tat an die große Glocke zu hängen.

Als hätte sie das Ungemach kommen sehen, war sie lange vor den anderen da gewesen. Letzte Vorbereitungen mussten getroffen werden. Alles sollte perfekt sein, tipptopp und picobello, dem Anlass entsprechend. Der feierliche Ritus durfte keinesfalls gestört werden. Vor allem, weil es ihr Ritus war. Nach all den Jahren, in denen sich WC-Ente Ebene für Ebene hochgearbeitet, Netzwerke gesponnen und ihre vorzüglichen Kontakte spielen hatte lassen, war es nun so weit. Heute würde sie in den Rang einer Hohen Reinheit erhoben werden und künftig als neues Mitglied des Triumvirats dem Räumungsbereich Öffentlicher Dienst vorstehen.

Bedächtig wischte sie das Blut von der Klinge. Was hatte dieser Mann hier wollen? Wer war er gewesen? Ein Undercover-Agent, ein Ermittler des Bundesamts für Verfassungsschutz? Konnte gut sein. Jedenfalls keiner der Obdachlosen. Dafür war er zu adrett gekleidet gewesen, zu glatt rasiert. Adrian Milosz lautete sein Name, traute man dem Führerschein, den er bei sich trug. Aber das war auch schon alles. Nichts deutete auf seine Herkunft oder den Grund seines Erscheinens hin.

Die Organisation stand vor einem Problem. Früher oder später würde die Leiche ungebetene Gäste anlocken, einmal abgesehen von den Ratten. Die Behörden würden aufkreuzen und das Saubere Haus von vorne bis hinten auf den Kopf stellen. Es galt, Maßnahmen zu ergreifen, die das verhinderten. Kuschelweich sollte sich der Sache annehmen. Das war ihr Job.

WC-Ente kehrte zurück ins Wohnzimmer und verhängte die Fenster mit schwarzen Tüchern. Sie zündete die mitgebrachten Kerzen an und stellte sie kreisförmig auf dem Boden auf, wobei sie den in den Statuten empfohlenen Durchmesser von fünf Metern peinlichst genau einhielt. Dann zog sie sich um und machte sich bereit.

Langsam begann sich der Raum zu füllen. Obere und Hohe Reinheiten strömten herein, gehüllt in bunte Arbeitsschürzen, vorwiegend blau-violett gemustert, aber auch viel Grün war dabei und ein wenig Rot. Große, weit geschnittene Kapuzen verdeckten ihre Gesichter. Anonymität war das oberste Gebot. Nur ihre Ringe wiesen sie aus, ihre Decknamen wie Ultrarein, Seifenspender, Limettenduft und der geheime Gruß. Ein angedeuteter Kniefall – der Bodenschrubber –, der Tanz mit dem imaginären Besen um die eigene Achse und schließlich zwei Hand­flächen, die sich aneinanderlegten und kreisende Bewegungen vollführten – der Fensterputzer. Während der ganzen Prozedur fiel kein einziges Wort.

Und dann kam sie. Weißer-als-weiß, die Höchste Reinheit, unverkennbar in dem ihr vorbehaltenen purpurroten Kittel mit Borten aus Katzenfell. Würdevoll durchquerte sie den Raum und nahm vor ihren Untertanen Aufstellung. Ein goldener Ring, besetzt mit einem prachtvollen Diamanten, blitzte im Kerzenlicht auf.

Die Reinen Schwestern senkten demütig ihre Häupter.

1

Das Brüllen des Kindes hallte im Stiegenhaus wider. Von seinem krebsroten Gesicht war kaum mehr als ein riesiger, speichelnder Mund zu sehen. Mit aller Kraft wand es sich in den Armen seiner Mutter, um sich ihrem festen Griff zu entziehen.

Aus der Wohnung drang aufgeregtes Hundegebell und das Dröhnen des Staubsaugers. Simone drückte nochmals auf die Klingel, diesmal energischer, dann trat sie mit dem Fuß gegen die Tür.

„Aufmachen!“, schrie sie. „Polizei!“

Sie war früher dran als gewöhnlich. Wundersamerweise, bedachte man, wie lange es dauerte, das Kind in vier Schichten Winterkleidung zu packen. Und es nahm umso mehr Zeit in Anspruch, wenn ungeduldige, grobe Hände am Werk waren, die vehemente Gegenwehr heraufbeschworen.

„Ah, Simone.“ Es war Daniel, der öffnete. „Komm herein!“

„Na endlich“, knurrte sie. „Da, nimm!“ Ohne Umschweife drückte sie ihm Josefa in die Hand.

Von einer Sekunde auf die andere stellte die Kleine ihr Geplärr ein, gab ein quiekendes „Gugububuh“ von sich und lächelte versonnen.

„Ja, wen haben wir denn da?“, gluckste Daniel und kitzelte ihr den Bauch. „Wer ist denn das? Meine süße Maus ist das! Wer ist mein Herzblatt? Duuu bist mein Herzblatt!“

Josefa quietschte vor Vergnügen. Sie liebte das dämliche Geplapper ihres Onkels.

„Möchtest du mit mir frühstücken?“, wandte er sich übergangslos und mit weit weniger Herzlichkeit an seine Schwester.

„Frühstücken?“ Simone zeigte sich überrascht. Das war neu. Sonst bot er ihr nie etwas an. Normalerweise bekam man eher den Eindruck, als wollte er sie so schnell wie möglich loswerden. „Okay“, schnaufte sie und folgte ihm in die Küche. „Aber viel Zeit bleibt mir nicht. Ich muss zu einem Termin ins Ministerium.“

„Keine Sorge, ich werde dich nicht lange aufhalten. Der Kaffee steht bereit.“

„Morgen, Albert!“, grüßte sie im Vorübergehen ins Wohnzimmer, wo Daniels Mitbewohner damit beschäftigt war, Daphne 2, die erbärmlich jaulende Mops-Dame und Nachfolgerin der unter dramatischen Umständen verstorbenen Daphne 1, mit dem Polstermöbelaufsatz abzusaugen.

Albert bemerkte sie nicht. „Scheiß Haare!“, fluchte er. „Überall Haare, fuck! Ich werde noch wahnsinnig, he!“ Er hatte den Schirm seiner Baseballkappe tief ins Gesicht gezogen und war in eine Art Arbeitstrance gefallen, die seine Wahrnehmung beträchtlich trübte.

Demonstrativ ächzend stellte Simone die mitgebrachte Reisetasche ab. Kinderzubehör. Windeln, Tücher, Puder, Wäsche zum Wechseln, Babyfraß, Spielzeug. Der Mist wog an die zehn Kilo.

„Ich sollte euch den ganzen Kram einfach dalassen“, grunzte sie. „Dann brauche ich ihn nicht jeden Tag hin- und herzuschleppen.“

Daniel ging nicht darauf ein. Er schälte Josefa aus ihrem Schneeanzug, verfrachtete sie in den Krabbelkäfig und gesellte sich mit zwei Tassen Kaffee zu seiner Schwester an den Frühstückstisch.

„Ich, hm, wollte mir dir etwas besprechen“, hüstelte er.

„Etwas besprechen?“ Simone beäugte ihn misstrauisch. Sie kannte diesen verzagten Ausdruck in seinem Gesicht. Etwas Wichtiges lag ihm auf dem Herzen und erfahrungsgemäß würde es eine Weile dauern, bis er damit herausrückte. Der Tag begann mit Unannehmlichkeiten.

Daniel nickte. „Ja, hm, genau, also es geht um Folgendes.“ Er wagte nicht, sie anzusehen. Mit geheucheltem Interesse musterte er Alberts Blumendekoration, die zwischen ihnen den Tisch zierte und zupfte da und dort an den Blättern, als hätte man an dem perfekten Arrangement irgendetwas verbessern können. „Langsam wird uns das alles zu viel“, nuschelte er.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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