Bärenstarke Essays und Gedichte - Phil Humor - E-Book

Bärenstarke Essays und Gedichte E-Book

Phil Humor

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Beschreibung

Essays: Balance * Carpe diem – oder auch nicht * CO2 * Coolness * Denglisch * Die Mode und der Fehlkauf * Ernährung, Superfood, Smoothie-Wahn * Fremdwörter * Häuser * Magie der Sprache * Männer und Frauen * Ode an die Freude * Rätsel * Simulierte Welt * Verhör-Meister * Wer schwört auf Verschwörungstheorien? * Verwechslungen * Wenn alle Stricke reißen Gedichte: Arkadien * Abiturient * Luzifer und der Besen * Das geheimnisvolle Tor * Der Wald * Die Waldhütte * Feuerwerken * Full Speed * George Sand * Geschenke * Hunde sind Gold wert * Im Bilde sein * Lebkuchen * Mein lieber Schwan! * Wolkenkratzer-Fanatismus * Nebel-Skulpturen * Raum-Zeit-Fantasie-Kontinuum * Roboter * Schach * Selfie-Sucht * Spesenritter * Sprachlosigkeit * Streifen * Täuschung * Und und Undine * Vom Werfen * Vorsätzlich fahrlässig * Wie feiert der Osterhase Weihnachten? * Zweifel zweifelt

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Phil Humor

Bärenstarke Essays und Gedichte

BookRix GmbH & Co. KG80331 München

Inhalt

 

Essays:

 

Balance * Carpe diem – oder auch nicht * CO2 * Coolness * Denglisch * Die Mode und der Fehlkauf * Ernährung, Superfood, Smoothie-Wahn * Fremdwörter * Häuser * Magie der Sprache * Männer und Frauen * Ode an die Freude * Rätsel * Simulierte Welt * Verhör-Meister * Wer schwört auf Verschwörungstheorien? * Verwechslungen * Wenn alle Stricke reißen

 

Gedichte:

 

Arkadien * Abiturient * Luzifer und der Besen * Das geheimnisvolle Tor * Der Wald * Die Waldhütte * Feuerwerken * Full Speed * George Sand * Geschenke * Hunde sind Gold wert * Im Bilde sein * Lebkuchen * Mein lieber Schwan! * Wolkenkratzer-Fanatismus * Nebel-Skulpturen * Raum-Zeit-Fantasie-Kontinuum * Roboter * Schach * Selfie-Sucht * Spesenritter * Sprachlosigkeit * Streifen * Täuschung * Und und Undine * Vom Werfen * Vorsätzlich fahrlässig * Wie feiert der Osterhase Weihnachten? * Zweifel zweifelt

 

 

Balance

Man bemüht sich ja immer um Fröhlichkeit ... aber bemühte Fröhlichkeit hat so einen Depri-Effekt; man müsste das Leben tatsächlich witzig finden, über seine Scherze lachen können; aber meist bekommt man es gar nicht mit, dass es sich als Komiker versucht. Es steht armwedelnd da vor einem – und man interpretiert das völlig falsch. 'Bierernst' und 'Eminent wichtig' sind die Schlagworte, die einem dazu einfallen. Aber will das Leben ernst genommen werden? Wäre es auch okay, wenn man ihm eine gewisse Leichtigkeit bescheinigt? Man ist immer so nah dran an den Ereignissen, unmittelbar betroffen; Betroffenheit und Albernheit scheinen nicht gut miteinander zu können. Wem ist geholfen, wenn man richtig übellaunig ist? Freundliche Dämonen fragen an, ob man mit ihnen Handel treiben möchte. Schlechte Gefühle werden hoch gehandelt auf dem Jahrmarkt des Missvergnügens. Man kann da gute Preise erzielen. Von der Büchse der Pandora kursieren da etliche Kopien. Man käme sich direkt albern vor, wenn man da mit einer Wundertüte voll mit Zuversicht und Munterkeit ankäme. Es hat alles seine Berechtigung, kein Gefühl muss sich dafür schämen, dass es sich zu Wort meldet.

Mitleid im Dauermodus, das ist doch so, als wenn man immer im dritten Gang fahren würde; man muss doch auch mal runterschalten – oder auf die Bremse treten. Gas geben, sich steigern können. Lass mal die Gefühle ans Steuer, sollen sie Spaß haben. Sich verdrängen lassen von einem dominierenden Angeber-Gefühl? Sei es Mitleid, Grimmigkeit, Gelassenheit. Man muss sich nur klarmachen, dass man die entsprechende Gegenseite ja nicht hätte: Sie existieren immer paarweise. Der Kummer ermöglicht Heiterkeit – als ob sie auf einer Wippe sitzen würden – es kommt auf die Balance an, dass sie einander wertschätzen. Was fängt einen auf? Das entgegengesetzte Gefühl. Es steht parat, wartet auf seinen Einsatz. Man kann sich negative Eskapaden leisten, weil die anderen Gefühle nur auf ihren Auftritt warten. Wenn immer nur das Mitleid auf der Bühne stünde, dann hält es vielleicht grandiose Monologe, aber das Stück verlangt nach mehr. Da darf auch gemotzt werden; reichlich fluchen, dem Leben Vorwürfe machen. Dem großen Schimpf-Dämon die Stichworte zurufen. Seiner Enttäuschung Ausdruck geben können; meinetwegen kann sie es auch wie ein Opernsänger der Welt verkünden.

Ist ja auch nicht immer Schönwetter; man kann es schneien lassen, stürmen – man macht sich sein Seelen-Wetter; hat aber auch die Möglichkeit, die Sonne einzuladen. Der Winter hasst nicht den Sommer. Nur derjenige, der gar nicht wagt, für den schweigen alle Jahreszeiten. Man kann unversehens den Winter beschwören; er weiß gar nicht, wer ihn gerufen hat. Man kann auch den Sommer hinzubitten – mitten im tiefsten Winter – wie eine Wetter-Oase; das macht dem Sommer gar nichts aus. Nur wenn er mit Gleichgültigkeit konfrontiert wird, wenn er nicht das Gefühl bekommt, dass man sich wahrlich über ihn freut, dann ist er zuweilen doch recht brüsk. Man sollte eher an den Schaltern der Gefühle sitzen, ihnen eine gewisse Unabhängigkeit von den äußeren Gegebenheiten einräumen, verschaffen. Das Prinzip der Ambivalenz: Vom Tag nicht erwarten, dass er 24 Stunden Sonne bietet – auch die Nacht braucht einen Anwalt, der sie verteidigt. Dunkle Stunden wertschätzen, in ihnen ist seltsames Gold, als ob man es im Traum geschürft hätte. Die Fröhlichkeit bekommt einen ganz anderen Stellenwert, wenn man sich mit der Traurigkeit unterhalten hat.

Vielleicht auch so etwas wie eine Bilanz: Jeder Mensch hat etwas, das zu seinen Gunsten spricht und einiges, das ihn nicht so günstig dastehen lässt. Nur der Schoko-Osterhase hat mehr als eine Schokoladenseite; muss man sich mit abfinden. Das Leben zeigt sich nicht immer von seiner Schokoladenseite. Ist auch die Frage, ob das Universum so etwas hat; es ist von einer unvergleichlichen Gleichgültigkeit; geradezu beängstigend. Kann Menschheit irgendwie seine Aufmerksamkeit gewinnen? Es wird ihm nichts ausmachen, uns zu zerdeppern. Ein Asteroid als Geschenk. Ohne Schleife. Das verursacht schon Unlust-Gefühle.

Die Zulässigkeit von Unmut, heftigster Enttäuschung ... den Zorn-Dämon in sich mit reichlich Stoff versorgen. Gibt es gute Wut? Männer haben zumindest die Ausrede des Modus-Wechsels: Umschalten auf Kampf, Angriff; wecke den Krieger in Dir oder den Wikinger. Wer mag gemütvoll in die Schlacht ziehen? Es gilt ja nicht, ein Gedicht vorzutragen, sondern der Aggression eine angemessene Bühne zu verschaffen. Achilles wäre ohne Zorn doch eher spielerisch veranlagt. Man muss dem Schicksal direkt dankbar sein, dass es einen von Zeit zu Zeit anpöbelt, man kommt so richtig in Fahrt, hat die Gelegenheit, alles und jeden ausreichend mit Flüchen zu versorgen, man kann auch nachliefern; Fluch-Potenzial ohne Ende. Voll negativ. Aber wäre man nicht blind für den Charme des Lebens, wenn es fortwährend gleichbleibend dahinplätschern würde, der Göttin Langeweile huldigend? Es ist impulsiv – wie ein gut komponiertes Musikstück; man würde es zerstören, wenn man ihm Beständigkeit und fortwährende Harmonie abverlangen würde. Soll man ihm so begegnen: ganz versessen auf volle Glücks-Funktionalität? Es mogelt gern, es torpediert unsere Absichten – und hat nicht mal ein schlechtes Gewissen dabei. Trotzdem hätte man das Leben gerne zum Freund, man will es sympathisch finden, man dichtet ihm alle möglichen guten Eigenschaften an. Kann sein, dass man insgeheim ein paar Animositäten von sich gibt ... Fluchen als wöchentliches Ritual.

Der Humor hat an sich gar keine Berechtigung in dieser Welt; zunächst bekommt er einige Gastauftritte, dann wird er für länger gebucht. Verwunderung ist sein Markenzeichen. Er schafft erstaunlicherweise die Nähe zu den Dingen, indem er peinlich genau auf Abstand, Distanz achtet. Ganz im Gegensatz zum Ernst, der jede Bewegung der Welt mitmacht, er klebt an der Welt, ihm ist das alles sehr wichtig. Es ist seine Unmöglichkeit, die Dinge ernst nehmen zu können: Der Humor verweigert sich dieser Sichtweise, dennoch findet er die Welt keineswegs lächerlich. Aber er findet weitaus mehr Amüsantes vor, als die Welt eigentlich zu bieten hat; sie weiß davon nichts. Der Humor ist auch ein Brückenbauer – das Abstrakte und das Konkrete, das Winzige und das Gigantische verbindet er mühelos, er weist sie auf Parallelen hin, lobt ihren Auftritt, auch wenn sie das bisher gar nicht als Show empfunden haben. Der Humor erwächst aber nicht aus der Gleichgültigkeit – er braucht seinen Gegenpart – den Ärger über die Welt, die Verwunderung. Vorher grollen, um dann die Heiterkeit einzuladen; dann hat man Diskussions-Stoff. Vielleicht geht dem Universum unser Gemecker auf die Nerven? Es sieht das als ungerechtfertigt an. Anmeckern als Hobby. Das Universum mit Fragen löchern und drangsalieren – stoisch schweigt es. Humor als Diplomat; er schafft es, verbindlich zu sein; so als ob man einen Vermieter auf Missstände in der Wohnung aufmerksam machen möchte – Heizung geht nicht, Badewanne läuft über. Ein Unbehagen an der Welt unterwandert die Seele – aber sie hat wie das Immunsystem Abwehrmöglichkeiten. Ein ganzes Arsenal an Gefühlen steht ihr zur Verfügung. Sie kann auswählen. Als wenn es Pfeile in einem Köcher sind. Robin Hood der Psyche. Humor ist einer dieser Pfeile, trifft nicht immer, aber er ist immer noch da, wenn man alle seine Pfeile verschossen hat.

ENDE

Carpe diem – oder auch nicht

Carpe diem – nutze den Tag – sagt sich so leicht. Geht es um Effizienz? In welche Richtung zielt diese Aufforderung? Alles Langfristige hintanstellen, um dem Augenblick alle Aufmerksamkeit zukommen lassen zu können, er ist der Star des Tages, der Stargast. Sein Auftritt. Die Zukunft soll sich nicht einmischen, sie ist noch nicht dran. Pflücke den Tag – ist er denn reif? Was, wenn man überhaupt nicht die entsprechenden Vorbereitungen getroffen hat? Wenn z. B. der Baum noch zur Baumschule muss. Muss reiflich bedacht sein. Für wen nutzt man den Tag: für sich, für diejenigen, die einem wichtig sind? Wem lässt man Zeit zukommen – wie dirigiert man das Zeit-Orchester, soll der Moment die erste Geige spielen dürfen? YOLO – You Only Live Once – Zeit für allerhand Blödsinn, raus aus dem Mittelmaß. Wobei das dem inneren Schweinehund sehr gelegen kommt, der endlich dies lästige Disziplin-Halsband abstreifen kann. Disziplin als selbsternannte Verwalterin der Zukunft. Üben, um eines Tages brillant zu sein. Dem Menschen liegt eigentlich nicht diese Gebundenheit an den einen Tag, er hat weitaus mehr im Blickfeld. Das zeichnet ihn ja gerade aus: die Horizont-Erweiterung, die Möglichkeit der Vorausschau. YOLO – als Aufforderung zur Unvernunft. Braucht, benötigt die Vernunft eine Ausrede? Aber was weiß die Vernunft von Glück? Vielleicht kommt die Unvernunft in der Tat gelegentlich zu kurz. Sie könnte selbst der Wissenschaft auf die Sprünge helfen, da ihre Argumente locker aus der Hüfte geschossen sind; kann ja mal ein Treffer dabei sein. Carpe diem – setzt aber voraus, dass der Tag sich überhaupt ergreifen lassen will; vielleicht soll man von ihm ergriffen sein? Absoluter Passiv-Modus; ihn bestaunen, bewundern. Sternen-Gefunkel. Carpe noctem. Die Nachtseite des Tages entdecken; wenn man ruhig ist, wenn man den Tag sprechen lässt, wenn man bereit ist, ihm zuzuhören. Methode der Eremiten. Oder geht es einfach nur darum, das Diesseits zu feiern? Keine Bonus-Punkte-Sammelei für Jenseits-Tage; sich erlauben, ein Arschloch zu sein. Immerhin könnte ein Asteroid beabsichtigen, sich die Erde demnächst mal genauer anzuschauen. Was ist dann mit all dem Hickhack und Heckmeck? Alles weg. Am Moment haften – käme einem das vor, als wäre man ihm auf den Leim gegangen? Man umkreist den Moment wie eine Motte das Licht. Merkwürdige Religion dieses 'Carpe diem'. Klingt 'Carpe diem' wie Hohn für jemanden wie Zeus oder Odin? Rar zu sein, macht etwas wertvoll: Wenn man Edelsteine beliebig vervielfältigen könnte, würde ihr Marktwert sinken. Ist es am Ende anstrengend, jeden Tag zu nutzen? Wie ein Kind, das sein Spielzeug nicht mehr beachtet. Der Effizienz-Gedanke schreckt einen ab; stetige Unruhe; hat man auch alles rausgeholt? Wie aus einer Zahnpasta-Tube. Quetsch den Tag aus – als wäre er eine Orange. Die Verpflichtung, alles ganz bewusst zu machen, macht einem bewusst, wie lästig das Bewusstsein so auf Dauer sein kann. Dem Unterbewusstsein nie die Bühne überlassen. Ist das fortwährendes Misstrauen? Ist in Wahrheit dies 'Carpe diem' nur der verzweifelte und anmaßende Versuch des Bewusstseins, unaufhörlich Regie führen zu können, das ist sein Film?

Andererseits könnte man das 'Carpe diem' als Aufforderung verstehen, das Geschenk auszupacken. Diesmal ist es nicht so wie beim Baum der Erkenntnis: Man darf pflücken, ist geradezu aufgefordert dazu. Pflücke, was das Zeug hält. Apfelernte im Diesseits-Tal. Wir schauen immer nach dem Preisschild, misstrauen dem Geschenk. Vielleicht ist das Universum wirklich in Party-Laune – und wir sind ganz miese Gäste? Pflichten, Ziele, Sorgen sorgen dafür, dass die Party-Laune sich schnell verflüchtigt. Ist es ein Befehl? "Nun nutz schon den verdammten Tag!" Wenn uns das so entgegengebrüllt wird, ist das doch eigentlich beherzigenswert. Die Tage ignorieren, ihnen keinen Sonderstatus zubilligen, nicht, dass sie was Außergewöhnliches wären inmitten der sie umgebenden Ewigkeit. Ergreife den Tag – was, wenn man zu doll zudrückt – ein Übermaß an Aufmerksamkeit und Zuwendung? Der Tag im Fokus, er weiß schon gar nicht mehr, wohin er blicken soll ... "Was wollen die alle von mir?" Wobei ungeteilte Aufmerksamkeit eine tolle Sache ist, man fühlt sich wichtig. Braucht der Tag das für seine Performance? Welchen Stellenwert hat der Tag, soll er sich die Aufmerksamkeit teilen mit dem Gestern und Übermorgen – dann auch noch eine Garderobe teilen? Kann sein, dass der Tag zickig reagiert. Ist er eine Vollblut-Diva – und der menschliche Geist so etwas wie ein ausgehungerter Vampir auf Nahrungssuche? Oder misstraut man ganz einfach den zukünftigen Tagen und wirft sich dem Heute schamlos an den Hals? Date mit dem Heute. Wobei manche das als eine Art Speed-Dating betreiben. Dabei wäre ein nettes Ambiente durchaus angebracht. 'Liebe den Tag' – wäre auch ein schöner Leitsatz, bringt einen gut durch den Tag. Respektiere den Tag, favorisiere den Tag, sag ihm, er sei was Besonderes … Vielleicht ergeht es ihm so wie dem Froschkönig und er verwandelt sich vor Deinen Augen? Kiss the day.

Man kann dem Tag natürlich auch ein Arbeitszeugnis ausstellen … Wie hat er sich so gemacht, war er diensteifrig, war er mies drauf, konnte er die anderen Tage motivieren? Dann bekäme 'Nutze den Tag' die Bedeutung, dass man dessen Arbeitswilligkeit auf die Probe stellt. Was ist er zu leisten imstande, kommt er aus sich raus, bleibt er weit unter seiner Spitzenleistung? Ein bisschen Motivation täte ihm gut. Ein paar YOLO-Aktionen – und er ist high, bereit, der Zukunft den Stinkefinger zu zeigen. Doch was ist mit Ataraxie, Seelenruhe? Sollte man der Aktionismus zumuten? Tag als Aktionsfeld, als gespannte Leinwand. Darf man sich als Einfaltspinsel hinsetzen und loslegen? Oder erst üben. Im Verbund mit der Dreifaltigkeit das große Ganze im Blickfeld. Kein Tag steht unverbunden neben den anderen, sie fassen sich gewissermaßen bei den Händen; kein Drängeln, kein Vordrängeln, kein Schubsen. Übertriebene Ordnung hat was Langweiliges. Tage, die aus der Reihe tanzen. Sollte es besondere Carpe-diem-Tage geben? Dann hätte man allen Elan, die aufgestaute Freude am Unsinn und Blödsinn hätte hier ihre langersehnte Chance. Oder jedem Tag sagen, dass er was Besonderes ist, ihm ist so nach Vanitas, ihm ist so elegisch ... Aber gerade das Vergängliche fordert einen ja heraus, es zu gestalten, spontan zu sein, mit ihm zu kooperieren, sich auf es einzulassen. Ein Übermaß an Ordnung würde alles zerstören. Wolken führen ihr Ballett auf, sie geben sich gar keine Mühe, besonders regelmäßig auszusehen, sie sind wild, unbekümmert, sie treiben so dahin, voll relaxed. Machen sich keine Gedanken um Formstabilität. Schön, wenn man beides hat: Disziplin, Kontrolle, Beherrschtheit und die Fähigkeit, loslassen zu können, ein Betrachter zu sein – das Ich mal nicht im Fokus, sondern Zeit zu haben fürs Universum. Das Universum hat es nicht so mit Impulsiv-Entscheidungen, bei ihm ist alles lang geplant. Umso erfreulicher, wenn der Mensch ein Spontan-Geist ist und was Unerwartetes beisteuert.

Natürlich muss man auch die Möglichkeiten haben – 'Nutze den Tag', das nützt einem in der Wüste Umherirrenden kaum etwas, es gibt da einfach nichts zu pflücken außer Fata Morganen. Kann aber auch sein, ihm kommt just in dem Moment 'ne Erleuchtung – gut investiert die Zeit; manche Eremiten brauchen Jahre für eine halbwegs passable Erleuchtung. Autarkie ist 'ne feine Sache, aber die Geier stören beim Nachdenken; vielleicht sollte man gar nicht so viel Wert auf Unabhängigkeit legen?

Oder ist 'Carpe diem' die verzweifelte Antwort des Menschen auf die Rücksichtslosigkeit des Seins: Was mutet es einem da zu – Unannehmlichkeiten in jeder Größe, alles sehr wackelig, die Zukunft eine heikle Angelegenheit, man kann sich noch nicht so recht für sie begeistern? Aber man hat das Heute, man hält sich fest an ihm, man klammert. Das Heute als Hort, als Hafen – bevor es wieder auf das Meer der Zeit hinausgeht ... Das Vergangene schweigt nicht, entsendet seine Wogen. Das Heute als Insel – inmitten eines riesigen Ozeans der Zeit. Die Sucht nach dem Heute, es bietet Halt. Die Sinne stimmen dem zu, hier ist ihr Betätigungsfeld, sie lieben das Präsens.

Man zieht Bilanz: Hat man den Tag gut genutzt, wäre mehr drin gewesen? Welches Maß an Disziplin sorgt für Glückseligkeit? Manche verrennen sich auch völlig – Disziplin ist nicht alles, man sollte von Zeit zu Zeit eine Zielkorrektur vornehmen. 'Freut Euch des Lebens, weil noch das Lämpchen glüht' – Tranfunzel wäre da zu wenig ... Helle sein ... Aber manchmal fühlt man sich in puncto Lebenslust nicht als die hellste Kerze am Baum; wie dimmt man das hoch? Vielleicht hat man doch zu viel Respekt vor unnützen Gedanken, klammert sich ans Alt-Hergebrachte, ein Mainstream-Fanatiker. Mut zu Belanglosigkeiten, das vermeintlich Sinnfreie in den Adelsstand des Sinnvollen erheben.

Den Tag einer Nutzen-Kosten-Analyse unterziehen; was hat man investiert, was ist das Ergebnis? Manche Tage sind nicht nützlich, sie sind einfach schön. An die erinnert man sich am liebsten. Vielleicht gilt das auch für Menschen: Es ist schön, mit jemanden zusammen zu sein; ob er nützlich ist – diese Frage kam niemals auf.

ENDE

CO2

Der Einfluss des Menschen auf das Klima hat zugenommen; insbesondere CO2 ist ein Problem. Es erhitzt den Planeten und die Gemüter. Sorgt nicht gerade für ein Klima der Toleranz. Wohin mit all dem CO2? Das Meer will das auch nicht mehr. Wüsten, wie die Sahara, freuen sich: Sie könnten endlich grün werden – es wird wärmer – es geht aufwärts. Spart ja auch Heizkosten, wenn die Winter wärmer werden. Den Küsten wird mulmig: Das Wasser steigt.

Atomkraft wäre eine Möglichkeit – oder aber Windkraft, Sonnenenergie ... und demnächst Kernfusionsreaktor. Man forscht. Der Mensch ist findig. Ihm muss nur erst klar sein, dass er vor einem Problem steht. Ansonsten behält man gerne den bisherigen Kurs bei. Aber darin besteht diesmal die Chance: Es nicht bis zum Äußersten kommen lassen, sondern der Krise vorab den Wind aus den Segeln nehmen. Nicht erst sämtliche Rohstoffe verbrauchen und dann auf dem Trockenen sitzen. Jeden Tropfen Erdöl aus der Erde wringen, wäre eine Option, aber nicht wirklich smart. Hört sich verführerisch an: Sonnenenergie in der Wüste tanken und damit die Elektroautos weltweit betreiben. Die Wüsten können sich nützlich machen.

1804 hatten wir eine Milliarde Menschen, 1927 zwei Milliarden, 1974 vier Milliarden, 2018 7,6 Milliarden. 2050 vermutlich zehn Milliarden. Das geht fix. Für all die Menschen brauchen wir klimafreundliche Energie. Dinosaurier waren da unkomplizierter. Die Kernfusion hört sich interessant an. Noch ist es Zukunftsmusik, aber es klingt gut. Wir brauchen eine Roadmap. Welche Meilensteine wollen wir erreichen? Zukunft ist planbar – aber es geht um Projekte, die internationale Zusammenarbeit erfordern. Dann könnte man eventuell sogar Asteroiden abwehren. CO2 wäre dann auch ein Gegner, den man besiegen könnte.

Das Meer versauert, enthält weniger Sauerstoff – wir sollten dem Meer auch mal was Gutes tun. Es nicht verärgern. Anstieg um 4 °C bis zum Jahr 2100 – das hört sich nicht nach Treibhaus an. Aber wir sollten die Dinge nicht treiben lassen. Energiesuffizienz – Energiebedarf reduzieren. Und Energieeffizienz – Energie besser nutzen. Energiegeladen in die Zukunft. Dann macht uns CO2 nicht k. o.

Bis 2100 steigt der Meeresspiegel um ca. einen Meter. Schätzungen reichen von 30 Zentimetern bis zu anderthalb Metern. Hört sich nicht so gewaltig an; aber warum soll man so eine Entwicklung erst in Gang setzen? Dem Meer gut zureden? Es soll die Küsten in Ruhe lassen? Den Thermostaten etwas runterdrehen. Diese Bemühungen nicht auf Eis legen. Dann bleibt uns das Eis erhalten. Gletscher, Permafrost schmelzen vor dem Charme unseres technischen Fortschritts dahin.

Hemerobie – inwieweit hat der Mensch die Natur beeinflusst, modifiziert. Die Hemerobie wird zunehmen – wir halten uns da nicht zurück. Verlangt ja keiner, dass wir die Natur mit Samthandschuhen anfassen, aber muss es gleich der Fehdehandschuh sein? Wir leben im Anthropozän – in dem Zeitalter, in dem der Mensch das Sagen hat; aber ist es immer klug, was er sagt? Haben wir einen schlechten Einfluss auf die Natur? Sollten wir uns zurückhalten? Die Erde hat eine eiserne Natur – und wir sollten den eisernen Willen haben, es mit ihr nicht ganz zu verderben.

ENDE

Coolness

Einerseits kann man Coolness nicht kaufen, andererseits versuchen einem die 'Merchants of Cool' das weiszumachen. Es sei vermarktungsfähig – eben ein Produkt, mit dem man sich eindecken kann. Oder man unterlässt es und läuft Gefahr, zur Clique der Uncoolen zu gehören, die weitab vom Superhelden-Image ihr armseliges Leben fristen müssen. Mit Coolness kann man nichts verkehrt machen, man ist abgebrüht, hartgesotten, ausgekocht – na dann prost Mahlzeit!

Aber 'Cool' ist mehr als ein Modewort – das Phänomen, den Wunsch gab es schon immer – sich nicht behelligen lassen von der miesen Laune des Universums. Im Grunde könnte man sich ständig aufregen, Unbehagen im Dauermodus. Man heißt es ja auch nicht gut – man zieht sich mental zurück, bleibt cool, man greift nicht ein – man hält sich das Leben auf Distanz. Eine Allzweck-Waffe gegen ein All, von dem man nicht weiß, was es bezweckt. Unangenehm wird es nur durch das Coolnessdiktat: Man hat eben so zu sein. Das läuft aber dem Coolness-Gedanken zuwider: Der Coole ist nie derjenige, der den anderen hinterherläuft, er will auch keine anführen. Er ist kein Rebell, weil er versessen darauf ist, sondern weil es die einzige Möglichkeit ist, sich seine Unabhängigkeit zu bewahren – er dreht seinen Lebensfilm in Eigenregie, er braucht keine Leute, die ihm da reinquatschen. Ich vermute mal, es ist ihm auch lieber, wenn das nicht allzu offensichtlich ist, er will keinem auf die Nase binden, dass er die coolste Sau im Dorf ist. Die richtigen Sneaker als Emblem und Ausweis wären da eher störend. Andererseits hat der Coole automatisch eine Gefolgschaft – geht ihm so wie dem Eremiten, dessen Einsamkeit von Fans gestört wird. Coolness hat was Magnetisches.

'Das Gute' ist ähnlich schwierig – wenn man es darauf anlegt, verfehlt man es. Bonuspunkte für die Seele sammeln zu wollen oder gute Plätze im Himmelreich ergattern wollen – das hat nicht wirklich was Selbstloses. Diese Welt offeriert überhaupt keine Gelegenheiten zum Gutsein, der reine Altruismus sitzt auf der Reservebank und wird nie eingewechselt, kommt nie aufs Spielfeld. Man ist immer gebunden an sein Ich, von hier aus bewertet man das, überlegt sich taktische Spielzüge.

Auch Freundschaft und Liebe sind Ziele, die sich nicht so direkt ansteuern lassen. Die Coolness flüchtet geradezu vor einem, nimmt Reißaus, wenn sie merkt, dass man versessen auf sie ist. So schnell lässt sich diese Eigenschaft nicht einfangen; mit welchem Käscher auch?

Die Welt verlangt Emotionen, Anteilnehmen – nur Superhelden sind ungebunden – sie lösen einfach die Probleme, sie haben die Mittel dazu. Man selber kommt sich inmitten des Gefühls-Wirrwarrs vor wie ein Thunfisch im Netz, der nichts mehr tun kann. Gefühle als Feinde, als Widrigkeit. Nur der Coole durchtrennt die Fäden, die ihn zur Gesellschafts-Marionette machen. Nur wird man relativ schnell zu seiner eigenen Statue – man legt sich fest auf das, was für einen selbst als akzeptabel, als cool gilt; man blickt sich gewissermaßen um wie Lots Weib, empfindet das Gestern als verpflichtend. Als ob man sich an Hollywood-Film-Rezepte halten würde: Kontinuität des Erfolgreichen, Fortsetzungen drehen ... Auf einmal wird man überholt – man ist nicht mehr der Avantgardist.

Die 'Merchants of Cool' kopieren einen – Elvis würde sich selbst inmitten all seiner Kopien kaum wiederfinden. Modewörter haben ein ähnliches Problem: immer in Sorge, dass sie von noch cooleren Wörtern ersetzt, ausgetauscht wurden. Woran orientiert man sich nun? Immer der Coolness hinterher? Ist irgendwie uncool. Den Coolness-Kompass nutzen? Dann würde einem die Coolness das Ziel vorschreiben, den nächsten Hafen. Man ist Hedonist, umgibt sich mit jeder Menge Lifestyle-Produkten. Ist das der Weisheit letzter Schluss?

Oder sollte Coolness ein Unterrichtsfach sein? Kann man das lernen, vermitteln? Es würde dafür auch Schulnoten geben. Die meisten versuchen es mit Coolness-Seminaren – bei den Anonymen Uncoolen. Ist Coolness vermittelbar? Es sind keine Tanzschritte – aber Vorbilder prägen. Vielleicht ganz gut, dass Luke Skywalker nicht bei Darth Vader aufgewachsen ist. Ist Coolness Erziehungssache? Wird das vererbt? 'Die Coolness ist stark in unserer Familie', könnte Luke Skywalker sagen. Wie ein Musiker-Gen. Coolness in Flaschen füllen, zu einem Wegwerf-Produkt machen. Coolhunter sind unterwegs; was ist angesagt? Der Coolnessmarkt will gefüttert werden wie ein Jungfrau-süchtiges Meeresungeheuer. Wo kann man Coolness-Nuggets gewinnen, wo kann man Coolness-Brocken extrahieren?

Mitunter fühlt man sich wie beim Windhundrennen: jeder jagt dem falschen Hasen nach – Coolness steht drauf – aber man wird an der Nase herumgeführt; es ist ausgesprochen uncool, sich vorschreiben zu lassen, welche Art Windhund man zu sein hat.

Man möchte sich abheben, aber selbst mit Helikoptereltern klappt das nicht. Vielleicht ist man zu kopflastig? Die Leichtigkeit des Seins hat nichts über für Gedanken-Ballast.

Ist Natur cool? Dem Regen ist es relativ egal, wie er fällt. Er macht sein Ding. Bei Schneeflocken wirkt es zuweilen so, als zelebrieren sie es, ein bisschen Affektiertheit hat Frau Holle vermutlich beigemengt, sie ist eine Künstler-Natur.

Am witzigsten ist es, wenn man sich selber als überaus cool wahrnimmt, aber kein anderer sich diesem Urteil anschließen will. Wieder als Coolness-Geisterfahrer unterwegs. Was soll's? In Gedanken ähnelt man den Vorbildern, man beglückwünscht sich zu dieser überaus guten Performance – schön, wenn man sein eigener Fan ist – der Fan-Club ist sehr überschaubar, aber zumindest sitzt das Ego in der VIP-Lounge.

Wer ist cooler: Clint Eastwood oder Jesus? Der eine vernichtet Menschen, der andere nimmt Anteil an ihrem Leben, versucht, es zu verbessern, aufzuwerten. Er bemüht sich nicht mal um Coolness. Regt sich auch mal auf, wenn es nicht so läuft, wie es seiner Meinung nach laufen müsste. Welche Distanz, wie viele Meter zur Sache? Jesus ist per se Welten entfernt vom Diesseitigen, dennoch ist er involviert, kümmert sich, macht es zu seiner Angelegenheit. Clint Eastwood bevorzugt das Mokante, völlig unberührt vom Geschehen um ihn herum.

Gibt es ein Zuviel an Coolness? Ein Chirurg, der hochkonzentriert bei der Sache ist, mit Coolness kontert, wenn das Stress-Monster seinen überfälligen Tribut einfordern will ... Dann steht es wirklich auf Messers Schneide, da wird Coolness zu einem unverzichtbaren Freund. Mr. Spock ist ohnehin der Meinung, dass Logik das Allheilmittel ist. Aber wenn man jeglichen Kontakt zu seinen dunklen Gefühlen verlöre, zu seinen Dämonen, dann wäre man doch irgendwann – allein mit seiner Coolness – ein eiskaltes Gefühls-Monster ... Denn gerade das Wissen um die inneren Schwächen lässt einen Anteil nehmen, macht Empathie in ihrem ganzen Ausmaß erst möglich.

Führt die ständige Anwendung von Coolness zu Gefühlsarmut, stumpft man irgendwie ab? Als wenn man zu viele Videospiele gespielt hat. Man kommt aus dieser Gemütshaltung gar nicht mehr raus – als ob sich da was verklemmt hat. Das Gefühls-Thermometer steht auf Frost. Megacoolness erreicht.

Wobei das Internet einem dabei behilflich ist, sein Ich zur Schau zu stellen; man kann es zelebrieren; man ist Kunstwerk; wenn man will, sogar Ikone. Instagramisieren der eigenen Befindlichkeit – sich selbst etwas vormachen, man wechselt von einer Pose zur nächsten. Man twittert seinem Unterbewusstsein – dafür schickt es einem im Traum hervorragende YouTube-Filme. Die Seele hat ein eigenes Facebook-Profil und kriegt jede Menge Likes von der eigenen Arroganz.