SIEG 3 - Phil Humor - E-Book

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Phil Humor

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Beschreibung

SIEG 3 Storys, Interviews, Essays, Gedichte   Storys und Interviews: Interview mit einem Fußball * Sexroboter * Cover-Gespräch * Cat Content * Der Triumph der Galatea * Interview mit der Ungeduld * Interview mit einem Apfel * Die beiden Majas * Brainteaser * Interview mit der Wachsbüste der Flora * Interview mit einem Gänseblümchen * Interview mit der Viermastbark Peking * Interview mit Fortuna und Miseria * Büchmann-App * Magie-Tankstelle * In der Berghütte   Essays: Alexander von Humboldt * AlphaZero & Co. * Antwort-Jäger * Axolotl * Chillen * Chip, Chip, hurra! * Eitelkeit * Faktenchecker * Genetik * Geschenkt * Gestrandet * Irrungen, Wirrungen * Joseph und seine Bros * Joseph und seine Brüder * Boulevardpresse * Kriege * Lost Places * Meinung und Wissen * Nächstenliebe * Narrative * Philosophie * Ritter der mentalen Tafelrunde * Schlager * Superhelden * Treu und Glauben * Übertreibungen * Verstand spenden * Vom Kochen * Weihnachtszeit ist Kuschelzeit? * Zeitgeist   Gedichte: Angst * Begierden * Blau * Blühende Fantasie * Blumen im Strauß-Stress * Chancen * Der Ritter und der Gnom * Flüchtig * Gedankengut * Kinderleicht * Lenz * Loslassen * Nützlicher Wahnsinn * Ratten * Schlafzimmerblick * Schlittschuhlaufen * Seelenwinter * Sensationen * Soap Operas * Sogrates * Sonderbar & Co. * Spaß * Tannenbaum - echt jetzt? * Torten * Visionen * Wir wollen tollen Stollen! * Wissenschaft und Ideologie * Wüstenbezwinger   Drabbles und Aphorismen  

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Phil Humor

SIEG 3

Storys, Interviews, Essays, Gedichte

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

SIEG 3

Storys, Interviews, Essays, Gedichte

Storys und Interviews:

Interview mit einem Fußball * Sexroboter * Cover-Gespräch * Cat Content * Der Triumph der Galatea * Interview mit der Ungeduld * Interview mit einem Apfel * Die beiden Majas * Brainteaser * Interview mit der Wachsbüste der Flora * Interview mit einem Gänseblümchen * Interview mit der Viermastbark Peking * Interview mit Fortuna und Miseria * Büchmann-App * Magie-Tankstelle * In der Berghütte

Essays:

Alexander von Humboldt * AlphaZero & Co. * Antwort-Jäger * Axolotl * Chillen * Chip, Chip, hurra! * Eitelkeit * Faktenchecker * Genetik * Geschenkt * Gestrandet * Irrungen, Wirrungen * Joseph und seine Bros * Joseph und seine Brüder * Boulevardpresse * Kriege * Lost Places * Meinung und Wissen * Nächstenliebe * Narrative * Philosophie * Ritter der mentalen Tafelrunde * Schlager * Superhelden * Treu und Glauben * Übertreibungen * Verstand spenden * Vom Kochen * Weihnachtszeit ist Kuschelzeit? * Zeitgeist

Gedichte:

Angst * Begierden * Blau * Blühende Fantasie * Blumen im Strauß-Stress * Chancen * Der Ritter und der Gnom * Flüchtig * Gedankengut * Kinderleicht * Lenz * Loslassen * Nützlicher Wahnsinn * Ratten * Schlafzimmerblick * Schlittschuhlaufen * Seelenwinter * Sensationen * Soap Operas * Sogrates * Sonderbar & Co. * Spaß * Tannenbaum - echt jetzt? * Torten * Visionen * Wir wollen tollen Stollen! * Wissenschaft und Ideologie * Wüstenbezwinger

Drabbles und Aphorismen

Interview mit einem Fußball

Moderator: "Unser heutiger Interviewgast kommt aus der Fußballbranche. Es kam ja immer der Vorwurf, dass wir hauptsächlich Menschen, Tiere und Pflanzen interviewen würden; die Gegenstände kommen zu kurz. Sollen die sich doch auch mal äußern. Man ist umgeben von lauter Dingen – ein Sammelsurium an Selbstverständlichkeiten. Umso schöner, dass sich ein Fußball bereit erklärt hat, uns heute Rede und Antwort zu stehen. Im Film 'Cast Away' spricht Tom Hanks mit seinem Volleyball Wilson – Ballgespräche scheinen also mittlerweile üblich zu sein und es gilt nicht mehr als ballaballa."

Fußball: "Das ist schön. Man kommt sich ja auch sonst so ausgegrenzt vor."

Moderator: "Preiswerter Feenstaub verleiht den Dingen Eloquenz; sie bekommen Persönlichkeit. Würdest Du lieber eine andere Sportart betreiben?"

Fußball: "Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Man wird vermutlich überall getreten oder gestoßen. Riskiere ich eine Rote Karte, wenn ich ehrlich bin? Ich kann nicht immer den Ball flach halten."

Moderator: "Welchen Spielstil findest Du am besten?"

Fußball: "Bananenflanken sind mir peinlich. Als Ball ist man der Mittelpunkt, alles dreht sich um einen. Man wird ein bisschen größenwahnsinnig. Edelroller ist auch so eine peinliche Situation; ich kullere sehr ungern. Granate, Bombe – das lass ich mir gefallen! Man will ja was bewirken. Erst neulich so ein Gurkenpass – eine Zumutung!"

Moderator: "Freut es Dich, wenn der Torwart Dich nicht erwischen kann? Machen Dich Traumpässe stolz?"

Fußball: "Nun ja, ich könnte mir das alles als eigene Leistung zuschreiben. Aber ich bin längst nicht so aktiv, wie es für Euch den Anschein hat. Wobei mir Fehlpässe natürlich nicht egal sind. – Es gibt schon Roboterfußball ... Das sind bestimmt interessante Spieler. Ob die auch foulen, Verwarnungen kriegen?"

Moderator: "Findest Du, dass Fußball ein aufregender Sport ist?"

Fußball: "Manchmal liege ich da nur so rum; unterhalte mich mit der Eckfahne ... Kawumm! Da tritt mich doch einer mit voller Wucht. Es heißt 'Eckstoß' – aber dieser Ausdruck verharmlost mein Erlebnis! Das ist kein Puff, Stups, Knuff – da geht es zur Sache! Überhaupt 'Eckball': Ich war noch nie eckig und werde es auch nie sein!"

Moderator: "Was missfällt Dir beim Fußball?"

Fußball: "Vor allem die Nachspielzeit! Da denkst Du, Du bist fertig, Feierabend ... Und dann wird weitergekickt. Stollen und Nocken betrachte ich immer sehr argwöhnisch – höchste Verletzungsgefahr. Golfbälle sind da weitaus stabiler. Aber ich kann mich dem nicht entziehen. Letztlich geht es in dem Spiel um mich. Man will in Ballnähe sein; der Kontakt mit mir ist den Spielern wichtig."

Moderator: "Es heißt: 'Der Ball hat immer die beste Kondition.'"

Fußball: "Ich gebe mir Mühe, so zu wirken, als sei bei mir nicht die Luft raus. Ich sehe immer hochmotiviert aus. Läuft bei Dir auch alles rund?"

Moderator: "Schön, wie wir uns hier die Bälle zuspielen. Fußball kann auch als Projektionsfläche für Philosophie herhalten. Man will nicht ins Abseits geraten, man will keine Eigentore schießen, man muss den Ball im Spiel halten."

Fußball: "Hätte von mir sein können. Fußball ist so herrlich unklar: ständig Fehlentscheidungen des Schiedsrichters. War es passives Abseits? War es wieder so ein Wembley-Tor? War es Handspiel, Foulspiel? Unendlicher Diskussionsbedarf. Eine Welt, in der nichts strittig ist, wäre vermutlich todlangweilig. Phantomtore geistern durch die Fußballwelt. Aber mit den Videobeweisen soll es ja besser werden: Klarheit. Ich will ja kein Spielverderber sein, aber ich bin überzeugt von den Vorzügen der Unklarheit. Dann kann man sich nach Jahren noch streiten; das gibt sogar mir einen Kick!"

Moderator: "Was ist Dir lieber – Dropkick, Volley, Dribbeln ...?"

Fußball: "Ich find alles schön. So allmählich gewöhne ich mich daran, immer wieder eine verpasst zu kriegen. Kaum liegt man da, chillt ein wenig, kommt irgend so ein Ballkünstler und bucht mir eine Passage knapp vors Tor. 'Das Runde muss ins Eckige.' Ganz versessen sind sie drauf; Ballsüchtige."

Moderator: "Beim Fußball werden ja enorme Ablösesummen gezahlt. Spürst Du gelegentlich auch etwas von Deinem Wert?"

Fußball: "Die werden bald durch Roboter ersetzt. Was aber, wenn auch auf den Tribünen nur noch Roboter sitzen? Die Fußbälle sollen ausgestattet werden mit drei Spulen – das System nennt sich GoalRef. Dann weiß man als Fußball, ob man hinter oder vor der Torlinie liegt. Oder soll ich das torpedieren? Ich will keine drei Spulen in mir! – Ist gleich Abpfiff? Das Reden ist anstrengender, als ich dachte. Rollen ist einfacher, als etwas ins Rollen zu bringen."

Moderator: "Von Bill Shankly stammt der Spruch: 'Einige Leute halten Fußball für einen Kampf um Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich versichere Ihnen, dass es viel ernster ist!' – Ist Fußball noch ein Spiel, wenn man den Ernst vorherrschen lässt?"

Fußball: "Die Würde in Einklang zu bringen mit Verspieltheit – das verlangt Fußball uns ab, das fordert er von uns."

Moderator: "Früher gab es Manndeckung, jetzt Raumdeckung. Was wäre Deine Lieblings-Taktik?"

Fußball: "Tiki-Taka finde ich witzig. Die Mannschaft gibt den Ball gar nicht wieder her; man kombiniert; bloß keine weiten Pässe. Ist ja auch immer die Frage: Spielt man schön, fürs Publikum – oder schielt man aufs Ergebnis? Etwas Glück gehört auch dazu: Gelingt einem ein Abstaubertor? Macht sich der Pfosten wieder unnötig breit? Es ist für mich natürlich immer wieder ein Erfolgserlebnis, im Tor zu landen. Besser, als wenn es heißt: 'Der Ball verhungert vor dem Tor.'"

Moderator: "Erich Ribbeck meint: 'Das kann ein Nachteil oder ein Vorteil sein, sowohl für uns als auch für die gegnerische Mannschaft.' – Ist beim Fußball alles derart ungewiss?"

Fußball: "Ich habe den vagen Verdacht. Soll man was wagen? Vor- und Nachteile halten sich die Waage, Pro und Kontra gesellen sich dazu. Sitzt man in der Tinte, braucht man 'ne Finte. Ich weiß aber nicht, ob das zitierwürdig ist. Fußbälle gelten nicht als seriöse Informanten – muss man rundheraus zugeben."

Moderator: "Was ist Dir lieber: ein Kantersieg oder ein Zittersieg?"

Fußball: "In gewisser Weise bin ich der Zankapfel. Ich verursache Streit; bin ein Unruhestifter. Ich bin der Stein des Anstoßes. Manchmal zeigt mir das Freistoßspray, wo ich mich einzufinden habe. Orientierung ist wichtig, wenn jeder in Ballbesitz sein will. Man kann nicht jedem gefällig sein, ich kann nicht mit jedem mitgehen. – Kick and Rush finde ich eigentlich ganz schön – mal was wagen, mal sehen, wohin es mich verschlägt. Maßflanke ist natürlich schicker."

Moderator: "In gewissem Sinne ist die Sonne ja auch ein Ball. Hast Du Vorbilder?"

Fußball: "Muss ich drüber nachdenken. Kannst mich ja mal wieder einladen. Und Ihr? Empfindet Ihr Euch mehr als Spielball der Götter oder des Schicksals? Man hofft ja, dass die ein gutes Ballgefühl haben. Aber sicher ist das nicht. In wessen Tor landet man? Was sind die Saisonziele?"

Moderator: "Ich bedanke mich fürs Interview. Du wirst sicherlich keine ruhige Kugel schieben."

ENDE

Sexroboter

Meine Freundin Briana war zunächst nicht begeistert, dass ich zwei Sexroboter gekauft hatte. "Das sind Viktor und Viktoria. Neueste Baureihe. Die könnten unsere Beziehung retten."

"Oder ich pack gleich meine Koffer ..." Viktor bot ihr an, ihr dabei zu helfen.

"Guck mal, die können auch Dirty Talk!"

"Brauche ich etwa Nachhilfe im Fach Unsittlichkeit?!", knurrte Briana. Sie schob die beiden Sexroboter auf die Veranda hinaus.

"Die sind nagelneu."

"Wär ja auch noch schöner: gebrauchte Sexroboter; wär Dir aber zuzutrauen!"

Sie hatte also keine allzu hohe Meinung von mir. Viktoria streichelte mir tröstend über den Kopf. "Wir könnten eigentlich mit den Lektionen beginnen", schlug ich vor.

"So repariert man doch keine Beziehung! Ein romantisches Candlelight-Dinner oder ein Wochenende in einem Romantik-Hotel – das wäre was Gescheites."

"Viktor könnte auch mit Dir shoppen gehen; dann bliebe mir das erspart. – Sie haben alle möglichen Rollenspiele drauf. Das könnte fantastisch werden!" Aber offenbar ließ sich Briana von meiner Begeisterung nicht anstecken.

"Ficken wir jetzt?", wollte Viktoria wissen. Ich ließ mich von ihr zu unserer Hollywoodschaukel führen.

"Ist jetzt nicht wahr!?", ereiferte sich Briana.

"Lieber auf dem Küchentisch?" Viktoria war irritiert.

"Ich bin gut im Spanking", ließ sich Viktor vernehmen. "Wenn Du böse warst, muss ich Dich bestrafen", sagte er zu Briana.

"Könnte er mich auch massieren?" Briana schien einzuknicken.

"Lass Dich von mir verwöhnen", verkündete Viktor. "Wie pervers darf ich sein?"

"Gar nicht!"

"Aha; also Perversitäts-Regler auf Minimum. Ist aber langweilig."

Briana machte es sich auf der Gartenliege bequem. "Therapeutisches Gespräch erwünscht?", wollte Viktor wissen. "Oder lieber ein paar Beleidigungen?"

"Der ist ja noch schlimmer als Du!", beschwerte sich Briana.

"Ja, das konnte man beim Kauf so konfigurieren. Wir können von den beiden sicherlich viel lernen. Wir haben so selten Tabus gebrochen."

"Lass mich Deine Schlampe sein", bat mich Viktoria.

Ich war versucht, Briana um Erlaubnis zu fragen, da sagte sie von sich aus: "Mach mit dem KI-Flittchen doch was Du willst!"

"Wir sind gut reparierbar – und nicht so reparaturanfällig wie Ihr Menschen", sagte Viktoria in einem leicht gereizten Tonfall.

"Oh ja, wollen wir ein Rollenspiel machen: Ich könnte Dich mir sehr gut vorstellen als Polizistin, die hart durchgreift."

"Wir haben zig Uniformen in unseren Koffern dabei. Jede Menge Sextoys."

"Ich muss zugeben, die beiden beeindrucken mich immer mehr", räumte Briana ein. Die Ganzkörpermassage tat ihr gut. "Sag mir was Schmutziges", forderte sie ihn auf.

"Wenn ich mir einen Sexroboter kaufen würde, sähe er aus wie Du", antwortete er.

"Das war jetzt aber eher ein Lob, oder?" Sie sah sichtlich geschmeichelt aus.

"Meine Algorithmen laufen heiß, oh Meisterin." Sehr devot. Der hatte es echt drauf.

Viktoria kam mit einem Alu-Koffer wieder.

"Ich gestatte mir Enthemmtheit." Viktor zog sein Hemd aus.

"Wer will mein Sexsklave sein?", fragte Viktoria.

"Wenn man mich so nett fragt ..." Ich ließ mich von ihr fesseln.

"Bei ihr parierst Du; und wenn ich Dich um Kleinigkeiten bitte, ignorierst Du mich!"

"Sie ist intelligenter als Du. Sie spricht dreißig Sprachen – und ist perfekt in Dirty Talk", antwortete ich – woraufhin mir Briana erstaunlich viele schmutzige Wörter an den Kopf warf.

"Das ist doch mein Job!", beschwerte sich Viktoria. Sie kam hier eindeutig zu kurz.

"Ich steh auch auf Bondage", gestand Viktor, "bitte fesselt mich!"

Briana tat ihm den Gefallen. "Dabei wartet noch so viel Hausarbeit auf mich."

"Nun entspann Dich doch. Lass Dich von Viktoria geißeln; das hat bestimmt was Erregendes. Viktoria, wärst Du so nett?"

"Veto!", schrie Briana, der man heute nichts recht machen konnte. "Das ist doch nicht romantisch!"

"Wieso bist Du immer so versessen auf Romantik? 'Sturm und Drang' ist doch viel besser!"

"Soll ich jetzt strippen – oder den Haushalt machen?", wollte Viktoria wissen.

"Ich fände beides zugleich nicht schlecht", ging meine Fantasie mit mir durch.

"Dir ist Dirty Talk also wichtiger als eine gepflegte Unterhaltung?", bohrte Briana nach.

"Worte können ein Vorspiel sein. Eine Ausbildung zur Dirty-Talk-Königin wäre bestimmt nicht schlecht für Dich."

"Was ist mit Gefühlstiefe, Echtheit der Emotionen? Wie oberflächlich bist Du eigentlich?", wollte sie von mir wissen.

"Ich kann total oberflächlich sein; auf Kundenwunsch auch träumerisch-gedankenverloren", meinte Viktoria.

Briana rief: "Toll! Dann heirate sie doch! Dann heirate doch Deinen Sexroboter! Mich wolltest Du ja ohnehin nie heiraten."

"Wie kommst Du darauf?"

"Du hast jedenfalls nie gefragt."

"Soll ich denn fragen?"

"Das fragst Du mich?"

"Leute, Ihr verwirrt mich. Ich habe zwar mehr Rechenkapazität als Ihr, aber menschliche Logik ist mir nach wie vor ein Mysterium", gestand Viktoria.

"Ich kann auch Trauungen vornehmen", ließ sich Viktor vernehmen, "ich habe die Lizenz zum Trauen."

"Ich würde gerne erst noch mit Viktoria rummachen."

"Und ich wollte Viktor flachlegen; passt ja gut!", gab Briana zur Antwort. Sie gab ihm einen Zungenkuss – und bekam dabei einen elektrischen Schlag. Ihr standen die Haare zu Berge.

"Wie elektrisierend", kommentierte Viktoria, "es macht Spaß, Euch zuzuschauen. Sie wollte von mir ebenfalls einen Zungenkuss.

"Ich glaub, bei mir ist 'ne Sicherung durch", meinte Briana. "Vielleicht solltest Du das noch mal überdenken, bei Viktoria irgendwas reinzustecken. Da fürchtet man ja um seine Sicherheit."

Ich herzte sie. "Da springt der Funke über!", verkündete Viktoria. Mir war, als ob ich einen Zitteraal knutschte: Tolles Kribbeln – und meine Haut roch an einigen Stellen verbrannt. "Apocalypse Now", ging es mir durch den Kopf.

"Hat was Anregendes, nicht wahr? Soll ich jetzt ein paar heiße Sprüche sagen?" Sie fragte das so, als ginge es hierbei um das Aufsagen eines Weihnachtsgedichts.

"Das haut selbst den Weihnachtsmann aus den Socken."

"Ich will Dich in mir spüren!", bettelte Viktoria.

"Lieber nicht. Ich stand noch nie so unter Strom. Hat aber was Belebendes."

"Mach mit mir, was Du willst!"

"Okay." Ich schaltete sie aus.

"Die beiden reklamieren wir; und Dich reklamiere ich für mich", sagte Briana bestimmend.

"Wie resolut; gefällt mir. – Kannst Du noch mehr in diesem Befehlston sagen?"

Sie zog die Polizistinnen-Uniform von Viktoria an.

"Mein Akku macht mir zu schaffen; ich brauch dringend eine Akupressur", stöhnte Viktor – und versuchte dabei halbwegs erotisch zu klingen.

"Widerstand ist zwecklos. Am besten, Du gestehst gleich alles. Solche Hallodris wie Dich kennen wir!", fauchte Briana mich an.

Sogar Viktor zeigte sich beeindruckt. "Ich würde Dir sofort einen Antrag machen. Aber es würde wohl immer Spannungen zwischen uns geben."

"Was ist schon völlig spanungsfrei? Mir gefällt Spannung immer besser. Gegensätzliche Kräfte. Sich nicht zu ähnlich sein", meinte Briana und sah mich dabei bedeutungsschwer an.

Nun war es an mir, was Anspielungsreiches zu sagen, aber mir schwirrten nur Dirty-Talk-Halbsätze im Kopf herum. Das würde sie jetzt sicherlich abtörnen. Warum tat ich mich so schwer mit Romantik? "Mit Dir wäre ich am liebsten in der Zelle. Wollen wir uns aneinanderketten?"

"War das jetzt ein missglückter Heiratsantrag?"

"Ich versuch's noch mal. Wollen wir die Zeit auf Erden gemeinsam absitzen?"

Viktor fungierte als mein Souffleur: "Ein Ring, sie zu knechten, sie ewig zu binden." Das war noch nicht ganz perfekt. Entsprechend verunsichert sah Briana aus.

"Du bist ein mieser Souffleur!", sagte ich zu Viktor.

"Das bringt doch nichts, ihn abzukanzeln."

"Doch, das ist mein Job. Ein knallharter Job. Ihr würdet nicht einen Tag durchhalten als Sexroboter."

Ich war versucht, zu sagen: "Topp, die Wette gilt!", aber mein Gehirn war damit beschäftigt, den Heiratsantrag so zu formulieren, dass es nicht klang wie von einem Vollhonk.

Viktor steigerte sich da rein: "Es ist unglaublich – ich kann fast jeden Satz mit Erotik aufladen ..."

Cover-Gespräch

Da ich mit der Gestaltung meines Buchcovers nicht weiterkomme, habe ich ihm die Erlaubnis zum Sprechen erteilt. Soll es sich mal äußern. "Was meinst Du denn dazu?"

Mein Cover ist zunächst überrascht, dass es um Mithilfe gebeten wird. "Ich dachte, meine Aufgabe sei es, einfach abzuwarten und zu hoffen, dass Du es nicht vermasselst. Jetzt willst Du Tipps? – So ganz unter uns: Bis jetzt sieht das erbärmlich aus. Ich will mich ja nicht selbst runtermachen ..."

"Du bist enorm wichtig", versuche ich, ihm Mut zu machen.

"Ach, ich bin doch nur so etwas wie ein Türsteher. Ich steh draußen vor dem Laden; und die Party findet drinnen statt. Worum geht's in Deinem Buch überhaupt?"

"Das braucht Dich nicht zu interessieren."

"Aber soll ich verwegen aussehen, lässig, furchteinflößend? Du, ich muss das wissen. By the way – lass mich mal die Schriftarten sehen, die zur Auswahl stehen. Geht Bold? Ich muss mich ja behaupten können in den Buchläden und in den eBook-Shops. Und was mach ich dann da: Interessenten anquatschen? Mich in den Vordergrund drängeln? 'Ich muss auffallen' – mit diesem Mantra wurde ich geboren."

"Ich sehe, Du bist voll motiviert. Harter Fight da draußen. Immer mehr Bücher und immer weniger Leser."

"Okay, aber übertreibe es nicht mit den Bildelementen – fühle mich jetzt schon wie ein halber Clown. Kupfer doch einfach ab; ich habe gehört, dass die Verlage das ständig so machen."

"Ist aber nicht anständig. Du sollst was Originäres sein."

"Bitte nicht! Kann das nicht lieber ein Fachmann machen? Du strahlst erschreckend wenig Kompetenz aus. Stell Dir vor, ein Chirurg fragt den Patienten während der OP, wie er weiter vorgehen soll. Also ich finde das alarmierend. – Ich bin ein unfertiges Cover, das völlig fertig ist – seelisch."

"Das ist es! Du brauchst eine Seele! Du brauchst Charisma."

"Was denn nun? Ich soll ja als Botschafter Deines Romans unterwegs sein. Und Du lässt mich das nicht mal lesen?"

Ich lese dem Cover einige Abschnitte vor. Es sieht nachdenklich aus.

Ich sage: "Ich überlege, ob ich einen langen Untertitel verwende – alle relevanten Keywords darin unterbringen."

"Überlade mich! Ist jetzt eh alles egal. Ich habe Sehnsucht nach einem Grafiker. Du entstellst mich! Ich will hier weg!"

Ich gieß dem Cover und mir erst mal einen Whiskey ein.

"Selfpublisher machen das so – DIY – do it yourself."

"Ich werde verhunzt! Hilft mir denn keiner?!"

Ich zeige ihm Bilder, die zur Auswahl stehen. "Gefällt Dir was davon? Kannst alles haben."

"Gibt es Buchingenieure? Irgendwen Kompetentes?!"

Zur Strafe mache ich ihm den Titel grellgelb. "Das ist sogar noch kitschiger als Kitsch. Du hast es echt drauf! Zum Glück sind Taschenbücher vergänglich. Dann zerfalle ich bald. Aber als eBook dauert mein Leiden Generationen! – Was soll denn der Eyecatcher sein? Immerhin das Zentrum meines Cover-Daseins."

"Kann es sein, dass Du Dich zu wichtig nimmst?"

"Du hast mir doch diese immense Bedeutung zugeschrieben."

Ich entgegne: "Man kann von sich sehr eingenommen sein, ohne dass es so auffällt."

"Ich soll zurückhaltender sein!? Wer war es denn, der mich um Mithilfe angefleht, angebettelt hat?! 'Sprecherlaubnis erteilt!' Wie großzügig."

Ich trinke sein Whiskey-Glas auch aus. "Darf ich Dir sonst was anbieten?"

"Musik wäre nett. Meine Stimmung ist im Keller."

"Marketing ist King. Du bist echt wichtig. Du präsentierst."

"Bin aber nicht präsentierbar. Ich habe nie erwartet, repräsentabel zu werden – aber das hier, das ist doch echt das Allerletzte!"

"Du bist meist ohnehin nur in Daumennagelgröße zu sehen. Als Vorschau."

"Soll mich das jetzt irgendwie trösten? Du wärst ein ganz miserabler Therapeut! – Wenn Du willst, kannst Du mir noch was vorlesen aus Deinem Roman. Vorbereitung ist auch für einen Schauspieler wichtig: so viel wie möglich über die Rolle in Erfahrung bringen. Zum Glück haben Cover jede Menge Empathie. Das zeichnet uns aus. Wir sind nicht nur irgendwelche Bildchen, die man beliebig austauschen könnte. Wir suchen die Nähe zum Buchinhalt, wir saugen ihn auf, wir inhalieren das." Das Cover sieht berauscht aus; beinahe ekstatisch.

"Wow! Du nimmst Deinen Job ja verdammt ernst."

"Das ist wohl die Musik – sie beschwingt. Bücher haben was Dauerhafteres als Zeitschriften und Zeitungen. Eigentlich schön, dass ich bei Deinem Projekt dabei sein darf. – Also, ich soll ansprechend sein, zum Lesen animieren, neugierig machen – aber nicht zu viel verraten. Ist das so ungefähr meine Jobbeschreibung?"

Das Cover verändert sich von alleine. Es sucht sich die Bilder raus, die es für richtig erachtet. "Ich glaube, das passt so ganz gut. Sind irgendwo noch andere Bilder?"

Das Cover kommt mir vor, als stünde es in einer Umkleidekabine und ich würde ihm weitere Kleidungsstücke zur Anprobe holen. "Wollen wir mal sehen, was wir für Dich haben."

"Grau steht mir gar nicht!"

Ich hätte meinen Roman auch um Mithilfe bitten können, kommt es mir in den Sinn. Meinem Protagonisten hatte ich Sprechverbot erteilt, da er mir sogar in meinen Träumen seine Ideen unterjubeln wollte. Ich sollte seine Rolle ausbauen; ihn weiser wirken lassen. Er sei gar nicht so der Action-Typ. Ich habe das alles unterbunden – dabei klappt die Zusammenarbeit mit dem Cover hervorragend.

"Wenn Du bekannter wärst, hätte man Deinen Autorennamen groß rausstellen können. So quetschen wir ihn lieber in die Ecke."

"Hey! Man kann ja wenigstens so tun, als ob man bedeutend sei."

"Halte ich nicht für richtig. Immerhin muss ich dafür geradestehen. Ich muss das verantworten! Wie steh ich denn da? Als Lügner. Oder soll ich leere Versprechungen machen? Erwartest Du das von mir?"

"Ja, in gewisser Weise."

"Also soll ich in gewisser Weise ein Hochstapler sein. Für einen Dünnbrettbohrer ist Dein Buch verhältnismäßig dick."

"Das brauche ich mir von meinem Cover nicht bieten zu lassen!"

Mein Cover brüllt mich an: "Kriege ich nun ein anständiges Briefing?!"

"Ich habe keinen Plan!", brülle ich zurück.

Ein echtes Brainstorming. Man bekommt direkt Kopfschmerzen.

Das Cover probiert in rasendem Tempo verschiedene Schriftarten aus. "Wollen wir lieber was Lesbares oder was Pfiffiges? Die coolen Sachen kann man nicht entziffern; mehr so in Richtung Hieroglyphen? Oder was von der Firma Brav & Bieder? Deine Entscheidung."

Wie soll ich mit seinem Tempo Schritt halten? "Kannst Du nicht in den digitalen Modus schalten?", will mein Cover wissen. "Faszinierend, wie Ihr mit der Langsamkeit Eurer Neuronen klarkommt. Lass Dich doch digitalisieren."

Zum Glück habe ich die Musik so laut, dass ich das Cover kaum noch verstehen kann. Aber es durchschaut meine Absicht. "Soso, das alte Übertönungs-Spiel. Nicht sehr lauter – aber ich kann lauter!"

Ein echter Schreihals. Vom Typus her genau richtig für den Job. Hat ja was Marktschreierisches. Ware anpreisen. 'Geht nicht vorüber!' Ist dennoch ein Handel mit Ladenhütern.

"Ich verstärk mal die Kontraste. Wie ist das? Voll die krassen Komplementärfarben." Es präsentiert stolz sein Ergebnis. Das kann sich sehen lassen.

"Viel besser als mein Entwurf."

Cat Content

Moderator: "Mein heutiger Interview-Partner: eine niedliche Katze. Dank Feenstaub zu mehr imstande als die Miau-Sprache."

Katze: "Was ist gegen die Miau-Sprache einzuwenden? Wir haben Euch damit wunderbar im Griff. Das ganze Internet ist von uns Katzen besetzt. Nur einige hören nicht auf, uns Widerstand zu leisten. Das muss aufhören! Cat Content rules!"

Moderator: "Eigentlich heißt es ja von Euch, dass Ihr um den heißen Brei herumgeht, aber Du kommst gleich zum Punkt."

Katze: "Apropos, etwas Brei wäre nett. Wir haben noch gar nicht über meine Gage gesprochen. Ich wäre ja gerne mehr so der burschikose Streuner-Typ – aber man muss ja auf sich achten. Ihr wollt es niedlich."

Moderator: "Läuft man mit der Niedlichkeits-Masche nicht Gefahr, nicht für voll genommen zu werden?"

Katze: "Die Schweine wären dankbar, wenn sie dermaßen niedlich wären. Wir erhalten schon Anfragen, ob wir sie nicht darin unterrichten könnten. Sie wollen auch so beliebt sein. Aber sie erzählen andauernd versaute Witze. Wobei ich mir auch mal gerne so ein Schlammbad gönnen würde."

Moderator: "Was sagen die Hunde zu Eurer Machtergreifung im Internet? Katzencontent – das ist ja irgendwie Low Culture."

Katze: "Macht aber süchtig. Vielleicht legen wir sogar Eure Wirtschaft lahm? Stichwort: Prokrastination. Wir hypnotisieren Euch mit Cat Content – wir sind Ablenkungs-Weltmeister, wir lenken Euch von allem Wichtigem ab. Du hättest normalerweise ja auch irgendeinen Promi zu Gast – mit dem Du Katz und Maus spielen könntest. Du wirst sehen: Es ist alles für die Katz!"

Moderator: "Es heißt aber auch, dass Cat Content gut für die Psyche sei. Man ist erheitert. Man erträgt die News der Welt mit größerer Gelassenheit."

Katze: "Das wäre mir neu, dass man durch Katzenvideos zum Stoiker wird. Mich beruhigen Goldfische. Mäuse huschen immer so. Haben was Unruhiges."

Moderator: "Daran seid Ihr nicht ganz schuldlos. Auch die Vögel sind nicht gut auf Euch zu sprechen."

Katze: "Kann ich das Feenpulver wieder aus meinem Fell kriegen? Du bist dermaßen vorwurfsvoll ... Ich bin es gar nicht gewohnt, so lange Rede und Antwort zu stehen."

Moderator: "In Japan ist es noch schlimmer. Sie nennen es Kawaii: eine Niedlichkeits-Welle, die alles erfasst. Hier ist beispielsweise ein Plüschpanda."

Katze: "Ja, die sind eine echte Konkurrenz für uns. Verdammte Pandas! Immer mehr Tiere wollen plötzlich niedlich sein. Selbst die Bären machen schon Selfies mit Euch."

Moderator: "Ist es eine Gefahr, wenn man alles verniedlicht?"

Katze: "Das ehrt mich; Du traust mir eine philosophische Betrachtungsweise zu. Im Grunde lenken wir ja nur davon ab, dass wir nicht immer Unschuldslämmer sind. Niedlichkeit als Trumpf. Eine Katze hat sieben Leben – da kommt schon einiges an Übeltaten zusammen. Momentan ist mein Karma hundsmiserabel. Ich bin auf dem Weg hierher einer Amsel begegnet. Wir besprachen so dies und das – und ob sie sich eine Karriere als Hauptmahlzeit vorstellen könne."

Moderator: "Ist ja klar. Niedlichkeit passt nicht immer. Ein niedlicher König – den nimmt doch keiner ernst. Niedliche Gespenster wären für eine Geisterbahn geschäftsschädigend. Vermutlich wären wir nicht in der Lage, eine durch und durch niedliche Welt zu ertragen."

Katze: "Dir ist aber schon klar, dass Du damit unser Geschäftsmodell kaputtmachst? Wir waren noch nie so populär. In Ägypten hatten wir nur Götter-Status; der Tempeldienst ließ zu wünschen übrig. Doch jetzt huldigt man uns rund um die Uhr. Wir können uns sogar Arroganz erlauben. 'Nur immer rein in die gute Stube!', heißt es für uns Stubentiger."

Moderator: "Finde ich gut, dass Du die Katze aus dem Sack lässt. Sollen auch die Hunde vor Euch katzbuckeln?"

Katze: "Interessanter Plan. Sie sind nicht schlecht mit ihrem treuen Hundeblick. Es gilt, Eure Gunst zu erringen. Da muss jedes Mittel recht sein. Aber man kann Euch gut umgarnen. Apropos, hast Du welches da? Ich bin ganz verrückt nach Garnknäueln. Meine große Leidenschaft!"

Der Moderator lässt mehrere Garnknäuel kommen.

Moderator: "Als hätte ich es geahnt. Können Katzen es sich leisten, so vorausberechenbar zu sein? Zerfällt Eure Aura des Geheimnisvollen, Magischen? Ihr galtet immer als rätselhafte Wesen. Wie verträgt sich das mit übertriebener Niedlichkeit? Tragt Ihr nicht zu dick auf?"

Katze: "Ich bin so okkult, wie es mir gefällt. Wir Katzen überspringen Zäune und die Grenzen des Diesseits – ermessen die unermesslichen Räume des Internets, verwandeln uns in Memes ... Mir ist schleierhaft, wie es uns gelingt, Eure Banalität zu ertragen. Siehste: schönes Beispiel für unsere legendäre Arroganz. Das traut sich kein Hund – dieses Maß an Unverschämtheit. Da sind wir beinahe konkurrenzlos."

Moderator: "Also, Ihr kombiniert Blasiertheit mit Niedlichkeit. Das ergibt auf seltsame Art was Charmantes. Hat aber auch was Irritierendes."

Katze: "Wir verbringen nicht die Zeit mit Deuten; wir sind lieber bedeutend. 'Niedlich' und 'dienlich' sind Anagramme. Das sollte Dir zu denken geben. Ihr Menschen seid Katzen-Diener. Katzenklo-Reiniger."

Moderator: "Unsere Band spielt jetzt etwas Katzenmusik. Das kann sie am besten."

Katze: "Könnte ich noch etwas Katzenstreu haben?"

Moderator: "Wer kann bei so einem Blick schon Nein sagen? Wo lernt man das, so goldig zu sein?"

Katze: "Die goldige Abendsonne lehrte es mich. Wir Katzen sind im Grunde Poeten. Wie das Unvereinbare Platz in einem Gedicht findet – so auch in unseren Seelen. Wir sind so manipulativ wie nötig. Unser oberstes Gebot lautet Selbstständigkeit. Wir feiern die Autarkie – aber Ihr dürft uns aufwarten. Ich finde, ein überzeugendes Konzept."

Moderator: "Schadet uns Cat Content?"

Katze: "Also ich wäre angeödet, wenn ich mir immer 'Homo sapiens'-Memes reinziehen müsste. Mich interessiert einfach nicht, ob Ihr drollig oder knuffig seid. Was bei mir Entzücken hervorruft, ist ein gut gefüllter Kühlschrank! Da lässt man mich kaum ran! Da mal stöbern – so ganz in Ruhe. Ich würde auch mit dem Papagei teilen, damit er den Schnabel hält. Gebt dem bloß keinen Feenstaub!"

Moderator: "Wie lautet Dein Resümee?"

Katze: "Niedlichkeit ist vielleicht nicht der ehrenvollste Weg – aber sie verdeckt ganz gut Selbstgefälligkeit und Arroganz. Wie ein Parfum, bei dem man als Herznote Niedlichkeit verwendet – andere, nicht so sympathische, Duftnoten werden überdeckt."

Moderator: "Vielen Dank an die Feen für Ihren Feenstaub. Das war ein sehr aufschlussreiches Gespräch."

Katze: "Miau, miau, miau."

Moderator: "Hat die Wirkung des Feenstaubs schon aufgehört?"

Katze: "Nein, ich übe nur – ob ich das Miauen noch kann. Was seltsam ist: Ich verstehe mein Miauen nicht."

Moderator: "So wird sich der Mensch durch den Zauber der Technik selber fremd. Die Sprache des Instinkts klingt uns geheimnisvoll. Natur verschließt sich uns – wird zum Arkanum!"

Katze: "Ich muss hier weg! Kann ich den Hocker als Kratzbaum mitnehmen?"

Moderator: "Das sei Deine Entlohnung!"

Katze: "Ein Paar Stiefel wären auch schön. Können auch Turnschuhe sein. Bester Cat Content überhaupt!"

Sie ziehen der Katze Turnschuhe an.

Katze: "Knuffiger wird es nicht! Macht Eure Fotos!"

ENDE

Der Triumph der Galatea

Ich habe meinen Gemälde-Aktivator verbessert; jetzt ist es mir nicht nur möglich, Figuren aus ihren Gemälden zu extrahieren, sie in die Realität zu überführen – ich kann nun selbst in die Gemälde und Fresken steigen, Teil haben an ihrem Kunst-Dasein. Man ist ja ohnehin schon ein halber Avatar – so oft, wie man im Internet unterwegs ist.

Ich stehe in der Villa Farnesina in Rom; direkt vor mir ein Fresko von Raffael: "Der Triumph der Galatea". Vor einem halben Jahrtausend gemalt; noch immer stehen sie unbewegt; keiner wackelt. Man verharrt, man präsentiert sich dem vorbeiziehenden Strom der Generationen. Es sind nicht die Wassermassen des Tibers – ein Fluss aus Touristen, Begutachtern. Galatea steht auf einer riesigen Jakobsmuschel; sie nutzt sie als Schnellboot – lässt sich von zwei Delfinen ziehen; saust übers Meer. Sie ist eine Nereide – ihr Vater ist der Meeresgott Nereus. Sie ist auf dem Meer zu Haus. Blöd nur, dass ihr gerade der Kyklop Polyphem nachstellt. Ein ganz übler Stalker. Er ist Sohn des Poseidon. Wenn sie wüsste, dass vor dem Bild auch jede Menge Stalker sie begutachten … Aber sie hat es ja auch darauf angelegt. Sie zeigt sich recht freizügig. Der Oberkörper halb entblößt; ihr Haar weht im Wind. Man kann Polyphem verstehen. Dennoch hat man den Eindruck, Raffael hat ihr Männerarme gemalt – als ob ihm ein Mann Modell gestanden hätte.

In dem Fresko neben ihr sitzt Polyphem, die Panflöte in der Hand. Er wäre wohl dankbar für meinen Gemälde-Aktivator. So ist er auf ewig von ihr getrennt. So nah – er bräuchte nur den Arm auszustecken. Aber das ist ihm verwehrt. Sie ist die ewig Fliehende; von verrückten Amoretten umzingelt – mit gespanntem Bogen umkreisen sie sie. Es sind nicht die idealen Bedingungen für ein Date; ob da auf der Jakobsmuschel noch Platz für mich ist? Die Delfine sehen sonderbar gestaucht aus. Nicht, dass mich die Amoretten aus Versehen treffen. "Galatea" – das heißt "Die Milchweiße". Sie hat noch 49 Schwestern. Das Meer hat mehr Attraktionen zu bieten als Algen, Quallen und Kraken.

Ich habe mir extra auch so eine Syrinx gekauft – eine Panflöte. Sie mit einem Medley der beliebtesten Schlager überraschen. Um sie herum: Tritonen, Ichthyokentauren, Meeres-Nymphen, Hippokampen. Könnten Wesen sein direkt aus dem Genlabor: Chimären, Mischwesen – malen mit der Gen-Palette. Buntes Allerlei. Da fällt mir ein: ein paar Delfin-Gene wären gar nicht schlecht.

Sieht beinahe nach einer Orgie aus; wie in einem Swingerclub. Nur dass Galatea sich einen anderen Lover wünscht: den Sonnyboy Akis. Den hat aber Polyphem bereits erschlagen mit einem Felsen. Sehr unschön. Andererseits ist da ein Platz freigeworden. Ich könnte ihr ein Handy schenken. Die Mythenwelt sollte aufrüsten, Technik-affiner sein. Ihr Jakobsmuschel-Boot ist echt spektakulär. Mit Wasserrad. Hat was von Steampunk. Einer bläst Schneckenhorn – eine Trompete gefertigt von der Natur. Ist ja alles da.

Polyphem ist todunglücklich. Dann steht ihm auch noch der Ärger mit Odysseus bevor. Kyklopen sind Assistenten der Vulkangötter. Unruhige Wohngegend. Man sehnt sich nach was Schönem. Beinahe wie platonische Liebe – etwas, das einen zum Höchsten und Besten führt. Stattdessen weckt Galatea in ihm das Übelste: Er mutiert gänzlich zum Angeber, wird sehr übergriffig. Nur der Griff in das benachbarte Fresko will ihm nicht gelingen. Verdammt, auf Ewigkeiten dort zu brüten. Nebenan vergnügt man sich. Nackte Nereiden, bei denen der Wollust-Pegel rasant steigt. Im Mythen-Swingerclub hat jeder die Lizenz zum Beglücken.

Normalerweise beschwert Polyphem sich bei seinem Vater Poseidon. Er wird Odysseus verpetzen. Die üblichen Druckmittel. Galatea ist es leid, seine Litanei zu hören: soundso viel Vieh habe er. Sie kennt mittlerweile beinahe jedes Schaf und jede Ziege mit Namen. Dann preist er seine Obstbestände an: Kirschen, Erdbeeren, Pflaumen. Ihre "Neins" überhört er – verdoppelt seine Bemühungen. Meint, dass sein Vater Poseidon ja der Chef von ihrem Vater Nereus sei.

Ich lasse den Gemälde-Aktivator schon mal warmlaufen. Zurzeit keine weiteren Besucher hier. Auf ins Fresko-Land! Der Übergang klappt verhältnismäßig gut. Allerdings zielen die Amoretten nun auf mich. "Schon gut", sage ich, "das ist nur ein Routine-Besuch. Ich bin ein Fan von Raffael und Galatea."

"Wer ist Raffael?", fragt mich Galatea. Ich halte mich an ihr fest, denn die Jakobsmuschel schwankt ganz schön.

"Keine Sorge, ich bin Surfer, das bekomme ich schon hin", sage ich – wobei das als Aufmunterung für mich selbst gedacht ist.

"Ich führe auch oft Selbstgespräche", meint Galatea.

Die Delfine ziehen wie verrückt, wir machen ordentlich Fahrt. Ein Triton meint, dass er seine Nereide nicht mit mir teile. "Dein Fisch-Unterkörper erschwert nicht das Liebesspiel?", will ich wissen. Er sieht ansonsten aus wie ein Bodybuilder.

"Ja, ist nicht alles einfach in der Mythenwelt. Aber man fischt sich, was man so kriegen kann." Er zieht eine Wasser-Nymphe auf seinen Schoß.

Ich habe Zeit, Galatea zu begutachten. Netterweise weht der Wind ihren roten Umhang immer wieder zur Seite. "Ein Bild für Götter", kommentiere ich das.

"Danke. Ich versuche, mich in Form zu halten. Wer bist Du – und was machst Du hier?"

"Willst Du die lange Version hören oder die kurze? Ich komme aus einer nicht so malerischen Welt."

Sie grübelt laut: "Manchmal fühlt man sich wie in einem Gemälde; nicht, weil es so malerisch ist, sondern weil die Zeit stillzustehen scheint. Was, wenn die ganze Welt nur eine Abfolge von Wandgemälden wäre? Aber das ist ja grotesk!"

Gut, dass ich nicht in Polyphems Fresko gegangen bin. "Gefangene in einem Fresko – wenn es nicht so verrückt klänge ..."

Ich muss Galatea aus ihrer Nachdenklichkeit herausholen. "Schönes Wetter heute!" Fällt mir nichts Besseres ein?

"Etwas windig." Ich bin drauf und dran, ihr 'Drei Wetter Taft' zu empfehlen. Ich singe "Dein Haar weht im Wind ..." und spiele dann auf der Syrinx die Melodie von "Ich weiß, was ich will". Ein Ichthyokentaur begleitet mich nach einer Weile auf seinem Tritonshorn.

Galatea sagt: "Du erinnerst mich an Akis."

Polyphem pöbelt aus dem anderen Fresko: "Da werfe ich doch gleich mal einen Felsen! Jedem Hergelaufenen läufst Du hinterher?" Er zitiert aus Ovids Metamorphosen: "

"O Galatea, zudem starrsinnig wie trotzende Rinder,

Trüglich wie wallende Flut, hart gleich vieljähriger Eiche,

Zäh wie Weidengesträuch, wie weißliche Ranken am Weinstock,

Unnachgiebig wie hier das Gestein, aufbrausend wie Stromfall,

Stolz wie der prächtige Pfau, wehtuend wie brennendes Feuer,

Heftig wie stechender Dorn, unsanft wie die säugende Bärin,

Taub wie die wogende See und erbost wie getretene Otter ..."

So geht das noch eine Weile weiter. "Es hagelt ständig Vorwürfe von ihm! Ich halt das nicht mehr aus!" Galatea reißt ihren Meeres-Streitwagen herum – eine Wende um 180 Grad. Sie hält auf Polyphem zu. "Den mach ich zur Sau! Zur Schnecke! Wahlweise auch zur Minna! Den nehm ich auseinander!"

Woher hat sie plötzlich diesen Mut? Vermutet sie, dass ich ihr helfen würde? Sie singt: "Sag mir eins: Will ich zu viel?" Da ich mittlerweile vom Streitwagen gefallen bin aufgrund ihres Fahrstils, versuche ich es mit Wasserski: Halte mich am goldenen Umhang einer Nereide fest – und gleite elegant auf meinen Fußsohlen über ein Meer, das sehr viel Ägyptisch Blau enthält. Hat Raffael als Reminiszenz an die Antike verwendet statt Lapislazuli. Fühlt sich aber gut an.

"Schnittig", lobt Galatea mich. Das löst bei Polyphem einen weiteren Wutanfall aus. "Ich zähl die schon gar nicht mehr", meint Galatea. Sie sieht zunehmend dämonischer aus. Entschlossen, ihm alles heimzuzahlen. "Ich bin erbost wie getretene Otter", nimmt sie seinen Gedankengang auf. "Mein geliebter Akis ist nun ein Fluss. Verwandelt, zerstört. Hätte ich die Kraft des Ätna – Polyphem zu zerstören."

Polyphem zitiert nochmals Ovid; um sich zu beruhigen oder Galatea?

"O Galatea, so weiß wie das Blatt schneehellen Ligusters,

Blühend und frisch wie die Au, so schlank wie die ragende Erle,

Glänzend wie heller Kristall, schalkhaft wie das hüpfende Böcklein,

Glatt wie von ständigem Meer am Strande gewaschene Muscheln,

Lieblich wie sonniger Schein im Winter, wie Schatten im Sommer,

Edel wie saftiges Obst und schmuck wie die hohe Platane,

Licht wie spiegelndes Eis und süß wie die zeitige Traube,

Weich wie Flaum am Schwan und wie Milch vom Labe geronnen,

Reizend zu sehn, wenn nicht Du entfliehst, wie gewässerter Garten!"

Es scheint, Galatea zu beruhigen. Wie ein altbekanntes Wiegenlied. Erinnert sie sich an schöne Stunden mit ihm? Das kann gar nicht in meinem Interesse sein! Ich bin nicht so der Diplomat. Aber seltsam ist es schon: Wer begibt sich für ein Date in ein Gemälde? Vielleicht bin ich Metamorphosen-süchtig? Veränderungen durch Mythenzauber. Die zugrundeliegenden Ideen und Aspekte erfassen. Das Grundsätzliche; den Topos begreifen, der in unserem Innersten am Wirken ist. Immerhin heißt das Bild "Der Triumph der Galatea". Ich sollte ihr zu ihrem Triumph verhelfen. Sonderbare Apotheose, die aus Flucht besteht. Ein Hippokamp hat sich meiner erbarmt. Er lässt mich aufsitzen.

"Ich komme Polyphem nicht näher. Welten trennen uns."

Ich spiele die Melodie "Tür an Tür mit Alice" – singe dann aber "Fresko an Fresko mit Polyphem". Nach einer Weile singt Polyphem – mit etwas rauer Stimme: "Ich weiß nicht, wo sie hingeht, woran es liegen kann. Sie hat wohl ihre Gründe und es geht mich auch nichts an ..."

"So begriffsstutzig, wie alle sagen, bist Du gar nicht", lobe ich ihn.

Er wirft Felsen in unsere Richtung, aber es bleibt alles im Rahmen. Schon praktisch, wenn der Bösewicht eine eigene Fresko-Zelle hat.

"Das hüpfende Böcklein kommt da gleich mal rüber!", kündigt Galatea an. Ich muss das alles hier beschleunigen. Ob die Amoretten mir Pfeil und Bogen aushändigen?

"Die allgemeine Lieblosigkeit nimmt besorgniserregend zu."

"Findest Du?", fragt mich die Amorette, die bislang versucht hat, die Delfine aufzuhalten. Ist sie eine Abgesandte Polyphems? Die Liebe kann das doch unmöglich wollen. So abgedreht ist sie nun auch nicht. Die Liebe erlaubt sich ja so manches Schräge.

"Ich heiße Tony", stelle ich mich vor.

"Ich heiße Putte. Wir sind alle ziemlich kaputt hier." Sie füttert die Delfine mit Kraken.

Der Wind weht Galateas Umhang weg – sie steht nun gänzlich nackend da. Polyphem flippt aus. "Hoppla", meint Galatea.

Ich bitte Putte, den Umhang zurückzuholen. "Bin ich ein Apportier-Hund, oder was? 'Bitte folgen Sie dem Umhang' – ich bin doch kein Taxifahrer!" Die sind alle up to date. Woher haben die ihr Update?

Ich leihe Galatea meine Jacke. "Ein Gentleman. Oder stört Dich der Anblick einer nackten Meeres-Nymphe? Ich bin im Originalzustand. Nichts ist beschönigt. Amor und seine Gang nahmen mich unter Beschuss – aber bislang wenig Treffer. Oder sind Dir Najaden lieber? Fluss-Nymphen. Wächterinnen der Sümpfe, Seen und Bäche. Ein Meer hat was Großzügigeres. Man ist nicht so beengt – eigentlich; denn mir kommt meine Welt äußerst klein vor, beinahe fipsig. Selbst Polyphem erscheint mir irgendwie fipsig."

"Unglaublich! Sie schafft es, einen Kyklopen zum Zwerg zu machen! Mental, psychisch, auf ganzer Linie!" Polyphem zerschmettert seine Panflöte. Er rupft Bäume aus – als seien es die Blütenblätter eines Gänseblümchens. "Sie liebt mich, sie liebt mich nicht ..."

"Als ob er die Antwort nicht kennen würde!", mokiert sich Galatea. Demonstrativ kuschelt sie sich an mich. "Erzfeind von Polyphem zu sein – wie fühlt sich das an?"

Ich fühle mich wie ein Erzgauner – da ich bei dieser Konstellation nur die Vorteile habe. Ich bin wie ein Zeitreisender: Ich sehe das Gesamt-Puzzle. Sie aber sind nur Puzzle-Teile.

Putte händigt mir Pfeil und Bogen aus. "Beschieß damit, wen Du willst. Streifschüsse sind auch witzig. Man ist versucht, Liebe gleichzusetzen mit Chaos; aber echte Liebe verringert das Chaos in der Welt. Sie hat etwas Stimmiges – alles hat plötzlich seinen Platz; und man fühlt sich am rechten Ort. Auch mitten im Meer."

"Du brauchst mich nicht zu beschießen", meint Galatea, "Du bist ein Treffer. Gut, dass wir uns hier getroffen haben."

Wir machen es uns auf ihrer Jakobsmuschel bequem.

"Ich könnte Dir eine Yacht malen. In Deiner Welt kann ich umhermalen wie in einem Bilderbuch. So muss Göttern in meiner Welt zumute sein. Das Universum – ein großes Ausmalbuch. Oder will man sich das gar nicht ausmalen?"

"Ich sag doch, dass die Welt aus Bildern und Bildnissen besteht. Porträts der Dinge. Abbild, Urbild – keiner kennt sich mehr aus. Wie soll man da Vorbild sein? Ich will mich gar nicht vorbildlich benehmen. Die Eifersucht Polyphems zu schüren, ist momentan mein schönes Anliegen. Hilfst Du mir dabei?"

"So gut ich kann", versichere ich ihr.

"Lassen wir uns inspirieren vom Rhythmus der Tritonen. Sie haben große Ausdauer."

Ein wenig schüchtert mich ihre Bemerkung ein. Sie ist Mythen-Niveau gewohnt. Kann die Realität da mithalten?

Sie sagt: "Den Göttern ist es nicht immer möglich, als sie selbst aufzutreten. Zeus z. B. borgt sich Tiergestalten. Hat aber im Grunde was Erbärmliches. Ich wäre gerne öfters authentisch. Bei Akis konnte ich das sein. Keine Verstellung. Das hat etwas Befreiendes."

Ob ich mit Authentizität bei ihr punkten könnte? Ich erschleiche mir ein Date. Ein schlechtes Gewissen hat den Vorteil, dass man es nicht sofort beachten muss. Timing ist dabei wichtig: erst die Tat, dann die Reue.

"Hier wogt recht viel. Am Busen der Natur ist es doch am schönsten!"

"'Wer wogt, gewinnt!', lautet mein Wahlspruch", verkündet sie.

Es ist, als bestünde eine Übereinstimmung zwischen ihr und dem Meer; gleiches Wesen; frappante Ähnlichkeit. Sie ist nicht die Herrscherin des Meeres, es ist mehr so, als sei es ihr Gespiele, ein guter Kamerad. Die Wellen sprechen zu ihr – als ob es sich um ein Radio und Radiowellen handelt.

"Die Wellen sind für mich Wellness. Nicht überraschend für eine Meeres-Nymphe – aber ich bin geradezu süchtig nach Wellen. Nach kleinsten Veränderungen. Sie alle fügen der großen Erzählung was hinzu; manche nur Worte, manche ganze Absätze."

Polyphem ruft "Bullshit!" und wirft mit Baumstämmen um sich, als seien das übergroße Zahnstocher.

"Wir haben ihn verärgert! Oh, wie schön. Lass uns weitermachen! Welche Stellung hatten wir noch nicht?"

"Liebe ist kein Stellungskrieg", brüllt Polyphem.

"Seine Kommentare stören etwas."

Interview mit der Ungeduld

Moderator: "Heute bei uns zu Gast im Studio: die Ungeduld. Haben wir im Land zu viele Phlegmatiker? Müssen wir uns das Ungeduldig-Sein wieder antrainieren? Wo siehst Du Deine Stärken?"

Ungeduld: "Ist ja fast wie bei einem Bewerbungsgespräch. Habe ich es nötig, mich dem Zeitgeist aufzudrängen? Vermutlich schon. Man wollte mich kaltmachen; man hat eine Tugendarmee gegen mich aufgestellt. Man hat mir klar zu erkennen gegeben, dass ich unerwünscht sei. Wohin man schaut, nichts als Schwerfälligkeit und Behäbigkeit – um das Wort Lahmarschigkeit zu vermeiden. Soll ich ein Lamento anstimmen?"

Moderator: "Ich kann auch unsere Studio-Band bitten. Wie wäre es mit dem berühmten Lamento d 'Arianna von Claudio Monteverdi?"

Die Ungeduld singt mit. Das Publikum wird ungeduldig.

Moderator: "Zurück zum Interview. Leidest Du unter FOMO – Fear of missing out? Der moderne Mensch ist ein Multitasker. Zeit ist Geld. Wir stopfen in die Zeit so viel hinein wie möglich."

Ungeduld: "Geht mir genauso. Ich lass mir bei Bedarf jede Menge Arme wachsen. Flexibilität ist mir wichtig."

Moderator: "Erlebst Du manchmal Flow? Ganz eintauchen in den Moment?"