Bayerisch Öd - Das entführte Ferkel - Felix Valentin - E-Book
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Bayerisch Öd - Das entführte Ferkel E-Book

Felix Valentin

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Beschreibung

Als die mobile Krankenschwester Karin zu einem Notfall gerufen wird, hat sie definitiv nicht damit gerechnet, dass es sich dabei um ein entführtes Ferkel handelt. Was für eine Sauerei! Als sie der Sache auf den Grund gehen will, stolpert sie plötzlich über eine Leiche. Karins Einschätzung als Krankenschwester lautet: Mord! Doch der Dorfpolizist Michael weigert sich, ihr Einzelheiten zum Fall zu verraten. Also macht sich Karin eben selbst auf die Suche nach dem verschwundenem Ferkel und gerät dabei ins Visier eines gefährlichen Mörders ...

»Das entführte Ferkel« ist der Auftakt der neuen Regio-Krimi-Reihe »Bayerisch Öd - Mörderische Provinz« um die mobile Krankenschwester Karin Kerschbaumer, die ein Händchen für Mordermittlungen hat.

Zur Serie: In Bayerisch Öd, dem kleinen Dorf am Rand des Bayerischen Walds, kennt Karin Kerschbaumer einfach jeden - und jeder kennt sie. Als mobile Krankenschwester kommt sie schließlich überall herum. Leider begegnet sie auf ihrer Route nicht nur Patienten, sondern findet auch das ein oder andere Mordopfer. Bei ihren Ermittlungen kann sie immer auf die Hilfe ihrer besten Freundin Moni und ihres Sohnes Bene zählen. Und auch mit Dorfpolizist Michael tauscht sie ab und zu »Ermittlungsgeheimnisse« aus. Denn scheinbar hat sie ein Talent dazu, Mordfälle aufzuklären, bei denen die Polizei im Dunkeln tappt ...

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Bayerisch Öd – Die Serie

Über diese Folge

Titel

Prolog

Oans

Zwoa

Drei

Viere

Fümfe

Sechse

Sieme

Achte

Neine

Zehne

Älfe

Zwäilfe

Dreizehne

Vierzehne

Fuchzehne

Sechzehne

Siebzehne

Achzehne

Neinzehne

Zwanzge

Oanazwanzge

Zwoarazwanzge

Dreiazwanzge

Vierazwanzge

Fümfazwanzge

Sechsazwanzge

Siebmazwanzge

Achtazwanzge

Epilog

Über den Autor

Impressum

 

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Bayerisch Öd – Die Serie

In Bayerisch Öd, dem kleinen Dorf am Rand des Bayerischen Walds, kennt Karin Kerschbaumer einfach jeden – und jeder kennt sie. Als mobile Krankenschwester kommt sie schließlich überall herum. Leider begegnet sie auf ihrer Route nicht nur Patienten, sondern findet auch das ein oder andere Mordopfer. Bei ihren Ermittlungen kann sie immer auf die Hilfe ihrer besten Freundin Moni und ihres Sohnes Bene zählen. Und auch mit Dorfpolizist Michael tauscht sie ab und zu »Ermittlungsgeheimnisse« aus. Denn scheinbar hat sie ein Talent dazu, Mordfälle aufzuklären, bei denen die Polizei im Dunkeln tappt …

Über diese Folge

Als die mobile Krankenschwester Karin zu einem Notfall gerufen wird, hat sie definitiv nicht damit gerechnet, dass es sich dabei um ein entführtes Ferkel handelt. Was für eine Sauerei! Als sie der Sache auf den Grund gehen will, stolpert sie plötzlich über eine Leiche. Karins Einschätzung als Krankenschwester lautet: Mord! Doch der Dorfpolizist Michael weigert sich, ihr Einzelheiten zum Fall zu verraten. Also macht sich Karin eben selbst auf die Suche nach dem verschwundenem Ferkel und gerät dabei ins Visier eines gefährlichen Mörders …

FELIX VALENTIN

DAS ENTFÜHRTE FERKEL

Prolog

»Lass mich rein, kleines Schweinchen!«

»Wer bist du?«

»Ich bin der böse Wolf.«

»Was hast du mit mir vor?«

»Ich bringe dich an einen Ort, an dem es warm und gemütlich ist. Und kein Mensch dir jemals an den Kragen will.«

»Au ja, grunz, grunz, komm rein, guter böser Wolf. Und ich will auch alles tun, was du von mir willst.«

»Wusste ich es doch, dass du ein braves kleines Schweinchen bist. Da fällt mir ein, kleines Schweinchen, was hast du eigentlich für eine Blutgruppe?«

»Null negativ.«

»Gut so. Bist ein feines Schweinchen.«

Oans

»Sag dem Hinterhuberbauern, er kann mir mal einen Schuh aufblasen«, antwortete Karin. Nach dem sechsten Tag hintereinander im Dienst war von der obligatorischen Engelsgeduld, die ihre Patienten der mobilen Hauskrankenpflegerin nachsagten, nicht mehr allzu viel übrig.

Ihre Pflegedienstleiterin flötete in das Handy: »Aber Karin, was ist denn das für eine Arbeitseinstellung? Außerdem waren dem Hinterhuberbauern sein Großvater und deine Mutter miteinander verwandt, weil sie doch über die Bürgermeisterin verschwägert waren oder so.«

Gott, sind wir das in einem kleinen Dorf nicht alle? Miteinander verwandt! Bei der ganzen jahrhundertelangen Inzucht in einer so kleinen Gemeinschaft war es kein Wunder, dass sie noch immer nicht den richtigen Mann gefunden hatte, fand Karin und erwiderte: »Ach, wenn du meinst, Reinhilde, dann schaue ich bei meinem Lieblingscousin und seinem senilen Vater noch schnell auf einen Sprung vorbei. Dienst ist Dienst, und Schnaps ist Schnaps!«

Damit konnte sie auch diesen Abend endgültig abschreiben.

»Wusste ich doch, dass ich mich auf dich verlassen kann, meine Liebe«, meinte daraufhin ihre Vorgesetzte in einem Tonfall, der an Schlagsahne auf Essiggurken erinnerte. Wenn Karin eines nicht ausstehen konnte an ihrer Chefin, dann war das deren extreme Affektiertheit. Das Leben einer mobilen Hauskrankenschwester war so schon kompliziert und stressig genug. Jeder und jede glaubte, ihr den Beruf erklären zu müssen. Darin unterschied sie sich wohl in nichts von Lehrerinnen und Bundestrainern jeglicher Nation. Wer will heute noch Krankenschwester werden?, fragte sie sich – oder wie die offizielle Bezeichnung lautete: examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin?

Bei diesen mittelalterlichen Dienstzeiten war es kein Wunder, dass in früheren Jahren ausschließlich Nonnen ihr Leben der Pflege der Kranken und Schwachen verschrieben hatten. Die frommen Frauen in ihren Klöstern stellten wohl keine besonderen Ansprüche an ein Privatleben und brauchten sich auch nicht vor Scheidungen zu fürchten. Manchmal fühlte sich Karin eins mit den Klosterschwestern, die in ihrer Lage ganz sicher dieselbe Entscheidung getroffen hätten. Karin wünschte ihrer Chefin »ebenfalls einen schönen Abend« und drückte sie auf dem Handy weg; unbewusst hob sie die Schultern. Wer will an einem Sonntagabend um sieben Uhr schon zu Hause sein? Man könnte jetzt auch grillen!, fiel ihr ein. Oder einfach nur den Tatort im Fernsehen anschauen. Gemeinsam mit Benedikt, ihrem siebzehnjährigen Sohn, den sie geboren hatte, als sie selbst gerade einmal siebzehn Jahre alt gewesen war. Aber wahrscheinlich war der Junge wieder einmal ausgeflogen und lernte für die Abivorbereitungen gemeinsam mit dieser Ilona, die die Algebra anscheinend noch immer nicht kapiert hatte. Ziemlich begriffsstutzig, diese Mitschülerin aus der Parallelklasse am Griechischen Gymnasium in Bayerisch Öd, einem Luftkurort im tiefsten Bayerischen Wald, in dem Fuchs und Hase einander Gute Nacht sagten. Kein Wunder, dass sich hier die pubertierenden Mädchen auch heutzutage noch bevorzugt in Jungs verliebten, die einen Führerschein besaßen. Im Grunde genommen hatte erst das Automobil in ihrer Gegend die Inzucht Schritt für Schritt abgeschafft, dachte sie, startete den Motor und fuhr los. Die alte Kiste klapperte seit Monaten am Auspuff. Über einen Feldweg kürzte Karin die Strecke ab, die Reifen wirbelten jede Menge Staub auf, und sie erreichte die Landstraße, die am Sonntagabend ungenutzt brachlag.

Das war einer der Vorteile am Leben auf dem Lande – der freie Verkehr. In Bayerisch Öd und Umgebung ließ sich fahren und parken, wie das Herz es begehrte.

Dann folgte eine unbefestigte Straße, die Ähnlichkeit mit einem Trampelpfad besaß. Karin schaltete in den zweiten Gang, trat ein letztes Mal ordentlich aufs Gas und erreichte den abgelegenen Hof der Familie Hinterhuber am Waldrand. Kraftvoll zog sie die Handbremse an.

»Karin, ich bin ja so froh, dass du da bist!«, stöhnte ein Mann, der ihr durch die Haustür entgegenlief.

Sie öffnete die Fahrertür, stieg aus und stand dem Angehörigen des Patienten gegenüber – ihrem Großcousin. »Paul«, rief sie seinen Namen, »dein Gesicht sieht ja aus wie eine Schlachtplatte von der Metzgerei Moni.« Mehr mit Verwunderung als Entsetzen betrachtete sie seine blutige Nase, gegen die er ein Taschentuch presste. Mit angstvoll flehenden Augen sah er sie durch seine verbogene Brille hindurch an.

Paul war schon immer ein ängstlicher Typ gewesen, der sich im Zweifelsfall Schützenhilfe von Karin geholt hatte. Daran hatte sich bis heute kaum etwas verändert. In der dritten Klasse hatten sie sogar nebeneinander gesessen, und Paul hatte sich damals auch noch in sie verliebt. Wahrscheinlich hatten ihm die kupferroten Haare und die grünen Augen gefallen, mit denen sie aus der Menge der anderen Mädchen herausstach. Karin brach ihm seinerzeit das Herz, als sie ihm mitteilte, dass sie einen Mann mit einem Bauernhof niemals heiraten werde. Außerdem waren sie miteinander verwandt! Karin trug zudem Hosen, was sie ebenfalls von den anderen Mädchen unterschied. Dass sie eines Tages ihre eigene Boutique mitten in Bayerisch Öd eröffnen würde, daran hegte sie keinen Zweifel. Sie wollte darin Klamotten verkaufen, die Frauen weniger spießig wirken ließen als Trachtengewänder und Schürzen, wie ihre Mütter und Großmütter sie trugen. Im Grunde genommen liebte Karin schon damals ihre Heimat, aber sie wünschte sich eine moderne Version von Bayerisch Öd herbei. Immerhin bin ich ja eine moderne Krankenschwester geworden, beschwor sie sich in Situationen wie dieser.

»Du musst schnell kommen! Die Itta, sie bringt den Opa noch um!«, jammerte Paul Hinterhuber.

Ehe sie eine weitere Frage stellen konnte, vernahm Karin ein Kreischen im Hintergrund. Das Organ eines Greises, der verzweifelt um Hilfe wimmerte, schloss sich an.

Schläge gegen die Tischplatte ließen Karin erstarren, als sie die Stube betrat. Itta, die 24-Stunden-Betreuerin des alten und dementen Bauern, hämmerte mit Fäusten verzweifelt auf den Tisch, in ihren Augen der irre Ausdruck einer rächenden Medea aus der griechischen Tragödie, deren Zorn nichts und niemand zu entgehen vermochte. Karin drängte sich zwischen die robuste Pflegerin und den Landwirt, der nur mit seinem Schlafanzug, Windelhosen und Pantoffeln dastand und dabei völlig hilflos wirkte. Bei Karins Anblick ließ Itta für Sekunden vom Küchentisch ab, der ganz schief und nur noch auf drei Beinen stand.

»Wer ist die Verrückte?«, schimpfte der alte Bauer. »Pauli, bring das narrische Weib weg … Pauli, wo bist du?«, sprach er in tiefstem bayerischen Dialekt.

Karin fuhr die Pflegerin an: »Was fällt dir ein, Itta? Bist du denn von allen guten und bösen Geistern verlassen?«

Paul kümmerte sich um seinen Vater.

»Die Narrische hat mich einfach angegangen«, schilderte der Greis seinem Sohn. »Die muss weg. Aber schnell!« Und er bekreuzigte sich wie ein Klosterbruder; dabei hatte der alte Einödbauer zeitlebens zu den Anhängern der Vorbeimesse gehört, die sonntags direkt im Wirtshaus »neben der Kirche vorbei« bei Weißbier und Brezen zelebriert wurde.

Seit zwei Jahren litt der Witwer nun schon unter Alzheimer-Demenz und konnte sich innerhalb von wenigen Minuten nicht mehr daran erinnern, was er gerade eben gesagt oder getan hatte.

Itta war über eine Pflegeagentur bestellt worden, die Paul junior im benachbarten Tschechien gefunden hatte. Die junge Frau hatte sich als wahrer Glücksfall erwiesen. Und schon kurz nach der Bestellung der 24-Stunden-Betreuerin kursierten Gerüchte im Dorf, dass auch der junge Hinterhuberbauer in der stämmigen, vollbusigen Tschechin mit den tätowierten Augenbrauen und den Botoxlippen einen wahren Engel gefunden hatte. War auch Zeit geworden, dass der Fünfunddreißigjährige endlich von seiner Jungfräulichkeit erlöst wurde, hatten böse Zungen im Dorf behauptet.

Allgemein gab es seit der Jahrtausendwende ein ›Junggesellenproblem‹ im Dorf, wie selbst der Bürgermeister, der hochwürdige Herr Pfarrer und die tratschsüchtige Bäckersgattin festgestellt hatten. Die jungen Frauen lernten Berufe oder studierten in der Stadt und machten sich über kurz oder lang rar. Zurück blieben die heiratsfähigen Männer mit ihren Höfen und Häusern, die sie von ihren Eltern geerbt hatten. Allmählich kristallisierte sich im ländlichen Bayern damit eine Situation heraus, die jener in China glich, wo drei Junggesellen auf eine einzige mehr oder weniger heiratswillige Frau kamen. Gott sei Dank gab es hinter der tschechischen Grenze noch genügend Bordelle; der Grenzverkehr sorgte hier für die nötige Entlastung.

Paul senior beruhigte sich rasch. Paul junior, der anscheinend eine Ohrfeige hatte einstecken müssen, versorgte sich selbst aus dem Verbandskasten und drückte dann ein Cool-Pack seitlich an die lädierte Nase. Er hatte wieder einmal Karin gerufen – genau wie er es schon in ihrer Schulzeit gemacht hatte.

Itta saß am Küchentisch, weinte und schluchzte erbärmlich in ein Stofftaschentuch, das eigentlich dem alten Bauern gehörte. Ihre Not, Verzweiflung und Wut mussten übermenschliche Größe angenommen haben; die junge Frau ekelte sich nicht einmal mehr vor dem tausendmal bei dreißig Grad gewaschenen Stofftuch des alten Bauern, in das wahrscheinlich bereits dessen Vater und Großvater geschnäuzt hatten. Im Hintergrund lief wie immer das alte Küchenradio; Bayern 3 spielte einen Klassiker der Rolling Stones: »Angie«, wimmerte Mick Jagger, »Angie …« Ittas Tränen flossen in Strömen, Karin hielt sanft die Hände der jungen Betreuerin und sah ihr in die geröteten Augen, in denen sich tiefe Trauer widerspiegelte.

»Danke, Karin«, Itta seufzte, »danke, dass du gekommen bist.«

»Schon gut, Freizeit ist sowieso überbewertet. Was ist denn passiert, Itta?«

»Ich lebe mit Mörder … Killer … in einem Haus …«, erklärte Itta.

Paul junior setzte sich in sicherer Distanz zu seiner Verlobten: »Ich schwör dir, der Opa war das aber nicht. Der ist zu so was gar nicht mehr fähig. Schau ihn dir doch an, meine geliebte Taube.«

Karin überlegte fieberhaft, in welchen Konflikt sie nur hineingeraten war – und plötzlich kam ihr ein Gedanke: »Wo ist denn eigentlich das kleine Fräulein Piggy? Eure süße kleine Schweinedame!«

»Weg!«, klagte Itta. »Sie haben totgemacht meine süße Liebling«, sprach sie in ihrem gebrochenen Deutsch und deutete einen Kehlschnitt an ihrem Hals an. »Ich hasse diese Männer!«, schrie sie zu Paul junior und senior »Bauern wollen immer nur Tiere tot machen, weil Bauern nur an Fressen denken!«

Der Alte schien bereits die Auseinandersetzung vergessen zu haben und redete auf Karin ein: »Entschuldigen Sie, Fräulein, haben Sie vielleicht meine Hannah gesehen? Wir sind nämlich beide nicht von hier«, erklärte er in seinem schönsten Hochdeutsch. »Meine Frau und ich, wir war’n noch nie in der Stadt.«

»Schon gut, schon gut, Opa«, sagte Paul. Seit der in kurzer Zeit um Jahrzehnte gealtert war, nannte er ihn groteskerweise »Opa«; wahrscheinlich seine Art, mit der neuen gesundheitlichen und geistigen Situation seines Vaters fertig zu werden. Zumindest war das Karins Erklärung für das Verhältnis zwischen den beiden, das nun durch die Krankheit eine andere, eine neue Qualität erlangt hatte. Alzheimer-Demenz verändert nicht nur die Kranken, sinnierte sie und seufzte leise in sich hinein.

»Meine Fräulein Piggy ist weg«, erklärte Itta. »Nicht mehr da … und die beiden Halunken nicht wollen zugeben, dass sie sie verkauft haben an Metzger-Moni, oder sie haben selbst umgebracht meine Schatz …«

Karin richtete sich an Paul junior: »Meine Chefin hat gemeint, dein Papa hat sich an seinem Diabetiker-Fuß verletzt. Ich dachte, ich bin gerufen worden, um eine Amputation durchzuführen. Aber davon war hier niemals die Rede.«

Paul lächelte sie voller Verlegenheit an: »Was hätte ich deiner Chefin denn sonst sagen sollen, Karin? Außerdem habe ich mir gedacht, dass du und die Itta das einfach besser miteinander klären könntet – so von Frau zu Frau, eben! Das hat doch auch irgendwie mit deinem Beruf zu tun. Immerhin beschuldigt Itta den Opa, und der Opa ist schließlich dein Patient. Also musst du dich um die Sache einfach kümmern!«

Auf dem Hinterhuberhof wurden in dritter Generation Ferkel gezüchtet. Paul junior hatte den Betrieb vor zehn Jahren übernommen und endgültig auf Bio-Landwirtschaft umgestellt. Glückliche Schweine für glückliche Menschen, so lautete die Philosophie. Im Februar hatte eine der Muttersauen sämtliche ihrer Ferkel gleich nach der Geburt gefressen. Nur Fräulein Piggy kam durch eine Fügung des Schicksals davon, weil Paul sie rechtzeitig fand. Anfangs wussten Senior und Junior nicht recht, was sie nun mit einem einzigen, mutterlosen Ferkel anfangen sollten, da die anderen Sauen noch trächtig waren. Sie brachten es auch nicht übers Herz, mit Piggy kurzen Prozess zu machen. Itta verliebte sich dann auch noch beim ersten Blick in das kleine zartrosa Geschöpf mit der feuchten kleinen Schnauze. Fortan fütterte sie Fräulein Piggy mit der Flasche und bestand darauf, dass das Tier bei ihnen im Haushalt lebte – wie ein kleiner Hund. Sie besaß sogar eine Leine, und Piggy hörte auf ihren Namen. Und das Schlachtgewicht würde sie ohnehin erst in drei bis vier Monaten erreichen.

»Wir haben uns gestritten«, sagte Itta zu Karin.

»Worüber?«

Paul junior versuchte sich zu erklären: »Ich habe gesagt, das Vieh kommt mir nicht auch noch mit zu uns ins Bett.«

»Und ich habe gesagt, Fräulein Piggy hat Angst bei Gewitter und darf in Bett von uns schlafen.«

»Mit dem Ergebnis, dass die Sau die ganze Nacht dann bei mir gelegen ist! Ich habe keine Sekunde lang ruhig schlafen können.«

»Du haben geschnarcht wie Holzfällersäge!«

»Hab ich nicht!«

»Du hast Piggy umgebracht mit Bolzenschuss.«

»Ich hab sie nicht umgebracht! Ich wäre zu so was doch gar nicht fähig!«

»Wohin ist Fräulein Piggy verschwunden dann? Wo sie sein?«

»Ich weiß es nicht, meine Taube, ich weiß es wirklich nicht. Ich schwöre es.«

»Dann haben er … altes Monster, Fräulein Piggy mit Messer einfach tot gemacht!« Sie deutete mit dem Zeigefinger wieder auf den Dementen, der es sich neben dem Herd auf einem Sessel bequem gemacht hatte und eine Katze liebkoste, die auf seinem Schoß Platz genommen hatte. Unvorstellbar, dass dieser alte Mann, der den Charme eines Jungen ausstrahlte, einem Tier Gewalt antun konnte.

Paul junior gestikulierte mit den Händen. »Schau dich um, siehst du hier irgendwo einen Tropfen Blut, mal abgesehen davon?« Er hielt ihr demonstrativ die Nase hin und zeigte ihr das Taschentuch.

»Du hast mein Piggylein draußen im Wald ermordet und Fleisch verfüttert an Hunde …«

»Aber ich hab doch nichts … ich war es nicht. Ich war es einfach nicht, glaub mir doch. Einmal habe ich als Achtjähriger meinem Vater dabei zur Hand gehen müssen, ein paar Kaninchen zu schlachten. Ich habe noch ein Trauma von damals. Ich bin doch froh, wenn ich mit dem Teil der Ferkelzucht nichts zu tun habe. Ich bin Bio-Bauer geworden – und kein Metzger! Ich gehöre zu den Leuten, die das nicht können!«

Die Diskussion drohte sich im Kreis zu drehen, ohne zu einem Ziel zu kommen.

Wie gerne hätte Karin jetzt ihre Lieblingsserie Tatort angesehen! Genervt hakte sie ein: »Seit wann ist Piggy denn nun überhaupt verschwunden?«

»Seit heute Morgen«, erklärte der Junior.

»Und erst jetzt ist die Situation dermaßen eskaliert?«

»Itta ist erst vor einer Stunde aus Tschechien mit dem Bus der Agentur zurückgebracht worden. Sie war das Wochenende bei ihrer Mama und ich mit dem Opa allein im Haus. Einer muss ja auf ihn aufpassen, wenn meine Taube weg ist!«, fügte er in vorwurfsvollem Ton in Richtung seiner Verlobten hinzu und legte das Cool-Pack beiseite. Das Papiertaschentuch warf er in einen Abfallkorb. Seine Nase wirkte gerade; eine Schwellung konnte Karin in seinem Gesicht auf den ersten Blick nicht ausmachen. Trotzdem sah er furchtbar leidend aus. Warum gab es eigentlich für solche Fälle keine speziellen Männer-Ärzte, die sich um die Krankheiten des starken Geschlechts kümmerten, wie Männergrippe oder andere Männerschmerzen?

»Du musst mir helfen«, flehte Paul junior, »irgendwer muss heute Nacht in unser Haus eingebrochen sein und hat Piggy verschleppt.«

Der Senior blickte zu seinem Sohn, und für einen Moment schien sein Blick klarer: »Habe ich dir nicht gesagt, du sollst die Haustür zumachen, wenn der Vorhang aufgeht, Bub?«

»Fehlt außer Piggy sonst noch was?«, fragte Karin Paul junior.

Paul zögerte, ehe er antwortete: »Nicht, dass ich wüsste. Bitte, Karin, du kommst doch überall herum in deinem Job. Du kennst so gut wie jeden im Dorf. Und jeder kennt dich. Wenn uns wer helfen kann, dann du. Ich muss wissen, wer im Haus war und was er vielleicht sonst noch gesucht hat.« Die Pose mit den gefalteten Händen und dem flehenden Blick einer Madonna wirkte authentisch, ihr Großcousin machte sich aufrichtig Sorgen.

»Es ist spät«, antwortete sie und schaute auf die Armbanduhr. »Ich habe heute noch was vor. Und vielleicht finde ich heute sogar noch was raus. Mir ist da gerade was eingefallen.«

Die drei Menschen sahen sie abermals hoffnungsvoll an.

Karin stand auf. Paul junior folgte ihr bis zur Tür.

»Bitte, Karin, du musst unbedingt rausfinden, was aus der Piggy geworden ist. Sonst ist das mit Itta schneller vorbei, als ich bis drei zählen kann. Ich liebe diese Frau und würde alles für sie tun. Und für Piggy natürlich auch. Ich bin doch kein Mörder!«

Zwoa

»Du kommst aber spät, Karin. Bist du aufgehalten worden?«

»Jetzt, wo du wieder zu Hause im Dorf wohnst, haben wir ja mehr Zeit als in den letzten Jahren. Oder hast du es dir schon wieder anders überlegt, Michael?«

»Das Hotel Mama ist schöner als gedacht«, antwortete der Mann, der bereits an einem der Wirtshaustische auf sie wartete.

»Du hast dich also schneller als gedacht in dein altes Leben wieder eingelebt. Und das alles schon am ersten Tag. Das freut mich«, neckte sie ihn und lächelte.

»Und meine Mama erst«, sagte er scherzend.

Michael trug ein blaues Polohemd, Jeans und Turnschuhe. Die Haare waren dunkelblond, fast schwarz, die grauen Augen bildeten einen angenehmen Kontrast dazu. Er besaß hohe Wangenknochen und ein markantes Kinn. Die Blicke der Männer und Frauen im Wirtshaus waren auf ihn gerichtet – und damit galt die Aufmerksamkeit automatisch auch ihr; immerhin tagte fünf Tische weiter der Frauenstammtisch. Karin kannte jede einzelne der Frauen, doch sie ignorierte heute bewusst deren neugierige Gesichter. Wahrscheinlich beneideten sie sie gerade um ihren Sitzplatz.

»Dieses Mal ist alles anders«, fuhr er fort.

»Du weißt, was ich von guten Vorsätzen halte«, sagte sie.

Er beteuerte: »Dieses Mal bin ich nicht hier, weil Weihnachten oder Ostern ist und ich meine Mama und dich besuche, sondern weil ich hier wieder fest wohne. Das ist ein ganz anderes Gefühl. Außerdem kann ich kaum erwarten mitanzusehen, was der Frauenstammtisch da drüben für eine Aktion plant.«

Sie schaute nach links und zählte ein Dutzend Frauen zwischen fünfundzwanzig und fünfzig. Sie trugen allesamt Lederhosen und betrachteten einen Koffer auf ihrem Tisch. Am Griff des Koffers schwebte ein pinker Luftballon.

Karin lenkte ihren Blick bewusst zu Michael. »Wie lange ist das jetzt eigentlich genau her, dass du damals nach München gezogen bist?«

Er überlegte, wobei Denkerfalten auf seine Stirn traten. »Fünfzehn Jahre.«