Bayerisch Öd - Der tote Casanova - Felix Valentin - E-Book

Bayerisch Öd - Der tote Casanova E-Book

Felix Valentin

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Beschreibung

Karin ist misstrauisch: Ihre beste Freundin Moni schleppt einen Schnösel an, der sich als Graf Fritz und Monis neuer Freund vorstellt. Doch ist er wirklich ein Adliger oder nur ein Schwindler? Dem Herrn von und zu will Karin mal kräftig auf den Zahn fühlen. Als sie nachts in sein Zimmer in der Pension einbricht - was tut man nicht alles im Namen der Freundschaft -, traut sie ihren Augen nicht: Jemand hat den Fritz erschlagen! Und Karin gilt prompt als Verdächtige bei der Polizei. Um ihren Namen reinzuwaschen, ermittelt Karin wieder auf eigene Faust. Diesmal allerdings ohne Monis Hilfe, denn die ist spurlos verschwunden. Sie wird doch nichts mit dem Tod des Grafen zu tun haben?

»Der tote Casanova« ist der zweite Band der Regio-Krimi-Reihe »Bayerisch Öd - Mörderische Provinz« um die mobile Krankenschwester Karin Kerschbaumer, die ein Händchen für Mordermittlungen hat.

Zur Serie: In Bayerisch Öd, dem kleinen Dorf am Rand des Bayerischen Walds, kennt Karin Kerschbaumer einfach jeden - und jeder kennt sie. Als mobile Krankenschwester kommt sie schließlich überall herum. Leider begegnet sie auf ihrer Route nicht nur Patienten, sondern findet auch das ein oder andere Mordopfer. Bei ihren Ermittlungen kann sie immer auf die Hilfe ihrer besten Freundin Moni und ihres Sohnes Bene zählen. Und auch mit Dorfpolizist Michael tauscht sie ab und zu »Ermittlungsgeheimnisse« aus. Denn scheinbar hat sie ein Talent dazu, Mordfälle aufzuklären, bei denen die Polizei im Dunkeln tappt ...

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Bayerisch Öd – Die Serie

Über diese Folge

Titel

Prolog

Oans

Zwoa

Drei

Viere

Fümfe

Sechse

Sieme

Achte

Neine

Zehne

Älfe

Zwäilfe

Dreizehne

Vierzehne

Fuchzehne

Sechzehne

Siebzehne

Achtzehne

Neinzehne

Zwanzge

Oanazwanzge

Zwoarazwanzge

Dreiazwanzge

Vierazwanzge

Epilog

Über den Autor

Impressum

 

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Bayerisch Öd – Die Serie

In Bayerisch Öd, dem kleinen Dorf am Rand des Bayerischen Walds, kennt Karin Kerschbaumer einfach jeden – und jeder kennt sie. Als mobile Krankenschwester kommt sie schließlich überall herum. Leider begegnet sie auf ihrer Route nicht nur Patienten, sondern findet auch das ein oder andere Mordopfer. Bei ihren Ermittlungen kann sie immer auf die Hilfe ihrer besten Freundin Moni und ihres Sohnes Bene zählen. Und auch mit Dorfpolizist Michael tauscht sie ab und zu »Ermittlungsgeheimnisse« aus. Denn scheinbar hat sie ein Talent dazu, Mordfälle aufzuklären, bei denen die Polizei im Dunkeln tappt …

Über diese Folge

Karin ist misstrauisch: Ihre beste Freundin Moni schleppt einen Schnösel an, der sich als Graf Fritz und Monis neuer Freund vorstellt. Doch ist er wirklich ein Adliger oder nur ein Schwindler? Dem Herrn von und zu will Karin mal kräftig auf den Zahn fühlen. Als sie nachts in sein Zimmer in der Pension einbricht – was tut man nicht alles im Namen der Freundschaft –, traut sie ihren Augen nicht: Jemand hat den Fritz erschlagen! Und Karin gilt prompt als Verdächtige bei der Polizei. Um ihren Namen reinzuwaschen, ermittelt Karin wieder auf eigene Faust. Diesmal allerdings ohne Monis Hilfe, denn die ist spurlos verschwunden. Sie wird doch nichts mit dem Tod des Grafen zu tun haben?

FELIX VALENTIN

DER TOTE CASANOVA

Prolog

»An deinen Füßen klebt Blut.«

»Aber du kannst die Leiche doch nicht einfach verschwinden lassen!«

»Warum nicht?«

»Da mache ich nicht mit! Außerdem muss ich mir die Füße waschen …«

»Komm schon. Das mit der Fußpflege hat bis morgen Zeit.«

Oans

Um ein Haar hätte es gekracht!

Karin trat auf die Bremse und riss das Lenkrad nach rechts. Der Uralt-Fiesta brach zur Seite aus. Zum Glück! Denn dadurch entging er knapp in letzter Sekunde der Kollision mit dem Sportwagen, der herangerast gekommen war. Karins Herzschlag erhöhte sich auf gefühlte einhundertachtzig pro Minute, die Drehzahl des Schrottfahrzeugs dagegen sank analog gegen null; ein Ruckeln, ein Gluckern aus dem Motorenraum, und die Maschine fiel in ein dornröschenartiges Koma. Karin Kerschbaumer, für gewöhnlich die Ruhe in Person, hämmerte mit den Fäusten gegen das Lenkrad.

»Gib doch Obacht mit deiner Schwanzverlängerung!«

Das waren die ersten Worte, die ihr nach dem Schock über die Lippen kamen. Leider hörte es der Fahrer nicht, denn der gegnerische Wagen stand weiter entfernt auf dem anderen Kartoffelacker, schräg gegenüber dem Stoppelfeld. Der Typ hatte ebenfalls eine Vollbremsung hingelegt; sein Wagen besaß jedoch ganz sicher ABS, was seinen Bremsweg, im Vergleich zu Karins, erheblich verkürzt hatte!

»Oh, mein Gott, ist Ihnen was passiert? Das wollte ich nicht!«

Der Mann stand wie durch Zauberhand vor Karins Dienstfahrzeug und klopfte gegen das Seitenfenster. Karin schluckte ihre erste Wut hinunter und stieg aus. »Lassen Sie gefälligst den lieben Gott aus dem Spiel! Fast wäre das Ihr Sarg geworden!« Sie zeigte in Richtung des tiefer gelegten orangen Boliden, dem der Mann entstiegen war. »Wie kann man mit einem solchen Aufschneiderschlitten nur über einen Feldweg so mörderisch dahinrasen? Das hier ist schließlich kein Formel-eins-Parcours! Wir sind auf dem Land.«

»Gestatten, mein Name ist Friedrich-August von Hannover zu Sachsen-Anhalt, ich komme nicht aus der Gegend und muss dabei ein wenig vom Weg abgekommen sein. Ich stamme nämlich von einem alten Adelsgeschlecht ab.«

»Ums Arschlecken hätten Sie mich umgebracht, Friedrich-August von …«

»… Hannover. Aber nennen Sie mich doch einfach Fritz, so wie die Leute in früheren Zeiten bereits meinen Urgroßvater anredeten.«

Karin hielt erst einmal den Atem an. Sie fixierte ihn von Kopf bis Fuß. Er mochte etwa in ihrem Alter sein, so Mitte dreißig. Haargel bestimmte Lage und Winkel eines jeden einzelnen seiner vollen, dunklen Haare. Er trug ein Jackett, die Ärmel hochgekrempelt, aber selbst die Flicken an den Ellbogen waren wohl bereits bei der Herstellung von Hand angenäht worden. Graf Fritz´ offener Krawattenknoten am Kragen seines pinken Hemds unterstrich zusätzlich den Nimbus einer künstlichen Lässigkeit, die auf Karin schon eher verkrampft wirkte – genau wie sein Zahnpasta-Lächeln, an dem so gar nichts echt wirkte. Zur Armani-Jeans führte er ein Paar nigelnagelneuer, weißer Adidas-Turnschuhe, die wahrscheinlich ein Vermögen gekostet hatten, an diesem Nieselregentag aus. Gummistiefel wären auf dieser nassen Wiese wohl das passendere Schuhwerk gewesen, aber Karin zweifelte, dass der Mann jemals derartig bürgerliches Schuhwerk besessen hatte. Und wenn doch, dann trugen diese Leute wahrscheinlich Versace-Gummistiefel!

Karin, der ihr ruppiger Ton peinlich war, suchte nach versöhnlichen Worten. »So alt sehen Sie noch gar nicht aus, Fritz«, um eine Verbindung zu dem legendären preußischen Kaiser Friedrich dem Großen herzustellen.

»Meine Urgroßmutter war übrigens eine Cousine der Zarin Alexandra von Russland.«

»Da haben Sie ja nochmal Glück gehabt!«, stellte Karin nüchtern fest.

»Wieso?«

»Wenn ich Sie nicht rechtzeitig gesehen hätte, dann wären Sie jetzt genauso tot wie Ihre Ur-Großcousine und der Rest des Romanows-Clans.«

»Wow!«, staunte er.

»Was?«

»Sie kennen sich ja aus. Sie haben eine Ahnung von Geschichte! Was machen Sie beruflich?«

»Ich bin examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin.«

»Also Krankenschwester?«, fragte er enttäuscht.

»Und fast hätten Sie mich während meines Dienstes in einen Arbeitsunfall verwickelt, Graf von Anhalt …«

»Fritz!«, beharrte er.

»Mir doch egal, Fritz. Wissen Sie eigentlich, was Leute wie Sie mit Ihrer selbstmörderischen Fahrweise anrichten? Ihr Führerschein ist schließlich kein Waffenschein! Denken Sie beim nächsten Mal daran, wenn Sie unterwegs sind. Wenn Sie schon mit einem Ferrari …«

»Porsche!«, korrigierte er sie. »Porsche 911!«

»Porsche 4711, oder wie auch immer!«, antwortete sie, um jegliches Imponiergehabe von seiner Seite im Vorfeld abzustellen. »Fahren Sie damit in Zukunft auf einer Rennstrecke, dann können Sie Ihre Pferde meinetwegen galoppieren lassen. Nicht umsonst ist die Versicherungsprämie im Bayerischen Wald die höchste in ganz Deutschland, wie jedes Kind hier weiß. In Bayerisch Öd unterwegs zu sein, ist nichts für Fahranfänger und Freizeit-Adel auf der Suche nach dem nächsten Kreuzzug, Fritz!«

Er lachte plötzlich.

Karin stellte sich auf Zehenspitzen. »Was ist daran so komisch?«

»Nichts.« Er strahlte sie mit seinen hellen, blauen Augen an, die anscheinend das einzige Sympathische an dem Möchtegern-Schumacher waren – wenn sie sich nicht irrte. Karin wich seinem Blick aus.

»Warum lachen Sie dann?«

»Ich lache nicht über das was Sie gesagt haben, Schwester …«

»Karin!«

»Entschuldigen Sie, Karin, Sie sollten sich einmal sehen, wie Sie dastehen. Die gestrenge Miene in Ihrem Gesicht passt so gar nicht zur Jeans, dem Poncho und …« Er blickte zu ihren Füßen. »Ich frage mich, ziehen Sie zum Autofahren immer die Schuhe aus, oder ist Barfußlaufen einfach nur so gesund?«

Tatsächlich war sie zum Autofahren aus den Sandalen geschlüpft; auf die Weise hatte man einfach mehr Gefühl für die marode Kupplung, bei der man nie so genau wusste, ob der Gang bereits drin war oder der Motor noch im Leerlauf drehte; einen Fiesta dieses Baujahrs zu fahren, erforderte ohne Zweifel ein wenig mehr an Fahrkunst, als das wahrscheinlich bei modernen Luxusfahrzeugen der Fall war, die über Extras wie LED, ASB, ESP, ABC, ACC und weiß der Teufel was verfügten, von denen Karin höchstens aus der Radiowerbung immer wieder mal nebenbei hörte.

»Ich könnte Sie anzeigen, wenn ich wollte, Graf Fritz.«

»Was Sie aber niemals tun werden.«

»Wie sind Sie sich da nur so sicher?«

Sie atmete die feuchte Septemberluft in tiefen Zügen in sich ein, von der Schnappatmung zurück zur gewohnten Bauchatmung; das beruhigte am besten.

Er holte eine Karte aus der Innentasche seines Jacketts. »Weil ich täglich mit Menschen wie Ihnen zu tun habe. Ich bin Unternehmens- und Karriereberater. Ich führe Menschen und Unternehmen zusammen. Und wenn Sie wollen, kann ich schon bald Ihr ganz persönlicher Coach werden. Dann war dieser Unfall Ihr ganz persönlicher Glücksfall, Scarlett!«

Er drückte ihr die Karte in die Hand.

»Glauben Sie mir, in Ihnen steckt viel mehr Potenzial als das einer einfachen Krankenschwester, die nur Ärsche auswischt.«

»Sie verschwenden meine Zeit.«

»Sie verschwenden Ihr Leben.«

»Wollen Sie mich jetzt bitte meine Arbeit machen lassen? Schließlich habe ich heute Abend noch was Schönes vor. Und ob Sie es glauben oder nicht, Fritz, aber ich gehöre zu den auserwählten Menschen, die das Glück haben, tatsächlich in ihrem Traumberuf zu arbeiten. – Und jetzt ziehen Sie Leine, denn der Dorfgendarm hier ist mein bester Freund seit der Grundschule. Und wenn ich will, dann kann ich Ihnen mehr Ärger machen, als Sie es je für möglich gehalten hätten.«

Graf Fritz unterliefen einige fahrige Bewegungen seiner Arme, die so gar nicht zu einem Urgroßneffen einer echten Romanow-Prinzessin passen wollten. »Na gut«, er seufzte, »nichts für ungut, Karin, schließlich ist morgen auch noch ein Tag«, zitierte er die legendären letzten Worte der Südstaatenschönheit Scarlett O`Hara im legendären Filmklassiger Vom Winde verweht.

Dann richtete er sich den Knoten seiner Krawatte, wodurch der Kulturstrick gar nicht mehr zum Bild seiner betonten Lässigkeit passte, und sprang in den Boliden.

Weg war er.

Wütend las Karin die Karte und steckte sie gedankenverloren ein. Anschließend schaute sie auf ihr Smartphone: Viertel nach zwölf – Mist! Sollte sie nicht schon seit einer Viertelstunde bei ihrem nächsten Patienten sein? Friedrich-August von Hannover zu Sachsen-Anhalt hatte sie mit seiner verantwortungslosen Raserei nicht nur beinahe ihr Leben und ihre Gesundheit gekostet, sondern auch unnötig Zeit. Sie ging in Gedanken ihre To-do-Liste durch. Vor der Mittagspause um dreizehn Uhr hatte sie noch drei Einsätze vor sich, wenn sie am Abend pünktlich bei ihrer besten Freundin, der Metzger-Moni, sein wollte. Moni hatte nämlich über eine Single-Plattform endlich ihren Traumprinzen gefunden. Karin konnte es kaum erwarten, den Glücklichen als eine der Ersten kennenzulernen. Entschlossen, den Zeitverlust wieder wettzumachen, trat sie das Gaspedal durch.

Karin musste über die Begegnung herzlich lachen und fluchte vor sich hin: »Fahranfänger!«

Zwoa

Polizeiobermeister Michael Hansen saß am Schreibtisch seines Büros im Rathaustrakt von Bayerisch Öd.

Sechs Wochen war es inzwischen her, seit er von München wieder in das Dorf zurückgekehrt war – jenes Dorf, in das seine Eltern mit ihm gezogen waren, als er sechs Jahre alt gewesen war. Dieser verwunschen scheinende Ort lag auf achthundert Metern Höhe in märchenhafter Stille; dadurch sah man selbst an einem Nieselregentag wie heute in das Tal hinab, wo die Nachbargemeinde Ober Öd lag. Im Osten lag der Böhmerwald – die Grenze zu Tschechien. Der Bayerische Wald und der Böhmerwald vereinten sich hier zum größten Waldgebirge Europas.

Šumava – so nannten die Tschechen in ihrer Sprache diese Wälder, was übersetzt die Rauschende heißt. Vielleicht, überlegte Michael, bezogen die Tschechen sich in ihrer poetischen Sprache damit auf das geheimnisvolle Flüstern zwischen den Wipfeln der Fichten, Tannen und Laubwälder. Wer dem Flüstern nur lange genug lauschte, ergründete das Geheimnis der Seele jener unberührten Natur, von der bereits der Dichter Adalbert Stifter geschwärmt hatte. Man musste nur Zeit mitbringen. Aber Zeit gab es im Leben eines Dorfpolizisten eher selten – im Gegensatz zu dem eines Dichters. Meditation war etwas für die Urlauber, die in diese Region kamen, um vor dem Lärm in ihren Städten zu fliehen.

Michael öffnete die Dose mit seinen geliebten Bratheringen in Essig und Öl. Die Kartoffeln, die er am Vorabend in einer Pfanne mit Zwiebeln angebraten hatte, erwärmte er in der Mikrowelle und legte sie zu den Heringen auf den Teller mit dem weiß-blauen Rautenmuster. Irgendwie komisch, dachte er, dieses Arrangement. Nordische Seemannskost auf bayerischem Porzellan. Eigentlich gehörte auf den Teller ein klassisches bayerisches Weißwurst-Frühstück! Bevor er einen Schluck Wasser aus dem vom Geschirrspüler trüben Weißbierglas nehmen konnte, läutete und vibrierte sein Smartphone.

»Hansen«, sprach er in den Hörer.

»Oberpolizeirat Hinterndorfer«, meldete sich sein Vorgesetzter aus Straubing.

»Guten Tag, Herr Oberpolizeirat, was darf ich für Sie tun?«

»Grüß Gott«, sagte Hinterndorfer, »wie geht’s Ihnen, Herr Polizeiobermeister? Haben Sie Ihre Versetzung schon bereut? Ist es nicht ein wenig einsam da draußen in der Einöde für einen einzelnen bayerischen Polizeibeamten?«

»In meiner Familie gab es einige Leuchtturmwärter«, antwortete Michael. »Die Affinität zu einsamen Orten liegt uns Hansens wohl im Blut.«

»Da laufen Sie bei mir offene Türen ein, Hansen, mein Großvater war Hüttenwirt im Berchtesgadener Land, auch einer, der die Einsamkeit liebte. – Herr Polizeiobermeister, uns liegen Meldungen des Landeskriminalamtes vor, wonach sich ein gesuchter Betrüger in Ihrem Einsatzgebiet aufhalten soll.«

»Wie sieht der Mann denn aus?«

»Das ist eines der Probleme an der ganzen Sache.«

»Ich verstehe nicht recht. Wie heißt der Gesuchte eigentlich?«

»Auch das ist ein Problem. Unser Gesuchter wechselt Namen und Aussehen wie andere ihre Unterwäsche. Wir jagen sozusagen ein Phantom.«

»Das klingt interessant.« Augenblicklich verflog Michaels Hunger, die Neugier überwog.

»Ist es auch, lieber Herr Kollege«, stimmte Hinterndorfer ihm zu, »das LKA sucht nach einem raffinierten Trickbetrüger.«

»Um welche Art von Betrug handelt es sich?«

Das dezente Räuspern seines Gegenübers löste bei Michael eine Vorahnung aus. »Es handelt sich um einen Mann, der Frauen betrügerische Eheversprechen macht und sie dann buchstäblich in jeder Beziehung auszieht bis auf das letzte Hemd.«

»Sie meinen einen Heiratsschwindler?«

»Einen Hallodri, wie man bei uns in Bayern sagt, der schon etlichen Frauen einige Hunderttausende Euros aus der Tasche gezogen hat. Niemand kennt die wahre Identität dieses Individuums. Und wie es aussieht, kann ich Ihnen nicht einmal ein vernünftiges Phantombild zur Verfügung stellen. Unter anderem gibt er sich auch als Kunsthändler und alles mögliche andere aus. Der Typ wechselt sogar seine Augenfarbe.«

»Wie?«

»Na, mit Kontaktlinsen, Hansen, das weiß doch heutzutage jeder, wie das geht. Er macht den Damen schöne Augen, täuscht eine vorübergehende finanzielle Notlage vor, als Sicherheit gibt er einen teuren Sportwagen an. Die Damen überweisen ihm daraufhin in ihrer Hilfsbereitschaft das Geld, und schon macht der schöne Sportwagen-Kavalier sich mir nix, dir nix wieder aus dem Weg. Und keiner weiß, wer er ist! Man weiß nur, er spricht Spanisch, Italienisch, Amerikanisch und Deutsch und hat seine Nummer bisher auf drei Kontinenten abgezogen. Er war zuletzt in München, dort soll er die Ehefrau eines Notars um Geld und Informationen gebracht haben.«

»Was schlagen Sie also vor, Herr Polizeioberrat?«

»Was war noch gleich der Grund, warum Sie von der Großstadt aufs Land wollten, Herr Hansen?« Hinterndorfer war mit einer Gegenfrage ausgewichen.

Michael antwortete zögerlich:. »Nach meinem Burnout und der Scheidung wollte ich es ruhiger angehen.«

»Sehr gut. Ich habe nämlich gute Nachrichten. Eine gewisse Kommissarin Batini, die auf der Dienststelle in Straubing sitzt, jagt dem Phänomen bereits seit zwei Jahren hinterher. Und wie es aussieht, ist die Frau ganz versessen darauf, den Heiratsschwindler höchstpersönlich zu schnappen. Da wird sie sich kaum von einem Dorfpolizisten wie Ihnen einen möglichen Ermittlungserfolg vor der Nase wegschnappen lassen. Angeblich soll sie eh schon ganz in der Nähe sein und wartet nur noch auf den richtigen Moment.«

Michael nickte; das Schöne an den Niederbayern war ihre unverblümte Offenheit. »Verstanden, Herr Oberpolizeirat.«

»Und zweitens wollte ich Ihnen sagen, dass Kommissarin Batini die Nichte von unserem Herrn Polizeipräsidenten Oberdimpfelmeier sein soll.«

»Blut ist dicker als Wasser«, schmunzelte Michael.

»Bei uns in Bayern ist die Familie heilig. Schreiben Sie sich das dick hinter die Ohren, Herr Hansen.«

»Das werde ich, versprochen, Herr Polizeioberrat.«

Michael blieb einigermaßen ratlos zurück. In Gedanken noch ganz beim Telefonat, spähte er aus dem Fenster. Der Nieselregen hatte aufgehört; die Scheibe war bis auf wenige Tropfen vom Wind getrocknet worden. Das einsam rauschende Waldgebirge in all seiner Schönheit erstreckte sich vor seinen Augen. Er fragte sich: Warum soll ein dicker Fisch dieses Ausmaßes ausgerechnet hier in diesen Wäldern nach seinem nächsten Opfer Ausschau halten? Hierher verschlug es doch nur Menschen, denen alles zu viel geworden war! Hier leben jene, die sich mit auch mit wenig zufriedengaben.

Da gab sein Smartphone einen Piepton von sich. Michael las. Die Nachricht stammte von der Metzger-Moni. »Kann es kaum erwarten, dir und der Brauerei-Babsi und der Karin meinen Traumprinzen vorzustellen. Die Karin wird bestimmt Augen machen. Habe uns um sechs einen Tisch beim Italiener bestellt. Ciao.«

Zu diesem Freundeskreis gehören zu dürfen, gehörte für Michael zu einem der Glücksfälle in seinem Leben. Schließlich hielten diese Bande seit der Grundschule. Umso mehr freute er sich für die Moni und antwortete: »Ich gönne dir dein Glück von ganzem Herzen. Bis dann. Tschüss.«

Michael widmete sich genussvoll den Bratheringen – eine Mahlzeit, die ein Sättigungsgefühl erfahrungsgemäß für drei bis vier Stunden bescherte. Er träumte von einer original italienischen Pizza mit viel Schinken, Käse und Speck, die er sich gönnen würde.

Das Gespräch mit seinem Vorgesetzten hallte in ihm nach. Wenn ein Herr Polizeirat Hinterndorfer ihm riet, in dieser delikaten Angelegenheit lieber der Nichte des Polizeipräsidenten den Vorrang zu lassen, dann konnte Michael sich getrost auf den weisen Rat seines Vorgesetzten verlassen.

»Ein echter Profi«, murmelte er leise und in Gedanken versunken.

Mahlzeit!

Drei

Karin hatte ein paar Tropfen Mandarinenöl um die Ohrläppchen der Schmied-Frieda verrieben; das wirkte gegen Depressionen.

»Für jeden kommt einmal die Zeit«, meinte die alte Frau in ihrem Bett. »Meinst du, dass ich mit meinen fünfundachtzig Jahren noch große Chancen habe, bei der nächsten Fußballweltmeisterschaft mit dabei zu sein?«

Karin hatte auf einem Sessel neben dem Bett Platz genommen; auf diese Weise brachte sie heute den ersten Teil ihrer zweistündigen, unbezahlten, Mittagspause zu. Nach dem erlittenen Schock schob sie die nächste Autofahrt noch vor sich her. Und manchmal lenkten sie die Gespräche mit ihren Patientinnen am besten ab.

»Sterben muss jeder«, stimmte Karin der Kranken zu, »aber …«

»Aber?«, hakte die Schmied-Frieda nach.

»Na ja, ich werde das nie vergessen, dass ich damals bei euch zu Hause untergekommen bin. Du wirst mir sehr fehlen.«

»Geh, Karin, das ist doch Schnee von gestern. Mein Paul und ich haben dir gern ein Zuhause bei uns gegeben. Du warst siebzehn, hast eine Lehre zur Kellnerin gemacht. Und dein Papa hat wieder mal nicht für dich sorgen können. Wie geht’s ihm eigentlich?«

»Habe ihn lange nicht gesehen.«

»Er ist halt der Sohn von meinem Mann Paul seiner Schwester Nanni. Und die Nanni war auch immer eine Feuchte, hat so gern über den Durst getrunken. Jeder zahlt dafür irgendwann die Zeche, weil nichts im Leben umsonst ist.«

»Er ist in dem Heim untergebracht, auf der Station für die Dementen, wegen seiner Alkoholdemenz. Ich schaffe es einfach nicht, ihm in dem Zustand zu begegnen. Ich halte das ganz schlecht aus, meinen Papa so zu sehen.«

»Wer kann es dir verdenken?«

Die Schmied-Frieda nahm mütterlich ihre Hand. »Jetzt weißt du, warum ich meinen Leichenschmaus lieber nicht mit der Verwandtschaft feiern will.«

Karin musste schmunzeln. »Du tust ja gerade so, als ob du dabei wärst, Frieda.«

Die Schmied-Frieda bewegte, so gut sie konnte, die Schultern. »Wenn der Herr Pfarrer recht hat, dann spricht doch gar nichts dagegen, dass ich dabei sein werde. Außerdem will ich meinen Leichenschmaus auch nicht beim Wirtshaus-Sepp in seinem alten Wirtshaus feiern. Ich will, dass du meinen Leichenschmaus bei diesem neuen Italiener ausrichtest, der letzte Woche in Bayerisch Öd sein Lokal aufgemacht hat.«

»Aber du hast doch in deinem Leben noch nie eine Pizza gegessen, Frieda.«